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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 19.10.2006
Aktenzeichen: 6 U 98/06
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 5
Die Aussage "kostenlos telefonieren" wird vom Verkehr nicht in dem Sinne wörtlich verstanden, dass für die Inanspruchnahme der beworbenen Telekommunikationsleistungen etwa überhaupt kein Entgelt zu entrichten sei. Vielmehr erkennt der Werbeadressat, dass zwar keine nutzungsabhängigen Gebühren, aber sehr wohl Grundgebühren anfallen, also eine "Flatrate" beworben wird.
Gründe:

Von der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 Abs. 2 in Verbindung mit 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

Die zulässige Berufung hat hinsichtlich des ersten Teils des Unterlassungsantrags in der Sache Erfolg; im übrigen ist sie unbegründet.

1. Mit dem ersten Teil des Unterlassungsantrages wendet sich die Antragstellerin gegen die von der Antragsgegnerin verwendete Blickfangaussage "kostenlos telefonieren" mit der Begründung, die Werbung erwecke den irreführenden (§ 5 UWG) Eindruck, das beworbene Angebot umfasse auch Anrufe vom Festnetz in die Mobilfunknetze.

Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu, weil die angegriffene Blickfangwerbung aus der Sicht des verständigen Durchschnittsverbrauchers noch keine abschließende Aussage darüber trifft, welche Arten von Telefongesprächen bei Inanspruchnahme des Angebots ohne besondere Berechnung geführt werden können, und der weitere Inhalt der Werbung in noch hinreichend klarer Form erkennen lässt, dass das Angebot nur Gespräche in das Festnetz umfasst.

Die Aussage "kostenlos telefonieren" wird im vorliegenden Fall vom Verkehr nicht in dem Sinne wörtlich verstanden, dass für die Inanspruchnahme der beworbenen Telekommunikationsleistungen etwa überhaupt kein Entgelt zu entrichten sei. Vielmehr erkennt der Werbeadressat, dass zwar keine nutzungsabhängigen Gebühren, aber sehr wohl Grundgebühren anfallen, also eine "Flatrate" beworben wird; davon geht auch die Antragstellerin aus. Wenn aber ein Pauschalentgelt in Form einer "Flatrate" erhoben wird, rechnet der verständige Durchschnittsverbraucher damit, dass nicht alle denkbaren Arten von Telefongesprächen ohne Rücksicht auf deren sonst übliche Kosten von dieser "Flatrate" erfasst werden. So geht er - unstreitig - nicht davon aus, etwa auch besonders teuere Auslandsgespräche ohne Zusatzkosten unbegrenzt führen zu können. Bei Gesprächen in die Mobilfunknetze ist einerseits zwar zu berücksichtigen, dass der Nutzer auch an solchen Gesprächen aus dem Festnetz ein erhebliches Interesse hat. Andererseits weiß er aber, dass diese Gespräche im allgemeinen immer noch deutlich teurer sind als Gespräche in das Festnetz; an dieser Verkehrseinschätzung haben die von der Antragstellerin belegten Versuche aus jüngster Zeit, das Mobiltelefonieren - auch preislich - als Alternative zum Festnetztelefonieren zu etablieren, nach Auffassung des Senats bisher noch nichts geändert. Schon im Hinblick auf dieses noch vorhandene Verkehrsverständnis stellen sich beim Werbeadressaten mindestens Zweifel ein, ob die streitgegenständliche Werbung auch Gespräche in die Mobilfunknetze umfassen soll. Darüber hinaus haben sowohl die Antragstellerin als auch andere Telefongesellschaften in der Vergangenheit regelmäßig "Flatrate"-Tarife angeboten, von denen nur Gespräche in das deutsche Festnetz abgedeckt wurden. Auf der anderen Seite haben Anbieter, deren "Flatrate" abweichend von dieser Praxis auch für Mobilfunkgespräche gilt, diesen Umstand - wie die Antragsgegnerin durch entsprechende Beispiele belegt hat - als Besonderheit herausgestellt. Diese bisherige Praxis hat zu einer gewissen Sensibilisierung der angesprochen Verkehrskreise dahin geführt, dass "Flatrates" zwar auch Gespräche in die Mobilfunknetze umfassen können, dass dies aber jedenfalls nicht zwingend der Fall ist.

Soweit das Oberlandesgericht Düsseldorf in der von der Antragstellerin als Anlage BE3 vorgelegten Entscheidung vom 30.05.2006 (20 U 33/06) die Verkehrsauffassung zu diesem Punkt im Rahmen des dortigen Eilverfahrens anders beurteilt hat, vermag sich der Senat dem jedenfalls auf der Grundlage des Sach- und Streitstandes im vorliegenden Eilverfahren nicht anzuschließen.

Ausgehend von dem genannten Verkehrsverständnis ist die beanstandete Blickfangwerbung daher im vorliegenden Fall allenfalls unklar bzw. unvollständig, wobei der Verkehr mit Hilfe des dem Blickfang hinzugefügten Sternchens und der weiteren Angaben, auf die dieses Sternchen verweist, in ausreichend klarer Form darüber informiert wird, dass das Angebot lediglich Gespräche in das deutsche Festnetz umfasst.

2. Dagegen enthält die beanstandete Werbung insoweit irreführende Angaben (§ 5 UWG), als - was die Antragstellerin mit dem zweiten Teil des Unterlassungsantrages angreift - die versprochene Leistung, das kostenlose Telefonieren zu ermöglichen, blickfangmäßig als "lebenslang" herausgestellt wird; der Antragstellerin steht daher der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 5, 8 Abs. 2 Nr. 1 UWG in diesem Umfang zu.

Die im Rahmen einer Werbung plakativ herausgestellte Qualifizierung einer Leistung als "lebenslang kostenlos" ergibt nur dann einen Sinn, wenn der angesprochene Kunde das Recht zur zeitlich unbeschränkten Inanspruchnahme dieser Leistung durch eine einmalige Pauschalzahlung erwirbt; nur unter dieser Voraussetzung stellt sich die fehlende zeitliche Beschränkung der Nutzungsmöglichkeit als besonderer Vorteil für den Kunden dar. Dagegen kann sich die Bedeutung einer solchen Werbeaussage gerade aus der Sicht des verständigen Durchschnittsverbrauchers nicht darauf beschränken, dass das werbende Unternehmen die versprochene Leistung unbeschränkt erbringen wolle, solange nur der Kunde seinerseits hierfür laufende Zahlungen erbringt. Denn unter dieser Voraussetzung würde sich die Werbung in der Wiedergabe einer schlichten, für den Kunden mit keinerlei besonderen Vorteilen verbundenen Selbstverständlichkeit erschöpfen. Dass das werbende Unternehmen diese Selbstverständlichkeit zum Ausdruck bringen wolle, zieht der Werbeadressat jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn der vermeintliche Vorteil der "lebenslang kostenlos" erbrachten Leistung werblich derart in den Vordergrund gestellt wird wie im vorliegenden Fall. Vielmehr geht er beim Lesen der Blickfangwerbung davon aus, dass die fehlende zeitliche Beschränkung der Gegenleistung in irgendeiner Weise mit den eingangs genannten besonderen Vorteilen verbunden ist.

Diese durch die Werbung geweckte Verkehrserwartung erfüllt das Leistungsangebot der Antragsgegnerin nicht, da die "lebenslange" Inanspruchnahme des "kostenlosen" Telefonierens auch bei ihr von der laufenden Zahlung der vereinbarten "Flatrate" für den DSL-Anschluss abhängig ist. Unter diesen Umständen kann dahinstehen, ob die beanstandete Werbung nicht schon deswegen irreführend ist, weil die Antragsgegnerin ihren Kunden nicht einmal die unbegrenzte Fortsetzung eines bestehenden Vertragsverhältnisses garantiert, sondern - wie dem Senat aus anderen Verfahren bekannt ist - sich selbst in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen ein Recht zur ordentlichen Kündigung vorbehält.

Die danach hervorgerufene Irreführungsgefahr wird nicht dadurch beseitigt, dass der Leser der Werbung bei näherer Befassung mit dessen weiterem Inhalt unschwer erkennt, dass er allenfalls dann "lebenslang kostenlos" telefonieren kann, wenn er laufend die vereinbarte "Flatrate" entrichtet. Denn Blickfangangaben müssen für sich mit § 5 UWG vereinbar sein (vgl. BGH WRP 03, 275 - Preis mit Monitor).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

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