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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 28.06.2000
Aktenzeichen: 7 U 174/97
Rechtsgebiete: AKB, AUB 88


Vorschriften:

AKB § 22
AUB 88 § 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Der Kläger unterhielt bei der Beklagten eine Kraftfahrtunfallversicherung mit einer Versicherungssumme von 200.000,-- DM für den Invaliditätsfall. Dem Versicherungsvertrag lagen die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) zugrunde.

Am ...9.1991 erlitt der Kläger bei einem Verkehrsunfall mit seinem Pkw u.a. ein Schädel-Hirn-Trauma, eine Thoraxkontusion links mit Haematopneumothorax links, ein stumpfes Bauchtrauma mit Milzruptur, eine Fraktur Femur links, eine Beckenfraktur links mit Schambeinfraktur und Beckenschaufelfraktur links. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Übernahmebericht des A in O1 (Bl. 16 ff. d. A.) Bezug genommen.

Auf der Grundlage einer durch die Beklagte veranlaßten, am 15.10.1992 erfolgten Untersuchung erstellte Professor Dr. B ein bei der Beklagten am 23.10.1992 eingegangenes Gutachten (Bl. 26 ff. d.A.), das ohne Berücksichtigung der Gliedertaxe des § 20 Abs. 1 AKB mit der Bewertung abschloß, bei dem Kläger bestehe zur Zeit eine unfallbedingte Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit von 70 %. Mit Schreiben vom 13.11 1992 (Bl. 30 d.A.) übersandte die Beklagte dem Kläger das Gutachten unter Hinweis darauf, daß dieses Feststellungen zum Bestehen einer dauerhaften Invalidität nicht enthalte, daher unverwertbar sei und sie von ihrem Recht Gebrauch mache, nach § 20 Abs. 4 AKB den Grad der Invalidität längstens binnen 3 Jahren nach Eintritt des Unfalles erneut ärztlich bemessen zu lassen. Dem Schreiben wurde ein Scheck über 20.000,-- DM beigefügt, wobei dieser Betrag als Vorschuß für eine zu erwartende Invaliditätsleistung bezeichnet und eine Rückforderung vorbehalten wurde.

Der Kläger machte sodann mit Schreiben vom 7.12.1992 (Bl. 32 ff. d.A.) unter Bezugnahme auf das Gutachten von Prof. Dr. B eine Invaliditätsentschädigung in Höhe von 140.000,-- DM geltend und forderte die Beklagte zur Zahlung einer weiteren Vorschußzahlung in Höhe von 100.000,-- DM bis zum 30.12.1992 auf.

Der Kläger, der auch über einen von seiner Mutter abgeschlossenen Versicherungsvertrag bei der D Versicherung unfallversichert war, wurde im Rahmen der dortigen Anspruchsprüfung aufgrund Auftrages vom 15.9.1992 durch B nachuntersucht. Dessen Gutachten vom 20.1 .1993 (Bl. 38 ff. d.A.) schließt mit der Bewertung ab, bei dem Kläger bestehe zur Zeit eine unfallbedingte Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 70 %. Unter dem 7.12.1992 erstellte C eine ärztliche Bescheinigung, in der bestätigt wurde, daß bei dem Kläger als Unfallfolge ein Dauerschaden in Höhe von 70 % MdE resultiert.

Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 14.12.1992 mit, daß sie Prof. B um eine Bemessung des Invaliditätsgrades unter Berücksichtigung der Gliedertaxe gebeten habe.

Nachdem sich der Kläger gegen eine weitere von der Beklagten in Auftrag gegebene Begutachtung bei der E in O2 mit dem Hinweis auf den weiten Anfahrtsweg gewandt hatte, teilte die Beklagte mit Schreiben vom 11.11.1993 mit, daß sie das F, dort Dr. G, mit der Erstellung eines Invaliditätsgutachtens beauftragt habe.

Dessen gutachterliche Stellungnahme (Bl. 68 ff. d.A.) erfolgte unter einer darin als eingeschränkt bezeichneten Einschätzungsmöglichkeit, nachdem der Kläger es im Hinblick auf veraltete Röntgengeräte und eine Vielzahl vorangegangener Röntgenuntersuchungen abgelehnt hatte, aktuelle Röntgenuntersuchungen im dortigen Krankenhaus vornehmen zu lassen. Es wurde konstatiert, daß als Folge des Unfalles objektiv nachweisbare Einschränkungen der Funktionen der Extremitäten vorliegen und des weiteren eine Kontaktaufnahme mit einem Neurologen bzw. einem Neuroorthopäden zur umfassenden Bewertung empfohlen.

Nach weiterer Korrespondenz zwischen den Parteien zum Fortgang der Begutachtung teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 10.8.1994 (Bl. 64 d.A.) mit, nunmehr die medizinische Fakultät O3 mit der abschließenden Begutachtung beauftragt zu haben, die sich wegen eines Untersuchungstermins mit ihm in Verbindung setzen werde. Mit Schreiben vom 5.9.1994 (Bl. 65 d.A.) erklärte der Kläger, daß er noch keine Nachricht von einem Untersuchungstermin erhalten habe und wies darauf hin, daß nach Ablauf der 3-Jahres-Frist ein Gutachten wohl nicht mehr gefordert werden könne. Mit Schreiben vom 29.9.94 (Bl. 66 d.A.) teilte er der Beklagten mit, er gehe davon aus, daß sich der Begutachtungsauftrag erledigt habe. Für Oktober und November 1994 angesetzte Untersuchungstermine nahm der Kläger nicht mehr wahr.

Mit seiner Klage hat der Kläger die Beklagte unter Anrechnung der Vorschußzahlung auf Zahlung restlicher Invaliditätsentschädigung nach einem Invaliditätsgrad von 70 % in Anspruch genommen. Er hat die Auffassung vertreten, daß die Beklagte die gebotene Erklärung nach § 22 Abs. 1 AKB nicht abgegeben habe und auch die 3-Jahres-Frist des § 22 Abs. 4 AKB versäumt habe, weswegen sie sich an den bereits erstellten Gutachten und dem dort festgestellten Invaliditätsgrad von 70 % festhalten lassen müsse.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 120.000,-- DM nebst 9 % Zinsen seit 31.12.1992 aus 100.000,-- DM, sowie 5% Zinsen aus 20.000,-- DM seit 21.12.1992 und 5 % Zinsen aus 100.000,--DM vom 21.12.1992 bis 30.12.1992 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat ihre Leistungsfähigkeit unter Hinweis auf die bislang fehlende Feststellung einer dauerhaften Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Klägers verneint. Zu dem hat sie die Auffassung vertreten, wegen vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung des Klägers nach den §§ 7 Ziff. IV Abs. 3, Ziff. V Abs. 4 AKB, 6 Abs. 3VVG von ihrer Leistungspflicht freigeworden zu sein, nachdem der Kläger die Untersuchungstermine bei der I O3 im Oktober bzw. im November 1994 nicht wahrgenommen habe.

Das Landgericht hat gemäß Beweisbeschluß vom 14. Dezember 1995 (BI. 139ff. d.A.) zum Umfang einer durch den Unfall eingetretenen Invalidität anhand der bis zum 6.9.1994 erkennbaren Tatsachen Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. H vom 18.4.1996 (BL 152 ff. d.A.), das durch eine Stellungnahme des Sachverständigen vom 16.12.1996 (Bl. 208 ff. d.A.) ergänzt worden ist. Mit Urteil vom 24.6.1997 wurde die Beklagte zur Zahlung von 56.000,-- DM nebst Zinsen an den Kläger verurteilt und im übrigen die Klage abgewiesen.

Gegen dieses ihm am 8.7.1997 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 8.8.1997 eingelegten Berufung, die nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 13.10.1997 am 10.10.1997 begründet worden ist.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens den erstinstanzlichen Antrag weiter. Er ist weiterhin der Auffassung, daß die Beklagte, da sie zu keiner Zeit eine Erklärung im Sinne des § 22 Abs. 1 AKB abgegeben und die 3-Jahres-Frist des § 22 Abs. 4 AKB versäumt habe, sich an der Feststellung des Invaliditätsgrades der zwei bereits vorliegenden Gutachten vor Dr. B und Dr. C. festhalten lassen müsse. Aus diesem Grund sei kein Raum für eine weitere Begutachtung im vorliegenden Rechtsstreit gewesen. Daneben sieht der Kläger eine fehlerhafte Auseinandersetzung des Sachverständigen mit dem Vorgutachten und bemängelt, daß der Sachverständige die von dem Kläger angegebene eingeschränkte geistige Leistungsfähigkeit nicht berücksichtigt habe. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Bl. 6 ff. der Berufungsbegründung (Bl. 285 ff. d.A.) Bezug genommen. Weiter behauptet der Kläger unfallbedingte Beeinträchtigungen auf neurologischem Gebiet. Insoweit wird auf die Seiten 1 und 2 des Schriftsatzes vom 25.9.1998 (Bl. 315 ff. d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 24.6.1997 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main, Aktenzeichen 2/26 O 288/95 (Az. berichtigt, da offensichtlicher Schreibfehler: Die Redaktion) die Beklagte zur Zahlung weiterer 64.000,-- DM zuzüglich 9 % Zinsen seit dem 31.12.1992 zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und verweist darauf, daß erstmals mit dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. H Feststellungen zur dauerhaften Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Klägers getroffen wurden. Sie verteidigt das Gutachten des Sachverständigen und stellt das Vorliegen einer posttraumatischen Hirnleistungsschwäche des Klägers in Abrede.

Gemäß Beweisbeschluß vom 10.11.1998 (Bl. 319 d.A.) sollte zum Vorliegen einer unfallbedingten Hirnleistungsschwäche und zum Umfang der sich damit ergebenden Gesamtinvalidität ein neurologisches Sachverständigengutachten eingehoIt werden. Der damit beauftragte Direktor der Tagesklinik J O1, Prof. Dr. K, ließ in der Folgezeit mitteilen, daß für die erforderliche Befunderhebung eine einwöchige, teilstationäre Aufnahme in der Tagesklinik erforderlich sei. Auf die Anfrage, ob damit Einverständnis bestehe, wurde klägerseits mit Schriftsatz vom 21.7.1999 (Bl. 339 f. d.A.) mitgeteilt, daß es einzig und allein sachgerecht erscheine, eine heutige Begutachtung lediglich anhand der zur Verfügung stehenden medizinischen Dokumentationen bzw. bereits vorhandenen Gutachten durchzuführen. Mit Beschluß vom 28.7.1999 wurde daraufhin dem Sachverständigen aufgegeben, sein Gutachten nach Aktenlage zu erstellten, was dieser mit Schreiben vorn 31.8.1999 (Bl. 342 d.A.) als undurchführbar ablehnte, da bisher keine Untersuchungen im Fachgebiet Neuropsychologie durchgeführt worden seien.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Der Kläger kann über die zugesprochenen 56.000,-- DM hinaus keine weitere Entschädigung verlangen, da er den ihm obliegenden Nachweis eines über 38 % hinausgehenden Invaliditätsgrades nicht geführt hat.

Für den Invaliditätsgrad ist der Versicherungsnehmer beweispflichtig (BGH VersR 1994, 971, 972), mithin der Kläger. In zeitlicher Hinsicht ist dabei auf den Gesundheitszustand des Versicherten abzustellen, der am Ende der vom Unfalltag an laufenden Frist von 3 Jahren prognostizierbar ist (vgl. BGH VersR 1988, 798; 1990, 478, 479). Aus dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. H ergibt sich aber lediglich ein Invaliditätsgrad von 38 %. Sowohl in seinem Gutachten vom 18.4.1996, als auch in seinem Ergänzungsgutachten vom 16.12.1996 führt der Sachverständige aus, daß die erhöhte Infektanfälligkeit nach Milzexstirpation mit 10 % zu bewerten ist. Die Funktionsbeeinträchtigung des linken Armes bewertet er unter Hinweis auf die Einschätzungsempfehlungen von Standardverletzungsfolgen Dr. L mit 2/10 Armwert, mithin unter Zugrundelegung eines Armwertes von 70 % entsprechend der Gliedertabelle des § 7 AUB 88, die mit der Gliedertabelle in § 20 der zugrundeliegenden AKB identisch ist, mit 14 %. Die Funktionsbeeinträchtigung des linken Beines bewertet er in Anlehnung an die Einschätzungsempfehlungen von Standardverletzungsfolgen Dr. L ebenfalls mit 14 %, nämlich 2/10 Beinwert bei einem Gesamtbeinwert von 70 % entsprechend der Gliedertabelle des § 7 AUB 88. Für das Schädel-Hirn-Trauma ersten Grades setzt er einen Invaliditätsgrad von 0 % an, da nach den klinischen Erfahrungen keine über das erste Jahr nach dem Unfall hinausgehenden Folgen zu erwarten seien. Für die vordere Beckenringfraktur und die Beckenschaufelfraktur setzt er ebenfalls einen Invaliditätsgrad von 0 % an, da diese Frakturen ohne maßgebliche Verschiebung knöchern konsolidiert seien.

Was den internistischen und orthopädischen Befund angeht, kommt die Einholung eines weiteren ergänzenden Gutachtens nicht in Betracht. Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers liegen die Voraussetzungen des § 412 Abs. 1 ZPO nicht vor. Zwar rügt der Kläger erstinstanzlich, daß aus dem gerichtlichen Gutachten nicht hervorgehe, weswegen dort der Untersuchungsbefund in dem Gutachten Prof. Dr. B zum Teil für unvollständig und unplausibel gehalten werde. Insoweit wird jedoch in dem Ergänzungsgutachten vom 16.12.1996 von dem gerichtlichen Sachverständigen ausführlich dargelegt, welche Befunderhebungen vermißt werden. Soweit der Kläger auf die Befunderhebungen in dem Gutachten Dr. C verweist, wird in dem Ergänzungsgutachten ebenfalls ausgeführt, weswegen diese Werte zweifelhaft seien. Damit ergeben sich keine Einwände dagegen, daß der gerichtliche Sachverständige hinsichtlich der Funktionseinschränkung des linken Armes und des linken Beines die Befunderhebung aus der gutachterlichen Stellungnahme G zugrundelegt, zumal diese zeitlich nach den Gutachten Prof. Dr. B und Dr. C erfolgt ist. Damit erweist sich auch die Argumentation des Klägers in der Berufung, unter Berücksichtigung der Gutachten Prof. Dr. B und Dr. C müsse von einer Invalidität von 70 % ausgegangen werden, als fehlerhaft. Entgegen der vom Kläger in der Berufung geäußerten Auffassung hat der gerichtliche Sachverständige auch nicht Befunde aus dem Gutachten mit Befunden aus dem Gutachten verwechselt. Er hat vielmehr die in dem Gutachten Dr. C aufgeführten Untersuchungsbefunde, nämlich die dort genannten Bewegungsausschläge, die identisch sind mit denen des Übernahmeberichts vom 15.10.91 unter Hinweis darauf in Frage gestellt, daß in dem Gutachten Prof. B aufgrund der von ihm am 15.12.1992 durchgeführten Untersuchung eine wesentliche Verbesserung gegenüber früheren Befunden aus dem Jahr 1991 konstatierte.

Hinsichtlich des neurologischen Befundes ist zwar das gerichtliche Gutachten Prof. Dr. H nebst Ergänzungsgutachten nicht ausreichend, da der Sachverständige dort von einem Schädel-Hirn-Trauma ersten Grades ausgeht, der Kläger aber ein Schädel-Hirn-Trauma zweiten Grades behauptet und im Berufungsrechtszug auch dort resultierende dauerhafte Beeinträchtigungen vorträgt. Damit wäre gemäß § 412 Abs. 1 ZPO insoweit ein neurologisches Sachverständigengutachten erforderlich. Dieses Gutachten konnte aber nicht eingeholt werden, da der Kläger sich nicht mit einer einwöchigen teilstationären Befunderhebung einverstanden erklärte. Eine solche Befunderhebung ist aber ausweisIich des mit der Erstellung des Gutachtens beauftragte Sachverständiger Prof. Dr. K veranlaßten Schreibens erforderlich, da eine ausführliche Untersuchung der kognitiven Leistungsfähigkeit bisher noch nicht durchgeführt wurde. Ergänzend wird in dem von dem Sachverständigen veranlaßten Schreiben vom 31.8.1999 ausgeführt, daß ein Gutachten nach Aktenlage nicht erstellt werden kann, da bisher keinerlei Untersuchungen im Fachgebiet Neuropsychologie durchgeführt wurden. Dies geht zu Lasten des beweispflichtigen Klägers. Dagegen läßt sich auch nicht einwenden, es bestände bei einer aktuellen Befunderhebung die Gefahr, daß von Sachverständigen entgegen der Auflage des Beweisbeschlusses nicht lediglich Tatsachen zur Beurteilung der Invalidität herangezogen würden, die bis zum 6. September 1994, dem Ablauf der 3-Jahres-Frist des § 22 Abs. 4 AKB, erkennbar geworden sind, sondern auch nachträglich erkennbar gewordene Tatsachen. Zwar ist dem Kläger zuzugeben, daß diese Gefahr besteht, doch ändert dies nichts an der Beweislastverteilung, sondern führt nur dazu, daß der Kläger den ihm obliegenden Nachweis nicht geführt hat, soweit Zweifel nicht ausgeschlossen werden können, daß nachträglich erkennbar gewordene Tatsachen bei der Erstellung des Gutachtens berücksichtigt worden sind. Dagegen läßt sich nicht einwenden, daß es mit dieser Beweislastverteilung der Versicherer in der Hand hätte, sich durch nicht rechtzeitige Einholung erforderlicher Gutachten Beweisvorteile zu beschaffen. Diese Argumentation verkennt, daß der Versicherungsnehmer eine erforderliche rechtzeitige Begutachtung selbst veranlassen kann, insbesondere im Wege des selbständigen Beweisverfahrens.

Die Erforderlichkeit eines prozessualen Nachweises der geltend gemachten Invalidität läßt sich nicht mit der Erwägung verneinen, daß bereits vorprozessual ein Invaliditätsgrad von 70 % bindend festgestellt worden sei. Solch eine bindende Feststellung liegt nicht vor. Zwar ist eine gemäß § 22 Abs. 1 AKB erfolgte Erstfeststellung der Invalidität auch bei rechtzeitigem Vorbehalt der Rechte nach § 22 Abs. 4 AKB bindend, wenn keine rechtzeitige endgültige Bemessung der Invalidität erfolgt ist (vgl. BGH VersR 1994, 971, 972; Grimm, AUB, § 11 Rndz. 27; Stiefel/Hofmann, AKB, § 22 Rndz. 18). Es fehlt aber bereits an der erforderlichen Erstfeststellung der Invalidität.

Eine Erstfeststellung könnte allenfalls durch das Schreiben der Beklagten vom 13.11.1992 erfolgt sein. Auch dies ist im Ergebnis aber abzulehnen. In dem Schreiben wird ausdrücklich ausgeführt, daß das mitübersandte Gutachten Prof. B für die Bestimmung der auf Dauer verbleibenden Invalidität nicht geeignet sei. Es fehle eine Feststellung des Gutachters, inwieweit und in welcher Höhe Invaliditätsfolgen auf Dauer verbleiben werden. Insbesondere wird aber bemängelt, daß der Sachverständige nicht die Gliedertaxe des § 20 Abs. 2 AKB zugrundegelegt habe. Daraus wird deutlich, daß die Beklagte sich auf den Standpunkt gestellt hat, die für eine Inväliditätsfeststellung erforderlichen Voraussetzungen lagen noch nicht vor. Dem steht nicht entgegen, daß die Beklagte mit gleichem Schreiben ausdrücklich erklärt, von dem Recht des § 20 Abs. 4 AKB auf spätere Neubemessung des Invaliditätsgrades Gebrauch machen zu wollen. Zwar setzt eine Neubemessung des Invaliditätsgrades eine Erstfestsetzung der Invalidität voraus (vgl. OLG Hamm VersR 90, 965; Grimm, AUB, § 11 Rndz. 25; Knappmann in Prölss/Martin, VVG, § 11 AUB 88 Rndz. 9; Stiefel/Hofmann, AKB, § 22 Rndz. 14). Daraus folgt aber nicht im Umkehrschluß, daß mit dem Schreiben vom 13.11.1992 eine Erstfeststellung der Invalidität gewollt sein müsse. Vielmehr kann der Vorbehalt der Rechte nach § 22 Abs. 4 AKB auch rechtsirrig erfolgt sein.

Dahinstehen kann, ob die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, auf das Gutachten Prof. B eine Erklärung nach § 22 Abs. 1 AKB abzugeben. Eine Verletzung der Verpflichtung zur Stellungnahme nach § 22 Abs. 1 AKB führt aber nicht dazu, daß die behaupteten Unfallfolgen als zugestanden gelten (vgl. Stiefel/Hofmann, AKB, § 22 Rndz. 3). Eine derart weitreichende Rechtsfolge läßt sich weder dem Wortlaut, noch dem Zweck dieser Klausel entnehmen. Das Unterlassen der gebotenen Erklärung nach § 22 Abs. 1 AKB führt vielmehr lediglich dazu, daß ein etwaiger Anspruch auf Invaliditätsentschädigung trotz § 22 Abs. 2 AKB fällig wird (vgl. Grimm, AUB, § 11 Rndz. 17; Knappmann in Prölss/Martin, VVG, § 11 AUB 88 Rndz. 3).

Damit kann dahinstehen, ob die Frist des § 22 Abs. 4 AKB als zweite Voraussetzung einer Bindungswirkung versäumt wurde, indem dem Kläger zwar vor Ablauf der am 6.9.1994 endenden 3-Jahres-Frist des § 22 Abs. 4 AKB mitgeteilt worden war, daß eine weitere Begutachtung durch die ... in O3 erfolgen sollte, die Untersuchungstermine aber erst für Oktober und November 1994 angesetzt wurden.

Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung aufgrund des nach Verhandlungsschluß eingegangenen, nicht nachgelassenen Schriftsatzes des Klägers vom 2.6.2000 kommt nicht in Betracht. Die Rüge, der Senat hätte darauf hinweisen müssen, daß seiner Ansicht nach der Kläger die Beweislast für die behaupteten Beeinträchtigungen trage, geht fehl, da sich die Beweislastverteilung bereits aus der Formulierung des ergangenen Beweisbeschlusses ergibt. Auch das mit dem Schriftsatz vorgelegte Gutachten vorn 13.8.1999 rechtfertigt keinen Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung. Es ist nicht ersichtlich, weswegen der Kläger erst am Vortag der mündlichen Verhandlung seinen Prozeßbevollmächtigten von der Existenz des Gutachtens informierte. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus § 97 Abs. 1 ZPO, sowie aus den § 708 Nr. 11,711 ZPO.

Die Beschwer entspricht dem mit der Berufung erfolglos verfolgten Zahlungsbetrag.

Ende der Entscheidung

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