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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 05.06.2001
Aktenzeichen: 6 W 91/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 93
ZPO § 99 Abs. 2
Keine Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 93 ZPO auf Fälle, in denen der Eilantrag nicht erst während des Verfahrens, sondern schon anfänglich wegen des (vom Antragsgegner verschwiegenen) Fehlens der Passivlegitimation unbegründet war.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

6 W 91/01

Verkündet am 05.06.2001

In dem Rechtsstreit ...

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen die Kostenentscheidung im Urteil der 12. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main vom 02.03.2001 am 05.06.2001 beschlossen:

Tenor:

Die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils wird abgeändert.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Eilverfahrens einschließlich derjenigen des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Beschwerdewert entspricht dem Kosteninteresse des Antragsgegners.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin hat gegen den Antragsgegner eine markenrechtliche Unterlassungsverfügung erwirkt, nachdem sie auf die Abmahnung hin keine Reaktion erhalten hatte. Nachdem der Antragsgegner mit dem Widerspruch vorgetragen und glaubhaft gemacht hat, für die beanstandete Verletzungshandlung nicht verantwortlich zu sein, hat die Antragstellerin auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung verzichtet. Das Landgericht hat in dem daraufhin erlassenen Verzichtsurteil dem Antragsgegner in umgekehrt analoger Anwendung von § 93 ZPO die Kosten des Eilverfahrens auferlegt. Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit der sofortigen Beschwerde.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Soweit das Landgericht - wie hier - im Verzichtsurteil unter umgekehrt analoger Anwendung von § 93 ZPO dem Beklagten oder Antragsgegner die Kosten auferlegt hat, ist hiergegen in (ebenfalls analoger) Anwendung von § 99 Abs. 2 ZPO das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben (vgl. Senat NJW-RR 94, 62).

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg, da die Regelung des § 93 ZPO jedenfalls auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar ist.

Zwar hat der erkennende Senat in der Vergangenheit die umgekehrt analoge Anwendung von § 93 ZPO auf Fälle des sofortigen Klage- oder Antragsverzichts grundsätzlich für möglich gehalten (vgl. WRP 79, 799; WRP 82, 422; NJW-RR 94, 62). Wie in der letztgenannten Entscheidung ausdrücklich klargestellt worden ist (a.a.O. Seite 63) sollte eine solche "sinngemäße Umkehr" des § 93 ZPO jedoch nur in Betracht kommen, wenn eine ursprünglich zulässige und begründete Klage bzw. ein entsprechender Eilantrag nachträglich unzulässig oder unbegründet wird. Daran fehlt es hier. Denn die Passivlegitimation des Antragsgegners fehlte unstreitig bereits bei Einreichung des Verfügungsantrages.

Eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs von § 93 ZPO auf Fälle, in denen der Eilantrag schon anfänglich aufgrund bestimmter dem Antragsteller unbekannter Umstände unbegründet war und der Antragsteller nach verspäteter Aufklärung hierüber durch den Antragsgegner den sofortigen Antragsverzicht erklärt, ist nicht geboten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. GRUR 95, 167, 169 - Kosten bei unbegründeter Abmahnung) trifft den objektiv zu unrecht Abgemahnten selbst dann grundsätzlich keine Antwortpflicht, wenn aus der- Sicht des Abmahnenden der Anschein einer Verletzungshandlung des Abgemahnten bestand. Einen materiellrechtlichen Anspruch auf Ersatz der Kosten, die ihm in Folge des Schweigens auf die Abmahnung (entstanden sind, hat der Abmahnende nur unter den engen Voraussetzungen einer deliktischen Haftung, etwa wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB). Mit diesen engen Grenzen der materiell-rechtlichen Kostenerstattungspflicht wäre es nicht vereinbar, dem Kläger oder Antragsteller im gerichtlichen Verfahren bei einer im übrigen gleichgelagerten Interessenkonstellation durch eine den Wortlaut klar überschreitende umgekehrt analoge Anwendung von § 93 ZPO einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch zu verschaffen. Eine solche Entscheidung kann nur dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben. Ob an der eingangs dargestellten Rechtsprechung des erkennenden Senats zur analogen Anwendung auf den - hier nicht gegebenen - Fall, dass eine Klage oder ein Verfügungsantrag nachträglich unzulässig oder unbegründet wird, festzuhalten ist oder ob solche Sachverhalte nicht auch sachgerecht mit den Grundsätzen der - beiderseitigen oder einseitigen - Erledigungserklärung gelöst werden können, bedarf keiner weiteren Erörterung.

Der Antragstellerin waren daher gemäß § 91 Abs. 1 ZPO sowohl des Kosten des erstinstanzlichen Eilverfahrens als auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Ende der Entscheidung

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