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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 05.09.2001
Aktenzeichen: 7 U 180/00
Rechtsgebiete: AUB 94, AGBG, ZPO


Vorschriften:

AUB 94 § 7 I (2) b
AUB 94 § 7 I (2) a
AUB 94 § 7 I (2) c
AUB 94 § 7 I (2) d
AGBG § 5
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Zur Auslegung der Gliedertaxe einer Unfallversicherung bei Versteifung eines Schultergelenkes. Dieser Fall ist bei verbleibender Funktion des Ellenbogengelenkes, der Hand und der Finger dem Verlust des Armes nicht gleichzustellen.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit ...

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. durch die Richter am Oberlandesgericht ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. August 2001 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 27. Oktober 2000 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 26.000,-- abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Beginn ihrer Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheiten können auch durch unwiderrufliche selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland als Zoll- oder Steuerbürge zugelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Das Urteil beschwert den Kläger mit DM 464.200.-.

Tatbestand:

Die Ehefrau des Klägers schloß für sich und den Kläger mit Wirkung vom 1.2.1989 einen Unfallversicherungsvertrag mit der Beklagten. Auf Grund Nachtragsvereinbarung vom 1.2.1995 sind Bestandteil des Vertrages die AUB 94. Vereinbart ist für den Fall der Invalidität eine Grundsumme von DM 250.000,--, für den 25 %, nicht aber 50 % übersteigenden Teil des Invaliditätsgrades die dreifache, für den 50 % übersteigenden Teil die vierfache Invaliditätssumme. Ferner ist für den Fall einer unfallbedingten dauernden Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit von mindestens 50 % eine monatliche Rente von DM 2.000,-- vereinbart.

Der Kläger erlitt am 1.11.1995 beim Sturz von einer Haushaltsleiter eine Schulterverletzung, die letztlich zu einer Versteifung des Schultergelenks geführt hat.

In einem für die Beklagte erstatteten unfallchirurgischen Gutachten vom 23.5.96 stellte der Arzt Dr. B.-H. eine unfallbedingte mäßige Einschränkung der Funktion im rechten Schultergelenk sowie eine deutliche Kraftminderung im rechten Arm und - unfallunabhängig - eine deutliche Einschränkung der Ellenbogengelenksbeweglichkeit rechts sowie eine beiderseitige Schultergelenksarthrose fest. In einem weiteren auf Veranlassung der Beklagten erstellten Gutachten stellte er fest, dass zwischenzeitlich erfolgte intensive krankengymnastische Behandlung zu keiner Besserung des Leidens geführt hatte, im Gegenteil eine weitere Verschlechterung eingetreten war. Es zeigte sich jetzt eine deutliche Einschränkung der Beweglichkeit im Schultergelenk und eine Ver- schmächtigung der Muskulatur des rechten Oberarms bei im übrigen unverändertem Befund. Nach der Einschätzung des Arztes war eine Verbesserung nicht mehr zu erwarten. Die dauernde Beeinträchtigung des Armes wurde auf 2/7 Armwert geschätzt.

Auf dieser Grundlage zahlte die Beklagte eine Invaliditätsentschädigung von DM 50.000,-

Nachdem der Kläger wegen weiterer Verschlechterung der Beweglichkeit des Schultergelenks höhere Invaliditätsentschädigung verlangte, forderte die Beklagte eine weitere gutachterliche Stellungnahme des Dr. B.-H. an, der zusätzlich ein neurologisches Gutachten veranlaßte, um einen unfallbedingten neurogenen Schaden ausschließen zu können. Im Untersuchungsbefund stellte Dr. B.-H. fest, dass der Kläger eine fast vollständige Schultersteife demonstrierte, äußerte jedoch den Verdacht, der Kläger zeige nicht die maximal mögliche Funktion, weil eine weitere Verschmächtigung der Armmuskulatur nicht festzustellen war. Neurologisch konnte eine unfallbedingte Schädigung des Axilaris-Nervs nicht ausgeschlossen werden. Nach Einschätzung des Gutachters Dr. F. führte diese Schädigung aber nicht zu weiteren Gebrauchsbeeinträchtigungen als den unfallchirurgisch bereits berücksichtigten Folgen des Unfalls. Dr. F. und Dr. B.-H. gelangten deshalb zu einer unveränderten Beurteilung der Invalidität mit 2/7 Armwert.

Der Kläger legte daraufhin der Beklagten ein unfallchirurgisches Gutachten der Ärzte Prof. Dr. D. und Dr. E. vom 14.7.1998 vor, die zu dem Ergebnis gelangten, dass der rechte Arm unfallbedingt im Schultergelenk nicht aktiv bewegt werden könne und auch die passive Beweglichkeit bei massiver endgradiger Schmerzhaftigkeit erheblich eingeschränkt sei. Eine Muskelverschmächtigung des Oberarms liege nicht vor, jedoch eine leichte Verschmächtigung im Bereich der Schultermuskulatur rechts. Es handele sich um eine Versteifung in Gebrauchsstellung bei freier Beweglichkeit im Schultergürtel, was einer Minderung der Gebrauchsfähigkeit des rechten Arms von 4/10 Armwert entspreche. Die Beklagte erbat sich eine Stellungnahme, aus welchem Grund keine Muskelverschmächtigung am Oberarm festzustellen sei. Mit Schreiben vom 22.9.1998 erklärte Prof. Dr. D., dass die Oberarmmuskulatur der Streckung und Beugung des Ellenbogengelenks diene und von dem Kläger mit Hanteltraining erhalten werde, während die für Armbewegungen im Schultergelenk verantwortliche Muskulatur verschmächtigt sei. Erhalten sei lediglich die Beweglichkeit des Schultergürtels, während im Schultergelenk eine aktive Beweglichkeit nicht mehr gegeben sei.

Die Beklagte anerkannte mit Schreiben vom 6.10.98 eine Beeinträchtigung von 4/10 Armwert entsprechend 28 % Gesamtinvalidität und zahlte unter Anrechnung der bereits geleisteten DM 50.000,-- und unter Verrechnung offener Versicherungsbeiträge von DM 3.055,10 weitere DM 31.944,90. Weitere Leistungen lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 4.11.98 ab.

Die Ehefrau des Klägers hat ihm ihre Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens abgetreten.

Der Kläger ist der Ansicht, die Verletzung des Schultergelenks, wie sie sich aus den erhobenen medizinischen Befunden ergebe, sei mit 4/10 Armwert unzureichend bewertet. Da das Schultergelenk versteift sei, sei von einer Funktionsunfähigkeit des Armes im Schultergelenk auszugehen, so dass eine Invalidität nach der Gliedertaxe von 70 % der Berechnung der Leistungen zu Grunde zu legen sei. Dass die körperferneren Teile des rechten Arms wie Ellenbogengelenk, Hand und Finger unfallbedingt nicht beeinträchtigt seien und daher noch eine gewisse Restfunktion des Armes vorhanden sei, sei entgegen den ärztlichen Beurteilungen nicht zu berücksichtigen, denn bedingungsgemäß sei bei einer Funktionsunfähigkeit eines Armes "im Schultergelenk" der Nachweis einer geringeren Invalidität ausgeschlossen. Die in den Bedingungen verwendete Bezeichnung "im Schultergelenk" sei eindeutig und dürfe nicht einschränkend dahin ausgelegt werden, dass vollständige Funktionsunfähigkeit nicht vorliege, wenn schulterfernere Teile des Armes noch funktionsfähig seien. Die Möglichkeit einer solchen einschränkenden Auslegung bedeute die nachträgliche Einschränkung des Versicherungsschutzes. Wenn die Gliedertaxe in diesem Punkt nicht eindeutig sei, handele es sich jedenfalls um eine Unklarheit in allgemeinen Geschäftsbedingungen, die zu Lasten des Versicherers gehen müsse.

Jedenfalls sei die Bewertung des Invaliditätsgrades auf Grund eines festgestellten medizinischen Befundes der Rechtsanwendung und daher nicht der ärztlichen Beurteilung vorbehalten. Die Gegenüberstellung der Beweglichkeit des linken und des rechten Ar- mes im Schultergelenk nach Maßgabe der Meßblätter für die Gliedmaßen (Bl. 86, 87 d.A.) zeige, dass die Beweglichkeit des rechten Arms im Schultergelenk um mindestens 60 % gegenüber derjenigen des linken Arms eingeschränkt sei.

Der Kläger verlangt, ausgehend von einem Invaliditätsgrad von 70 %, Invaliditätsentschädigung in Höhe von weiteren DM 365.000,-- sowie Invaliditätsrente von monatlich DM 2.000,-- ab Dezember 1998.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 397.000,-- nebst 8 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger eine monatliche Unfallrente in Höhe von DM 2.000,-- zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Aktivlegitimation des Klägers und die Wirksamkeit der Abtretung bestritten und ist der Ansicht, dass bei der Beurteilung, ob eine bedingungsgemäße Funktionsunfähigkeit eines Armes im Schultergelenk vorliege, erhalten gebliebene Funktionen von Ellenbogen, Unterarm und Hand zu berücksichtigen seien, so dass bei dem Kläger von einer Funktionsbeeinträchtigung im Sinne von § 7 I (2) b AUB 94 auszugehen sei, die mit 4/10 Armwert zutreffend bewertet sei.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Gegen dieses ihm am 2.11.2000 zugestellte Urteil richtet sich die am 30.11.2000 eingelegte Berufung des Klägers, die er nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 2.2.2001 am selben Tag begründet hat.

Der Kläger verfolgt seinen erstinstanzlichen Antrag mit der Maßgabe weiter, dass er nunmehr auch die bis Januar 2001 aufgelaufenen rückständigen Rentenbeträge im Wege der Zahlungsklage verfolgt. Zur Begründung der Berufung wiederholt und vertieft der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen.

Er beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 415.000,-- nebst 8 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger eine monatliche Unfallrente in Höhe von DM 2.000,-- zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Auch sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet.

Der Kläger kann weder weitere Invaliditätsentschädigung noch Zahlung der beanspruchten Rente verlangen. Die in dem angefochtenen Urteil vorgenommene Bewertung der Invalidität mit 4/10 Armwert entsprechend 28 % Gesamtinvalidität trifft zu. Die diesem Invaliditätsgrad entsprechenden bedingungsgemäßen Leistungen hat der Kläger bereits erhalten.

Die Bestimmung der Gliedertaxe, wonach bei Verlust oder Funktionsunfähigkeit eines Armes im Schultergelenk ein Invaliditätsgrad von 70 % anzunehmen ist, ist nicht eindeutig in dem Sinne, dass eine lokal auf das Schultergelenk beschränkte Versteifung den in dieser Bestimmung vorausgesetzten Sachverhalt einer Funktionsunfähigkeit des Arms erfüllt. Der Wortlaut kann zwar vordergründig so verstanden werden. Bereits die Überlegung, was der Verlust eines Armes im Schultergelenk bedeutet, zeigt aber, dass dieses Wortlautverständnis nicht zwingend ist. Verloren ist der Arm im Schultergelenk nämlich dann, wenn auch kein geringer Rest des Oberarmknochens mehr vorhanden ist, der Arm also bis zum Schultergelenk vom Rumpf abgetrennt ist. Ein entsprechendes Verständnis ist auch für die Wendung "Funktionsunfähigkeit eines Armes im Schultergelenk" möglich. Sie bedeutet dann, dass der Arm bis zum Schultergelenk nicht mehr funktionsfähig ist.

Mangels Eindeutigkeit ist die Bestimmung daher auszulegen.

Für die Auslegung von Versicherungsbedingungen ist maßgebend, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse, der die Bedingungen aufmerksam liest und verständig unter Berücksichtigung des Sinnzusammenhangs würdigt, verstehen muß (BGH NJW-RR 99, 1473).

Nach diesen Maßstäben kann der von der Berufung geltend gemachten Auslegung der Gliedertaxe nicht gefolgt werden. Einem aufmerksamen und verständigen Leser der Gliedertaxe erschließt sich ohne weiteres, dass dem abgestuften System der Invaliditätsgrade, die fortschreitend vom körperferneren zum körpernäheren Teil der Extremitäten ansteigen, der Gedanke zu Grunde liegt, dass die Invalidität um so höher ist, je rumpfnäher die Stelle liegt, ab der das Glied abgetrennt oder gebrauchsunfähig ist. Es ist auch ohne weiteres einsichtig, dass die Gleichstellung von Verlust und Funktionsunfähigkeit die Gleichstellung vergleichbarer Sachverhalte bezweckt und dass die in § 7 I (2) b AUB 94 vorgesehene Möglichkeit, einen Teilverlust oder eine bloße Funktionsbeeinträchtigung auch nur mit Bruchteilen des jeweils für den vollständigen Verlust vorgesehenen Invaliditätsgrades zu bewerten, es rechtfertigt, verbliebene Teilfunktionen des betroffenen Körpergliedes bei der Beurteilung der Invalidität zu berücksichtigen. Dem würde es nicht gerecht, wenn die Versteifung des Schultergelenks bei verbliebener Funktion des Ellenbogengelenks, der Hand und aller Finger dem völligen Verlust des Armes gleichgestellt würde. Denn diese Sachverhalte sind in ihren Auswirkungen für die Leistungsfähigkeit des Betroffenen nicht vergleichbar. Dem völligen Verlust entspricht nämlich die Funktionsunfähigkeit nur dann, wenn das betroffene Körperglied seine natürlichen Aufgaben insgesamt nicht mehr erfüllen kann (vgl. Grimm AUB § 7 Rdnr. 19). Das ist jedoch nur der Fall, wenn das betroffene Glied nicht nur an der in der Gliedertaxe bezeichneten Stelle, sondern auch in den körperferneren Teilen seine natürlichen Auf- gaben nicht mehr erfüllt. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH VersR 90, 964; 01, 360), die die Berufung zur Begründung ihrer gegenteiligen Ansicht anführt, steht dieser Auslegung nicht entgegen. Nach dieser Rechtsprechung sind die Ausstrahlungen einer Teilgliedfunktionsunfähigkeit auf die körpernäheren Bereiche des Restgliedes bei dem für das Teilglied bestimmten Invaliditätsgrad bereits berücksichtigt. Der Umkehrschluß, den die Berufung hieraus ziehen will, dass nämlich verbliebene Funktionen des körperferneren Teilgliedes bei der Beurteilung, ob eine Funktionsunfähigkeit ab einem körpernäheren Bereich anzunehmen sei, nicht berücksichtigt werden dürften, ist unberechtigt. Er widerspricht der Systematik der Gliedertaxe, die dem Totalverlust die Funktionsunfähigkeit nur gleichstellt, wenn auch in körperferneren Teilen des Gliedes keine Restfunktion mehr erhalten ist.

Das hier vertretene Verständnis der Gliedertaxe verbietet sich auch nicht deshalb, weil bei Vorliegen eines in § 7 I (2) a AUB 94 bezeichneten Sachverhalts der ihm jeweils zugeordnete Invaliditätsgrad unter Ausschluß des Nachweises einer geringeren oder höheren Invalidität anzunehmen ist. Mit dieser Bestimmung wird insbesondere das Verhältnis der in der Gliedertaxe bestimmten Invaliditätsgrade zu der Bestimmung der Invalidität ohne ausdrückliche Festlegung abstrakt-genereller Invaliditätsgrade, wie sie im Fall des § 7 I (2) c AUB 94 vorgenommen werden muß, festgelegt. Sie besagt, dass die allgemeinen Grundsätze für die Bemessung der Invalidität bei den in der Gliedertaxe geregelten Sachverhalte nicht anzuwenden sind. Insbesondere spielen die konkreten Berufs- oder Erwerbsverhältnisse des Versicherten, soweit sie bei der ausschließlich nach medizinischen Gesichtspunkten vorzunehmenden Beurteilung der Invalidität gemäß § 7 I (2) c AUB 94 überhaupt noch zu berücksichtigen wären, keine Rolle (vgl. Grimm, AUB § 7 Rdnr. 18). Damit wird von der Berücksichtigung aber auch ausgeschlossen, dass z.B. der Verlust des rechten Arms einen Rechtshänder mehr beeinträchtigt als einen Linkshänder. Dass dagegen die Berücksichtigung verbliebener Teilfunktionen gegen den bedingungsgemäßen Ausschluß des Nachweises einer geringeren Invalidität nicht verstößt, ergibt sich schon daraus, dass sie in § 7 I (2) b AUB 94 vorgesehen ist und in solchen Fällen eine vollständige Funktionsunfähigkeit eben nicht vorliegt. Dieses Auslegungsergebnis überschreitet nicht die Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen, den Zusammenhang der Regelungen des § 7 I (2) a - d AUB 94 berücksichtigenden Versicherungsnehmers. Es handelt sich deshalb auch weder um eine unklare Regelung im Sinne von § 5 AGBG noch um eine nachträgliche Einschränkung des Versicherungsschutzes.

Die Entschädigung der Invalidität nach 4/10 des Armwertes ist nach diesen Maßstäben nicht zu beanstanden.

Der Berufung ist zwar zuzugeben, dass die Beurteilung einer Funktionsbeeinträchtigung mit einem bestimmten Invaliditätsgrad gemäß § 7 I (2) b AUB 94 gerichtlich nachprüfbar ist und die in Gutachten ärztlicherseits vorgeschlagenen Invaliditätsgrade die Gerichte nicht binden. Zu überprüfen ist dabei, ob auf der Grundlage eines vollständig erhobenen medizinischen Befundes die verbliebenen und verlorenen Funktionen in ein angemessenes Verhältnis gesetzt worden sind. Dabei darf jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, dass diese Beurteilung im Interesse der Gleichbehandlung aller Versicherten gleichmäßig zu erfolgen hat und deshalb eine generalisierende Betrachtung erfolgen muß. Dem entsprechen die in der Praxis verbreiteten Bewertungsrichtlinien, auf deren Grundlage medizinische Sachverständige ihre Empfehlungen zum anzunehmenden Invaliditätsgrad abgeben.

Im vorliegenden Fall ist der medizinische Befund unstreitig. Das Schultergelenk ist bei nur gering verbliebener Beweglichkeit aktiv praktisch nicht mehr beweglich, also versteift, und zwar in Gebrauchsstellung, also in einer der natürlichen Ruhestellung des Armes entsprechenden Position. Oberarmmuskulatur, Ellenbogenbeweglichkeit, abgesehen von der unfallfremden Vorschädigung, Unterarm und Hand sind dagegen weitgehend unbeeinträchtigt. Es liegt jedoch eine Kraftminderung vor. Das bedeutet, dass der Kläger Stützbewegungen und kraftvolle Arbeiten unter Einsatz des ganzen Arms, insbesondere das Heben von Lasten, nicht mehr vornehmen kann. Andererseits kann die Hand zum Essen, Schreiben und ähnlichen leichten Verrichtungen noch gebraucht werden. Einschränkungen ergeben sich ferner daraus, dass das mit der Hand erreichbare Aktionsfeld eingeschränkt ist, woraus sich Behinderungen beim Ankleiden und bei der Körperpflege ergeben. Die im Auftrag der Parteien tätigen Gutachter haben diesen Sachverhalt mit 4/10 Armwert (Prof. D.) bzw. 3/7 Armwert (Dr. B.-H.) beurteilt. Letzterer hat nämlich diesen Wert für eine komplette Schultersteife angenommen, und ihn im Ergebnis nur deshalb nicht ­ sondern 2/7 - vorgeschlagen, weil er von einer kompletten Schultersteife im Schultergelenk nicht überzeugt war, was jetzt aber unstreitig ist. Denn die verbliebene Beweglichkeit des Schultergürtels betrifft die Beweglichkeit zwischen Schulterblatt und Brustkorb, also nicht das Schultergelenk. Damit liegen zwei im Rahmen des notwendig vorhandenen Beurteilungsspielraums nahezu identische Beurteilungen vor, von deren Angemessenheit auch der Senat bei Abwägung der beeinträchtigten und der verbliebenen Funktionen überzeugt ist. Das von der Klägerin als Anlage BK 7 vorgelegte, vermutlich versehentlich auf den 10.10.97 datierte Attest der Ärztin W., das eine Minderung der Gebrauchsfähigkeit der Schulter um 60 % bescheinigt und in dem die von dem Kläger für maßgeblich gehaltene Gegenüberstellung der freien Beweglichkeit der gesunden linken Schulter und der beeinträchtigten rechten Schulter aufgegriffen wird, rechtfertigt keine andere Beurteilung, weil bei dieser Betrachtungsweise die verbliebenen Teilfunktionen des Armes nicht berücksichtigt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Bei der Festsetzung der Beschwer hat der Senat den bezifferten Restbetrag der Invaliditätsentschädigung von DM 365.000,-, den Betrag des auf rückständige Rentenbeträge entfallenden Zahlungsantrags bis zur Rechtshängigkeit der Klage von DM 32.000 (vgl. BGH B.v. 2.10.96 ­IV ZR 53/96 ­ BGHR ZPO § 9 Rentenrückstand 1; Senatsbeschluss v. 26.3.1999 ­ 7 U 22/98 -) und 80 % des 3,5-fachen Jahresbetrages der Unfallrente (§ 9 ZPO) berücksichtigt.



Ende der Entscheidung

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