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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 22.06.2006
Aktenzeichen: 6 U 4/06
Rechtsgebiete: HWG, UWG


Vorschriften:

HWG § 3
UWG § 3
UWG § 4
UWG § 11
Zur therapeutischen Wirksamkeit der sog. "MBST-Kernspin-Resonanz-Therapie".
Gründe:

Von der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 2 in Verbindung mit § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat, nachdem der Antragsteller seinen Unterlassungsantrag durch Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform eingeschränkt hat, in der Sache keinen Erfolg.

Der Verfügungsgrund der Dringlichkeit ist gegeben. Der Antragsteller hat unwidersprochen vorgetragen, von der hier streitgegenständlichen Broschüre am 09.09.2005 Kenntnis erlangt zu haben. Da er die Antragsgegnerin am 05.10.2005 abgemahnt und den Verfügungsantrag am 14.10.2005 gestellt hat, hat er nicht so lange zugewartet, dass die Dringlichkeitsvermutung des § 12 UWG widerlegt wäre.

Widerlegt wird die Dringlichkeitsvermutung auch nicht dadurch, dass der Antragsteller bereits zu einem früheren Zeitpunkt Kenntnis erlangt hat von Aussagen der Antragsgegnerin in einer anderen Broschüre ("X-X-Broschüre") die sich ebenfalls mit der Wirksamkeit der MBST Kernspin-Resonanz-Therapie beschäftigt. Diese Broschüre, gegen die der Antragsteller ebenfalls gerichtlich vorgegangen ist, betrifft einen anderen Streitgegenstand, und zwar jedenfalls deshalb, weil die "X-X-Broschüre" einen Aufklärungshinweis auf die wissenschaftliche Umstrittenheit der Wirksamkeit von Magnetfeld-Therapien enthält. Der Senat lässt an dieser Stelle ausdrücklich offen, ob dieser Aufklärungshinweis zur rechtlichen Unbedenklichkeit der in dieser Broschüre aufgestellten Behauptungen führt. Jedenfalls führt er dazu, dass der Streitgegenstand ein anderer ist.

Der Verfügungsanspruch des Antragstellers folgt aus §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, 3 Nr. 1 HWG. Denn die Antragsgegnerin weckt durch die Äußerungen in der angegriffenen Form entgegen § 3 Nr. 1 HWG den Eindruck einer therapeutischen Wirksamkeit der KernspinResonanzTherapie, den diese nicht hat. Die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast hierfür liegt bei der Antragsgegnerin, da der Antragsteller darlegen und glaubhaft machen konnte, dass die Wirksamkeit der KernspinResonanzTherapie in den Fachkreisen umstritten ist. Diese Verteilung der Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast entspricht der gefestigten Rechtsprechung (BGH GRUR 1991, 848, 849 - Rheumalind II; OLG Frankfurt GRUR-RR 2003, 295 - Roter Ginseng).

Der Antragsteller hat die gutachterliche Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. med. SV1 in einem Verfahren (gegen eine andere Beklagte) vor dem Landgericht Flensburg vorgelegt. Dieser Sachverständige beurteilt die Magnetfeld-Therapie als nicht anerkannte Therapieform. Des Weiteren hat der Antragsteller ein Gutachten von SV2 et al. vorgelegt, das sich mit der Wirksamkeit der Magnetfeld-Therapie bei Osteoporose befasst und zu dem Ergebnis kommt, dass eine reduzierte Frakturhäufigkeit oder ein Anstieg der Knochenmasse durch die Applikation eines elektromagnetischen Feldes nicht erwiesen sei. Dies begründet zugleich Zweifel an der Wirksamkeit bei der Bekämpfung der Arthrose durch die angeblich knorpelaufbauende Wirkung der MBST-Therapie. Der Antragsteller hat des Weiteren einen Aufsatz von Prof. SV3 vorgelegt, der zu dem Schluss kommt, dass es möglicherweise Wege der therapeutischen Nutzung elektrischer und elektromagnetischer Felder gebe, hierfür aber noch sehr intensive Grundlagenforschung betrieben werden müsse. Schließlich hat der Antragsteller ein Gutachten von Prof. Dr. med. SV4 vorgelegt, das dieser für das Landgericht Stuttgart gefertigt hat und das sich mit der Wirksamkeit eines "...3000-Gerätes" befasst, welches niederfrequente Magnetfelder erzeugt. Der Sachverständige kommt zu dem Ergebnis, dass die Wirksamkeit dieses Gerätes nicht erwiesen sei.

Die von dem Antragsteller zu den Akten gereichten Unterlagen widerlegen zwar nicht die Wirksamkeit des beworbenen Therapieverfahrens, ziehen sie aber derart in Zweifel, dass es Aufgabe der Antragsgegnerin gewesen wäre, ihrerseits die Wirksamkeit glaubhaft zu machen. Dies ist der Antragsgegnerin nicht gelungen. Zwar hat die Antragsgegnerin in dem Parallelverfahren 6 U 5/06, dessen Akten beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, eine Reihe von Studien und Publikationen vorgelegt, die die Wirksamkeit der Kern-Spin-Resonanz-Therapie belegen sollen. Der Senat ist jedoch der Auffassung, dass keines dieser Dokumente den Nachweis zu erbringen vermag.

Die Studie von Prof. SV5 ist nicht aussagekräftig, weil der Aufsatz auf einer Untersuchung von nur vierzehn Patientinnen ohne Kontrollgruppe basiert und daher nicht repräsentativ ist.

Demgegenüber umfassen die Untersuchungen von SV6 et al. zwar immerhin sechzig Personen, es fehlte aber an einer Kontrollgruppe, ohne die gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse nach Auffassung des Senats nicht zu gewinnen sind.

Die Studie von SV7 et al. vom ... Institut wurde zwar mit einem Behandlungsgerät der Antragsgegnerin durchgeführt. Eingeschlossen waren 62 Rehabilitationspatienten mit Low Back Pain. Das Behandlungsgerät der Antragsgegnerin wurde aber lediglich ergänzend zu einem standardisierten Physiotherapie-Programm angewandt. Dementsprechend kommt SV7 lediglich zu dem Ergebnis, dass die MBST-KernSpinResonanzTherapie ein ergänzendes Therapieverfahren für die Rehabilitation von Patienten mit Low Back Pain sei. Über die Wirksamkeit des von der Antragsgegnerin beworbenen Verfahrens als alleinige Therapieform ist damit nichts ausgesagt.

Auch die beiden Gutachten SV8 vermögen die objektive Wirksamkeit des beworbenen Verfahrens nicht zu belegen, da sie lediglich die subjektive Zufriedenheit der Patienten dokumentieren. SV8 selbst bezeichnet die Ursache für die subjektiv empfundene Verringerung der Schmerzintensität bei den Patienten als "noch nicht geklärt".

Die Untersuchung von SV9 et al. ist nicht aussagekräftig, da sie nur 27 Patienten umfasste und keine Kontrollgruppe hatte.

Auch aus dem Gutachten von SV10 kann die Antragsgegnerin nichts für sie Günstiges herleiten. Dort heißt es im Ergebnisteil, die Wechselbeziehungen zwischen Zelle und KernSpinResonanz seien noch ungeklärt.

Das Gutachten von SV11 befasst sich lediglich mit der Funktion des Gerätes, es trifft aber keine Aussage zur Wirksamkeit der Therapie.

Ebensowenig befasst sich die Dissertation SV12 mit der Wirksamkeit der MBST; es werden lediglich Reagenzglasversuche unter Verwendung von Elektroden ausgewertet.

Die vorgelegte Äußerung von Prof. SV13 besagt lediglich, dass dieser nach Sichtung von etwa 50 Publikationen zu dem Ergebnis komme, die Wirksamkeit der Magnetfelder in den verschiedensten Gebieten der Medizin sei nachgewiesen. Hierbei handelt es sich um eine persönliche Wertung von Prof. SV13 aufgrund des ihm vorgelegten Materials, die ihrerseits einen Wirksamkeitsnachweis nicht zu erbringen vermag.

Nichts anderes gilt für das in der Berufungsinstanz vorgelegte Gutachten des Pharmakologen Prof. SV14. Auch dieses beruht nicht auf eigenen Untersuchungen, sondern stellt lediglich eine Bewertung der anderen, von der Antragsgegnerin vorgelegten Gutachten dar. Diese ergeben nach Auffassung von Prof. SV14 ein "durchweg positives Bild", wobei es sich ebenfalls lediglich um eine Meinungsäußerung, nicht jedoch um einen wissenschaftlichen Beleg handelt.

Daraus folgt, dass der Antragsgegnerin zwar nicht verboten werden kann, ihre Geräte überhaupt zu bewerben, sie darf in der Werbung jedoch nicht den Eindruck einer nachgewiesenen Wirksamkeit erwecken. Daran ändert der Umstand nichts, dass die angegriffene Broschüre zur Vorlage bei den Krankenkassen und - unstreitig - für die Anwender des von der Antragsgegnerin vertriebenen Gerätes bestimmt ist. Zwar mag es sein, dass die Krankenkassen und ein Großteil der Anwender um die wissenschaftliche Umstrittenheit der Magnetfeldtherapie wissen. Dieser Umstand erlaubt es der Antragsgegnerin nicht, entgegen den wissenschaftlichen Tatsachen die therapeutische Wirksamkeit der von ihr vertriebenen Geräte zu behaupten. Auch der skeptische Leser kann der Fehlvorstellung erliegen, nunmehr sei die Wirksamkeit der Magnetfeldtherapie belegt, was von der Antragsgegnerin im übrigen offensichtlich angestrebt wird.

Die vom Antragsteller angegriffenen Äußerungen enthalten im Kontext der Broschüre jedoch die Behauptung der nachgewiesenen Wirksamkeit.

Im Einzelnen (die Nummerierung folgt dem Tenor des angefochtenen Urteils):

1. Mit der Aussage "Neue Behandlungsform" wird der Eindruck der Wirksamkeit der MBST erweckt.

2. Das gleiche gilt für die Aussage "Das neue Verfahren zur Knorpelregeneration...". In der Verwendung des Wortes "Das" liegt sogar eine gewisse Spitzenstellungsbehauptung.

3. Indem die Antragsgegnerin von sich behauptet "einen wesentlichen Schritt" hin zu einer schmerzlosen Bewegungsfreiheit für Arthrose-Patienten getan zu haben, behauptet sie ebenfalls, die MBST sei nachgewiesenermaßen wirksam.

4. Dies gilt erst Recht für die Anweisung "ist optimal... in ihrer Wirkung".

5. Die Behauptung einer Wirksamkeit liegt auch in der Aussage, mit der MBST sei ein Verfahren entwickelt worden, das den Stoffwechsel des Knorpels stimuliere.

6. Die Behauptung der Antragsgegnerin, die MBST ermögliche es, die Magnetisierungsrichtung im Körper zu ändern, ist wissenschaftlich ebenfalls nicht belegt.

7. Die mit dem Antrag zu 7. angegriffenen Äußerungen der Antragsgegnerin zu der Frage, was die Behandlung mit MBST für den Patienten bedeutet, ist ebenfalls zu unterlassen, weil die beworbenen Erfolge wissenschaftlich nicht gesichert und schon gar nicht bei jedem Patienten zu erwarten sind.

8. Die Aussagen der Antragsgegnerin zur Wirkungsweise der KernSpin-Resonanz sind wissenschaftlich nicht belegt.

9. Auch die mit dem Antrag zu 9. angegriffene Aussage über die Wirkungen der MBST im Knorpelgewebe ist wissenschaftlich nicht nachgewiesen.

10. Unzulässig ist es auch, wenn die Antragsgegnerin mit "nachweisbaren Erfolgen" wirbt, die nicht existieren.

11. Unzulässig ist es auch, mit den nachstehend zum Antrag zu 11. wiedergegebenen Studien zur MBST-KernSpinResonanzTherapie zu werben. Zwar kann es der Antragsgegnerin nicht verboten werden, Studien gegenüber Krankenkassen zu verbreiten, die sich mit der MBST-KernSpinResonanzTherapie befassen. Bei den in der angegriffenen Broschüre wiedergegebenen Darstellung der Studien handelt es sich jedoch nicht um Zitate, sondern um eigene Berichte über durchgeführte Studien. Die Antragsgegnerin referiert hier die schon genannte Studie der Deutschen Sporthochschule in ..., durchgeführt von SV5 an nur 14 Probanden. Wenn sie unter der Überschrift "Zusammenfassung/Ziel" schreibt: "In der vorliegenden Studie wird gezeigt, dass die MBST-KernSpinResonanzTherapie bei Arthrosen und Knorpelschäden zu einer Linderung bzw. Beseitigung wie Schmerzen und Bewegungseinschränkung führen kann" so ist dies unzutreffend, weil aus der Studie von SV5 aufgrund der geringen Anzahl von Probanden ohne Kontrollgruppe dieser Schluss gerade nicht gezogen werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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