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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 29.08.2001
Aktenzeichen: 7 U 187/00
Rechtsgebiete: ZPO, VVG, AKB


Vorschriften:

ZPO § 543
ZPO § 91
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
VVG § 1
VVG § 49
VVG § 63
VVG § 62
VVG § 62 Abs. 1 Satz 1
AKB § 12 Abs. 1 I d
Ausweichbewegungen eines Kraftfahrzeugführers vor kleinen, verhältnismäßig leichten Tieren (hier: einem Fuchs) stellen eine grob fahrlässige Überreaktion dar, so dass bei einem Unfall weder die Teilkaskoversicherung in Anspruch genommen werden kann, noch ein Anspruch auf Rettungskostenersatz (§§ 63,62 VVG) besteht.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit ...

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter am Oberlandesgericht ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 01. August 2001 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Limburg vom 27.10.2000 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger ist mit 11.796,03 DM beschwert. Von der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 543 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere frist- und formgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten hat auch Erfolg. Dem Kläger steht nach seinem eigenen Vorbringen ein Anspruch auf Zahlung der bedingungsgemäßen Entschädigung für das behauptete Unfallereignis vom 29.08.1998 gegen die Beklagte nicht zu.

Ein Anspruch des Klägers gemäß §§ 1, 49 VVG in Verbindung mit §§ 12 Abs. 1 I d AKB hätte vorausgesetzt, dass ein Zusammenstoß mit Haarwild zu dem Schaden an dem Teilkasko versicherten Pkw geführt hat. Der Senat folgt der Ansicht, dass das Tatbestandsmerkmal "durch einen Zusammenstoß" nicht vorlag und diese Kollision zu dem zurechenbaren Schaden geführt hat (vgl. auch BGH Recht und Schaden 1992, 77 (82) = VersR 1992, 349; BGH VersR 1997, 351; OLG Frankfurt NJW-RR 1993, 355; OLG Frankfurt VersR 1985, 851; OLG Hamm NJW-RR 1987, 985; OLG Hamm Recht und Schaden 1994, 167; OLG Köln VersR 1983, 122; Bruck/Möller/Johannsen "Versicherungsvertragsgesetz", 8. Aufl. Band V Anm. 759). Hierbei genügte es, dass der Zusammenstoß mit dem Wild die adäquate Ursache für späteres zum Unfall führendes Fehlverhalten des Fahrzeugführers war, nicht war es erforderlich, dass die Kollision mit dem Haarwild wesentliche Ursache für das Abkommen von der Fahrbahn und dem sich anschließenden Unfall gewesen ist. Von einem solchen adäquaten Ursachenzusammenhang zwischen dem behaupteten Zusammenstoß des versicherten Pkw mit einem Fuchs kann jedoch deshalb nicht ausgegangen werden, weit der Kläger nach seiner eigenen Darstellung eine grob fahrlässige Überreaktion gezeigt hat (vgl. auch BGH VersR 1992, 343; BGH Recht und Schaden 1997, 98; OLG Karlsruhe ZFS 1993, 308; OLG Nürnberg Recht und Schaden 1997, 35; OLG Hamm Recht und Schaden 1998, 53). Die von dem Kläger behauptete Ausweichbewegung nach einem leichten Zusammenstoß mit dem Fuchs stellte eine grob fahrlässige Herbeiführung des Unfalles dar. Der Senat folgt der Ansicht, dass Ausweichbewegungen vor kleinen und verhältnismäßig leichten Tieren wie einem Fuchs unverhältnismäßig sind, da damit das hohe Risiko eines ungleichhöheren Schadens an dem versicherten Pkw durch eine plötzliche Fahrtrichtungsän- derung in Kauf genommen wird (vgl. auch OLG Karlsruhe Recht und Schaden 1999, 404; OLG Köln Recht und Schaden 2000, 96; OLG Köln Recht und Schaden 1998, 365 f.). Auch Gründe des Tierschutzes rechtfertigen es nicht, eine solche behauptete Ausweichhandlung als gerechtfertigt und verhältnismäßig anzusehen, da im Rahmen der Abwägung es allein auf die Wertdifferenz zwischen dem versicherten Fahrzeug und dem möglicherweise gefährdeten Tier ankommt. Da nach dem eigenen Vorbringen des Klägers er in einer Schreckreaktion nach dem Zusammenstoß mit dem Fuchs von der Fahrbahn abgekommen ist, lag hierin eine grob fahrlässige Überreaktion, so dass ein Zurechnungszusammenhang mit dem behaupteten Zusammenstoß mit dem Fuchs nicht besteht.

Der Kläger hat auch nicht das Vorliegen eines Anspruches auf Rettungskostenersatz gemäß §§ 63, 62 VVG dargelegt. Der Senat folgt der Ansicht, dass ein Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen die Versicherung dann bestehen kann, wenn ein Fahrer zur Abwendung oder Geringhaltung eines unmittelbar bevorstehenden Versicherungsfalles ein Ausweichmanöver vornimmt und dabei einen Schaden durch Abkommen von der Fahrbahn an seinem Fahrzeug erleidet. Die in § 62 Abs. 1 Satz 1 VVG normierte Rettungspflicht des Versicherungsnehmers setzt nicht voraus, dass der Versicherungsfall bereits eingetreten ist, vielmehr ist es Zweck der Begründung von Rettungspflichten gerade, den Eintritt eines bevorstehenden Versicherungsfalles zu verhindern (vgl. BGH NJW 1991, 1609; BGH VersR 1994,1181; BGH VersR 1997, 351 f.; OLG Braunschweig VersR 1994, 1293; OLG Frankfurt ZFS 1995, 342; OLG Hamm Recht und Schaden 1994,167; OLG Karlsruhe Recht und Schaden 1999, 402; OLG Köln Recht und Schaden 97, 52; OLG Schleswig Recht und Schaden 1995, 290). Der Senat kann es offen lassen, ob angesichts der geringen Größe des Haarwildes, mit dem nach der Darstellung des Klägers ein Unfall drohte, überhaupt von dem Vorliegen eines bevorstehenden Versicherungsfalles ausgegangen werden kann. Das erscheint deshalb zweifelhaft, da nach dem oben ausgeführten eine unverhältnismäßige Überreaktion dann vorlag, wenn der Fahrer des versicherten Fahrzeuges eine Ausweichbewegung wählte (vgl. OLG Köln VersR 1992, 1508; Amtsgericht Koblenz NJW-RR 1993, 164 f.; Römer/Langheit "VVG" § 63 Rn. 13). Auch dann, wenn zugrunde zu legen ist, dass auch ein Zusammenstoß mit einem kleineren Tier zu einer Gefährdung des Fahrzeuges führen konnte, kommt es für die Frage der Ersatzfähigkeit nach §§ 63, 62 VVG darauf an, ob ein Ausweichmanöver des Fahrers und die damit verbundene Gefährdung des versicherten Fahrzeuges objektiv erforderlich war und darüber hinaus der Versicherungsnehmer das Ausweichmanöver mit den hiermit verbundenen Gefahren für das Fahrzeug den Umständen nach für geboten halten dürfe. Der Senat geht davon aus, dass Fehleinschätzungen über die drohende Gefahr bis zur Grenze der groben Fahrlässigkeit unschädlich sind und einem Anspruch aus § 63, 62 VVG nicht entgegen stehen (vgl. OLG Braunschweig VersR 1994, 1293; OLG Frankfurt ZFS 1995, 342; OLG Hamm Recht und Schaden 1994, 167; OLG Karlsruhe Recht und Schaden 1999, 404). Da Füchse nach den obigen Ausführungen zu den kleinen Tieren gehören, war die Gefahr eines Zusammenstoßes so gering, dass es aus der maßgeblichen Sicht des Versicherungsnehmers unverhältnismäßig erschien, das hohe Risiko eines ungleich höheren Schadens durch eine plötzliche Fahrtrichtungsänderung in Kauf zu nehmen. Der Versicherungsnehmer handelte vielmehr grob fahrlässig, wenn er eine Ausweichbewegung wählte, da er das Ausweichmanöver objektiv und subjektiv nicht für geboten halten durfte (vgl. auch BGH VersR 1997, 351 (352); OLG Frankfurt NJW-RR 1993, 355; OLG Schleswig Recht und Schaden 1995 (290)).

Angesichts dessen kam es auf die zwischen den Parteien vertiefte Frage nicht an, ob ein Anspruch auf Ersatz der Rettungskosten auch deshalb ausschied, weil die behauptete Abwendung des Schadens durch eine Ausweichbewegung lediglich ein Reflex des Klägers gewesen ist, dem die Qualität einer Handlung im natürlichen Sinne nicht zukam. Auch wenn man nicht einen Refelex unterstellt, ist davon auszugehen., dass jedenfalls eine solche etwaige Handlung nicht den Umständen nach geboten war, damit ein Anspruch des Klägers schon deshalb ausschied.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Bemessung der Beschwer orientiert sich am Ausmaß des Unterliegens des Klägers in der Berufung.



Ende der Entscheidung

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