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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 20.07.2005
Aktenzeichen: 7 U 193/04
Rechtsgebiete: AUB 88


Vorschriften:

AUB 88 § 7
Bei einer auf eine Bandscheibenschädigung beruhenden Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit ist der Versicherungsnehmer dafür beweispflichtig, dass ein Unfallereignis die überwiegende Ursache für die Bandscheibenschädigung gewesen ist.
Gründe:

Die Klägerin hat die Beklagten aus einer zwischen den Parteien bestehenden Unfallversicherung wegen einer behaupteten unfallbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit und auf Zahlung einer Übergangsleistung in Anspruch genommen.

Sie hat behauptet, am 7. Juli 2000 durch Verfehlen eines Bürostuhles gestürzt und dadurch eine Dauerschädigung der Wirbelsäule davongetragen zu haben, die zu einer mit 10 % zu bewertenden Invalidität geführt habe.

Das Landgericht hat nach Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens des Oberarztes Dr. med. X durch Urteil vom 4.8.2004, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 109 und 110 d.A. verwiesen wird, die Klage abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, hinsichtlich deren versäumter Einlegungsfrist der Klägerin Wiedereinsetzung gewährt worden ist. Die Berufung sieht in den Entscheidungsgründen eine unzulänglich begründete Abweisung des Klageanspruchs und meint, das Sachverständigengutachten sei unzulänglich, da es ausschließlich auf Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen gestützt werde. Unter Bezugnahme auf vorgelegte Privatgutachten meint die Klägerin, dass sich die Ursächlichkeit zwischen Unfallgeschehen und festgestellter Schädigung sehr wohl herleiten lasse. Jedenfalls treffe die Beklagte die Beweislast für die fehlende Ursächlichkeit des Unfallgeschehens für die eingetretene Dauerschädigung der Wirbelsäule. Das ergebe sich daraus, dass der bisherige erhebliche Zeitablauf seit dem Unfallgeschehen, der die Beweisführung erschwert habe, ausschließlich auf das außergerichtliche Verhalten der Beklagten zurückzuführen sei. Da die Klägerin Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der behandelnden Ärzte vom 10.7.2000 bis zum 20.12.2000 vorgelegt habe, sei auch der Anspruch auf Übergangsleistung begründet. Immerhin sei der Klägerin von der Beklagten aufgegeben worden, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen einzureichen, so dass die schließlich erfolgte Abweisung dieses Anspruchs eine verfahrensfehlerhafte Überraschungsentscheidung darstelle.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin 6.288,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.10.2001 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagten beziehen sich darauf, dass der Sachverständige Dr. X die von der Klägerin behauptete Unfallursächlichkeit nicht bestätigt habe, der Ursachenzusammenhang zwischen behauptetem Unfall und Körperschädigung nicht nachgewiesen sei. Überdies seien Schädigungen an Bandscheiben nicht versichert. Das könne nur dann angenommen werden, wenn ein unter den Unfallversicherungsvertrag fallendes Unfallereignis die überwiegende Ursache von Unfallfolgen gewesen sei. Diesen Nachweis habe die Klägerin nicht erbracht. Weiterhin hätten Krankheiten und Gebrechen bei der Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit mitgewirkt, was sich daraus ergebe, dass nach den Feststellungen des gerichtlich bestellten Gutachters erhebliche Bandscheibenveränderungen vorgelegen hätten.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Unter Berücksichtigung der erstinstanzlichen Darlegung, die zur Ergänzung des Sachverhalts und der rechtlichen Würdigung heranzuziehen sind, ist ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten auf Erbringung einer Invaliditätsentschädigung nach § 7 I (1) AUB 88 ausgeschlossen.

Einer Aufklärung des von der Klägerin behaupteten, von den Beklagten bestrittenen Unfallgeschehens, das das Landgericht im Tatbestand des angefochtenen Urteils als unstreitig dargestellt hat, bedurfte es nicht, da die Klageabweisung aus anderen Gründen erfolgt. Der Anspruch sowohl auf die begehrte Invaliditätsleistung gemäß § 7 Abs. 1 AUB 88 wie auch der Übergangsleistung gemäß § 7 Abs. 2 AUB 88 setzen voraus, dass das behauptete und zu unterstellende Unfallereignis zu einer Dauerbeeinträchtigung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit geführt hat. Da die Klägerin auf das behauptete Unfallereignis zurückzuführende Bandscheibenschäden geltend macht, bestand eine Leistungspflicht der Beklagten nach § 2 III Abs. 2 nur dann, wenn ein Unfallereignis im Sinne des § 1 Abs. 3 AUB 88 die überwiegende Ursache für die Bandscheibenschädigung gewesen ist.

Dieser Deckungsausschluss, der nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB verstößt (vgl. OLG Karlsruhe, OLGR 2005, 323) führt dazu, dass bei Vorliegen einer behaupteten Schädigung an den Bandscheiben der Versicherungsnehmer dafür beweispflichtig ist, dass ein Unfallereignis die überwiegende Ursache für die Bandscheibenschädigung gewesen ist (vgl. OLG Hamm OLGR 2003, 154 (155); OLG Hamm, Recht und Schaden 2001, 439 m.w.N.; OLG Nürnberg, Recht und Schaden 2001, 217; Knappmann, Neue Versicherungszeitschrift 2002, 1(3); Grimm "Unfallversicherung" § 3. Aufl. § 2 Rdn. 101). Das ergibt sich aus der Formulierung des Satzes 2 der erwähnten Bestimmung der AUB als Gegenausnahme (vgl. BGH VersR 1995, 1433).

Diesen Beweis hat der Kläger nicht geführt. Vielmehr ist der Senat an die tatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils im Zusammenhang mit der Würdigung der Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen gebunden. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten einleuchtend ausgeführt, dass der Unfallhergang als solcher nicht geeignet gewesen sei, eine bis dahin strukturgesunde, in ihrem Inneren zwar degenerativ veränderte, jedoch mit einem noch intakten äußeren Faserring ausgestattete Lendenbandscheibe im Sinne einer Polapsbildung umzuformen. Aus der Sicht des neurochirurgischen Fachgebietes ließe sich ein überdauernder Schaden aus dem Unfallereignis nicht erreichen. Zweifel an der Richtigkeit der Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen lassen sich nicht aus der von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Bescheinigung des Sportmediziners Dr. Y herleiten, der angeführt hat, dass bis zum 3. Vierteljahr 1997 aus einer Röntgenuntersuchung sich keinerlei Hinweise für einen fortschreitenden Bandscheibenschaden ergeben hätten, bis zu diesem Zeitpunkt weder degenerative noch unfallbedingte Bandscheibenschäden vorgelegen hätten. Gegen die Überzeugungskraft dieser Feststellung des Sportmediziners Dr. Y spricht die gerichtsbekannte Tatsache, dass entscheidende Ursache für das Auftreten von Bandscheibenschäden das Absinken des Wassergehaltes der Bandscheibe ist, degenerative Veränderungen als unvermeidlich anzusehen sind und eine Röntgenuntersuchung keine Aussage über den Zustand der Bandscheibe, insbesondere hinsichtlich des Fortschritts der zwangsläufigen degenerativen Veränderung auf Grund eines Absinkens des Wassergehaltes der Bandscheibe erlaubt. Auch die Beschwerdefreiheit der Klägerin, die sie angeführt hat, lässt keinen Schluss darauf zu, dass degenerative Veränderungen im Bereich der Bandscheibe fehlten. Im Rahmen des § 2 III Abs. 2 AUB 88 kommt es auch nicht darauf an, ob ein bestimmtes Ereignis erstmals Bandscheibenschmerzen ausgelöst hatten, sondern wie die Verursachungsanteile von Vorschäden und Verletzungshandlungen zu bewerten sind, die zu diesem Erfolg geführt haben (vgl. OLG Hamm, OLGR 2003, 154 (155); OLG Oldenburg, VersR 1996, 821; OLG Schleswig, VersR 1995, 825). Bei einer eher belanglosen Verletzungshandlung und von Vorschäden überwiegt jedenfalls der Verursachungsanteil der Verletzungshandlung nicht. Aus diesem Grunde lässt sich auch der Äußerung des gerichtlich bestellten Gutachters, dass es im Einzelfall selbst bei einer derart banalen Verletzung durchaus zu länger währenden subjektiven Beschwerden kommen könnte, nicht entnehmen, dass der Sachverständige damit von einer überwiegenden Verursachung der Invalidität durch die Verletzungshandlung ausgegangen ist. Vielmehr hat der Sachverständige degenerative Vorschädigungen der Lendenwirbelsäule, wie insbesondere Höhenminderungen der Bandscheiben im Bereich L 4/L5 und L 5/S 1 festgestellt, sowie spondylarthrotische Umbauvorgänge im Bereich der kleinen Wirbelgelenke, die verdickt und verplumpt erschienen. Hinzu kamen Kalksalzeinlagerungen in den Faserringen, was insgesamt zu degenerativen Vorschädigungen geführt hat. Damit fehlt es an der Ursächlichkeit des behaupteten Sturzes für die angeführte Invalidität, so dass Entschädigungsansprüche ausscheiden.

Auch eine Übergangsleistung kann die Klägerin nicht beanspruchen. Nach § 7 II AUB 88 wäre hierfür Voraussetzung gewesen, dass nach Ablauf von 6 Monaten nach Eintritt des Unfalles ohne Mitwirkung von Krankheiten oder Gebrechen noch eine unfallbedingte Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit von mehr als 50 % bestanden hat und diese bis dahin ununterbrochen bestand. Nach dem oben Ausgeführten besteht jedenfalls kein erweislicher ursächlicher Zusammenhang von Unfall und aufgetretener Beeinträchtigung, so dass aus diesem Grunde auch die Übergangsleistung nicht beansprucht werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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