Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 31.10.2001
Aktenzeichen: 6 W 181/01
Rechtsgebiete: UWG, Zugabeverordnung, ZPO


Vorschriften:

UWG § 1
UWG § 3
UWG § 13 Abs. 2 Nr. 2
Zugabeverordnung § 1 Abs. 1
ZPO § 92 Abs. 1
Zugaben sind auch nach Aufhebung der Zugabeverordnung wettbewerbsrechtlich nicht unbeschränkt wirksam. Ist der Wert einer unentgeltlichen Nebenleistung (Reise bei Kauf einer Küche) nicht bestimmbar, liegt ein unzulässiges Kopplungsangebot vor (§ 1 UWG).
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN

BESCHLUSS

In dem Rechtsstreit ... hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hanau vom 13.09.2001 am 31.10.2001 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu 500.000,-- DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an ihrem Geschäftsführer, für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt,

für den Verkauf von Möbeln wie folgt zu werben:

Eine Woche Traumurlaub G R A T I S ! beim Kauf einer Küche, Wohnzimmer oder Schlafzimmer!* 1 Woche Türkei ****-Sterne Hotel inkl. Flug, Frühstück und 3 Ausflüge

*(Mindest-Auftragsvolumen DM 3.500,00 Sonderangebote ausgenommen!)

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Von den Kosten des Eilverfahrens einschließlich der des Beschwerdeverfahrens haben die Antragstellerin 1/5 und die Antragsgegnerin 4/5 zu tragen.

Beschwerdewert: 50.000,-- DM.

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin, die einen Möbeleinzelhandel betreibt, warb am 31.08.2001 mit der im nachfolgenden Antrag wiedergegebenen Anzeige. Der Verbraucher erhielt beim Kauf von Möbeln unter den in der Anzeige genannten Voraussetzungen einen zwischen dem 01.11.2001 und dem 31.03.2002 gültigen Gutschein für eine Reise an die türkische Riviera.

Die Antragstellerin sieht in dem beworbenen Angebot ein mit § 1 UWG unvereinbares übertriebenes Anlocken sowie eine Irreführung nach § 3 UWG. Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, ihr Angebot sei nach Aufhebung der Zugabeverordnung mit dem Wettbewerbsrecht vereinbar.

Das Landgericht hat den Eilantrag mit Beschluss vom 13.09.2001 zurückgewiesen. Hiergegen hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt mit dem Antrag,

der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung bei Meidung von Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 500.000,-- DM ­ ersatzweise Ordnungshaft ­ oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an ihrem Geschäftsführer, kostenpflichtig zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

a) für den Verkauf von Möbeln wie folgt zu werben:

Eine Woche Traumurlaub G R A T I S ! beim Kauf einer Küche, Wohnzimmer oder Schlafzimmer!* 1 Woche Türkei ****-Sterne Hotel inkl. Flug, Frühstück und 3 Ausflüge

*(Mindest-Auftragsvolumen DM 3.500,00 Sonderangebote ausgenommen!)

und/oder diese Urlaubsleistung zu gewähren

und/oder

b) 1 Woche "Traumurlaub gratis" bei dem Kauf einer Küche, eines Wohnzimmers oder eines Schlafzimmers anzubieten und/oder anbieten zu lassen, sofern lediglich durch ein Sternchen hinter dem Ausrufungszeichen nach dem Wort "Schlafzimmer" und ein räumlich getrennter Text innerhalb der Gesamtwerbung, der weder durch die graphische Gestaltung, noch durch sein Schriftbild von der übrigen Werbung deutlich abgesetzt und damit so klar und deutlich erkennbar ist, dass er auch vom flüchtigen Leser nicht übersehen werden kann, darauf hingewiesen wird, dass der "Traumurlaub" nur bei einem Mindestauftragsvolumen von 3.500,-- DM gewährt wird und Sonderangebote ausgenommen sind, insbesondere, wenn dies geschieht wie folgt:

II.

Die zulässige Beschwerde hat zum überwiegenden Teil Erfolg.

1. Der Antragstellerin steht der mit dem Antrag zu a) geltend gemachte Unterlassungsanspruch ­ soweit er gegen die Werbung für das beanstandete Angebot gerichtet ist ­ aus § 1 UWG zu, da die Werbung geeignet ist, den Verkehr bei der Kaufentscheidung in unsachlicher, mit den Grundsätzen des Leistungswettbewerbs nicht mehr zu vereinbarender Weise zu beeinflussen.

Aus der Aufhebung der Zugabeverordnung durch den Gesetzgeber folgt ­ was auch das Landgericht mit Recht angenommen hat ­ nicht, dass Zugaben im Sinne des bisherigen Rechts, also ohne weitere Berechnung gewährte Nebenleistungen, die an die Abnahme einer entgeltlichen Hauptleistung gekoppelt sind, unbeschränkt zulässig sind. Solche der Absatzförderung dienenden Maßnahmen, die das beworbene Gesamtangebot als besonders günstig erscheinen lassen, unterliegen vielmehr ­ wie sonstige Formen der sogenannten Wertreklame auch ­ den allgemeinen Beschränkungen des Wettbewerbsrechts, insbesondere des § 1 UWG. Der Zugabeverordnung lag gewissermaßen die unwiderlegliche Vermutung zugrunde, dass Nebenleistungen, die die formalen Voraussetzungen des Zugabebegriffs erfüllten, stets, d. h. ohne Rücksicht auf die weiteren Begleitumstände, den Verbraucher in unsachlicher Weise beeinflussen (vgl. Senat OLG-Report Frankfurt am Main 2001, 211 ­ Koppelungsangebot bei Stromlieferung). Nach der Aufhebung der Zugabeverordnung kann ­ im Rahmen der Beurteilung nach § 1 UWG ­ von dieser Annahme nicht mehr ausgegangen werden. Jedoch kann und muss geprüft werden, ob die Ankündigung der unentgeltlichen Nebenleistung unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles eine wettbewerbswidrige Wertreklame darstellt.

Im vorliegenden Fall verstößt die Ankündigung der beanstandeten Nebenleistung (einer einwöchigen "Gratis-Traumreise" in die Türkei mit Aufenthalt in einem 4-Sterne-Hotel) gegen § 1 UWG, weil diese Nebenleistung ­ selbst im Hinblick auf den verhältnismäßig hohen Preis der Hauptleistung (Möbel zum Preis von mindestens 3.500,-- DM) ­ für den Verkehr einen jedenfalls erheblichen Wert darstellt, die Nebenleistung mit der Hauptleistung in keinem Gebrauchszusammenhang steht und der konkrete Wert der Nebenleistung für den Verbraucher nicht hinreichend bestimmbar ist.

Von einer zusätzlich zur entgeltlichen Hauptleistung angekündigten unentgeltlichen Nebenleistung mit erheblichem Wert geht regelmäßig ein hoher Kaufanreiz aus, weil hiermit in besonderer Weise der Eindruck eines außergewöhnlich günstigen Angebots erweckt wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn ­ wie hier ­ die Nebenleistung in keinem Gebrauchszusammenhang mit der Hauptleistung steht. Denn dadurch wird die Erwartung hervorgerufen, dass dem günstig erscheinenden Gesamtangebot nicht nur ­ wie etwa bei einem preisreduzierten Sonderangebot ­ eine knappe Kalkulation des Verkäufers zugrunde liegt, sondern die Gewährung eines nach Art und Höhe außergewöhnlichen Vorteils.

Zwar geht nach Auffassung des erkennenden Senats auch von wertvollen, nicht in Gebrauchszusammenhang mit der Hauptleistung stehenden Nebenleistungen nicht immer ein derart hoher Anreiz aus, dass der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher ­ auf dessen Sicht es im Wettbewerbsrecht allgemein ankommt (vgl. BGH WRP 2001, 1286, 1289 ­ Mitwohnzentrale) ­ sich allein hierdurch zu unsachlichen und unüberlegten Kaufentscheidungen bewegen lässt. Im vorliegenden Fall kommt jedoch entscheidend hinzu, dass der Leser der beanstandeten Werbung den Wert der als Nebenleistung angebotenen "Traumreise" nicht kennt und auch nicht ermitteln kann.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verstoßen sogenannte Koppelungsangebote, die nur den Gesamtpreis für die gekoppelten Waren oder Leistungen, nicht aber die Einzelpreise erkennen lassen, jedenfalls dann gegen § 1 UWG, wenn die gekoppelten Leistungen in keinem Gebrauchszusammenhang stehen und der Verkehr die Einzelpreise auch nicht ohne weiteres in Erfahrung bringen kann (vgl. BGH GRUR 96, 363, 364 ­ Saustarke Angebote). Diese Grundsätze sind nach Auffassung des erkennenden Senats auch auf die ­ früher in der Zugabeverordnung geregelten ­ Fälle zu übertragen, in denen eine Nebenleistung unentgeltlich zu einer enntgeltlichen Hauptleistung angeboten wird. Der Aufhebung der Zugabeverordnung liegt die Annahme zugrunde, der Verbraucher wisse ohnehin, dass ein Kaufmann nichts zu verschenken habe (vgl. Regierungsbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Rabattgesetzes und zur Anpassung anderer Rechtsvorschriften, Bundestagsdrucksache 14/5441 vom 06.03.2001, Seite 7). Bei Zugrundelegung dieser Annahme erkennt der Verbraucher folglich auch, dass eine Nebenleistung ­ ungeachtet ihrer Darstellung als unentgeltlich ­ in Wahrheit im Preis für die Hauptleistung enthalten ist. Bei dieser Betrachtungsweise stellt letztlich auch die Koppelung von Hauptleistung und als unentgeltlich bezeichneter Nebenleistung eine Art verdecktes Koppelungsangebot dar, da nicht ausgewiesen wird, mit welchem Anteil die Nebenleistung ­ in Wahrheit ­ im angegebenen Preis für die Hauptleistung enthalten ist. Im übrigen erscheint es auch im Interesse eines Schutzes des Verbrauchers vor unsachlicher Beeinflussung geboten, beim Angebot einer wertvollen, mit der Hauptleistung nicht in Gebrauchszusammenhang stehenden Nebenleistung jedenfalls eine gewisse Transparenz hinsichtlich des Wertes der Nebenleistung zu verlangen. Gerade die Tatsache, dass die Nebenleistung zwar als wertvoll erscheint, deren Wert aber mangels Kenntnis des genauen Inhalts der Leistung nicht bestimmbar ist, kann dazu führen, dass der Verbraucher sich zu übereilten und unüberlegten Kaufentschlüssen verleiten lässt. Denn einerseits erscheint ihm das Gesamtangebot so außergewöhnlich günstig, dass er versucht ist zuzugreifen; andererseits ist ihm ein Preisvergleich mit anderen Angeboten unmöglich, wenn er die wertbestimmenden Faktoren der Nebenleistung weder kennt noch in Erfahrung bringen kann.

Die demnach erforderliche hinreichende Bestimmbarkeit des Wertes der Nebenleistung ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Zwar reicht es in diesem Zusammenhang aus, die Nebenleistung durch Angabe der wesentlichen wertbestimmenden Faktoren so konkret zu beschreiben, dass es dem Verbraucher möglich ist, den ungefähren Wert durch entsprechende ­ auch längere Zeit beanspruchende ­ Erkundigungen zu ermitteln (vgl. BGB a.a.0.). Daran fehlt es jedoch im vorliegenden Fall. Das beanstandete Angebot enthält insbesondere weder Angaben über den Zielort noch über den Zeitpunkt der als unentgeltliche Nebenleistung angekündigten Reise. Ohne Kenntnis über diese beiden Punkte, die eine der wichtigsten Preisbemessungsfaktoren für Pauschalreisen sind, hat der Verbraucher keine Möglichkeit, sich etwa durch Nachfragen in einem Reisebüro oder durch das Studium von Reisekatalogen Klarheit über die Größenordnung des Betrages zu verschaffen, der für die als Nebenleistung angebotene Reise üblicherweise ausgegeben werden muss. In diesem Zusammenhang kann es nicht als ausreichend angesehen werden, dass der Leser der Anzeige die Möglichkeit hat, sich bei der Antragsgegnerin selbst nach weiteren Einzelheiten über die "Traumreise" zu erkundigen. Der Verbraucher soll den Wert der Nebenleistung beurteilen und gegebenenfalls Preisvergleiche anstellen können, bevor er in näheren persönlichen Kontakt mit dem Werbenden tritt; denn ist ein solcher Kontakt mit Hilfe der Wertreklame erst einmal hergestellt, fällt es dem Kunden erfahrungsgemäß ohnehin wesentlich schwerer, die Preiswürdigkeit des aus Haupt- und Nebenleistung bestehenden Gesamtangebots in Ruhe zu prüfen. Schließlich kann im vorliegenden Fall auch nicht angenommen werden, der angesprochene Verkehr werde im Zweifel davon ausgehen, dass das Reiseziel und die Reisezeit jeweils in der preiswertesten Kategorie anzusiedeln seien. Dagegen spricht bereits die Bezeichnung der beworbenen Reise als "Traumreise".

Die Antragstellerin ist nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG zur Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs befugt. Der Wettbewerbsverstoß ist im Hinblick auf die von ihm ausgehende unsachliche Beeinflussung der Verbraucher und die drohenden Nachahmungsgefahr geeignet, den Wettbewerb auf dem betroffenen Markt des Möbeleinzelhandels wesentlich zu beeinträchtigen.

2. Dagegen hat die Beschwerde keinen Erfolg, soweit die Antragstellerin der Antragsgegnerin neben der Werbung auch untersagen lassen will, die in Rede stehende Urlaubsleistung tatsächlich zu gewähren. Die Wettbewerbswidrigkeit des beanstandeten Angebots ergibt sich daraus, wie die Antragsgegnerin dieses Angebot dem Verbraucher in ihrer Werbung unterbreitet hat. Dagegen besteht für ein ­ unabhängig von der betriebenen Werbung ­ ausgesprochenes Verbot der tatsächlichen Gewährung der in Rede stehenden Nebenleistung nach § 1 UWG kein Raum; insbesondere fehlt insoweit eine dem § 1 Abs. 1 der früheren Zugabeverordnung entsprechende Regelung.

3. Mit dem Verbot der Werbung gemäß dem Verfügungsantrag zu a) ist der Verfügungsantrag zu b) gegenstandslos, da der erlassene Verbotstenor die dort beschriebene Werbung unabhängig davon umfasst, ob der darin enthaltene "Sternchen-Hinweis" besonderen ­ etwa im Hinblick auf § 3 UWG zustellenden ­ Anforderungen an die Deutlichkeit genügt.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.



Ende der Entscheidung

Zurück