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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 21.06.2001
Aktenzeichen: 5 W 4/01
Rechtsgebiete: ZPO, GKG, AktG


Vorschriften:

ZPO § 5
GKG § 25 Abs. 3 Satz 1
GKG § 25 Abs. 4
AktG § 247 Abs. 1
AktG § 247 Abs. 1 Satz 2
AktG § 247 Abs. 2
Zur Streitwertfestsetzung für eine Anfechtung des Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung einer AG zum Verkauf von Aktien an einer anderen AG (§§ 25 GKG, 247 AG).
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN

BESCHLUSS

In dem Rechtsstreit ...

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter am Oberlandesgericht ... am 21. Juni 2001 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Streitwertbeschluss der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main vom 12.12.2000 teilweise abgeändert. Der Streitwert für die Anfechtungsklageanträge betreffend die Zustimmung zum Verkauf der A.-Anteile (Tagesordnungspunkt 1 zur Hauptversammlung der Beklagten vom 17. November 1999) wird auf 150.000,00 DM festgesetzt. Die Errechnung eines maximalen Gesamtstreitwerts entfällt.

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Beschwerde der Beklagten betrifft die Wertfestsetzung für die Anfechtungsklagen der Kläger zu 1., 3 und 4, mit denen sie den Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung vom 17.11.1999 zum Verkaufsvertrag mit der I. GmbH zu den Aktien der Beklagten an der A. AG als nichtig oder anfechtbar angreifen. Insoweit hat das Landgericht den Wert auf 1 Mio. DM festgesetzt, wohingegen die Beschwerde eine Herabsetzung auf 100.000,00 DM erstrebt. Die Beschwerde betrifft weiterhin die Wertfestsetzung für die Feststellungsklage der Klägerin zu 3., mit der sie die Unwirksamkeit einer Klausel des zwischen dem Vorstand der Beklagten bereits namens der Beklagten abgeschlossenen schuldrechtlichen Veräußerungsvertrags zu dem Aktienpaket geklärt haben will. Insoweit will die ausdrücklich namens der Beklagten eingelegte Beschwerde eine Heraufsetzung der Bewertung des Landgerichts von 10.000,00 DM auf 100.000,00 DM erreichen.

II. Die Beschwerde ist unzulässig, soweit sie die Heraufsetzung der Bewertung des Feststellungsantrags der Klägerin zu 3. betrifft. Denn durch eine eventuell zu niedrige Festsetzung ist die Partei, namens derer das Rechtsmittel eingelegt worden ist, nicht beschwert. Es handelt sich nicht nur um einen Rechenposten bei der Ermittlung des Gesamtstreitwerts. Denn bei der Bewertung aktienrechtlicher Nichtigkeits- oder Anfechtungsklagen sind die Werte für jede Beschlussanfechtung gesondert festzustellen (vgl. Hüffer, Aktiengesetz, 4. Aufl. 1999, § 247 Rz. 6 mit weiteren Nachweisen). Eine Zusammenrechnung nach § 5 ZPO ist ohnehin nicht erfolgt. Die Angabe, dass der Gesamtstreitwert "maximal" 1.410.000,00 DM betrage, ist nämlich nur Erläuterung und keine für eine Festsetzung taugliche Zusammenrechnung hinsichtlich der verschiedenen Beteiligungen der Kläger an dem Rechtsstreit.

Die im übrigen nach § 25 Abs. 3 Satz 1 GKG zulässige Beschwerde hat teilweise Erfolg.

Für die Festsetzung des Werts der Beschlussanfechtung zur Veräußerung der A.-Anteile kann entgegen der Ansicht des Landgerichts der mögliche Grenzwert des § 247 Abs. 1 AktG nicht als "Regelwert" angenommen werden, sondern es ist ­ was das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zunächst abstrakt zutreffend darstellt ­ zur Ausübung des billigen Ermessens die Bedeutung der Entscheidung für die Parteien zu berücksichtigen (§ 247 Abs. 1 AktG). Die Interessen der Kläger werden dabei beeinflusst durch die Höhe ihrer jeweiligen Beteiligungen an der Beklagten und die für diese durch die Veräußerung befürchteten Nachteile. Geht man von einem vorgestellten mittleren Nachteil der Beklagten von 536 Mio. DM aus, der sich aus der Gegenüberstellung des Verkaufpreises und der Werte des Gutachtens der Wirtschaftsprüfer Kröll und Krämer (Bl. 410 d. A.) ergäbe, führte dies zu einem Nachteil je Anteil von 14,05 DM. Dieser Betrag kann aber allenfalls zu einer Bestimmung von Größenordnungen dienen, denn die vermeintlichen Nachteile bei der Beklagten spiegeln sich nicht anteilig im Vermögen des Aktionäres wieder. Es ist darüber hinaus noch zu beachten, dass die Anfechtung nur mit 50% eines Schadensersatzinteresses zu bewerten ist, wie dies der Senat bereits früher (KostRspr. § 247 AktG Nr. 9) geäußert hat (zustimmend Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. Aufl., 1996, Rz. 168; ablehnend Anders/Gehle, Streitwertlexikon, 3. Aufl. 1998, "Anfechtungsklagen" Rz. 7). Das Interesse der einzelnen Kläger dürfte danach einen Betrag von 100.000,00 DM kaum übersteigen.

Das Interesse der Beklagten an der Veräußerung der A.-Anteile hat diese mit der Beseitigung einer Hinderung ihrer Geschäfte durch die andauernden Bemühungen ihres Hauptaktionärs ­ nahezu 50% der Anteile ­ angegeben, die Anteile an der Beklagten zu veräußern, wobei die Höhe befürchteter Schäden offen geblieben ist. Das Interesse ist auch angesichts der Bedeutung dieser Anteile im Portfolio der Beklagten (Bl. 5 d. A.) in einer 100.000,00 DM deutlich übersteigenden Größenordnung zu bewerten. Es ist nicht auszuschließen, dass es sogar die vom Landgericht angenommene Größe von 1 Mio. DM erreicht. Das Grundkapital der Beklagten beträgt 191 Mio. DM.

Aus § 247 Abs. 1 Satz 2 AktG folgt nicht, dass grundsätzlich das höhere Interesse der Beklagten maßgeblich sei, sondern es ist eine wertende Ermittlung einer Zwischengröße vorzunehmen (vgl. Senat KostRspr § 247 AktG Nr. 9, Schneider/Herget, wie oben Rz. 166, Anders/Gehle, wie oben, Rz. 8). In der Rechtsprechung ist die Tendenz zu beobachten, sich weitgehend den niedrigeren Interessen des Aktionärs anzunähern (vgl. mögliche Bewertungspauschalen bei Schneider/Herget, wie oben). Dem entspricht die bisherige Bewertungspraxis des Senats, die ihre Wurzel in dem Bestreben hat, ungeachtet der durch § 247 Abs. 2 AktG bereits geschaffenen Möglichkeiten bei Klagen gegen Beschlüsse von Großgesellschaften den rechtsstaatlichen Schutz nicht mit allzu großen Risiken zu belasten. Dementsprechend kommt es nur zu einer eher mäßigen Anhebung der durch die Klägerinteressen bestimmten Größenordnung auf 150.000,00 DM. Bei der notwendigen Bestimmung des Zwischenwerts waren auch Aspekte der Rechtssicherheit zu berücksichtigen, die eine Orientierung an der bisherigen Bemessungspraxis des Senats nahe legen.

Die Entscheidung ist gemäß § 25 Abs. 4 GKG gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.



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