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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 02.05.2007
Aktenzeichen: 6 UF 200/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 78
ZPO § 290
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Mit Schriftsatz seiner vormaligen Verfahrensbevollmächtigten vom 27.09.2006 legte der Antragsteller rechtzeitig befristete Beschwerde gegen den am 28.08.2006 zugestellten Umgangsbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Darmstadt vom 23.08.2006 ein.

Vor Ablauf der Begründungsfrist beantragte die vormalige Verfahrensbevollmächtigte mit am gleichen Tag eingegangenem Schriftsatz vom 30.10.2006, einem Montag, die Frist zur Beschwerdebegründung um einen Monat, bis zum 30.11.2006, zu verlängern. Mit Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 31.10.2006 wurde die Frist antragsgemäß verlängert.

Am 30.11.2006 beantragte die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers im Einverständnis mit der Beschwerdegegnerin erneut die Verlängerung der Begründungsfrist bis 02.01.2007.

Auch diesem Antrag wurde mit Verfügung des Vorsitzenden des Senats vom 01.12.2006 entsprochen.

Die Schreiben vom 02.12.2006 - Eingang am 04.12.2006 - erklärte der Antragsteller die Zurücknahme der Beschwerde mit der Begründung, seine Verfahrensbevollmächtigte habe es versäumt, die Beschwerde innerhalb der gesetzlichen Frist zu begründen, weshalb im übrigen auch die Vertretung durch die vormalige Verfahrensbevollmächtigte ab sofort beendet sei.

Mit Schreiben vom 10.12.2006 erklärte der Antragsteller, er wolle "an der Beschwerde festhalten", die Rücknahmeerklärung werde vorsorglich angefochten.

II.

Die Beschwerde ist unzulässig.

Soweit das Schreiben vom 10.12.2006 in eine (erneute) befristete Beschwerde umgedeutet werden kann, ist die Rechtsmittelfrist abgelaufen.

Die mit Schreiben vom 02.12.2006 erklärte Zurücknahme der Beschwerde vom 27.09.2006, für die in Familiensachen aus dem Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach § 78 Abs. 2, 3 ZPO kein Anwaltszwang besteht, ist wirksam und unwiderruflich.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die Zurücknahme des Rechtsmittels nicht durch Widerruf oder Anfechtung wirkungslos geworden. Die für Willenserklärungen geltenden Vorschriften über Nichtigkeit und Anfechtbarkeit wegen Willensmängeln sind auf Prozesshandlungen weder direkt noch entsprechend anwendbar (BGH, Beschluss v. 13.12.2006 - XII ZB 71/04 - FamRZ 2007, 375 mit weiterem Nachweis zur ständigen Rechtsprechung).

Dies soll selbst dann gelten, wenn die Rücknahmeerklärung durch einen Rechtsanwalt erfolgt ist, dem das Mandat bereits gekündigt worden war und der überdies eine zuvor erfolgte Anweisung des vormaligen Mandanten falsch verstanden hatte (BGH, Beschluss u. Urteil v. 06.12.1989 - IV b ZB 106/89 - FamRZ 1990, 388).

Auch eine analoge Anwendung der Vorschrift über den Widerruf des Geständnisses (§ 290 ZPO) kommt nicht in Betracht. Das Geständnis betrifft ausschließlich den Tatsachenvortrag und es ist damit mit der Prozesshandlung, die unmittelbar auf die Anhängigkeit bzw. Rechtshängigkeit des Verfahrens einwirkt, also hier das Verfahren beendet, ohne dass es auf den tatsächlichen Streitstoff noch ankommen würde, nicht vergleichbar.

Eine Ausnahme hat die Rechtsprechung lediglich in einem Einzelfall zugelassen, in dem die Rücknahmeerklärung zu dem wirklichen Willen des Rechtsmittelführers in Widerspruch stand und der Irrtum des Prozessbevollmächtigten, auf dem die Erklärung beruhte, für den Rechtsmittelgegner und das Gericht ganz offensichtlich war, weil dem zuständigen Rechtsmittelgericht bei Eingang der zunächst irrtümlich bei einem anderen Gericht eingereichten und dort zurückgenommenen Berufung bereits eine erneute Berufungsschrift mit einem Wiedereinsetzungsgesuch vorlag. In diesem Fall hat der Bundesgerichtshof entschieden, der Gegner könne sich nach Treu und Glauben nicht auf die Rücknahme berufen, diese sei daher als unwirksam zu behandeln (BGH, Urteil v. 21.03.1977 - II ZB 5/77 - VersR 1977, 574).

Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor, die Sachlage ist nicht vergleichbar.

In dem vorgenannten Fall war zum Zeitpunkt, mit dem die Wirksamkeit der Rücknahmeerklärung hätte eintreten können, nicht nur der Irrtum, auf dem diese Erklärung beruhte, offenkundig, sondern es lag bereits eine eindeutig gegenläufige Prozesshandlung des Rechtsmittelführers bei dem Rechtsmittelgericht vor.

Gegenstand der ausdrücklich nur auf diesen Ausnahmefall bezogenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs war die Berufung gegen ein Urteil des Amtsgerichts Hamburg als Schifffahrtsgericht.

Irrtümlich hatte der Prozessbevollmächtigte des Rechtsmittelführers die Berufung nicht bei dem hier nach dem Instanzenzug zuständigen Oberlandesgericht, sondern bei dem Landgericht Hamburg eingelegt. Als er den Irrtum bemerkt hatte, erklärte er gegenüber dem Landgericht die Rücknahme der Berufung, um nunmehr (verfristet) Berufung bei dem Oberlandesgericht einzulegen.

Die Zulässigkeit des ersten Rechtsmittels wurde nach der Rechtslage allerdings nicht dadurch berührt, dass es, anstatt bei dem Oberlandesgericht, bei dem Landgericht eingelegt worden war. Das Landgericht wäre verpflichtet gewesen, das Rechtsmittel von Amts wegen an das Oberlandesgericht weiterzuleiten.

Die Rücknahmeerklärung vor dem Landgericht hätte allerdings auch erst nach Weiterleitung mit Eingang bei dem Oberlandesgericht wirksam werden können.

Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Eingangs der Rücknahmeerklärung bei dem Oberlandesgericht lagen dort die wiederholte Berufung und ein Wiedereinsetzungsantrag bereits vor.

Aus dieser Sachlage hat der Bundesgerichtshof gefolgert, dass der Rechtsmittelführer, ohne zwischenzeitlich jemals seinen Willen geändert zu haben, seine Berufung stets habe durchführen wollen und sein Prozessbevollmächtigter aus Irrtum über die Wirksamkeit der ersten Berufung weitere sinnlose Maßnahmen zu ihrer Durchführung ergriffen habe, die ins Gegenteil umgeschlagen seien.

Demgegenüber ist im vorliegenden Fall deutlich, dass der Antragsteller jedenfalls zum Zeitpunkt des Eintritts der Wirksamkeit seiner Prozesshandlung seinen Willen dahingehend geändert und ausgeübt hatte, das Rechtsmittel nicht weiter durchführen zu wollen.

Soweit er weiter ausgeführt hat, die Rücknahmeerklärung erfolge, weil seine Verfahrensbevollmächtigte die Beschwerde nicht innerhalb der gesetzlichen Frist begründet habe, handelt es sich wegen der zuvor erfolgten Fristverlängerung um einen für den Aktenkundigen möglicherweise erkennbaren Motivirrtum, der aber unbeachtlich bleibt.

Insoweit ist die vorliegende Fallgestaltung mit einer Klagerücknahme aufgrund der erklärten, für jeden Rechtskundigen aber offensichtlich irrtümlichen Annahme, die Klage habe keine Aussicht auf Erfolg, vergleichbar.

Danach bleibt es dabei, dass eine Anfechtbarkeit der Prozesshandlung wegen Irrtums ausscheidet. Billigkeitsgründe stehen diesem Ergebnis nicht entgegen. Die Partei übernimmt mit der Rücknahme wie auch mit dem prozessualen Anerkenntnis das Beurteilungsrisiko bezüglich der zugrunde gelegten tatsächlichen und rechtlichen Vorstellungen (BGH, Urteil v. 27.05.1981 - IV b ZR 589/80 - BGHZ 80, 389 (392)).

Wiedereinsetzungsgründe sind nicht vorgetragen oder ersichtlich.

Die Rücknahmeerklärung beruhte auf einer eigenständigen Risikoeinschätzung des Antragstellers, der offenbar seiner Verfahrensbevollmächtigten die Rechtssache nicht weiter anvertrauen konnte. Die prozessuale Lage ist nicht unverschuldet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 131 Abs. 3 KostO und § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG.

Ende der Entscheidung

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