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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 23.11.2006
Aktenzeichen: 6 U 116/01 (1)
Rechtsgebiete: GeschmMG


Vorschriften:

GeschmMG § 38
GeschmMG § 42
Zur Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruches bei der Verletzung eines Geschmacksmustergesetzes.
Tatbestand:

Die Parteien streiten über bezifferte Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung eines Geschmacksmusters. Kernpunkt des Rechtsstreits ist die Frage, ob der Klägerin durch die Bewerbung imitierter Damenarmbanduhren in einem Versandhauskatalog der Beklagten zu 1) ein Imageschaden entstanden ist, den die Klägerin auf der Basis fiktiver Lizenzgebühren für die Verbreitung des Versandhauskataloges liquidieren kann.

Die Klägerin ist eine weltweit bekannte Herstellerin hochwertiger Armbanduhren. Sie ist Inhaberin des bei der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) unter der Nummer DM/... registrierten und auch für die Bundesrepublik Deutschland geschützten Geschmacksmusters. Wegen dessen Ausgestaltung wird auf die Kopie der Eintragungsurkunde (Bl. 17 f. d. A.) verwiesen. Das Geschmacksmuster betrifft Armbanduhren, die von der Klägerin seit 1996 unter der Modellreihe "Catwalk" in Deutschland vertrieben werden. Auf die Abbildungen der Original-Armbanduhr (Bl. 19 f. d. A.) wird verwiesen. Der Preis für die Catwalk-Uhren betragen je nach ihrer Ausstattung etwa zwischen 1.000,-- und 7.500,-- €.

Die Beklagte zu 1) betreibt ein Versandhaus. Die von ihr angebotenen Artikel werden zweimal jährlich in einem ca. 1.400 Seiten starken Katalog präsentiert. In ihrem mit einer Auflage von 4,27 Millionen Stück verteilten Winterkatalog 1999/2000 (Erscheinungsdatum: Juni 1999) bot die Beklagte zu 1) auf Seite 778 unter Nr. 12 eine Damenarmbanduhr zum Preis von 39,95 DM an (Abbildung Bl. 21 d. A.). Sie hatte 230 Exemplare dieser Uhr von der Beklagten zu 2) zu einem Stückpreis von 18,95 DM erworben und davon 164 Stück abgesetzt.

Die Klägerin sieht in dem Angebot und dem Vertrieb der bezeichneten Uhr eine Verletzung ihres Geschmacksmusters. Sie behauptet, durch die massenhafte Verbreitung des Kataloges sei ihr ein Imageschaden entstanden, weil die Plagiate den Prestigewert des Originals herabsetzten. Die Klägerin berechnet diesen Imageverlust auf der Grundlage fiktiver Lizenzgebühren in Höhe von 0,02 DM pro Katalogexemplar und gelangt so zu einem Schadensbetrag von 85.400,-- DM (= 43.664,33 €).

Die Klägerin hat beantragt,

1. Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 85.400,-- DM nebst 9,26% Zinsen ab Klagezustellung zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, als Gesamtschuldner allen Schaden zu ersetzen, welcher der Klägerin daraus entstanden ist oder noch entstehen wird, dass die Beklagte zu 1) Uhren der in der Klageschrift auf Seite 3 (Bl. 4 d. A.) abgebildeten Art, welche sie von der Beklagten zu 2) bezogen hat, angekündigt, feilgeboten und in den Verkehr gebracht hat.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben unter Hinweis auf die erhebliche Preisdifferenz zwischen der streitbefangenen Uhr und den klägerischen Produkten bestritten, dass durch die Verbreitung des Versandhauskataloges überhaupt eine Marktverwirrung mit der Folge einer Imagebeeinträchtigung der klägerischen Uhr entstanden ist.

Das Landgericht hat die Beklagten gesamtschuldnerisch zur Zahlung eines Schadensersatzes in Höhe von 2.540,36 DM nebst Zinsen verurteilt und im übrigen die Klage abgewiesen. Die Höhe des zugesprochenen Schadensersatzes hat das Landgericht nach Maßgabe des Verletzergewinns berechnet. Die Beklagte zu 1) hat 164 Uhren zum Preis von 34,44 DM netto verkauft, die sie bei der Beklagten zu 2) für 18,95 DM eingekauft hat. Daraus errechnet sich eine Handelsspanne von 15,49 DM, was, mit dem Absatz von 164 Uhren multipliziert, den vom Landgericht zugesprochenen Betrag von 2.540,36 DM ergibt.

Die Berufung der Klägerin hiergegen, mit der sie allein noch einen Zahlungsanspruch weiterverfolgt, hat der erkennende Senat mit Urteil vom 15.08.2002 zurückgewiesen.

Auf die hiergegen eingelegte Revision der Klägerin hat der Bundesgerichtshof das Urteil des erkennenden Senats mit Urteil vom 23.06.2005 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Wegen der Einzelheiten der Sachdarstellung wird auf die genannten Urteile Bezug genommen.

Im neu eröffneten Berufungsrechtszug wiederholt die Klägerin ihr Verlangen nach Zahlung einer Schadenslizenz. Sie macht sich ausdrücklich die Berechnung des Schadensersatzes nach Maßgabe des Verletzergewinns, wie sie vom Landgericht vorgenommen wurde, nur hilfsweise zu eigen und betrachtet den vom Landgericht zugesprochenen Betrag als Teilerfüllung der von ihr beanspruchten Schadenslizenz. Sie verlangt einen Schadensersatz in Höhe von 2 Pfennigen für jeden der 4.270.000 verteilten Kataloge, insgesamt also 85.400,-- DM. Diesen Betrag macht sie unter Abzug der vom Landgericht zuerkannten 2.540,36 DM weiterhin geltend. Die Klägerin ist der Auffassung, ein im Wege der Lizenzanalogie zu kompensierender Schaden in Höhe von 2 Pfennig pro verteiltem Katalog sei angemessen, um den erlittenen Prestigeverlust auszugleichen. Zum Beleg für die Angemessenheit der geltend gemachten Schadensersatzlizenz beruft die Klägerin sich auf eine Reihe außergerichtlich erledigter Verletzungsfälle, in denen sie sich mit den jeweiligen Verletzern vergleichsweise auf die Zahlung eines Schadensersatzbetrages geeinigt hat. Wegen der aufgeführten Fälle im einzelnen wird auf die Anlage K 22 (Bl. 52 f. Gerichtsakte Bd. IV) Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin weitere 82.959,64 DM (entspricht 42.416,59 €) nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungsgesetztes seit dem 16.12.2000 zu zahlen.

Bezüglich der im Senatstermin nicht vertretenen Beklagten zu 2) beantragt die Klägerin den Erlass eines entsprechenden Versäumnisurteils.

Die Beklagte zu 1) beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Klägerin könne, nachdem sie den vom Landgericht titulierten Verletzergewinn als Ausgleich für den Vertrieb der streitgegenständlichen Uhren akzeptiert hat, nicht zusätzlich fiktive Lizenzgebühren verlangen. Hierin läge eine unzulässige Verquickung verschiedener Schadensberechnungsmethoden.

Jedenfalls könne ein nach Maßgabe einer fiktiven Lizenz auszuurteilender Schadensersatz nicht über den vom Landgericht bereits titulierten Verletzergewinn hinausgehen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Der Klägerin stehen gegen die Beklagten wegen der Verletzung des Geschmacksmusters an der streitgegenständlichen Uhr "Catwalk" keine über den vom Landgericht zuerkannten Betrag hinausgehenden Schadensersatzansprüche aus §§ 38 Abs. 1 S. 2, 42 Abs. 2 Geschmacksmustergesetz zu.

Dies folgt allerdings nicht bereits daraus, dass das Landgericht der Klägerin einen Schadensersatzbetrag zugesprochen hat, den es nach dem Verletzergewinn berechnet hat, und diese den Betrag akzeptiert hat, indem sie ihn von ihrer geltend gemachten Forderung abgezogen hat. Denn die Klägerin hat ausdrücklich die Verletzung des § 308 ZPO gerügt und klargestellt, dass sie von Anfang an Schadensersatz nach der Lizenzanalogie begehrt hat und das Landgericht ihr daher in der Sache etwas anderen zugesprochen hat, als von ihr beantragt war. Die Argumentation des Landgerichts hat sich die Klägerin ausdrücklich nur hilfsweise zu eigen gemacht.

Bei der Bemessung der Höhe der zu zahlenden Schadenslizenz ist nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes (Seite 12 des Urteils) zu berücksichtigen, dass die Beklagten das Geschmacksmuster der Klägerin in zweifacher Hinsicht verletzt haben, nämlich nicht nur durch die abgesetzten Uhren, sondern auch durch die Katalogwerbung. Es ist daher zu fragen, inwieweit die Parteien im Rahmen fiktiver Vertragsverhandlungen das Risiko der Minderung des Prestigewertes des nachgeahmten Produkts durch eine angemessene Erhöhung der normalerweise üblichen Lizenz berücksichtigt hätten. Denn anders als die Werbung eines "willkommenen" Lizenznehmers, die dem Schutzrechtsinhaber zugute kommt, beeinträchtigt die Werbung eines Billiganbieters den Wert des Schutzrechts zusätzlich zum Absatz. Im Rahmen dieser fiktiven Vertragsverhandlungen sind alle Umstände zu berücksichtigen, die auch bei freien Lizenzverhandlungen auf die Höhe der Vergütung Einfluss gehabt hätten (Seite 13 des Revisionsurteils unter Hinweis auf BGHZ 30, 7, 17 - X). Es sind also die Umstände und Besonderheiten des konkreten Verletzungsfalles zu würdigen.

Demgegenüber haben die von der Klägerin angeführten außergerichtlich bereinigten Verletzungsfälle keine Aussagekraft für die Entscheidung dieses Falles, weil sie jeweils maßgebende Unterschiede zu dem hier zu beurteilenden Sachverhalt aufweisen.

Im Fall A (Anlage K 11, Bl. 137 d. A.) handelt es sich um ein Versandhaus für gewerbliche Abnehmer, das in einem Katalog, der 3 Millionen Mal versandt wurde, die Nachahmung einer Cartier-Uhr angeboten hatte. Es hat pro Katalog einen Schadensersatz in Höhe von 1 Pfennig geleistet. Dieser Fall ist mit dem vorliegenden nicht vergleichbar, weil davon auszugehen ist, dass gewerbliche Abnehmer einem Katalog mit Werbegeschenken einen deutlich höheren Aufmerksamkeitswert beimessen als private Abnehmer einem Katalog mit umfassendem Angebot.

Die Fälle B (Anlage K 15), C (Anlage K 17) und D bzw. E (Anlage K 18) zeichnen sich dadurch aus, dass hier das Schmuckstück "hängender Panter" von Cartier imitiert wurde. Hierbei handelt es sich um ein außerordentlich bekanntes, auffallendes Schmuckstück, das ohne weiteres wiedererkannt wird, weshalb auch diese Fälle mit dem vorliegenden nicht vergleichbar sind.

Den Fällen F (Anlage K 14 a), G (Anlage K 16) und H (Anlage K 19) liegt jeweils eine Katalogwerbung zugrunde, in denen das Plagiat im Gegensatz zum hier zu entscheidenden Fall in deutlich herausgehobener Weise beworben wurde und daher eine höhere Aufmerksamkeit erregte.

Die Fälle I (Anlage K 12), J bzw. K (Anlage K 14), und L (Bl. 476 d. A.) weisen den Umstand auf, dass die Verletzer sich mit dem geleisteten Schadensersatz auch eine Aufbrauchsfrist "erkauft" haben. Dies ist ein Vorteil für den Verletzer, der ohne weiteres die Zahlung eines wesentlich erhöhten Schadensersatzes rechtfertigt.

Darüber hinaus weichen sämtliche Fälle von dem vorliegenden dadurch ab, dass der Zahlung ein Vergleich zugrunde lag. Es gibt vielfältige Gründe für einen Verletzer, dem Schutzrechtsinhaber bei Vergleichsverhandlungen entgegenzukommen und einen Betrag zu zahlen, der über der im Rahmen fiktiver Lizenzvertragsverhandlungen vereinbarten Summe liegt.

Bei der Beurteilung, auf welche pauschale Schadenslizenz für die Katalogwerbung sich die Parteien des vorliegenden Falles - fiktiv - geeinigt hätten, fällt die hohe Anzahl der vertriebenen Kataloge zunächst lizenzerhöhend ins Gewicht. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass nicht jeder Empfänger des Katalogs , sofern er ihn nicht bestellt haben sollte, diesen auch anschaut. Bei dem Teil der Empfänger wiederum, die den Katalog aufschlagen, blättert ein großer Teil nicht sämtliche der 1.400 Seiten durch, sondern überfliegt den Katalog entweder oder sucht gezielt nach einer bestimmten Ware. Dabei ist davon auszugehen, dass nur ein geringer Teil der Empfänger der Kataloge darin nach einer Uhr sucht. Denn die Beklagte zu 1) hat unwidersprochen vorgetragen, dass sie nur 0,5% ihres Umsatzes (also 750.000,-- DM) mit Uhren erzielt. Das heißt, dass sich unter dem Teil der Versandhauskäufer, die den Katalog der Beklagten zur Hand nehmen, um sich ein bestimmtes Angebot anzuschauen, nur ein sehr kleiner Teil von an Uhren Interessierten befindet. Dies wird auch belegt durch die geringe Absatzmenge und die geringe Zahl der bei der Beklagten zu 2) georderten Imitate.

Diejenigen, die die Seite mit dem Billigimitat der "Catwalk"-Uhr aufschlagen, sehen eine Katalogseite mit einer Vielzahl von Uhren, unter denen das Imitat in nicht hervorgehobener Weise beworben wird. Jemand der das Original kennt, wird das Imitat - trotz der Abweichungen, die ebenfalls - wenn auch marginal - lizenzmindernd zu berücksichtigen sind - allerdings als solches erkennen. Jemand hingegen, der das Original zu diesem Zeitpunkt noch nicht kennt, wird sich kaum an die Katalogwerbung erinnern, wenn er später eine echte Catwalk-Uhr sieht; so dass das Original diesem gegenüber durch die Imitatwerbung nur mit geringer Wahrscheinlichkeit einen Imageverlust erleidet.

Bei der Bemessung der Pauschallizenz ist auch die Stücklizenz für die abgesetzten Uhrenimitate in die Betrachtung einzubeziehen. Legt man in Anlehnung an die Tchibo/Rolex II-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 119, 20, 26 f.) einen Lizenzsatz von 15% zugrunde, kommt man auf eine Stücklizenz von 5,17 DM, insgesamt (multipliziert mit 164) auf 847,22 DM. Ein wesentlich höherer Absatz wäre von den Parteien auch zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vermutlich nicht ins Auge gefasst worden, da die Beklagte zu 1) nur 230 Stück bei der Beklagten zu 2) bestellt hat. Unter diesen Umständen hätten die Parteien im Rahmen fiktiver Vertragsverhandlungen neben der von der Klägerin zu beanspruchenden Stücklizenz in Höhe von 847,22 DM eine Pauschallizenz von jedenfalls nicht mehr als 1.693,14 DM vereinbart mit der Folge, dass die Berufung unbegründet ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO), weil die Entscheidung des Falles nach den Vorgaben des BGH nunmehr allein von den konkreten Umständen des Einzelfalles abhing und somit keine grundsätzliche Bedeutung hat.

Ende der Entscheidung

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