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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 25.09.2003
Aktenzeichen: 7 U 155/01
Rechtsgebiete: EVZ-StiftG


Vorschriften:

EVZ-StiftG § 16 I
Die grundsätzlich berechtigten Ansprüche von ehemaligen Zwangsarbeitern des Konzentrationslagers Auschwitz auf Ersatz ihres materiellen und immateriellen Schadens können gemäß § 16 I des Gesetzes zu Errichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung, Zukunft" (EVZ-StiftG) auf Ansprüche gegen die nach diesem Gesetz errichtete Stiftung beschränkt werden und weitergehende Ansprüche gegen die Unternehmen ausschließen, für die in der Vergangenheit die Zwangsarbeit geleistet werden musste.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 U 155/01

Verkündet am 25.9.2002

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 28.8.2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 30.7.2001 wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Beginn ihrer Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zur Vollstreckung gebrachten Betrages leistet.

Das Urteil beschwert jeden der Kläger mit mehr als 20.000,-- €.

Tatbestand:

Die Kläger waren 1942 polnische Staatsangehörige. Weil sie jüdischen Glaubens waren, wurden sie im Konzentrationslager Auschwitz inhaftiert. Auf Grund einer Vereinbarung zwischen dem Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt der SS und der Beklagten mußten die Klägerin den Jahren 1942 bis 1945 in dem Werkkomplex Ausschwitz-Monowitz der Beklagten Zwangsarbeit leisten. Eine Vergütung haben sie dafür nicht erhalten. Die Kläger verlangen von der Beklagten den Ersatz materiellen und immateriellen Schadens bzw. Herausgabe des Wertes der Arbeitsleistung, um den die Beklagte ungerechtfertigt bereichert sei. Als Vergleichsmaßstab ziehen die Kläger den - indexierten - üblichen Lohn deutscher Arbeiter in der Zeit bis 1945 heran. Zusätzlich verlangen die Kläger für die ihnen von der Beklagten widerfahrene Behandlung ein Schmerzensgeld jeweils in Höhe von DM 10.000,--.

Der Kläger zu 1) leistete in der Zeit vom 4.9.1943 bis 18.1.1945 Zwangsarbeit in der Janinagrube der Fürstengrube GmbH, einem ehemaligen Unternehmen der Beklagten, das zu dem Werkkomplex Auschwitz-Monowitz gehörte.

Der Kläger zu 2) leistete in der Zeit vom 6.6.1943 bis 18.1.1945 Zwangsarbeit in dem Werkkomplex Auschwitz-Monowitz.

Der Kläger zu 3) leistete in der Zeit vom 20.10.1942 bis 18.1.1945 Zwangsarbeit in dem Werkkomplex Auschwitz-Monowitz.

Der Kläger zu 4) leiste in der Zeit vom 13.7.1943 bis 8.9.1944 Zwangsarbeit in dem Werkkomplex Auschwitz-Monowitz.

Der Kläger zu 5) leiste in der Zeit vom 20.10.1942 bis 18.1.1945 Zwangsarbeit in dem Werkkomplex Auschwitz-Monowitz.

Aus Anlass des vor dem 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main geführten Berufungsverfahrens über die Klage des in Auschwitz-Monowitz zur Arbeit gezwungenen W. gegen die Beklagte schloß die Beklagte mit der Conference on Jewish Material Claims against Germany Inc. (im folgenden: JCC) am 6.2.1957 ein Abkommen. Sie stellte auf Grund dieses Abkommens zur Entschädigung der in ihren Betrieben in Auschwitz zur Arbeit gezwungenen Häftlinge insgesamt 30 Mio DM zur Verfügung. Damit sollten alle gegen die Beklagte und die mit ihr verbundenen Unternehmen gerichteten Ansprüche der zur Arbeit in ihren Betrieben in Auschwitz gezwungenen Häftlinge abgegolten sein. Vorgesehen war ferner, dass Leistungen an Empfänger nur erfolgen, wenn diese eine Erklärung abgeben, dass sie auf etwaige Ansprüche gegen die Beklagte verzichten. Ferner wurde vereinbart, sich um den Erlass eines Gesetzes über den Aufruf der Gläubiger der Beklagten gemeinsam zu bemühen. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Abkommens wird auf die Anlage K 7 (Bl. 100 ff d.A.) Bezug genommen.

Am 27.5.1957 ist das Gesetz über den Aufruf der Gläubiger der Industrie Aktiengesellschaft in Abwicklung (BGBI. 1 S. 569) verkündet worden.

Die Kläger zu 1) bis 4) haben auf Grund des Bundesentschädigungsgesetzes Entschädigungen wegen des während der Zeit ihrer Inhaftierung im Konzentrationslager Auschwitz erlittenen Schadens an Freiheit sowie Schadens an Körper oder Gesundheit erhalten.

Die Kläger haben beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

an den Kläger zu 1) DM 46.917,--an den Kläger zu 2) DM 54.740,--

an den Kläger zu 3) DM 70.399,--, an den Kläger zu 4) DM 40.799,36, an den Kläger zu 5) DM 69.564,80

jeweils nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie vertritt die Ansicht, gegenüber natürlichen oder juristischen Personen des Privatrechts könnten Ansprüche ausländischer Zwangsarbeiter auf Grund völkerrechtlicher Grundsätze nicht geltend gemacht werden. Den Ansprüchen stünde auch § 1 Abs. 3 S. 1 des Gesetzes über den Aufruf der Gläubiger der IG Farben entgegen. Die Kläger zu 2) bis 5) hätten auch jeweils DM 5.000,-- auf Grund der zwischen der Beklagten und der JCC getroffenen Vereinbarung erhalten, was die Kläger zu 2) bis 5) mit dem Vortrag, sich an derartige Zahlungen nicht zu erinnern, bestreiten, und die in dieser Vereinbarung vorgesehenen Verzichtserklärungen abgegeben. Wegen der erhobenen Ansprüche, die im Jahre 1999 rechtshängig gemacht wurden, erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil den Ansprüchen § 16 Abs. 1 S. 2 des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" (EVZ-StiftG) entgegenstehe. Jedenfalls seien die Ansprüche verjährt.

Gegen dieses den Klägern am 1.8.2001 zugestellte Urteil richtet sich ihre am 20.8.2001 eingelegte Berufung, die die Kläger nach rechtzeitig beantragter und bis 17.10.2001 bewilligter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 17.10.2001 begründet haben.

Die Kläger vertreten die Ansicht, der Ausschluss ihrer Ansprüche gemäß § 16 Abs. 1 S. 2 EVZStiftG sei unwirksam, weil dieses Gesetz gegen die Eigentumsgarantie des Artikel 14 GG verstoße und daher nichtig sei. Die von ihnen erhobenen Ansprüche seien auch nicht verjährt, weil § 196 Abs. 1 Nr. 9 BGB a.F. auf diese Ansprüche nicht anwendbar sei, ebensowenig § 197 BGB a.F. Eine Verjährung nach § 852 BGB a.F. komme nicht in Betracht, weil noch bis April 1999 Verhandlungen mit der Beklagten stattgefunden hätten.

Die Kläger beantragen,

unter Aufhebung des am 30.7.2001 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main - Az.: 2/20 O 71/99 - die Beklagte zu verurteilen,

an den Kläger zu 1) DM 46.917,--, an den Kläger zu 2) DM 54.740,--, an den Kläger zu 3) DM 70.299,--, an den Kläger zu 4) DM 40.799,36, an den Kläger zu 5) DM 69.564,80

nebst jeweils 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und tritt der Auffassung, § 16 EVZ-StiftG sei verfassungswidrig, entgegen. Den geltend gemachten Ansprüchen stehe jedenfalls § 1 Abs. 3 S. 1 des Gesetzes über den Aufruf der Gläubiger der IG-Farbenindustrie entgegen. Die Kläger seien auch nicht aktiv legitimiert, weil ihre Ansprüche gemäß § 8 Abs. 2 S. 2 BEG auf die Bundesländer übergegangen seien, von denen sie Entschädigungszahlungen erhalten hätten.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Kläger ist unbegründet.

Allerdings trifft die Ansicht der Beklagten, die Ansprüche der Kläger seien gemäß § 8 Abs. 2 S. 2 BEG auf die Bundesländer übergegangen, von denen die Kläger Entschädigungen nach dem BEG erhalten haben, nicht zu. Die Zahlungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz erfolgten für den auf Grund der Inhaftierung erlittenen Schaden an Freiheit und den dabei erlittenen Schaden an Körper oder Gesundheit. Hiervon zu unterscheiden sind die Bereicherungsansprüche, die die Kläger für die von ihnen geleistete Zwangsarbeit geltend machen, sowie das verlangte Schmerzensgeld, das den immateriellen Schaden, der den Klägern infolge ihrer menschenunwürdigen Behandlung bei der Zwangsarbeit entstanden ist, ausgleichen soll. Diesen Zwecken diente die Entschädigung nach dem BEG nicht (vgl. OLG Stuttgart RzW 64, 425; Blessin-Giessler, Bundesentschädigungsschlußgesetz, § 9 Anm. II 2).

Der Senat geht davon aus, dass die Kläger zu 2) bis 5) nicht wirksam bestritten haben, Zahlungen auf Grund des zwischen der Beklagten und der JCC geschlossenen Abkommens erhalten zu haben, weil es sich dabei um einen Vorgang handelt, der Gegenstand der Wahrnehmung der Kläger zu 2) bis 5) gewesen ist und den sie deshalb nicht mit Nichtwissen bestreiten können, § 138 Abs. 4 ZPO. Jedoch führt nicht der Erhalt dieser Zahlungen zum Erlöschen etwaiger Ansprüche, sondern allenfalls die Abgabe der in dem Abkommen vorgesehenen Verzichtserklärung. Ob die Kläger zu 2) bis 5) eine derartige Verzichtserklärung abgegeben haben, ist streitig geblieben. Darauf kommt es indessen nicht an, weil der von den Klägern zu 2) bis 5) erhobene Anspruch aus anderen Gründe nicht besteht.

Die Kläger sind dadurch, dass sie in dem Betrieb der Beklagten in Auschwitz-Monowitz versklavt und unter Bedingungen zur Arbeit gezwungen worden sind, die, wären die Kläger nicht befreit worden, ihren absehbaren Tod bedeutet hätten, Opfer unerlaubter Handlungen geworden, die der Beklagten zuzurechnen sind. Die Beklagte ist auch durch die Arbeitsleistungen der Kläger bereichert worden. Dass somit die von den Klägern erhobenen Ansprüche dem Grunde nach bestehen, wird auch von der Beklagten nicht ernsthaft in Zweifel gezogen.

Auf Grund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13.5.1996 (NJW 1996, 2717) steht auch fest, dass keine allgemeine Regel des Völkerrechts besteht, die es ausschließt, nach innerstaatlichem Privatrecht gegen natürliche oder juristische Personen bestehende, auf Kriegsereignissen beruhende Ansprüche individuell durchzusetzen.

Nach Auffassung des Senats sind die Ansprüche der Kläger auch nicht vollen Umfangs verjährt. Die Verjährung war zunächst gemäß Art. 5 Abs. 2 des Londoner Schuldenabkommens gehemmt (vgl. BGHZ 48, 125 ff.). Mit Abschluß des Zwei-plus-Vier-Vertrages am 12.9.1990, nach dessen Gesamtinhalt eine weitere völkervertragliche Regelung der Reparationsfragen nicht zu erwarten ist, endete diese Hemmung (OLG Stuttgart, OLGR 2000, 301; LG Berlin, NJW 2000, 1958; OLG Bamberg, OLGR 2000, 259; OLG Schleswig OLGR 2001, 177; OLG Hamm NJW 2000, 3577). Die 3-jährige Verjährungsfrist, die für die hier erhobenen Schmerzensgeldansprüche gilt, war somit geraume Zeit vor Klageerhebung verstrichen, weil die Kläger wußten, welchen Schuldner sie in Anspruch zu nehmen hatten. Eine weitere Hemmung der Verjährung kann auch nicht damit begründet werden, dass die Kläger erst mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13.5.1996 annehmen konnten, dass ihre Ansprüche nicht mit Hinweis auf den Grundsatz völkerrechtlicher Exklusivität zurückgewiesen werden würden. Eine dahin gehende ständige, anspruchsfeindliche Rechtsprechung existiert nicht. Der Bundesgerichtshof hat bereits 1963 darauf hingewiesen, dass völkerrechtliche Grundsätze einer individuellen Geltendmachung derartiger Ansprüche nicht entgegenstehen (BGH MDR 1963, 492). Verjährungshemmung wegen über den Anspruch schwebender Verhandlungen gemäß § 852 Abs. 2 BGB a.F. ist gleichfalls nicht eingetreten und zwar deshalb nicht, weil die 3-jährige Verjährungsfrist spätestens Ende des Jahres 1993 abgelaufen war und frühere Verhandlungen von den Klägern, die nach dem Vortrag in der Klageschrift erstmals Ende 1997 an die Beklagte herangetreten sind, nicht behauptet werden. Der Beklagten ist es auch nicht verwehrt, sich auf die eingetretene Verjährung zu berufen. Die Beklagte hat die Kläger von einer rechtzeitigen Rechtsverfolgung nicht abgehalten. Ein Grundsatz, dass schwerstem Unrecht die Einrede der Verjährung nicht entgegengehalten werden kann, existiert nicht (BGHZ 48, 125, 134).

Nicht verjährt sind dagegen die auf Entschädigung der Arbeitsleistung gerichteten Bereicherungsansprüche der Kläger, für die die 30-jährige Verjährungsfrist gilt. Der Senat vermag der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach auf solche Ansprüche § 196 Abs. 1 Nr. 9 BGB a.F. bzw. § 197 BGB a.F. anzuwenden ist (BGHZ 48, 125, 127), nicht zu folgen.

Was § 196 Nr. 9 BGB a.F. betrifft, stellt der Bundesgerichtshof auch nach Auffassung des Senats mit Recht darauf ab, dass es nicht auf eine wirksame vertragliche Grundlage ankommt. Dementsprechend verjähren auch Bereicherungsansprüche aus faktischen oder unwirksamen Arbeitsverhältnissen. Nicht überzeugend ist hingegen, dass der Bundesgerichtshof "tatsächliche Verhältnisse" für maßgeblich hält, ohne näher zu erläutern, welche Umstände dabei zu berücksichtigen sind. Das Bundesarbeitsgericht hat im Zusammenhang mit der Frage, ob Klagen von Zwangsarbeitern vor die Arbeitsgerichtsbarkeit gehören, das Arbeitsverhältnis als eine Tätigkeit charakterisiert, welcher freiwillig nachgegangen wird, um Lohn zu erzielen (BAG NZA 2000, 385). Diese Begriffsbestimmung umfasst ohne weiteres faktische und unwirksame Arbeitsverhältnisse, weil und soweit auch bei ihnen Arbeit auf freiwilliger Grundlage mit der Absicht, Lohn zu erzielen, geleistet wird. Ersichtlich wird bei dieser Begriffsbestimmung nicht lediglich auf eine äußerlich wahrnehmbare Tatsache abgestellt, nämlich dass ein Mensch in einem Betrieb Arbeiten verrichtet. Berücksichtigt wird vielmehr der Bedeutungszusammenhang, in dem diese Arbeit erfolgt. Der Senat vermag den Begriff der gewerblichen Arbeit, der in § 196 Abs. 1 Nr. 9 BGB a.F. vorausgesetzt ist, auch nur in diesem Sinne zu verstehen. Auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen, kann nicht bedeuten, sich nur auf den äußerlich wahrnehmbaren Umstand der Verrichtung von Arbeit zu beschränken. Gewerbliche Arbeit erfordert vielmehr, dass die Arbeit freiwillig und mit dem Ziel, damit einen Verdienst zu erzielen, verrichtet wird. Dass ein solcher Bedeutungszusammenhang nicht unberücksichtigt bleiben kann, mag auch am Beispiel des § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB a.F. verdeutlicht werden. Richtig ist, dass es auch bei Anwendung dieser Vorschrift nicht darauf ankommt, ob etwaige der Lieferung von Waren zugrunde liegende Verträge wirksam sind. Auch hier muss es sich aber um freiwillige Leistungen handeln; auf den bloß äußerlichen Umstand, dass eine Ware den Besitzer wechselt, kann nicht ausschließlich abgestellt werden. Sonst würden die Ansprüche desjenigen, der unter Drohungen zur Hergabe von Waren gezwungen wird, weil es sich nach den äußerlich wahrnehmbaren Umständen um die Lieferung von Waren handelt, in der kurzen Verjährungsfrist verjähren. Die Auffassung, dass nicht nur auf die äußerlich wahrnehmbaren Umstände, sondern auch auf den Bedeutungszusammenhang abgestellt werden muß, ergibt sich auch aus der Abhandlung von Josef in Gruchot, Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts, Band 42, S. 10, auf welche bereits das Reichsgericht in RGZ 86, 96, einer Entscheidung, auf die der Bundesgerichtshof zur Begründung seiner Rechtsprechung in BGHZ 48, 125, 127 Bezug genommen hat, verwiesen hat. Josef unterscheidet zwischen einer Leistung (Beförderung von Waren), die der Leistende seinem Schuldner erbringen will, irrtümlich aber einem Dritten erbringt, und einer Leistung (Bearbeitung eines fremden Ackers), die der Leistende in Verkennung der Eigentumsverhältnisse für sich selbst zu erbringen glaubt, sie tatsächlich aber zum Vorteil eines Dritten ausführt. Nur im ersten Fall gelte die kurze Verjährung, im letzteren dagegen nicht. Daran wird deutlich, dass es nicht genügt, lediglich auf den Umstand abzustellen, dass äußerlich wahrnehmbar Arbeit geleistet wird, sondern dass es auch darauf ankommt, in welchem Bedeutungszusammenhang, nämlich ob gewollt fremdnützig oder eigennützig, die Arbeit erbracht wird. Die Kläger haben aber in den Betrieben der Beklagten nicht gearbeitet, um das Vermögen der Beklagten zu mehren oder um Lohn zu erhalten, sondern um ihr Leben zu retten.

Auch § 197 BGB a.F. ist auf die von den Klägern erhobenen Bereicherungsansprüche nicht anzuwenden, weil die von den Klägern für ihre Arbeitsleistungen geforderten Entschädigungszahlungen nicht Ansprüche auf regelmäßig wiederkehrende Leistungen darstellen. Dies ist zwar bei Ansprüchen auf Lohn regelmäßig der Fall, weil die Vergütung regelmäßig für bestimmte Zeitabschnitte geleisteter Arbeit vereinbart wird. Die den Klägern abgenötigte Zwangsarbeit war aber weder in bestimmte, regelmäßig wiederkehrende Abschnitte unterteilt noch waren, was letztlich entscheidend ist, hierfür überhaupt Entgeltleistungen vorgesehen. Beabsichtigt war vielmehr, dass die Kläger, ohne dafür ein Entgelt zu erhalten, bis zur Erschöpfung arbeiten sollten. Die so intendierte Vernichtung durch Arbeit hat mit den in § 197 BGB a.F. vorausgesetzten Erscheinungen nichts gemein.

Die Ansprüche der Kläger, soweit sie nicht verjährt sind, sind jedoch deshalb ausgeschlossen, weil § 6 Abs. 1 EVZ-StiftG die Kläger auf Ansprüche gegen die nach diesem Gesetz errichtete Stiftung und ihre Partnerorganisationen beschränkt und weitergehende Ansprüche gegen Unternehmen ausschließt. Dies ergibt der klare Wortlaut des Gesetzes.

Zu dem selben Ergebnis führt die Anwendung des § 1 Abs. 3 des Gesetzes über den Aufruf der Gläubiger der IG-Farbenindustrie Aktiengesellschaft in Abwicklung vom 27.5.1957. Die Kläger haben Ansprüche gegen die Beklagte vor Ablauf der Frist, die durch § 1 Abs. 1 und 2 und durch die darin vorgesehenen Veröffentlichungen bestimmt worden ist, bei der Beklagten nicht angemeldet. Sie sind daher mit ihren Ansprüchen ausgeschlossen. Der in § 1 Abs. 3 S. 2 vorgesehene Ausnahmefall liegt nicht vor, weil von ehemaligen Zwangsarbeitern erhobene Ansprüche auf Schmerzensgeld und Entschädigung für Arbeitsleistung weder verbriefte Forderungen noch aus den Unterlagen der Gesellschaft ersichtliche oder ihr sonst bekannte Ansprüche sind. Dass der Beklagten die Identität der bei ihr zur Arbeit gezwungenen Menschen und die Dauer ihrer Tätigkeit aus ihren Unterlagen bekannt gewesen sein mag, bedeutet nicht, dass sie diese Ansprüche gekannt hat. Eine solche Auslegung verbietet sich schon deshalb, weil Anlass dieses gesetzesförmigen Aufgebots mit Ausschlussfrist die im Rahmen des Wollheimprozesses geschlossene Vereinbarung der Beklagten mit der JCC war, wonach die JCC für die Zwangsarbeiter, die in den dem KZ Auschwitz zuzuordnenden Betrieben zur Arbeit gezwungen wurden, eine bestimmte Summe zur gleichmäßigen Auszahlung an alle Betroffenen erhielt und zugleich vorgesehen war, dass die Zwangsarbeiter, die die vorgesehene Zahlung erhielten, eine schriftliche Erklärung, dass weitere Ansprüche nicht geltend gemacht würden, abgeben sollten, und schließlich die Parteien auf den Erlass des Aufrufgesetzes hinwirken wollten. Damit ist unverkennbar, dass die Parteien dieser Vereinbarung die Beklagte gegen künftige Inanspruchnahme durch Zwangsarbeiter sichern wollten. Das Gesetz, das auf Anregung der Parteien den Punkt 6 der Vereinbarung umsetzen sollte, kann deshalb nicht mit einem Ergebnis ausgelegt werden, das den vom Gesetzgeber aufgenommenen, von den Parteien des damaligen Vergleichs verfolgten Zweck vereiteln würde.

Der Senat sieht auch keinen Anlass, das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 100 GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Gültigkeit des § 16 Abs. 1 EVZ-StiftG oder des § 1 Abs. 3 des Gesetzes über den Aufruf der Gläubiger der IG-Farben Industrie einzuholen. Denn der Senat ist nicht überzeugt, dass diese Gesetze die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG verletzen.

Der Gesetzgeber des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" musste davon ausgehen, dass es sich bei den Entschädigungsansprüchen von Zwangsarbeitern um nahezu wertlose, voraussichtlich vor deutschen Gerichten nicht durchsetzbare Rechtspositionen und damit um äußerst schwache und ungewisse Vermögenswerte handelte, deren Ausschluß und Ersetzung durch Ansprüche gegen die Stiftung keine die Substanz der Ursprungsposition unangemessen beeinträchtigende Inhaltsbestimmung war (vgl. dazu BVerfGE 42, 263). Denn auf Grund der bis zum Erlaß des Gesetzes unveränderten, durch verschiedene Oberlandesgerichte auch fortgeführten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Anwendbarkeit der kurzen Verjährung in Verbindung mit dem Ende der Verjährungshemmung infolge des Zwei-plus-Vier-Vertrages und des Umstands, dass der Bundesgerichtshof bereits 1963 darauf hingewiesen hatte, dass jedenfalls völkerrechtliche Grundsätze einer individuellen Geltendmachung der Ansprüche nicht entgegenstünden (vgl. zu dieser Rechtsprechung BGHZ 48, 125 ff; OLG Stuttgart, OLGR 2000, 301; LG Berlin NJW 2000, 1958; OLG Bamberg, OLGR 2000, 359; OLG Schleswig OLGR 2001, 177; OLG Hamm NJW 2000, 2577), konnte der Gesetzgeber die Ausprägung des einfachen Rechts durch die unabhängigen Fachgerichte seiner Entscheidung zugrunde legen. Es kam deshalb nicht darauf an, ob aus der Sicht des Gesetzgebers die Haltung des Bundesgerichtshofs zur Anwendbarkeit der kurzen Verjährung richtig war, sondern nur darauf, dass sie voraussichtlich die gerichtliche Durchsetzbarkeit solcher Ansprüche weitgehend in Frage stellte. Vor diesem Hintergrund hat § 16 EVZ-StiftG nicht in unverhältnismäßiger Weise eine bestehende, werthaltige Forderung durch einen im Betrag viel geringeren und gegen einen anderen Schuldner gerichteten Anspruch ersetzt, sondern zu Gunsten der Zwangsarbeiter erstmals eine ohne weiteres durchsetzbare Forderung begründet. Bei der Beurteilung, ob eine die Substanz eines Vermögenswertes antastende, mit Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG nicht in Einklang stehende Inhaltsbestimmung vorliegt, kommt es aber darauf an, wie sich die Werthaltigkeit der dem Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG zuzuordnenden Position nach der zur Zeit der Regelung vorherrschenden Rechtspraxis darstellt. Der von dem Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 42, 263 entschiedene ist mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, weil dort der Kläger über eine durch einen Vergleich begründete, zivilrechtlich unstreitige, durchsetzbare und werthaltige Forderung verfügte. Dass vor einigen Gerichten in den Vereinigten Staaten von Amerika die Rechtsverfolgung ehemaliger Zwangsarbeiter Erfolg zu versprechen schien, rechtfertigt keine andere Beurteilung, weil auch diese Gerichte letztlich, nachdem die Grundlagen der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung, Zukunft" ausgehandelt waren, diese Lösung als fair beurteilt und die erhobenen Sammelklagen abgewiesen haben, soweit sie nicht ohnehin von den Klägern jener Verfahren selbst zurückgenommen wurden.

Auch hinsichtlich des Aufrufgesetzes, dessen Verfassungsmäßigkeit, soweit ersichtlich, im Schrifttum noch nicht bezweifelt worden ist, gilt, dass es, weil es die Durchführung der zwischen der Beklagten und der JCC erzielten Einigung ermöglichte, im Zusammenhang damit gesehen werden muß, dass die Zwangsarbeiter der Beklagten relativ zeitnah zum Ende des 2. Weltkriegs die Möglichkeit hatten, die im Vergleich vorgesehene, vom Betrag her nach den damaligen Wertverhältnissen nicht nur symbolische Entschädigung zu erhalten. Ohne dieses Gesetz wäre der Vergleich nicht durchgeführt worden. Die Rechtsverfolgung hätte dann den durch das Londoner Schuldenabkommen begründeten Hemmnissen unterlegen. Das lässt es gerechtfertig erscheinen, die zivilrechtlichen Ansprüche der Zwangsarbeiter der Beklagten der Ausschlussfrist des § 1 Abs. 3 des Aufrufgesetzes zu unterwerfen.

Da die Berufung der Kläger erfolglos bleibt, haben sie gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Gerichtliche Kosten werden gemäß § 9 Abs. 13 EVZ-StiftG nicht erhoben.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision zuzulassen, besteht kein Anlass. Auf die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abweichende Auffassung des Senats zur Anwendbarkeit der kurzen Verjährung kommt es nicht entscheidend an, weil die Ansprüche der Kläger durch § 16 Abs. 1 EVZ-StiftG und § 1 Abs. 3 des Aufrufgesetzes ausgeschlossen sind. Dass diese Vorschriften den ihnen vom Senat beigelegten Sinn haben, ist nicht zweifelhaft. Fragen von grundsätzlicher Bedeutung ergeben sich in diesem Zusammenhang nicht. Die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschriften vermag in einem Revisionsverfahren nicht geklärt zu werden, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt kein Grund besteht, die Revision zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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