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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 24.06.2009
Aktenzeichen: 5 WF 139/09
Rechtsgebiete: FGG, BGB


Vorschriften:

FGG § 50 Abs. 5
FGG § 67a
BGB § 1835
Art und Umfang der Tätigkeit des Verfahrenspflegers und Höhe seines Vergütungsanspruchs.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Offenbach am Main vom 7.5.2009 dahingehend abgeändert, dass für die Zeit vom 16.1.2008 bis 24.9.2008 insgesamt eine Vergütung in Höhe von 486,86 EUR festgesetzt wird.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Beschwerdewert: 327,51 EUR.

Gründe:

Im vorliegenden Verfahren geht es um den Vergütungsanspruch des vom Amtsgericht in einem Sorgerechtsverfahren bestellten Verfahrenspflegers.

Das Amtsgericht - Familiengericht - hat in dem vom Jugendamt angeregten Verfahren zur Einleitung familiengerichtlicher Maßnahmen bezüglich der Kinder A und B den Beschwerdeführer mit Beschluss vom 7.1.2008 als Verfahrenspfleger bestellt. Dieser nahm am Termin vom 3.4.2008 teil, in dem die Kindesmutter sich unter anderem damit einverstanden erklärte, dass bezüglich A sozialpädagogischer Förderbedarf festgestellt werde. Das Verfahren wurde vom Amtsgericht zunächst für die Dauer von 6 Monaten auf Wiedervorlage verfügt.

Der Verfahrenspfleger war in der Folgezeit weiter tätig und nahm unter anderem in der C-Schule in O1 Gespräche am 4.4.2008 und 30.5.2008 sowie einen Termin am 21.4.2008 wahr. Wegen der weiteren Tätigkeiten wird auf die der Abrechnung vom 25.2.2009 beigefügte detaillierte Tätigkeits- und Kostenaufstellung Bezug genommen. Unter dem 4.9.2008 teilte er dem Familiengericht die Entwicklung seit dem letzten Termin mit und empfahl das Verfahren abzuschließen. Nachdem das Jugendamt ebenfalls keine Einwände gegen einen Verfahrensabschluss erhob, beendete das Amtsgericht das Verfahren mit Verfügung vom 22.9.2008.

Für seine Tätigkeiten im Zeitraum vom 16.1.2008 bis 24.9.2008 stellte der Verfahrenspfleger seine Aufwendungen und seine Vergütung mit insgesamt 486,86 EUR in Rechnung. Hierzu beanstandete der Bezirksrevisor beim Landgericht Darmstadt, dass die nach dem Termin vom 3.4.2008 vorgenommenen Tätigkeiten nicht den Aufgaben des Verfahrenspflegers zugerechnet werden könnten. Es könnten deswegen nur 235 Minuten á 33,50 EUR/Std, d.h. - incl. Auslagen und Fahrtkosten - nur 159,35 EUR berücksichtigt werden.

Das Amtsgericht hat im angefochtenen Beschluss den Einwänden des Bezirksrevisors entsprochen und die Vergütung nebst Auslagen auf 159,35 EUR festgesetzt.

Hiergegen richtet sich die als sofortige Beschwerde zu behandelnde Erinnerung des Verfahrenspflegers, die er damit rechtfertigt, dass die Begleitung des Kindes unerlässlich gewesen sei.

Die Beschwerde ist gemäß § 50 Abs. 5 FGG in Verbindung mit §§ 67a Abs. 5 S. 2 (67a Abs. 3 S. 3 FGG a.F.), 56 g Abs. 5 S. 1 FGG statthaft und auch sonst zulässig. In der Sache hat sie den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Erfolg.

Die Vergütung des Verfahrenspflegers richtet sich nach § 50 Abs. 5 FGG. Diese Vorschrift verweist auf § 67a FGG, der die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über den Aufwendungsersatz und die Vergütung eines Vormunds (§§ 1835 ff. BGB) für entsprechend anwendbar erklärt. Dabei ist die Höhe der zu bewilligenden Vergütung stets nach Maßgabe des § 1 des Gesetzes über die Vergütung von Berufsvormündern zu bemessen und aus der Staatskasse zu zahlen. Der vorliegend von dem Verfahrenspfleger geltend gemachte Stundensatz von 33,50 € steht nicht im Streit, sondern es geht hier allein um die Frage, in welchem zeitlichen Umfang die in Rechnung gestellte Tätigkeit des Verfahrenspflegers vergütungsfähig ist.

Die Aufgabe des Verfahrenspflegers besteht darin, die subjektiven Interessen des Kindes im Verfahren zu vertreten und damit der Wahrung und Verwirklichung seines Persönlichkeitsrecht aus Art 2 Abs. 1 i.V.m. Art 1 Abs. 1 GG zu dienen. Der Umfang seiner Tätigkeit umfasst deshalb die Erkundung dieser kindlichen Interessen, d.h. es zu ermitteln, welche Wünsche und Interessen das Kind bei dem jeweiligen Verfahrensgegenstand leiten. (BVerfG FamRZ 2004, 1267, 1269).

Hierzu bedarf es neben der Feststellung des Kindeswillens der Einholung die für die Interessenwahrnehmung erforderlichen Informationen. Er muss sich in erster Linie darum bemühen, mit dem Kind, dessen Interessen er zu vertreten hat, in Kontakt zu treten und sein Vertrauen zu gewinnen. Weiterhin muss er die nötigen Informationen durch Gespräche mit Bezugspersonen und beteiligten Institutionen (Kindesmutter, Jugendamt, Schulleitung usw.) sammeln, damit er die in dessen Ausführungen zu Tage tretenden Kindesinteressen erkennen und vertreten kann (vgl. OLG Ffm, Beschl. v. 5.12.2008, 5 WF 203/04; OLG Ffm, Beschl. v. 16. 4. 2008, 1 WF 68/08 (FamRZ 2008, 1364)). Welche Gespräche hierzu geboten sind, ist vom Einzelfall abhängig und entzieht sich einer pauschalisierten Betrachtung (OLG Ffm, Beschl. v. 19.3.09, 1 WF 38/09). Sofern das Gericht ihn nicht zu bestimmten Tätigkeiten ausdrücklich veranlasst, hat er Art und Umfang seiner Aktivitäten nach eigenem Ermessen selbst zu bestimmen. Hierbei ist ihm nicht zuzumuten, den zeitlichen und materiellen Aufwand seiner Tätigkeit allein zur Kostenbegrenzung so einzuschränken, dass sie letztlich mangels ausreichender Wahrnehmung der kindlichen Interessen dessen verfassungsrechtlich geschützte Rechte verletzt (BVerfG a.a.O.)

Angesichts der außerordentlichen Probleme in der Familie der Kinder, die vom Jugendamt in der Antragsschrift vom 19.12.2007 ausführlich dargestellt worden sind, war es insbesondere im Rahmen der Interessenwahrnehmung des Kindes A Aufgabe des Verfahrenspflegers, Informationen darüber zu erlangen, ob auch ohne sorgerechtliche Maßnahmen eine positive Entwicklung und Förderung des Kindes gewährleistet ist. Hierzu genügte es nicht, die Erklärungen der Kindesmutter im Termin vom 3.4.2008 zur Kenntnis zu nehmen. Entgegen der Ansicht des Bezirksrevisors war nämlich die Tätigkeit des Verfahrenspflegers mit der Wahrnehmung des Termins vom 3.4.2008 nicht abgeschlossen, da das Verfahren nicht mit diesem Termin beendet wurde. Vielmehr stand eine abschließende Entscheidung noch aus, wie sich aus der Bestimmung der gerichtlichen Widervorlagefrist ablesen lässt. Für das Gericht und damit für die Verfahrensbeteiligten hing der Ausgang des Verfahrens von der weiteren Entwicklung und insbesondere von der Mitarbeit der Kindesmutter ab. Solange das Verfahren aber noch nicht abgeschlossen war, war es in diesem Zusammenhang Aufgabe des Verfahrenspflegers, Informationen darüber zu erhalten, ob eine weitere Förderung der Entwicklung des Kindes durch die Einschulung in eine Schule für Körperbehinderte ausreichend gewährleistet ist oder ob darüber hinaus im Interesse des Kindes weitergehende familiengerichtliche Maßnahmen angezeigt sind. Schließlich haben seine so gewonnenen Erkenntnisse dazu geführt, dass er mit Schriftsatz vom 4.9.2008 dem Gericht mitteilen konnte, dass aus der Sicht des Kindeswillens und Kindesinteresses keine weiteren familiengerichtlichen Maßnahmen geboten erscheinen. Erst diese Mitteilung führte zusammen mit der nachfolgenden Erklärung des Jugendamtes zur Verfahrensbeendigung.

Der von dem Verfahrenspfleger abgerechnete Aufwand steht in innerem Zusammenhang mit der Wahrnehmung dieser besonderen Aufgabenstellung. Es mag zwar, wie der Bezirksrevisor meint, zutreffend sein, dass die Begleitung Minderjähriger zu Vorstellungsgesprächen auch Teil der Aufgaben der Sozialbehörde sein kann, entscheidend ist aber vorliegend für den Vergütungsanspruch, dass der Verfahrenspfleger nicht in deren Aufgabenbereich tätig werden wollte, sondern ausschließlich in seinem eigenen Aufgabenbereich agierte. Wenn im Annex hierzu die nach dem 3.4.2008 erbrachten Leistungen auch den Aufgabenbereich anderer Institutionen berühren, bleiben sie doch in erster Linie Teil der von ihm zu fordernden Wahrnehmung der subjektiven kindlichen Interessen und damit eine nach §§ 50 Abs. 5, 67a Abs. 5 S. 2, 56g FGG vergütungspflichtige Tätigkeit (vgl. BVerfG a.a.O.; BGH Beschl. v. 20.6.2007, XII ZB 220/04).

Bei der Feststellung des Umfangs der Vergütungspflicht ist grundsätzlich der in dem detaillierten Tätigkeitsnachweis dargestellte tatsächliche zeitliche Aufwand vollumfänglich zu berücksichtigen, insbesondere ist eine Herabsetzung auf einen durchschnittlich erforderlichen Zeitaufwand nicht zulässig (OLG Köln, Beschl. v. 10. 9. 2007, 14 WF 124/07, ZKJ 2008, 123). Nur soweit der geltend gemachte zeitliche Aufwand einer Plausibilitätsprüfung nicht standhält, ist lediglich der Aufwand zu vergüten, der aus Sicht eines sorgfältig und gewissenhaft arbeitenden Verfahrenspflegers zur Wahrnehmung der Tätigkeit als notwendig angesehen werden kann (OLG Ffm, Beschl. v. 19.3.2009; 1 WF 278/08, Beschl. v. 19.3.09, 1 WF 38/09). Anhaltspunkte, die eine wesentliche Kürzung der errechneten Vergütung rechtfertigen könnten, sind für den Senat nicht ersichtlich, weshalb der angefochtene Beschluss im Sinne der Vergütungsabrechnung abzuändern war.

Die Kostenentscheidung ergibt sich hinsichtlich der Gerichtskosten aus § 131 Abs. 1 Satz 2 KostO und im Übrigen aus § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG. Billigkeitsgründe, welche die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten gebieten würden, liegen nicht vor. Der eigene Aufwand des Verfahrenspflegers im Vergütungsfestsetzungsverfahren ist nicht erstattungsfähig.

Ende der Entscheidung

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