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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 11.11.2002
Aktenzeichen: 5 WF 196/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 769
ZPO § 574
Unzureichende Auseinandersetzung mit der Klageerwiderung kann als greifbare Gesetzwidrigkeit gewertet werden. Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Klärung der Frage der Statthaftigkeit der Beschwerde im Verfahren nach § 769 ZPO.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

5 WF 196/02

In der Familiensache

hat der 5. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Einzelrichter auf die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht- Offenbach am Main vom 23.9.2002 (Nichtabhilfebeschluss vom 1.10.2002) am 11.11.2002 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über den Einstellungsantrag an das Amtsgericht -Familiengericht- Offenbach, dass auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens mit zu entscheiden hat, zurückverwiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist Gerichtsgebührenfrei (§ 1 GKG).

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der Beschwerdewert wird auf 4.049,41 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Parteien sind seit dem 2.11.1993 geschiedene Eheleute. Aus der Ehe ist das am 9.12.1987 geborene Kind X. hervorgegangen, welches bei der Beklagten lebt. Mit Vergleich vor dem OLG Frankfurt wurde zwischen den Parteien am 5.9.1996 vereinbart, dass der Kläger ein Ehegattenunterhalt in Höhe von 460,16 EUR zahlt. Mit der vorliegenden Klage begehrt er die Herabsetzung der Verpflichtung aus dem Vergleich auf Zahlung von nachehelichen Ehegattenunterhalt beginnend ab Januar 2000 auf 0. Gleichzeitig wird beantrag, im Wege der einstweiligen Anordnung die Zwangsvollsteckung aus dem Vergleich ohne Hilfsweise mit Sicherheitsleistung einzustellen. Mit einer Stellungnahmefrist von 5 Tagen auf den Antrag auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung wurde der Beklagten die Klage am 5.9.2002 zugestellt. Aufgrund eines Versehens erfolgt sodann die nochmalige Zustellung der Klage mit nochmaliger Fristsetzung von 5 Tagen auf den Einstellungsantrag mit Verfügung vom 18.9.2002. Die nochmalige Zustellung erfolgte am 20.9.2002. Mit Schriftsatz vom 24.9.2002, bei Gericht eingegangen am 25.9.2002 erfolgte dann die Stellungnahme auf die Klage mit dem Antrag, den Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.

Zuvor wurde durch den angefochtenen Beschluss am 23.9.2002 dem Antrag vorläufiger Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung stattgegeben. Nach der Zustellung dieses Beschlusses an die Beklagte direkt am 25.9.2002 wurde mit Schriftsatz vom 26.9.2002 Beschwerde gegen den Beschluss vom 23.9.2002 eingelegt, der mit Beschluss vom 1.10.2002 nicht abgeholfen wurde.

Beschlüsse im Verfahren nach § 769 ZPO sind nach der ständigen Rechtssprechung der Frankfurter Senate für Familiensachen mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar (vgl. Familienrechtszeitung 1992, 736, Nr. 438).

Die vorliegende Beschwerde ist danach statthaft und auch im übrigen zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (793, 569 ZPO).

Die Entscheidung erfolgt durch den originären Einzelrichter (§ 568 ZPO) , da die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter erlassen wurde.

In der Sache selbst sind Beschlüsse im Verfahren nach § 729 ZPO durch das Beschwerdegericht jedoch nur beschränkt nachprüfbar (Ständige Senatsrechtssprechung a.a.O.): Sie können nur darauf überprüft werden, ob greifbare Gesetzesverstöße und grobe Ermessensfehler vorliegen.

Unter Anlegung dieser Maßstäbe erweist sich die vorliegende Beschwerde als begründet:

Es kann dahingestellt bleiben, ob ein Verstoß gegen die Anforderung, dass rechtliches Gehör zu gewähren ist, erfolgt ist. Der Beschluss vom 23.9.2002 erging vor Ablauf der mit Vfg. vom 18.9.2002 erneut gesetzten Frist zur Erwiderung, die erst am 25.9.2002 endete. An sich wäre das Familiengericht an diese gesetzte Frist gebunden gewesen, auch wenn die Fristsetzung an sich nicht erforderlich war. Auf das Beschwerdevorbringen hin ist sodann die Nichtabhilfeentscheidung vom 1.10.02 ergangen, so dass der Beklagten rechtliches Gehör gewährt worden ist.

Der Beschluss vom 23.9.2002 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 1.10.2002 ist greifbar gesetzeswidrig und danach aufzuheben. Der Beschluss vom 23.9.2002 berücksichtigt den Vortrag in der Klageerwiderung wegen seiner zeitlichen Vorgreiflichkeit nicht. Die Nichtabhilfeentscheidung setzt sich mit der Klageerwiderung unzureichend auseinander und kommt zu der falschen Wertung, dass die Begleichung sämtlicher Rückstände nicht in Abrede gestellt wird und auch nicht der Sachvortrag zum künftigen Wegfall des Unterhaltes. Dies ist nach dem Vorbringen in der Klageerwiderung nicht nachvollziehbar. Es wird hierbei in greifbarer gesetzeswidriger Form verkannt, dass in der Klageerwiderung erhebliches Bestreiten der Tatsachen, die der Schlüssigkeit der Klage zugrunde liegen, erfolgt ist.

Der Anspruch wird damit begründet, dass der Unterhalt verwirkt sei. Die Antragsgegnerin lebe seit einiger Zeit mit einem Lebensgefährten zusammen. Sie verweigere den Umgang des gemeinschaftlichen Kindes X. mit dem Kläger. Dieses Geschehen wird durch den Beklagten bestritten.

In der Klage heißt es weiter, der Kläger sei nicht mehr leistungsfähig, da er Krankengeld erhalte. Hier wird eingewandt, dass es nur eine vorübergehende Krankheit sei, welche die Wiederaufnahme der Tätigkeit nicht hindere. Dass dem so ist, zeigt die Aufnahme der jetzigen Erwerbstätigkeit des Klägers.

Der Kläger sei neu verheiratet und habe 2 Kinder adoptiert. Wie sich aus dem Adoptionsbeschluss ergibt, sind diese jetzt 16 Jahre alt. Es erscheint danach als denkbar, dass die Verteidigung der Beklagten stimmt, dass hier wegen des Vorliegens eigenes Einkommens keine Unterhaltsbedürftigkeit besteht. Seitens der Klage wird ferner angeführt, dass die Beklagte die Obliegenheit habe, nunmehr Erwerbstätig zu sein. Hier steht der Einwand der Beklagten im Raum, dass sie arbeitslos sei, keine Tätigkeit finde und nur Arbeitslosengeld erhalte.

Schließlich sind auch die offenen Rückstände zwischen den Parteien für den Zeitraum Januar 2002 bis August 2002 streitig. Bis zum Dezember 2001 seien nach den Klägervertrag keine entstanden. Für das Jahr 2002 wären sie dann auf 2431,-- EUR beziffert. Die Beklagte hingegen beziffert sie für den gesamten Zeitraum von Januar 2000 bis August 2002 auf insgesamt 12.224,-- EUR. Aus ihrer Abrechnung lässt sich ableiten, dass nicht jeden Monat eine Einzahlung durch den Kläger erfolgt sei.

Diese Gegenüberstellung zeigt , dass eine Auseinandersetzung mit der Klageerwiderung fehlt und der Satz, dass die Begleichung sämtlicher Rückstände nicht in Abrede gestellt werde und ebenso wenig der Sachvortrag zum künftigen Wegfall des Unterhaltsanspruchs offensichtlich erkennbar nicht stimmt.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ergibt sich aus der Regelung des § 574 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, da die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung erforderlich ist. Dies ergibt sich daraus, dass in der Rechtssprechung strittig ist, ob eine sofortige Beschwerde gegen den Einstellungsbeschluss statthaft ist. Dies wird zwar von der herrschenden Meinung zugelassen, es gibt aber auch eine hiervon abweichende Auffassung, die davon ausgeht, dass der dem Einstellungsantrag stattgebende Beschluss unanfechtbar sei (vgl. OLG Hamburg FamRZ 1989, S. 298).

Die Entscheidung über die erfolgreiche Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei (§ 1 GKG m. Nr. 1911ff Kostenverzeichnis). Über die außergerichtlichen Kosten wird das Amtsgericht auf der Grundlage des endgültigen Erfolgs oder Misserfolgs der Beschwerde zu befinden haben. Der Beschwerdewert bemisst sich nach dem geschätzten anteiligen Wert der Hauptsache von 1/5.

Ende der Entscheidung

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