Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 22.10.2008
Aktenzeichen: 6 UF 174/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1629 Abs. 2
BGB § 1795
BGB § 1796
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Beschwerdeführerin ist die Mutter der Kinder XZ , geb. am ...2001, und XY , geb. am ....2003, die aus der Ehe der Beschwerdeführerin mit dem Kindesvater hervorgingen. Die Kindeseltern leben seit Oktober 2007 voneinander getrennt. Gegen den Kindesvater ist bei dem Landgericht XXX ein Strafverfahren u.a. wegen des Verdachts des versuchten Totschlags zum Nachteil der beiden Kinder aufgrund eines Vorfalls vom 09.05.2008 anhängig.

Die Parteien streiten in dem Sorgerechtsverfahren XYZ um die elterliche Sorge für die beiden Kinder. Mit Beschluss vom 07.05.2008 hat das Amtsgericht - Familiengericht - XXX das Aufenthaltsbestimmungsrecht für beide Kinder auf die Kindesmutter übertragen und die wechselseitigen Sorgerechtsanträge im Übrigen zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Kindesmutter gegen diesen Beschluss hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 09.07.2008 die elterliche Sorge für beide Kinder im Wege einer einstweiligen Anordnung auf die Kindesmutter übertragen. In der Hauptsache hat er noch nicht entschieden.

Mit Beschluss vom 19.05.2008 wurde für die Kinder eine Ergänzungspflegerin mit dem Wirkungskreis " Vertretung der Kinder in dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft XXX, Az.: 291 Js xxxxx für die Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts und die Entbindung der Ärzte von der Schweigepflicht" bestellt.

Die Beschwerde richtet sich gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - XXX vom 05.09.2008, mit dem der Aufgabenkreis der mit Beschluss vom 19.05.2008 bestellten Ergänzungspflegerin auf die Entscheidung, ob sich die Kinder in dem gegen den Kindesvater gerichteten Strafverfahren als Nebenkläger gemäß §§ 395 ff. StPO anschließen, erstreckt wurde.

Der Beschluss erging auf Antrag des Strafkammervorsitzenden, nachdem die Strafkammer ausweislich eines Vermerks vom 03.09.2008 zu dem Schluss gekommen war, dass den Kindern für die Entscheidung, ob sie dem Verfahren als Nebenkläger beitreten, ein Ergänzungspfleger zu bestellen ist. Die Kindesmutter argumentiert mit ihrer Beschwerde, sie sei nach der Übertragung des gesamten Sorgerechts auf sie gemäß einstweiliger Anordnung des erkennenden Senats vom 09.07.2008 in allen Rechtsbereichen vertretungsberechtigt. Eine Einschränkung der Vertretungsbefugnis sei nicht zulässig, da zwischen ihr und den Kindern kein Interessenkonflikt bestehe.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Kindesmutter ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

Dem Amtsgericht ist darin zuzustimmen, dass sich ein Ausschluss der Vertretungsmacht der Kindesmutter bezüglich der Frage, ob die Kinder dem Strafverfahren als Nebenkläger beitreten, nicht aus der in § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB getroffenen Regelung ergibt. Diese von § 1629 Abs. 2 S. 1 BGB zur Anwendung berufene Vorschrift, die ein gesetzliches Vertretungsverbot ausspricht, bezieht sich auf die Vornahme von Rechtsgeschäften beziehungsweise auf die Vertretung in Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Mündel einerseits und dem Ehegatten bzw. einem Verwandten in gerader Linie des Vormunds. Der Begriff des Rechtsstreits im Sinne des § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB erfasst aber nur das zivilprozessuale Verfahren sowie nach herrschender Meinung auch streitige Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. Huber, Münchner Kommentar zum BGB, 5. Aufl., 2008, § 1629, Rz. 57, Palandt-Diederichsen, Kommentar zum BGB, 66. Aufl., § 1795, Rz. 15). Grund für diese Vorschrift , die dem Schutz der Vermögensinteressen des Mündels dient, ist, dass in den entsprechenden Fällen die abstrakte Möglichkeit einer Interessenkollision besteht. Ob eine solche im Einzelfall tatsächlich vorliegt, ist nicht zu prüfen. Daraus folgt, dass der gesetzliche Ausschluss der Vertretungsmacht der Sorgeberechtigten nicht auf andere als die in dieser Vorschrift genannten Fallgruppen erstreckt werden kann, da eine Einschränkung des elterlichen Vertretungsrechts nur in den gesetzlich vorgeschriebenen eng umgrenzten Fallkonstellationen gerechtfertigt ist. Soweit in der einschlägigen Kommentierung zur Strafprozessordnung (Meyer-Goßner, Kommentar zur StPO, 50. Aufl. 2007, Vorbemerkung 7 zu § 395, Senge in Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Aufl. 2003, § 395 Rz. 2) die Auffassung vertreten wird, die in § 1795 BGB getroffenen Regelung sei entsprechend auf die Nebenklagevertretung von Kindern in gegen einen Elternteil geführten Strafverfahren anzuwenden, wird auf eine entsprechende Entscheidung des OLG Stuttgart (Justiz 1999, 348 ff.) verwiesen, in der eine analoge Anwendung mit dem gebotenen Schutz des Minderjährigen vor den Gefahren, die sich aus einem Interessenkonflikt des Sorgeberechtigten ergeben, begründet wird. Die vom OLG Stuttgart vertretene Auffassung lässt jedoch außer Betracht, dass gemäß § 1796 BGB für Fälle, in denen die konkrete Gefahr einer Interessenkollision besteht, eine Einschränkung des Vertretungsrechts des Vormunds bzw. über die in § 1629 Abs. 2 Satz 3 BGB enthaltene Verweisung des Elternteils vorgesehen ist. Eine analoge Anwendung scheidet somit schon deshalb aus, weil eine Regelungslücke nicht erkennbar ist, da für die Fälle, in denen außerhalb der Fallgruppen des § 1795 BGB eine konkrete Interessenkollision anzunehmen ist, die mit § 1629 Abs. 2 S. 3 BGB in Anwendung genommene Vorschrift des § 1796 die Möglichkeit vorsieht, den Sorgeberechtigten für einzelne Angelegenheiten das Vertretungsrecht zu entziehen. Damit kann im Fall einer konkret festgestellten Interessenkollision den Kindesinteressen in ausreichendem Maß Genüge getan werden, ohne dass ein Rückgriff auf die Ausnahmevorschrift des § 1795 BGB erforderlich wäre.

Im vorliegenden Fall kann die Entziehung der Vertretungsmacht in Bezug auf die Frage der Nebenklagevertretung der Kinder aber auch nicht aus § 1796 BGB abgeleitet werden, da es an einem erheblichen Gegensatz zwischen den Interessen der Kindesmutter einerseits und denen der Kinder andererseits mangelt. Für die Annahme eines Interessengegensatzes genügt es zwar, wenn aufgrund der Interessenverschränkung die Gefahr besteht, der Sorgeberechtigte werde im Konfliktfall das Kindeswohl nicht mit der gebotenen Zielstrebigkeit verfolgen (vgl. Münchner Kommentar/ Wagenitz, a.a.O., § 1796 Rz. 5), eine solche Annahme ist vorliegend aber nicht gerechtfertigt. Zunächst ist zu beachten, dass es sich bei der Frage, ob die Kinder dem Strafverfahren gegen ihren Vater als Nebenkläger beitreten, um eine höchstpersönliche Entscheidung handelt, die einer objektivierbaren Beurteilung, ob der Nebenklägeranschluss zur Wahrung des Kindeswohls erforderlich ist oder dem Kindeswohl entgegensteht, nicht zugänglich ist. Ohne Zweifel kann eine Entscheidung für einen Nebenklagebeitritt der Kinder angesichts der Schwere des Tatvorwurfs gegen den Kindesvater dem Kindeswohlinteresse nicht zuwiderlaufen. Ein erheblicher Gegensatz des Interesses der Kindesmutter zu denen der Kinder kann unter diesen Umständen nicht bejaht werden. Die Kindesmutter lebt von dem Kindesvater getrennt und erstrebt mit der Beschwerde in der Hauptsache des Sorgerechtsverfahrens die alleinige elterliche Sorge für die Kinder. Die Gefahr, dass sie zugunsten der Interessen des Kindesvaters die Interessen der Kinder vernachlässigt, kann unter diesen Umständen nicht gesehen werden. Die Frage, ob die Kindesmutter im Rahmen der Sorgeverfahren im Interesse der Kinder handelt, spielt für die vorliegende Frage keine Rolle. Durch § 1796 BGB soll der Gefahr der Benachteiligung der Kindesinteressen durch die Bindung des Sorgeberechtigten an den Ehegatten oder einen nahen Verwandten begegnet werden, die Interessen des nichtsorgeberechtigten Elternteils werden durch § 1796 BGB nicht geschützt.

Soweit das Amtsgericht davon ausgeht, es bestehe ein Bedürfnis für die Bestellung eines Ergänzungspflegers, weil die Strafkammer des Landgerichts von der fehlenden Vertretungsbefugnis der Kindesmutter ausgeht, kann die Ergänzungspflegerbestellung darauf nicht gestützt werden. Eine Einschränkung der Vertretungsmacht der Sorgeberechtigten ist nur in den gesetzlich vorgeschriebenen, eng begrenzten Fällen zulässig; allein das von der Strafkammer gesehene Bedürfnis für die Bestellung eines Ergänzungspflegers stellt somit keinen hinreichenden Grund für eine Einschränkung dar, solange eine von der Mutter als gesetzlicher Vertreterin erklärte Anschließung nicht rechtskräftig abgelehnt ist.

Somit kann der angefochtene Beschluss keinen Bestand haben und war aufzuheben. Die Kindesmutter kann daher die Entscheidung über die Frage, ob die Kinder dem Strafverfahren gegen ihren Vater als Nebenkläger beitreten, allein treffen.

Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten gründet sich auf § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG; Gerichtskosten sind nicht angefallen, § 131 KostO.

Ende der Entscheidung

Zurück