Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 01.08.2007
Aktenzeichen: 7 U 146/06
Rechtsgebiete: EuGVVO


Vorschriften:

EuGVVO § 15
EuGVVO § 22
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger nimmt die Beklagten auf Rückzahlung eines als Mietzins gezahlten Betrages in Höhe von € 2.105,- für ein Ferienhaus in Frankreich in Anspruch.

Der Beklagte zu 1 und seine Ehefrau, die Beklagte zu 2, leben seit 1985 in Frankreich mit Wohnsitz in O1. In dem Seebadeort O1 in der Nähe von O2 besitzen sie ein kleines Ferienhaus im Chaletstil, das sie auf der Internetseite "..." zur Vermietung für Feriengäste anbieten (Bl. 5 - 8 d. A.). Nachdem der Kläger im Internet auf das Objekt aufmerksam geworden war, interessierte er sich dafür und nahm mit den Beklagten Kontakt auf. Nach Übermittlung einer Beschreibung (Bl. 9 d. A.) bestätigten die Beklagten seine Buchung für den Zeitraum 19. Juli bis 9. August 2003 zum Preis von € 2.105,-, den der Kläger im Voraus entrichtete. Bei Anreise am 19. Juli 2003 fand der Kläger an dem Objekt keinen Gefallen und nahm von dem Bezug Abstand.

Mit am 15. Oktober 2003 beim Amtsgericht Hanau eingegangener Klage nahm der Kläger die Beklagten auf Rückzahlung der vorausgezahlten Summe mit der Begründung in Anspruch, das Objekt habe in verschiedenen Punkten der Beschreibung nicht entsprochen.

Die Amtsrichterin ordnete am 15. Januar 2004 das schriftliche Vorverfahren an und setzte eine Frist von zwei Wochen nach Zustellung zur Anzeige der Verteidigungsabsicht mit dem Hinweis, dass anderenfalls auf Antrag der Gegenseite ein Versäumnisurteil ergehen könne. Der Kläger beantragte daraufhin mit Schriftsatz vom 31. März 2004 ergänzend, bei Fristversäumung Versäumnisurteil zu erlassen.

Die im Wege der Auslandszustellung ersuchten französischen Behörden bescheinigten, dass die Zustellung an die Beklagten zu Händen der Tochter ... am 29. Juni 2004 erfolgt sei (Bl. 61 ff., 69 ff. d. A.). Nachdem die Zustellungsbescheinigungen am 12. November 2004 beim Amtsgericht eingegangen waren, eine Verteidigungsabsicht aber nicht angezeigt worden war, erließ das Amtsgericht am 3. Mai 2005 ein zusprechendes Versäumnisurteil im schriftlichen Verfahren gemäß § 331 Abs. 3 ZPO (Bl. 61 d. A.).

Die Zustellung des Versäumnisurteils erfolgte am 5. Oktober 2005. Die Beklagten legten per Fax am 5. Oktober 2005 privatschriftlich Einspruch ein, den sie mit Schreiben vom 19. Dezember 2005 wiederholten. Sie machten u.a. geltend, eine Klageschrift nicht erhalten und über das Verfahren nicht in Kenntnis gesetzt worden zu sein.

Das Amtsgericht bestimmte daraufhin am 18. Oktober 2005 Termin zur mündlichen Verhandlung "über den Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 3. 5. 2005, zugestellt am 29. 8. 2005" auf den 6. März 2006 unter Setzung einer Einspruchsfrist von zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses. Die Ladung nebst einer Ausfertigung des Versäumnisurteils und Ablichtungen verfahrensrelevanter Schriftstücke stellte das Amtsgericht den Beklagten im Rechtshilfewege zu, bei denen der Zugang am 3. März 2006 bewirkt wurde (nach Bl. 125, 148 ff. d. A.).

In dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom 6. März 2006 erschien für die Beklagten niemand. Der Amtsrichter stellte fest, dass "die Beklagten ausweislich des Auslandsrückscheins (Bl. 133 d. A.) zum heutigen Termin ordnungsgemäß geladen worden seien", und erließ antragsgemäß ein zweites Versäumnisurteil, mit dem der Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 3. Mai 2005 verworfen wurde (Bl. 139 d. A.).

Gegen dieses ihnen am 28. Juni 2006 zugestellte Urteil (Bl. 208 ff. d. A.) haben sie am 28. Juli 2006 beim Oberlandesgericht durch einen dort zugelassenen Rechtsanwalt Berufung eingelegt (Bl. 237 d. A.) und ihr Rechtsmittel am 28. August 2006 begründet (Bl. 249 d. A.).

Die Beklagten machen geltend, keine hinreichende Gelegenheit zur Verteidigung erhalten zu haben. Weder hätten sie die Klageschrift noch eine Ladung zum Termin vom 3. Mai 2005 erhalten. Von dem gesamten Verfahren hätten sie erst durch Zustellung des ersten Versäumnisurteils Kenntnis erhalten. Auch sei der Anspruch des Klägers in der Sache ungerechtfertigt.

Die Beklagten beantragen,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage unter Aufhebung des Versäumnisurteils abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II. Die Berufung der Beklagten ist zulässig.

Das Rechtsmittel ist rechtzeitig bei dem gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG zuständigen Oberlandesgericht eingelegt und auch begründet worden.

Die Berufung hat auch Erfolg, weil die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht gegeben ist, was auf die zulässige Berufung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist (BGH NJW 2003, 426 f.). Infolgedessen ist die Klage unter Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidungen als unzulässig abzuweisen.

Gemäß Art. 25 EuGVVO, deren Bestimmungen zeitlich (Art. 76, 66 EuGVVO), sachlich (Art. 1 EuGVVO) und räumlich anzuwenden sind, hat das Gericht eines Mitgliedstaats sich von Amts wegen für unzuständig zu erklären, wenn es wegen einer Streitigkeit angerufen wird, für die das Gericht eines anderen Mitgliedstaats auf Grund des Art. 22 EuGVVO ausschließlich zuständig ist.

Diese Voraussetzung liegt hier vor, weil eine ausschließliche Zuständigkeit der französischen Gerichte gemäß Art. 22 Nr. 1 EuGVVO besteht. Denn die Klage hat die Miete an einer unbeweglichen Sache zum Gegenstand, und für diesen Fall sind die Gerichte des Mitgliedstaats ausschließlich für zuständig erklärt, in dem die unbewegliche Sache belegen ist.

Zwar haben die anwaltlich vertretenen Beklagten in zweiter Instanz - anders als in ihrer persönlich eingelegten Einspruchsschrift vom 5. Oktober 2005 (Bl. 82 d. A.) - die fehlende internationale Zuständigkeit nicht ausdrücklich gerügt. Darauf kommt es aber nicht an, weil die ausschließliche Zuständigkeit auch durch eine rügelose Einlassung nicht überwunden werden kann (Art. 24 Satz 2 EuGVVO).

Art. 22 Nr. 1 EuGVVO gilt auch für Mietstreitigkeiten, die sich auf Ferienwohnungen beziehen. Für die frühere Bestimmung des Art. 16 Nr. 1 EuGVÜ hat der EuGH ausdrücklich festgestellt, dass die ausschließliche Zuständigkeit auch für kurzfristige Verträge und für solche gilt, die sich nur auf die Gebrauchsüberlassung einer Ferienwohnung beziehen (EuGH NJW 1985, 905 f.). Diese Entscheidung ist für eine in Italien gelegene Ferienwohnung getroffen worden, bei der die Mietparteien Deutsche waren und deutsches Recht und ein deutscher Gerichtsstand vereinbart worden war.

Abweichendes gilt zwar dann, wenn ein gewerblicher Reiseveranstalter eine Leistung anbietet, die darin besteht, eine Ferienwohnung kurzfristig zum Gebrauch zu überlassen, er daneben aber auch weitere Leistungen erbringt (Auskünfte, Reservierung, Beförderung, Empfang am Ort, Versicherung). In diesem Fall handelt es sich um einen gemischten Vertrag außerhalb des Bereichs, in dem die ausschließliche Zuständigkeit ihre Daseinsberechtigung hat, und nicht um einen eigentlichen Miet- oder Pachtvertrag im Sinne dieser Vorschrift (EuGH NJW 1992, 1029 f.; dem folgend BGH NJW 1992, 3158, 3159). Ein vergleichbarer Sachverhalt liegt hier aber nicht vor, weil die Beklagten lediglich ihr privates Ferienhaus vermietet haben, ohne daneben weitere Leistungen übernommen zu haben, die dem Vertrag ein anderes Gepräge geben könnten. Um einen Werkvertrag, wie der Kläger meint, handelt es sich nicht.

Entscheidendes Kriterium für die Nichtanwendung des Art. 22 Nr. 1 EuGVVO beim gewerblichen Ferienhausanbieter ist die abweichende Vertragsstruktur, nicht die Gewerblichkeit als solche. Vermietet ein privater Kleinanbieter seine eigenen Immobilien ohne ein solches zusätzliches Leistungsangebot, dann liegt ein Mietvertrag im Sinne des Art. 22 Nr. 1 EuGVVO vor, auch wenn der Vermieter gewerblich handeln mag.

Diese als unverhältnismäßig rigide empfundene Regelung (vgl. Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 4. Aufl. 2006, Rn. 313) ist durch Art. 22 Nr. Satz 2 EGVVO zwar aufgelockert worden. Nach dieser gegenüber Art. 16 Nr. 1 EuGVÜ ergänzten Fassung sind für Klagen betreffend die Miete oder Pacht unbeweglicher Sachen zum vorübergehenden privaten Gebrauch für höchstens sechs aufeinander folgende Monate auch die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat, sofern es sich bei dem Mieter oder Pächter um eine natürliche Person handelt und der Eigentümer sowie der Mieter oder Pächter ihren Wohnsitz in demselben Mitgliedstaat haben. Diese Ausnahme greift aber nicht ein, weil die Parteien ihre Wohnsitze nicht in demselben Mitgliedstaat haben, ganz abgesehen davon, dass dieser Gerichtsstand sich ebenfalls in Frankreich am Wohnsitz der Beklagten befinden würde.

Der EuGH hat ausgesprochen, dass alle Rechtsstreitigkeiten, die sich auf das Bestehen oder die Auslegung von Mietverträgen, deren Dauer, die Wiedereinräumung des Besitzes, den Ersatz von vom Mieter verursachter Schäden oder die Einziehung des Mietzinses oder der Nebenkosten beziehen, in die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Staates fallen, in dem die unbewegliche Sache belegen ist (EuGH NJW 1985, 905 f.). Die Rückforderung eines bereits gezahlten Mietzinses ist dabei zwar nicht ausdrücklich mit aufgezählt worden. Es unterliegt jedoch keinem begründeten Zweifel, dass auch Rückzahlungsansprüche nach Fehlschlagen des Vertrages unter die ausschließliche Zuständigkeit fallen (Rauscher/Mankowski, Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2006, Art. 22 Brüssel I-VO Rn. 19 m. w. N.).

Der Verbrauchergerichtsstand (Art. 15 EuGVVO) kommt nicht zur Anwendung, weil ihm der ausschließliche Gerichtsstand des Art. 22 EuGVVO vorgeht. Da es sich um einen alle anderen verdrängenden ausschließlichen Gerichtsstand handelt, verdrängt er, soweit er reicht, auch das Schutzregime des Internationalen Verbraucherprozessrechts, mag es auch sonst auch eine noch so weite Anwendung für sich reklamieren können (Rauscher/Mankowski, Art. 22 Brüssel I-VO Rn. 18a). Soweit in der Kommentar-Literatur erläutert worden ist, dass auch Verträge mit gewerblichen Ferienhausanbietern dem Verbrauchergerichtsstand unterfallen (Zöller/Vollkommer 25. Aufl., § 29c Rn. 3; Zöller/Geimer Art. 15, 16 EuGVVO Rn. 8), was möglicherweise dazu geführt hat, dass das Amtsgericht seine ursprünglich geäußerten Bedenken gegen die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte aufgegeben hat, ist das mit den oben erläuterten Einschränkungen zu versehen (unmissverständlich jetzt: Zöller/Vollkommer, 26. Aufl. 2007, § 29a Rn. 4; Zöller/Geimer, Art. 17 EuGVVO Rn. 16).

Der Verweis des Klägers im Schriftsatz vom 28. Juni 2007 auf die Entscheidung des LG Berlin in IPrax 1992, 243, 244 bringt keine abweichenden Erkenntnisse. Das LG Berlin hat über einen Fall befunden, in dem ein gewerblicher Ferienhausvermittler verklagt war, dessen Vertragsleistung in der Vermittlung von Mietverträgen mit Dritten liegen sollte. Im vorliegenden Fall haben die Beklagten ihr eigenes Ferienhaus vermietet.

Da die erstinstanzlichen Urteile aus den dargelegten Gründen keinen Bestand haben können und die Klage als unzulässig abzuweisen ist, kommt es nicht mehr darauf an, dass das Verfahren des Amtsgerichts auch in weiterer Hinsicht rechtlichen Bedenken ausgesetzt ist. Das Amtsgericht hat zu Unrecht festgestellt, dass die Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 6. März 2006 gemäß dem Auslandsrückschein Bl. 133 d. A., der eine Aushändigung am 31. Januar 2006 ausweist, ordnungsgemäß erfolgt sei. Denn darin war lediglich der Zugang bei der Chambre National des Hussiers, Paris, dokumentiert, dh. bei der nationalen Stelle, die die Zustellung an die Beklagten in Frankreich bewirken sollte. Die Zustellung an die Beklagten erfolgte erst am 3. März 2006 (Bl. 125, 148 ff. d. A.), sodass in der mündlichen Verhandlung die Ladungsfrist (§ 217 ZPO) nicht gewahrt war und das zweite Versäumnisurteil nicht hätte ergehen dürfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die dafür erforderlichen Voraussetzungen (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

Zurück