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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 13.08.2009
Aktenzeichen: 6 U 80/09
Rechtsgebiete: PAngV, UWG


Vorschriften:

PAngV § 1
PAngV § 3
UWG § 5
1. Der in der Werbung vorgenommene Preisvergleich zwischen Energietarifen ist irreführend, wenn der zum Vergleich herangezogene Tarif des Mitbewerbers für die Abnahme von Energie in der konkret genannten Menge keine wirtschaftlich vernünftige und daher ernsthaft in Betracht zu ziehende Tarifvariante darstellt.

2. Die zahlenmäßige Angabe einer bestimmten Preisersparnis stellt keine Werbung unter Angabe von Preisen im Sinne von §§ 1, 3 PAngV dar, wenn keiner der zur Berechnung herangezogenen Bezugspreise aus der Anzeige ersichtlich oder errechenbar ist.


Tenor:

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 27.2.2009 verkündete Urteil der 12. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main teilweise abgeändert.

Der Beschluss - einstweilige Verfügung - des Landgerichts Frankfurt am Main vom 23.12.2008 wird hinsichtlich Ziffer 1. des Tenors aufgehoben; in diesem Umfang wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Eilverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Gründe:

Von der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II i.V.m. 313 a I, 1 ZPO abgesehen.

Die zulässige Berufung hat hinsichtlich des Antrages zu 1. der Antragsschrift Erfolg; im Übrigen (Antrag zu 2. der Antragsschrift) ist sie unbegründet.

Antrag zu 2.:

Der Antragstellerin steht der vom Landgericht zuerkannte Unterlassungsanspruch gemäß Antrag zu 2. aus §§ 3, 5, 8 III Nr. 1 UWG zu.

Zwar widerspricht die beanstandete Werbung nicht dem Objektivitätserfordernis des § 6 II Nr. 2 UWG, da das Merkmal der Objektivität in diesem Zusammenhang nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. die Nachweise bei Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl., Rdz. 53 b zu § 6 UWG) lediglich dazu dient, Vergleiche auszuschließen, die sich aus einer subjektiven Wertung des Werbenden und nicht aus einer objektiven Feststellung ergeben.

Der mit dem Antrag zu 2. angegriffene Preisvergleich ist jedoch - worauf das Landgericht das ausgesprochene Verbot ergänzend gestützt hat - irreführend (§ 5 I 2 Nr. 1, III UWG), weil die verglichenen Leistungen erhebliche Unterschiede aufweisen, mit denen der angesprochene Verbraucher nicht ohne weiteres rechnet und auf die in der Werbung auch nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit hingewiesen wird (zur Anwendbarkeit des Irreführungsverbots auf Fälle des Preisvergleichs vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., Rdz. 55 m.w.N.).

Der verständige Durchschnittsverbraucher rechnet bei Preisvergleichen zwischen Energietarifen zwar damit, dass das werbende Unternehmen dem vorgenommenen Vergleich nicht unbedingt das günstigste Angebot des Mitbewerbers zugrunde gelegt haben wird, zumal die Frage, welcher Tarif im Einzelfall der günstigste ist, von einer Reihe unterschiedlicher Faktoren wie etwa der Vertragslaufzeit oder Abnahmemenge abhängen kann. Jedenfalls wenn der Preisvergleich - wie im vorliegenden Fall - von einer bestimmten jährlichen Abnahmemenge ausgeht, nimmt der Verbraucher aber an, dass der für den Vergleich herangezogene Tarif des Mitbewerbers für die Abnahme von Energie in der genannten Menge realistisch ist, d.h. nicht nur theoretisch vereinbart werden kann, sondern für den angesprochenen Abnehmer eine wirtschaftlich vernünftige und daher ernsthaft in Betracht zu ziehende Tarifvariante darstellt. Denn nur unter dieser Voraussetzung ist der konkrete Preisvergleich mit einem Mitbewerber überhaupt ein sinnvolles Werbeargument.

Im vorliegenden Fall kann der zum Vergleich herangezogene Grundversorgungstarif der Antragstellerin nicht als realistische Tarifvariante im dargestellten Sinn angesehen werden. Es handelt sich um den Tarif, zu dem die Antragstellerin als Grundversorgerin gemäß § 36 EnWG jeden Abnehmer mit Gas beliefern muss. Derartige Grundversorgungstarife sind unstreitig regelmäßig wesentlich teurer als die von den Grundversorgern sowie anderen Gaslieferanten ebenfalls angebotenen Sondertarife, deren Konditionen von besonderen Faktoren wie etwa der Abnahmemenge oder einer längeren Laufzeit abhängig gemacht werden können. Daher wird sich ein Verbraucher, der für seinen Haushalt Gas in den Mengen benötigt, wie er dem Preisvergleich zugrunde liegt, vernünftigerweise nicht für den Grundversorgungstarif eines Grundversorgers, sondern für einen der unter diesen Umständen stets günstigeren Sondertarife entscheiden. Diese Einschätzung wird im vorliegenden Fall nachdrücklich dadurch bestätigt, dass unstreitig 97 % der Gaskunden der Antragstellerin, die mehr als 12.000 kWh pro Jahr verbrauchen, auf das entsprechende Angebot der Antragstellerin einen anderen, günstigeren Tarif wählen. Damit kann der von der Antragsgegnerin als Vergleichsmaßstab herangezogene Tarif der Antragstellerin nicht mehr als "realistisch" im oben dargestellten Sinn angesehen werden.

Ohne Erfolg beruft sich die Antragsgegnerin darauf, dass der zum Vergleich herangezogene Tarif der Antragstellerin in der Anzeige als Grundversorgungstarif bezeichnet werde und der verständige Durchschnittsverbraucher inzwischen wisse, dass die Grundversorgungstarife der Grundversorger nach § 36 EnWG immer teurer seien als die Sondertarife des Grundversorgers oder der privaten Anbieter. Denn dem Durchschnittsverbraucher ist diese Tatsache gerade nicht geläufig. Dies vermögen die Mitglieder des erkennenden Senats, die selbst zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören, aus eigener Anschauung zu beurteilen.

Damit ist die Anzeige irreführend, weil sie dem Leser ein unzutreffendes Bild über die Preiswürdigkeit des Angebots der Antragsgegnerin vermittelt. Insbesondere richtet sich die Werbung nicht nur an die (wenigen) Personen, die der Antragstellerin tatsächlich 22.000 kWh Gas pro Jahr zum Tarif "Grundversorgung Medium" abnehmen, sondern an alle potentiellen Gaskunden, denen gegenüber sich die Antragsgegnerin in der Anzeige - mit dem Vergleich beispielhaft untermauert - als preisgünstiges Unternehmen präsentiert.

Für die Beurteilung kommt es schließlich nicht darauf an, ob die Antragsgegnerin wissen konnte, dass der fragliche Tarif der Antragstellerin bei dem in Rede stehenden Abnahmevolumen keine Rolle spielt. Abgesehen davon, dass der Unterlassungsanspruch kein Verschulden voraussetzt, waren der Antragsgegnerin die geschilderten Zusammenhänge auch bereits zum Zeitpunkt ihrer Werbung hinreichend klar.

Antrag zu 1. der Antragsschrift:

Der Antragsteller steht der mit dem Antrag zu 1. geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu. Die Antragsgegnerin ist zu den von der Antragstellerin verlangten Angaben zum Arbeits- oder Mengenpreis i.S.v. § 3 PAngV nicht verpflichtet, weil die beanstandete konkrete Anzeige nicht als Werbung "unter Angabe von Preisen" zu verstehen ist.

Es besteht kein Anlass, dem Begriff der Werbung unter Angabe von Preisen in § 3 PAngV einen anderen (weiteren) Inhalt beizumessen als in der Grundvorschrift des § 1 PAngV. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. GRUR 83, 661 - Sie sparen 4.000,- DM) stellt die zahlenmäßige Angabe einer Preisersparnis für sich allein jedenfalls dann keine Werbung unter Angabe von Preisen i.S.v. § 1 PAngV dar, wenn keiner der zur Berechnung herangezogenen Bezugspreise aus der Anzeige ersichtlich oder errechenbar ist; in diesem Fall handelt sich lediglich um eine "zahlenmäßige Konkretisierung der allgemeinen Werbebehauptung, preisgünstig zu sein" (a.a.O.).

Bei Anwendung dieser Grundsätze liegt auch hier eine Werbung unter Angabe von Preisen nicht vor. Im vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall ergab sich die in der Werbung genannte Ersparnis aus der Differenz zwischen der unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers einerseits und dem eigenen Preis des werbenden Händlers andererseits. Im vorliegenden Fall ergibt sich die genannte Ersparnis aus dem Preis des Mitbewerbers und dem eigenen Preis der Antragsgegnerin. Hierin liegt nach Auffassung des Senats kein Unterschied, der eine von der Entscheidung des Bundesgerichtshofs abweichende Beurteilung rechtfertigt. In der Mitteilung eines "reinen" Preisvorteils kann nur dann eine Werbung unter Angabe von Preisen gesehen werden, wenn diese Mitteilung zugleich einen Rückschluss auf die Höhe der vom Werbenden geforderten Preise zulässt. Dafür reicht es aber gerade nicht aus, dass - wie im Fall "Sie sparen 4.000,- DM" - der zugrunde gelegte höhere Preis (nämlich der empfohlene Herstellerpreis) durch entsprechende Recherchen ermittelt und mit Hilfe der genannten Ersparnis sodann der eigene Preis des Werbenden errechnet werden kann. Nicht anders liegen die Dinge im Streitfall, in dem der Anzeigenleser nur dann Näheres über die konkrete Preisgestaltung der Antragsgegnerin erfahren kann, wenn er zu den gegenübergestellten Tarifen Ermittlungen anstellt (a.A. zwar Landgericht München I, Urt. v. 1.2.2007 - 17 HKO 22001/06 - Tz. 39, jedoch ohne weitere Begründung und ohne Abgrenzung zu der genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs). Damit stellt sich die Anzeige ungeachtet der bezifferten Preisersparnis lediglich als allgemeine Werbung mit der eigenen Preisgünstigkeit dar, die den Leser eventuell veranlasst, sich nach den Preisen der Parteien zu erkundigen. Dies löst noch nicht die Verpflichtung zu den Angaben nach § 3 PAngV aus.

Aus der Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (GRUR-RR 05, 87) folgt nichts anderes. Im dort zugrunde liegenden Fall hat die Beklagte mit ihrem (unvollständigen) eigenen Preis geworben, weshalb über das Tatbestandsmerkmal der "Werbung mit eigenen Preisen" zwischen den Parteien kein Streit bestand (vgl. a.a.O. S. 88, r. Sp.).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 I, 97 I ZPO.

Ende der Entscheidung

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