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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 12.06.2001
Aktenzeichen: 6 WF 42/01
Rechtsgebiete: FGG, BGB


Vorschriften:

FGG § 50 Abs. 1
FGG § 50 Abs. 2 S. 1 Nr. 2
FGG § 50 Abs. 5
FGG § 67 Abs. 3
BGB § 1908 i
Zur Art und zum Umfang der Tätigkeiten des Verfahrenspflegers, die eine Vergütung auslösen.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

6 WF 42/01

In der Familiensache

hier: Festsetzung des Aufwendungsersatzes und der Vergütung der Verfahrenspflegerin

hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt auf die sofortige Beschwerde der Verfahrenspflegerin vom 22.02.2001 gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Dieburg (Rechtspflegerin) vom 19.02.2001 am 12.06.2001 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Das Amtsgericht - Familiengericht - hat den beteiligten Kindern zu a) bis c) im Rahmen des auf Antrag des Jugendamts auf der Grundlage von § 1666 BGB eingeleiteten Sorgerechtseingriffsverfahrens durch Beschluß vom 29.02.2000 - gestützt auf § 50 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 FGG - die Beschwerdeführerin als Verfahrenspflegerin bestellt. Im weiteren Verlauf des Verfahrens hat das Amtsgericht zur Frage der Erziehungsfähigkeit der Mutter ein Sachverständigengutachten, für das Kosten in Höhe von 4.270,32 DM entstanden, eingeholt. Am 06.07.2000 hat sich die Mutter mit der vom Sachverständigen für ihre Kinder vorgeschlagenen Erziehungsmaßnahme einverstanden erklärt und einen entsprechenden Antrag auf Hilfe zur Erziehung gemäß dem Kinder- und Jugendhilfegesetz unterschrieben.

Vorliegend geht es um den Vergütungsanspruch der Verfahrenspflegerin, die für ihre Tätigkeit aus der Staatskasse Ersatz ihrer Aufwendungen und eine Vergütung von insgesamt 4.614,50 DM begehrt. Ihrer Rechnung vom 13.10.2000 ist eine detaillierte Kostenaufstellung beigefügt. Hierzu hat die Bezirksrevisorin beim Landgericht mit Schreiben vom 24.11.2000 Stellung genommen und beanstandet, daß die Rechnung Positionen enthalte, die sich nicht nur auf den Aufgabenbereich der Verfahrenspflegerin beschränkten, sondern darüber hinaus gingen und insoweit der Vergütungsfestsetzung nicht zugrunde gelegt werden könnten. Es sei nicht Aufgabe der Verfahrenspflegerin, in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt ein Kontrollnetz zu schaffen, abwechselnd mit dem Jugendamt die notwendigen Hausbesuche zur Kontrolle vorzunehmen, die betroffene Familie mit Lebensmitteln zu versorgen oder vergleichbar einem Sachverständigen oder Therapeuten (Familienberater) tätig zu werden. Auch seien einige der Rechnung zugrunde gelegte Zeitansätze zu hoch. Insgesamt ergebe sich - nach im einzelnen erläuterten Streichungen - ein festsetzbarer Aufwand und eine festsetzbare Vergütung von lediglich insgesamt 2.489,52 DM.

Die Verfahrenspflegerin hat sich dem Kürzungsverlangen entgegengestellt (Schreiben vom 30.12.2000).

Das Amtsgericht hat sodann - den Einwänden der Bezirksrevisorin in vollem Umfang folgend - durch Beschluß vom 19.02.2001 die Vergütung und die Auslagen der Verfahrenspflegerin nach Korrektur eines geringen Berechnungsfehlers auf 2.499,52 DM festgesetzt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Verfahrenspflegerin, die als sofortige Beschwerde gemäß § 50 Abs. 5 i.V.m. §§ 67 Abs. 3 Satz 3; 56g Abs. 5 Satz 1 FGG statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde, mit der sie die Festsetzung des in Rechnung gestellten Betrags begehrt.

Die Beschwerde ist unbegründet. Die Beschwerdeführerin kann für ihre Tätigkeit aus der Staatskasse an Aufwendungen und Vergütung nicht mehr verlangen als vom Amtsgericht durch den angefochtenen Beschluß festgesetzt ist.

Die Vergütung des Pflegers, der einem minderjährigen Kind für ein seine Person betreffendes Verfahren bestellt ist (§ 50 Abs. 1 FGG), richtet sich nach § 50 Abs. 5 FGG. Diese Vorschrift verweist auf § 67 Abs. 3 FGG, der, soweit es um Ansprüche eines Einzelpflegers geht, über § 1908i BGB - von einigen hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen - die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über den Aufwendungsersatz und die Vergütung eines Vormunds (§§ 1835 ff) zur entsprechenden Anwendung beruft, wobei die Höhe der zu bewilligenden Vergütung stets nach Maßgabe des § 1 des Gesetzes über die Vergütung von Berufsvormündern zu bemessen und aus der Staatskasse zu zahlen ist.

Der vorliegend von der Verfahrenspflegerin, einer Diplom-Sozialpädagogin, geltend gemachte Stundensatz von 60,00 DM sowie der Kilometersatz von 0,52 DM und die Telefonkosten von 0,10 DM pro Minute sind dem Grunde nach außer Streit. Es geht allein um die Frage, welcher Umfang kostenauslösender Tätigkeit ersatz- bzw. vergütungsfähig ist. Dies hängt von den dem Pfleger nach dem Gesetz obliegenden Aufgaben ab.

Nach § 50 Abs. 1 FGG kann das Gericht dem minderjährigen Kind einen Pfleger für ein seine Person betreffendes Verfahren bestellen, soweit dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist. Daraus ergibt sich, daß der Verfahrenspfleger Interessenvertreter des Kindes ist, und zwar im Sinne eines reinen Parteienvertreters (vgl. hierzu Senatsbeschluß vom 24.06.1999 - 6 WF 96/99, FamRZ 1999, 1299). Die einseitige Interessenvertretung ist vom Gesetzgeber gewollt. Denn mit der Einführung eines Pflegers für Verfahren, die die Person eines minderjährigen Kindes betreffen und in denen erhebliche Interessengegensätze zwischen ihm und seinen gesetzlichen Vertretern zur Austragung stehen, sollte dem Kind eine Person zur Seite gestellt werden, 'die allein die Interessen des Kindes wahrnimmtö (BT-Drucksache 13/4899, S. 129, 130). Der Pfleger hat danach anstelle des gesetzlichen Vertreters die sich im konkreten Verfahren ergebenden Interessen des Kindes zu vertreten, in dem er sie erforscht, in das Verfahren einbringt (vgl. BT-Drucksache, a.a.O., S. 130) und als ihr Fürsprecher auftritt. Dabei wird je nach Schwere des Konflikts, dem das Kind ausgesetzt ist, die Erkundung seiner Wünsche und Interessen ein unterschiedlich starkes Engagement erfordern und unter Umständen auch die Aufnahme von Kontakten zu Personen des unmittelbaren Umfelds des Kindes notwendig machen.

Soweit sich der Pfleger dabei pädagogischen Spezialwissens bedient und pädagogische Fähigkeiten einsetzt, ist dies wünschenswert, sofern er diese Mittel darauf beschränkt, Zugang zu dem Kind zu finden und sein Vertrauen zu erwerben. Diese besondere fachliche Kompetenz wird deshalb auch durch eine höhere Vergütung belohnt (§ 1 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über die Vergütung von Berufsvormündern).

Hiervon zu unterscheiden ist jedoch pädagogisches Wirken, welches auf eine erzieherische Wirkung, auf eine Änderung des zum Konflikt führenden Verhaltens einer der hieran beteiligten Personen oder - noch weitergehend - auf eine Konfliktschlichtung zielt. Auch Tätigkeiten, die dem objektiven Interesse, also dem Wohl des Kindes verpflichtet sind, gehören nicht in den Aufgabenbereich des Verfahrenspflegers. Erst recht nicht fallen therapeutische Maßnahmen hierunter. Hilfreich kann bei der Abgrenzung von der Verfahrenspflegertätigkeit sein, die typischen Funktionen anderer am Verfahren beteiligter oder beteiligbarer Fachpersonen oder Fachorgane (z.B. Richter, Jugendamt, Gutachter) gegenüberzustellen (vgl. hierzu BT-Drucksache, a.a.O., S. 130). Denn der Gesetzgeber wollte mit der Verfahrenspflegschaft nach § 50 FGG eine Lücke 'bei der Wahrung der Interessen der von diesen Verfahren besonders betroffenen Kinderö schließen (BT-Drucksache, a.a.O., S. 129).

Allerdings ist nicht zu verkennen, daß im Einzelfall Abgrenzungsschwierigkeiten auftreten können, etwa dann, wenn der Verfahrenspfleger versucht, die vom Verfahren auf das Kind ausgehenden Belastungen gering zu halten, in dem er auf eine schnelle und einverständliche Konfliktlösung hinarbeitet (vgl. hierzu BT-Drucksache, a.a.O., S. 130). Hier können die Vertretung des subjektiven Interesses des Kindes und die Wahrung seines objektiven Wohls zusammenfallen. In solchen Fällen wird der Pfleger, um eine klare Zuordnung seiner Tätigkeit zu den Ersatz- und Vergütungsvorschriften zu ermöglichen, seine Absicht anhand von greifbaren Indizien, die die Hoffnung auf einen Erfolg seiner Bemühungen stützen, dem Gericht unter Darlegung des Umfangs seines beabsichtigten Wirkens kundtun und eine (positive) Reaktion hierauf abwarten müssen. Hieraus ist indessen nicht abzuleiten, daß das Gericht im Zusammenwirken mit dem Pfleger Dauer und Umfang der Pflegertätigkeit kostenwirksam bestimmen kann. Der Verfahrenspfleger ist nicht etwa Richtergehilfe (so allerdings Dorman/Spangenberg FamRZ 1999, 1294; dagegen überzeugend Weychardt in seiner diesbezüglichen Replik FamRZ 2000, 844) mit der Folge, daß er seine Ansprüche gegen die Staatskasse auf richterliche Billigung stützen kann. Grundlage für den Aufwendungsersatz- und den Vergütungsanspruch des Pflegers ist allein der Rahmen, den das Gesetz steckt. Im aufgezeigten Ausnahmefall dienen die Erläuterung des Vorhabens des Pflegers unter Namhaftmachung von Fakten und die Billigung des Gerichts lediglich der erleichterten Feststellung des Vergütungsanspruches.

Die Verfahrenspflegerin mißversteht ihre Funktion, soweit sie in ihrer Äußerung vom 30.12.2000 zur Stellungnahme der Bezirksrevisorin von einer wahrzunehmenden 'Pflegeö innerhalb eines gerichtlichen Verfahrens spricht und die Auffassung vertritt, daß 'das Kind in seiner individuellen Bedürftigkeit und seinen subjektiven Interessen in einer prekären und für es subjektiv als bedrohlich empfundenen Lebenssituation während der Dauer eines Verfahrensö zu 'pflegenö sei. An der Stellvertreterfunktion des Verfahrenspflegers für den gesetzlichen Vertreter des Kindes wird deutlich, daß er kein Richtergehilfe und damit auch zugleich kein Sachwalter des Kindeswohls ist.

Aus den vorstehenden Ausführungen sind - jedenfalls für das Sorgerechtseingriffsverfahren nach § 1666 BGB - beispielhaft folgende vergütungsfähige Tätigkeiten des Verfahrenspflegers abzuleiten (anstelle des Singularbegriffes Kind ist erforderlichenfalls der Plural zu setzen):

- Studium der Gerichtsakten;

- Kontaktaufnahme mit dem Kind, wobei hier gewisse Gestaltungsspielräume bestehen (z.B. Gespräch und/oder Spielaktionen mit dem Kind allein, Beobachtung des Kindes in der Interaktion mit wichtigen Bezugspersonen) mit dem Ziel der Erforschung seiner (subjektiven) Interessen. Die Dauer des Verfahrens oder neue Verfahrensentwicklungen können weitere Kontaktaufnahmen mit dem Kind rechtfertigen, wozu es aber einer mit Fakten untermauerten Begründung bedarf;

- Anwesenheit des Pflegers bei Gerichtsterminen und bei Anhörung des Kindes, Besprechung des Ergebnisses;

- Studium von Schriftsätzen, soweit sie den üblichen Umfang überschreiten;

- Studium eines etwaigen gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens;

- Besprechung des Ergebnisses eines etwaigen Sachverständigengutachtens mit dem Kind, soweit Alter und Reife des Kindes dies zulassen;

- Anfertigung von Berichten für das Gericht;

- Studium einer Sachentscheidung des Gerichts und Besprechung mit dem Kind, soweit Alter und Reife des Kindes dies zulassen, einschließlich der Prüfung, ob ein Rechtsmittel eingelegt wird;

- etwaige Rechtsmitteleinlegung, soweit kein Anwaltszwang herrscht.

Querkontakte des Verfahrenspflegers mit anderen Verfahrensbeteiligten (z.B. Jugendamt, Gutachter) sind regelmäßig nicht vergütungsfähig. Die Fäden des Verfahrens laufen beim Gericht zusammen, welches Verfahrensherr ist.

Bei Anlegung dieses Maßstäbe ergibt sich kein Anspruch der Beschwerdeführerin gegen die Staatskasse, der über die vom Amtsgericht festgesetzte Vergütung einschließlich Aufwendungsersatz hinausgeht. Im einzelnen:

- Aktenstudium

Im Hinblick auf den geringen Umfang der Sachakten, denen offenbar die auf das vorliegende Verfahren einflußlosen Scheidungsakten der Eltern der beiden älteren Kinder beigefügt waren, ist die Reduzierung des vergütungsfähigen Zeitaufwands von 250 Minuten auf 150 Minuten gerechtfertigt. 2 1/2 Stunden sind ein vom Amtsgericht ausreichend bemessener Zeitraum, innerhalb dessen ein Berufsverfahrenspfleger sich über den Sachverhalt kundig machen und entsprechende Aufzeichnungen fertigen kann. Die Planung pädagogischer Methoden gehört - wie bereits ausgeführt - nicht zum Aufgabenbereich des Verfahrenspflegers.

- Zwischenbericht vom 16.04.2000

Die vom Amtsgericht übernommenen Beanstandungen der Bezirksrevisorin treffen im Grundsatz nur insoweit zu, als sich die Berichtsdarstellung auf drei Besuche der Kinder, nämlich am 21.03., am 31.03. und am 16.04.2000, stützt und deshalb ein umfangreicherer Stoff zu verarbeiten war, als er sich bei nur einem - bis dahin ausreichenden - Besuch der Kinder ergeben hätte. Die Gestaltung des Berichts ist jedoch Sache der Verfahrenspflegerin. Wegen der jedenfalls zum Zeitpunkt des Kindesbesuchs und der Anfertigung des Berichts noch nicht gefestigten Rechtsprechung zum Umfang der vergütungsfähigen Tätigkeit des Verfahrenspflegers ist der Beschwerdeführerin - ausnahmsweise - der in Ansatz gebrachte Zeitaufwand für den Zwischenbericht vom 16.04.2000 zuzugestehen. Das gleiche gilt für den Bericht der Beschwerdeführerin vom 23.06.2000.

Die Absetzung des Amtsgerichts, soweit sie die für die Daten des 25.04., 26.04., 03.05., 18.05., 19.05., 31.05. und 14.06.2000 eingesetzten Beträge betreffen, sind berechtigt. Die Absetzungen für die Daten des 17.08., 18.08., 21.08. und 22.08.2000 sind ebenfalls berechtigt. Die Berechtigung der Absetzungen für das Datum des 28.06.2000 (Lesen des Gutachtens) und das Datum des 26.07.2000 (Lesen des Gerichtsprotokolls) kann dahinstehen. Denn von den durchgeführten insgesamt 8 Familienbesuchen waren gemäß den eingangs aufgestellten Grundsätzen nur 1 Besuch bei Beginn der Pflegerbestellung und ein weiterer Besuch nach Eingang des Sachverständigengutachtens erforderlich. Selbst wenn man noch einen dritten Besuch anerkennt, übersteigen die für die restlichen Besuche geltend gemachten Aufwendungen und Vergütungen die Absetzungen des Amtsgerichts für die beiden Berichte und für die zweifelhaften Positionen vom 28.06. und 26.07.2000.

Daß die Beschwerdeführerin für ihren verdienstvollen und engagierten Einsatz nicht die ihrem wirklichen Aufwand entsprechende Vergütung erhält, ist bedauerlich. Die gesetzlichen Vorschriften lassen aber eine andere Bewertung ihrer Tätigkeit, die über den durch den angefochtenen Beschluß festgesetzten Betrag hinausgeht, nicht zu.

Ende der Entscheidung

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