Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 13.09.2001
Aktenzeichen: 6 U 79/01
Rechtsgebiete: UWG, ZPO


Vorschriften:

UWG § 1
UWG § 13 Abs. 4
ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 91 Abs. 1
Die Muttergesellschaft muss sich das wettbewerbswidrige Verhalten einer Tochtergesellschaft zurechnen lassen, wenn sie beherrschenden Einfluss auf diese ausübt.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 79/01

Verkündet am 13.09.2001

In dem Rechtsstreit ...

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13.09.2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Antragstellerin wird das am 02.02.2001 verkündete Urteil der 11. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main abgeändert. Der Beschluss ­ einstweilige Verfügung ­ des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21.12.2000 wird bestätigt.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Eilverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Entscheidungsgründe:

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Die zulässige Berufung hat auch in Sache Erfolg.

1. Der Eilantrag ist zulässig; insbesondere fehlt ihm nicht das erforderliche Eilbedürfnis.

Die Vermutung der Dringlichkeit (§ 25 UWG) ist im vorliegenden Fall nicht dadurch widerlegt, dass die Antragstellerin ihre Berufung erst innerhalb der auf ihren Antrag hin verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet hat.

Allerdings kann ein Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist sowie die Ausschöpfung der antragsgemäß verlängerten Frist zum Verlust des Eilbedürfnisses führen (vgl. allgemein zum Meinungsstand Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Auflage, Rdz. 27 zu Kapitel 54; Pastor/Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 4. Auflage, Rdz. 36 zu § 49). Das Gesetz räumt dem in erster Instanz unterlegenen Antragsteller mit der jeweils einmonatigen Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist einen verhältnismäßig langen Zeitraum ein, um sich darüber klar zu werden, ob und mit welcher Begründung das Eilverfahren fortgeführt werden soll. Nachdem diese Fristen auch für das Eilverfahren gelten, kann dem Antragsteller zwar im Hinblick auf das Eilbedürfnis nicht vorgeworfen werden, dass er diese Fristen in vollem Umfang ausschöpft. Dagegen muss der Antragsteller, der die Dringlichkeit seines Begehrens geltend macht, regelmäßig in der Lage sein, innerhalb dieser zwei Monate seine Berufung einzulegen und ordnungsgemäß zu begründen. Mit dem Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist und der Ausnutzung der Fristverlängerung gibt er jedenfalls dann zu erkennen, dass ihm die Sache so eilig nicht ist, wenn die gesetzliche Frist nicht nur unerheblich und ohne besondere Gründe überschritten wird.

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist das Eilbedürfnis ­ gerade eben noch ­ gegeben. Zwar hat die Antragstellerin keine besonderen Gründe geltend gemacht, die unter dem Gesichtspunkt des Eilbedürfnisses eine Fristverlängerung hätten rechtfertigen können; hierzu reicht insbesondere die ­ auch in anderen Verfahren häufig geltend gemachte ­ unvorhergesehene Arbeitsbelastung des Prozessbevollmächtigten nicht aus, da bereits die gesetzlichen Berufungs- und Berufungsbegründungsfristen ausreichend lang bemessen sind, um auch diesem Umstand bei Zeiten Rechnung zu tragen. Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin die gesetzliche Berufungsbegründungsfrist jedoch letztlich nur um sechs Tage überschritten. Eine solch kurze Zeitspanne kann gerade noch hingenommen werden, um trotz (teilweiser) Ausnutzung der antragsgemäß verlängerten Berufungsbegründungsfrist das Eilbedürfnis zu bejahen.

2. Der Eilantrag ist auch begründet. Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG in Verbindung mit § 1 Preisangabenverordnung zu.

Der beanstandete Rundfunkspot Mit dem T.-I. X.-Tarif koenn'n Sie Weihnachten für 0 Pfennig telefonieren" stellt eine Werbung mit Preisen gegenüber Letztverbrauchern im Sinne von § 1 Abs. 1 Preisangabenverordnung dar. Unter diesen Begriff fällt nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteil vom 12.07.2001 ­ 6 U 38/01) auch eine Werbung, die ­ wie hier ­ einen einzelnen Preisbestandteil einer Leistung als kostenlos hervorhebt. In der Werbung hätten daher gemäß § 1 Abs. 2 Preisangabenverordnung auch die durch einen T.-I. X.-Anschluss verursachten gesprächsunabhängigen Kosten angegeben werden müssen.

Die Antragsgegnerin hat für den begangenen Wettbewerbsverstoß einzustehen. Auch wenn der Werbespot ­ wie die Antragsgegnerin erstmals in der Berufungsverhandlung behauptet hat ­ von einem norddeutschen, rechtlich selbständigen M.-M." ohne Wissen der Antragsgegnerin in Auftrag gegeben worden ist, haftet die Antragsgegnerin als Muttergesellschaft dieses M.-M.es" gemäß § 13 Abs. 4 UWG für das wettbewerbswidrige Verhalten derjenigen Organe oder Beschäftigten dieses Marktes, die die Werbung veranlasst haben.

Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteil vom 17.05.2001 ­ 6 U 23/01) muss sich eine Muttergesellschaft das wettbewerbswidrige Verhalten einer Tochtergesellschaft bzw. der Mitarbeiter dieser Tochtergesellschaft jedenfalls dann über § 13 Abs. 4 UWG zurechnen lassen, wenn sie ­ über die Funktion einer reinen Holding- Gesellschaft hinaus ­ beherrschenden Einfluss auf die Tätigkeit des Tochterunternehmens ausübt. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Die Antragsgegnerin, die an allen S."- und M.-M.en" einen Gesellschaftsanteil von 90% hält, beschränkt sich nicht allein auf die Verwaltung dieser Beteiligungen, sondern schaltet sich auch aktiv und bestimmend in die Geschäftstätigkeit ihrer Tochtergesellschaften ein.

Die Antragstellerin hat ein ­ dem Senat bereits aus anderen Verfahren bekanntes ­ Rundschreiben der Antragsgegnerin an alle M.-M.- und S.-Geschäftsführer" vom 18.03.1997 nebst Grundsätzlichen Verhaltensregeln bei wettbewerbsrechtlichen Verstößen von Konkurrenzunternehmen" vom 21.03.1997 vorgelegt. Aus diesen Anweisungen ist ­ auch wenn sie einen anderen Zusammenhang betreffen ­ unzweifelhaft zu entnehmen, dass die Antragsgegnerin die geschäftlichen Aktivitäten aller Unternehmen der M.-M./S."-Gruppe bis in die Einzelheiten bestimmt und koordiniert. Den Märkten wird in diesen Schriftstücken detailliert vorgeschrieben, dass und in welcher Weise auf in Zukunft festzustellende Wettbewerbsverstöße der Konkurrenz einheitlich und unter Einschaltung eines bestimmten Rechtsanwalts zu reagieren ist. Dadurch wird belegt, dass die Funktion der Antragsgegnerin über diejenige einer reinen Holding-Gesellschaft weit hinaus geht. Die Antragsgegnerin hat nicht nur die Möglichkeit, die Geschäftstätigkeit der einzelnen Märkte durch Weisungen zu steuern; sie macht von dieser Möglichkeit vielmehr auch tatsächlich Gebrauch.

Die Antragsgegnerin hat nichts dazu vorgetragen, dass sich die Aufgabenverteilung und die Arbeitsweise in ihrem Konzern etwa seit Versendung des genannten Rundschreibens grundlegend geändert hätte. Im Gegenteil unterstreicht der von der Antragstellerin vorgelegte Artikel aus der Wirtschaftswoche" vom 29.03.2001 die umfassende Führungsrolle, die der Antragsgegnerin in ihrem Konzern nach wie vor zukommt. In dem Artikel wird dargestellt, wie der als der M.-Mann" bezeichnete Mitgeschäftsführer Stiefel der Antragsgegnerin die gesamte Geschäftspolitik der Unternehmensgruppe bestimmt.

Dass der Inhalt des Berichts etwa völlig an der Wirklichkeit vorbeigehe, hat auch die Antragsgegnerin nicht behauptet.

Für die demnach bestehende Haftung der Antragsgegnerin nach § 13 Abs. 4 UWG ist es ohne Bedeutung, ob die Antragsgegnerin von der konkret beanstandeten Werbemaßnahme Kenntnis hatte. Soweit das Oberlandesgericht München in einem vergleichbaren Fall eine Haftung der Antragsgegnerin verneint hat (vgl. das in der Senatsverhandlung übereichte Urteil vom 26.10.2000 ­ 6 U 3182/00), vermag diese Entscheidung die Beurteilung des erkennenden Senats nicht zu ändern; dabei ist insbesondere von Bedeutung, dass dem Oberlandesgericht München nach dem Inhalt der Entscheidungsgründe das oben erwähnte Rundschreiben der Antragsgegnerin vom 18.03.1997 offenbar nicht vorlag.

Die Befugnis der Antragstellerin zur Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs ergibt sich aus ihrer unmittelbaren Betroffenheit; zwischen ihr und dem Anbieter der beworbenen Leistung besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis (vgl. BGH WRP 98, 973 ­ Fotovergrößerungen).

Der Bestätigung der Beschlussverfügung des Landgerichts vom 21.12.2000 steht schließlich entgegen der von der Antragsgegnerin in der Senatsverhandlung erstmals geäußerten Auffassung nicht entgegen, dass die im Beschluss untersagte konkrete Verletzungsform den Hinweis auf Weihnachten" enthält. Da diese zeitliche Angabe für die Beurteilung nach der Preisangabenverordnung ohne jede Bedeutung ist, erfasst der Kern des Verbots auch ansonsten vergleichbare Werbeaussagen mit einer anderen zeitlichen Beschränkung oder auch ohne eine solche Beschränkung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück