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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 01.10.2008
Aktenzeichen: 7 U 214/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 598
BGB § 812
BGB § 818 Abs. 2
BGB § 917 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I)

Der Kläger, der durch Beschluss der Eigentümerversammlung der Eigentümergemeinschaft Tiefgarage X/Y in O1 zur Prozessführung im eigenen Namen ermächtigt worden ist, macht gegenüber der Beklagten - einer benachbarten Wohnungseigentümergemeinschaft - Ansprüche in Hinblick auf die Mitbenutzung der Tiefgarage der Eigentümergemeinschaft X/Y geltend.

Die Tiefgarage der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft verfügt über keine eigene Zufahrt, sondern ist nur durch die Tiefgarage der Eigentümergemeinschaft X/Y, zu welcher nachträglich eine Verbindung in Form eines Mauerdurchbruchs geschaffen worden ist, zu erreichen. In der Vergangenheit zahlte die Beklagte zeitweise für die Nutzung der Zufahrt zu ihrer Tiefgarage 550,- DM jährlich und beteiligte sich auch an den Stromkosten. Seit 1995 erfolgten keine Zahlungen mehr. Die Tiefgarage der Beklagten verfügt über 11, die der Eigentümergemeinschaft X/Y über 47 Stellplätze.

Mit seiner vor dem Amtsgericht Usingen erhobenen Klage hat der Kläger zunächst die Bestellung einer Grunddienstbarkeit (Geh- und Fahrrecht) am Grundstück der Eigentümergemeinschaft Tiefgarage X/Y zugunsten der Beklagten nebst anteiliger Unterhaltsverpflichtung begehrt. Nachdem er seine Klage mit Schriftsatz vom 1.10.2005 um Zahlungsansprüche erweitert hat, hat das Amtsgericht Usingen sich für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit auf Antrag des Klägers an das Landgericht verwiesen. Nach teilweiser Klagerücknahme hat der Kläger zuletzt eine Zahlung in Höhe von insgesamt 10.800,- Euro für die Jahre 2003 bis 2005 sowie eine jährlich wiederkehrende Zahlung von 3.600,- Euro beginnend ab dem 31.12.2006 von der Beklagten begehrt. Der Höhe nach hat er den geltend gemachten Anspruch auf Zahlung von 3.600,- Euro jährlich auf der Grundlage der Bewirtschaftungskosten gemäß Hausgeldabrechnung für das Jahr 2004 sowie einer zu zahlenden Grunddienstbarkeits-/Notwegrente berechnet.

Durch Urteil vom 17.9.2007 hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe die geltend gemachten Ansprüche nachvollziehbar dargelegt bzw. berechnet.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung.

Sie rügt, dass das Landgericht unkritisch den klägerischen Vortrag übernommen habe.

Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass entsprechende Bewirtschaftungskosten auch in den Folgejahren anfielen. An den Kosten für Geldverkehr, Zuführung von Rücklagen, Versiegelungsgebühr für Regenwasser, Rechtsberatungskosten, Gerichtskosten, Auslagen Beirat/Eigentümer, Verwaltungskosten sowie Zinsen sei sie nicht zu beteiligen. Allenfalls 5.039,42 Euro seien umlagefähig, so dass sich ein anteiliger Betrag von 955,75 Euro errechne. Des weiteren sei auch die begehrte jährliche Nutzungsentschädigung nicht nachvollziehbar dargetan.

Die Beklagte beantragt,

die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Er verweist insbesondere auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe in Justiz 1996, 408. Des weiteren legt er nunmehr den Wirtschaftsplan für das Jahr 2007 vor (Bl. 153 d.A.).

II)

Die zulässige Berufung der Beklagten hat teilweise Erfolg.

Die Beklagte ist infolge der fortwährenden Mitbenutzung der Tiefgarage der Eigentümergemeinschaft X/Y ungerechtfertigt bereichert; der insoweit zu leistende Wertersatz beläuft sich allerdings nur auf 2.000,- Euro pro Jahr. Danach steht der Eigentümergemeinschaft Tiefgarage X/Y ein Anspruch auf Zahlung von 6.000,- Euro für die Jahre 2003 bis 2005 sowie beginnend ab dem 31.12.2006 ein jährlich wiederkehrender Anspruch auf Zahlung von 2.000,- Euro gegenüber der Beklagten zu.

Der Kläger ist berechtigt, die streitgegenständlichen Ansprüche der Eigentümergemeinschaft X/Y im eigenen Namen geltend zu machen. Gemäß § 27 III 3 WEG können die Wohnungseigentümer statt des Verwalters auch einen einzelnen Wohnungseigentümer ermächtigen, Ansprüche des Verbandes im eigenen Namen durchzusetzen (vgl. Niedenführ, Kümmel, Vandenhouten, WEG-Komm., § 27 Rz. 87; BGH NZM 2005, 747).

Zwar ist eine schuldrechtliche Vereinbarung über die Zahlung einer Grunddienstbarkeitsrente, welche der Kläger über die Zustimmung zur Bestellung einer Grunddienstbarkeit zugunsten der Beklagten erreichen wollte, nicht zustande gekommen. Ebenso steht der Eigentümergemeinschaft X/Y auch kein Anspruch auf Zahlung einer Notwegrente gemäß § 917 II BGB zu, da die Beklagte keinen Notweg verlangt hat. Ein solches Verlangen ist aber Tatbestandsmerkmal für das Entstehen der Duldungs- und damit auch der Rentenzahlungspflicht (vgl. BGHZ 94, 160).

Der Kläger kann indessen die Beklagte unter dem Gesichtspunkt einer ungerechtfertigten Bereicherung auf Herausgabe des Erlangten an die Eigentümergemeinschaft X/Y in Anspruch nehmen (§§ 812 I 1 2. Alt., 818 II BGB). Die Beklagte ist ohne Rechtsgrund in sonstiger Weise bereichert.

Die Bereicherung der Beklagten liegt in der fortwährenden Mitbenutzung der Tiefgarage der Eigentümergemeinschaft X/Y als Zufahrtsweg zu ihrer eigenen Tiefgarage. Diese Nutzung stellt einen geldwerten Vorteil dar (vgl. BGHZ 94, 160; BGHZ 20, 270; OLG Karlsruhe Justiz 1996, 408).

Ein Rechtsgrund für eine unentgeltliche Inanspruchnahme der Tiefgarage X/Y besteht nicht. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass die unentgeltliche Nutzung seit 1995 geduldet worden sei. Ob insoweit durch konkludentes Verhalten ein Leihvertrag (§ 598 BGB) zustande gekommen ist, kann dahingestellt bleiben. Ggf. wäre ein solcher Vertrag in Hinblick auf seine wirtschaftliche Tragweite dahingehend auszulegen, dass dem Verleiher die jederzeitige Beendigung des Schuldverhältnisses vorbehalten bleibt (vgl. Oberlandesgericht Saarbrücken NJW-RR 2002, 1385). Wie der vorprozessuale Schriftwechsel (Antwortschreiben des Verwalters der Beklagten vom 1.3.2000 / Bl. 6 d.A.) belegt, war die Eigentümergemeinschaft X/Y bereits 1999 nicht mehr bereit, eine weitere unentgeltliche Nutzung seitens der Beklagten hinzunehmen, so dass von einer konkludenten Kündigung auszugehen wäre.

Da eine Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich ist, hat die Beklagte Wertersatz zu leisten (§ 818 II BGB). Die Höhe des zu leistenden Wertersatzes schätzt das Gericht gemäß § 287 ZPO auf 2.000,- Euro pro Jahr. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Tiefgarage der Beklagten ohne Inanspruchnahme der Tiefgarage der Eigentümergemeinschaft X/Y bei den derzeitigen baulichen Gegebenheiten überhaupt nicht genutzt werden könnte. Der Vermögensvorteil der Beklagten besteht insofern in den ersparten Aufwendungen für die unberechtigte Nutzung fremden Eigentums, wobei ein derartiger Anspruch allerdings nicht nach dem Bruchteil des Wertes der in Anspruch genommenen Fahrflächen berechnet werden kann (vgl. hierzu BGHZ 94, 160). Soweit der Kläger in seine Berechnung des zu leistenden Wertersatzes eine Grunddienstbarkeitsrente ausgehend von den mitbenutzten Fahrflächen - zudem unter Berücksichtigung eines Erbbauzinses - in Höhe von 1.013,- Euro hat einfließen lassen, kann dem in dieser Form nicht gefolgt werden. Allerdings hat der Kläger zu recht darauf hingewiesen, dass der Anspruch auf Wertersatz für die Nutzung fremden Eigentums nicht allein anhand der ersparten Aufwendungen für anteilige Instandhaltungs- und Verwaltungskosten ermittelt werden kann, da im Rahmen des § 812 I 1 2. Alt. BGB der wirtschaftliche Vorteil abgeschöpft werden soll, der dem Schuldner daraus erwächst, dass er einen Vermögensvorteil ohne die hierfür üblicherweise zu gewährende Gegenleistung erhält. Abzustellen ist insofern darauf, was für die Benutzung an angemessener Entschädigung hätte bezahlt werden müssen (vgl. Staudinger BGB-Komm., §§ 812 - 822 BGB, Stand 2007, § 818 Rz. 28). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erscheint ein Betrag von 2.000,- Euro pro Jahr angemessen.

Ausweislich der Hausgeldabrechnung betrugen die Gesamtkosten für das Jahr 2004 rd. 15.000,- Euro. Der Wirtschaftsplan für das Jahr 2007 geht sogar von einer Kostenbelastung von rd. 17.500,- Euro aus. Angesichts dessen sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass etwa im Jahr 2004 außergewöhnlich hohe Belastungen angefallen wären, so dass im Rahmen der vorzunehmenden Schätzung von Gesamtkosten in Höhe von 15.000,-Euro ausgegangen werden kann, welche nach der eigenen Berechnung des Klägers infolge anderweitiger Kostenerstattungen (Grunddienstbarkeiten etc.) auf 13.680,- Euro zu reduzieren sind. Substantiierte Einwände gegen die Einzelpositionen der Hausgeldabrechnung hat die Beklagte nicht erhoben. Soweit in der Hausgeldabrechnung auch Rücklagen enthalten sind, orientieren diese sich an der Höhe künftiger Reparaturen und sind deshalb im Rahmen der Schätzung einzubeziehen. Zugunsten der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft ist allerdings zu berücksichtigen, dass in jener Hausgeldabrechnung auch die Kosten für die Verwaltung und Unterhaltung eines Parkdecks enthalten sind und eine Mitbenutzung lediglich hinsichtlich der Tiefgarage erfolgt, wobei allerdings der auf die Tiefgarage im Verhältnis zum Parkdeck anfallende Kostenaufwand höher zu bewerten sein dürfte. Berücksichtigt man weiter, dass die Intensität der Nutzung der Tiefgarage seitens der Eigentümer jener Anlage höher zu bewerten sein dürfte als diejenige der "Durchfahrer", erscheint es angemessen, 60 % der Gesamtkosten in Höhe von 13.680,- Euro in Ansatz zu bringen. Bezogen auf das Verhältnis der Stellplätze (11 zu 47) beliefen sich danach allein die anteiligen Verwaltungs- und Unterhaltungskosten auf ca. 1.560,- Euro pro Jahr. Da der geldwerte Vorteil jedoch nicht mit den (anteilig) ersparten Aufwendungen für die Verwaltung- und Unterhaltung der Tiefgarage gleichgesetzt werden kann, diese vielmehr nur einen Anhaltspunkt innerhalb der vorzunehmenden Schätzung bilden, erscheint daher ein Betrag von 2.000, - Euro pro Jahr als Wertersatz angemessen.

Die Beklagte ist danach zur Leistung von Wertersatz für die Jahre 2003 bis 2005 in Höhe von 6.000,- Euro sowie zur zukünftigen Zahlung von jeweils 2000,-Euro pro Jahr an die Eigentümergemeinschaft X/Y verpflichtet. Aufgrund der quasi-kontraktlichen Natur des Bereicherungsanspruchs ist auch ein Anspruch auf zukünftigen Wertersatz zu bejahen (im Ergebnis ebenso BGHZ 94, 160; OLG Karlsruhe Justiz 1996, 408). Es steht außer Frage, dass die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft auch in Zukunft die Tiefgarage der Nachbaranlage mitbenutzen wird.

Zinsen in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes waren gemäß §§ 286 I 2, 288 I BGB aus 4.000,- Euro ab dem 16.11.2005 und aus 2.000,- Euro ab dem 31.12.2005 zuzusprechen. Die Beklagte ist mit Zustellung des Schriftsatzes vom 1.10.2005 in Verzug geraten. Ein weitergehender Zinsanspruch besteht nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 I, 97 I, 281 III ZPO. Soweit der Kläger hinsichtlich der zunächst begehrten Bestellung einer Grunddienstbarkeit zugunsten der Beklagten die Klage zurückgenommen hat, waren ihm insoweit keine Kosten aufzuerlegen. Das Klagebegehren war von Anfang an darauf ausgerichtet, einen angemessenen finanziellen Ausgleich für die Mitbenutzung der Tiefgarage seitens der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft zu erreichen. Neben dem geltend gemachten Zahlungsanspruch kam dem Antrag auf Bestellung der Grunddienstbarkeit zugunsten der Beklagten kein eigener Streitwert zu.

Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 708 Nr. 10; 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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