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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 19.08.2009
Aktenzeichen: 7 U 23/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 253
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Höhe des angemessenen Schmerzensgeldes aus einem Verkehrsunfall vom 12.06.2006 auf der ...-Straße in Stadt1.

Zum Sachverhalt im Einzelnen kann auf die zutreffenden Ausführungen des landgerichtlichen Urteils verwiesen werden. Ergänzend ist klarstellend anzufügen, dass der Kläger im Laufe der Behandlung eine Schleimbeutelentzündung im linken Sprunggelenk erlitt, die mittels Ultraschall und Krankengymnastik behandelt wird.

Das Landgericht hat die Beklagten mit Urteil vom 10.01.2008, berichtigt mit Beschluss vom 31.03.2008, antragsgemäß verurteilt, an den Kläger unter Berücksichtigung einer Zahlung vor Klageerhebung in Höhe von € 800 und einer weiteren Zahlung nach Klageerhebung in Höhe von € 1.700 noch weitere € 7.500 zu zahlen sowie weitere € 899,40 vorgerichtliche Anwaltskosten. Es hat festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger jeden weiteren Schaden aus dem Unfallereignis zu ersetzen, soweit dieser nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen ist.

Gegen dieses ihnen am 25. Januar 2008 zugestellte Urteil wenden sich die Beklagten mit ihrer am 1. Februar 2008 eingelegten Berufung, die sie am 20.03.2008 begründet haben.

Die Beklagten halten das zugesprochene Schmerzensgeld der Höhe nach für übersetzt und verweisen auf Entscheidungen der Schmerzensgeldsammlung Hacks/Ring/Böhm.

Die Beklagten beantragen,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main - Az. 2/5 O 263/07 vom 10.01.2008 - die Klage insoweit abzuweisen als eine Verurteilung über das bereits gezahlte Schmerzensgeld in Höhe von € 2.500 und einen Betrag in Höhe von € 661,16 vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten hinausgeht.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Ergänzend wird hinsichtlich des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien auf deren wechselseitigen Schriftsätze verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes nur in Höhe von € 7.500 zu, abzüglich der bereits gezahlten € 2.500, §§ 823, 253 BGB. Der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten berechnet sich danach aus einem Gegenstandswert in Höhe von € 12.500 (7.500 + 5.000). Darüber hinaus war die Klage abzuweisen.

1.

Die Überprüfung des Schmerzensgeldes durch den Senat ist nicht auf eine Überprüfung von Rechtsfehlern beschränkt. Vielmehr hat das Berufungsgericht die erstinstanzliche Schmerzensgeldbemessung auf der Grundlage der nach § 529 ZPO maßgeblichen Tatsachen gemäß § 513 Abs. 1, § 546 ZPO in vollem Umfang darauf zu überprüfen, ob sie zutreffend ist (vgl. BGH, NJW 2006, 1589 <1592>).

Ausgehend von diesem Prüfungsumfang ist entgegen der Auffassung der Beklagten die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes in Höhe von € 7.500 unter Berücksichtigung aller für die Höhe maßgebenden Umstände angemessen.

Der Kläger erlitt bei dem von ihm nicht verschuldeten Verkehrsunfall einen knöchernen Ausriss des linken Innenknöchels. Er suchte am Tag nach dem Unfall am 13. Juni 2006 erstmals den ihn sodann behandelnden Arzt auf. Darauf folgten weitere Konsultationen in recht regelmäßigen Abständen über fast ein Jahr. Überdies wurden krankengymnastische Behandlungen durchgeführt, die auch zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch fortdauerten.

Im Rahmen dieser unfallbedingten Behandlung trat eine Schleimbeutelentzündung auf, die zu einer Reizung und Verkürzung der Sehne am linken Sprunggelenk führte. Soweit die Beklagten die Schleimbeutelentzündung im Berufungsrechtszug nunmehr erstmals mit Nichtwissen bestreiten, ist dieses Vorbringen verspätet (vgl. § 531 Abs. 2 ZPO sowie § 530 i.V.m. §§ 520, 296 Abs 1 ZPO). Entgegen der Auffassung der Beklagten war die Entzündung nämlich bereits Teil des erstinstanzlichen Vortrags des Klägers (Bl. 4 d. A.), hatte seinen Niederschlag in dem vom Kläger vorgelegten Bericht des ihn behandelnden Arztes gefunden (vgl. Bl. 10 d. A.) und war gleichwohl von den Beklagten erstinstanzlich nicht bestritten worden. Dementsprechend hat es durch einen entsprechenden Verweis des Landgerichts zu Recht auch Eingang in dessen Feststellungen gefunden, ohne dass diese Feststellungen im Rahmen der Berufungsschrift angegriffen worden wären. Demzufolge ist dieser Umstand bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen.

Infolge seiner erlittenen Verletzung war der zum Unfallzeitpunkt 47 Jahre alte Kläger etwa sechs Wochen lang zu hundert Prozent arbeitsunfähig, sowie weitere drei Wochen lang zu sechzig Prozent in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert. Durch den einsetzenden Heilungsprozess verbesserte sich der Zustand in den folgenden Monaten kontinuierlich. Allerdings ist von einer dauerhaften Bewegungseinschränkung des oberen und unteren Sprunggelenks auszugehen, was eine verbleibende Minderung der Erwerbsfähigkeit von zehn Prozent nach sich zieht. Ferner verbleiben als dauerhafte Folgen des Unfalls Beschwerden bei einer längeren Belastung.

Die genannten Gesichtspunkte und dabei insbesondere die dauerhaften Folgen des Unfalls rechtfertigen eine Schmerzensgeldbemessung in Höhe der tenorierten Summe. Die Verletzungen des Klägers entsprechen im Wesentlichen denjenigen, die den vom Landgericht in Bezug genommenen Entscheidungen zu Grunde liegen. Diese urteilten jedoch noch Beträge in DM aus, was zu berücksichtigen war.

Soweit die Beklagten dem entgegenhalten, dass der geforderte Betrag deutlich die Schmerzensgeldbemessung der bisherigen Rechtsprechung übersteige, kann dem nur teilweise gefolgt werden. Zutreffend ist zwar, dass die vom Landgericht zur Begründung seiner Auffassung herangezogenen Entscheidungen des Oberlandesgericht Köln (NJW-RR 2002, 962) und des Landgerichts München I (Hachs/Ring/Böhm, Schmerzensgeldbeträge, 27. Aufl., Lfd.Nr. 27.1286) jeweils nur etwa € 5.000 für ähnliche Verletzungen vorsahen. Von einem ähnlichen Wert geht auch das Oberlandesgericht Hamm in einer Entscheidung aus dem Jahr 1998 aus (OLG Hamm, NJWE-VHR 1998, 269). Gleichwohl ist nicht zu verkennen, dass auch Entscheidungen mit vergleichbaren Unfallfolgen und dennoch höheren zuerkannten Schmerzensgeldbeträgen vorliegen. Verwiesen sei nur auf die Entscheidung des Oberlandesgericht Frankfurt, in der - wenn auch mit erheblicheren Spätfolgen - für eine Sprunggelenkfraktur ein Betrag von € 12.500 zuerkannt wurde (OLGR 2002, 115) sowie ein Urteil des Oberlandesgericht Koblenz aus dem Jahr 1990, bei dem bereits zur damaligen Zeit aufgrund einer Fußfraktur mit Bänderverletzung sowie einer Fingerfraktur über € 10.000 für angemessen erachtet wurden (Urt. v. 15. Oktober 1990 - 12 U 802/89).

Eine unkorrigierte Übernahme der ausgewiesenen Beträge älterer Entscheidungen verbietet sich. Vielmehr ist zu Gunsten der Geschädigten die seit dem Entscheidungszeitpunkt verstrichene Geldentwertung ebenso zu berücksichtigen, wie die allgemeine Tendenz, bei der Bemessung von Schmerzensgeld höhere Beträge zuzusprechen als noch in früheren Zeiten (vgl. OLG Köln, NJW-RR 2002, 962 <963>). Ebenfalls ist zu berücksichtigen, dass gegenüber früheren Behandlungsmethoden es seltener zu stationären Aufenthalten kommt, vielmehr von operativen Eingriffen heute häufig abgesehen wird, so dass die erschwerend in älteren Entscheidungen herangezogenen Krankenhausaufenthalte mittlerweile anders zu gewichten sind.

Insgesamt erscheint daher ein Schmerzensgeld angesichts der Verletzungen und Folgen, des Zeitablaufs und einer Betonung des Wiedergutmachungseffekts mit einer Erhöhung der Beträge in Höhe von € 7.500 als angemessen, aber auch ausreichend.

2.

Der Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten war nur in Höhe von € 837,52 begründet. Ausgehend vom Erfolg der Klage zum Schmerzensgeld reduziert sich auch der dem Erstattungsanspruch zugrunde zu legende Gegenstandswert. Dieser beträgt € 12.500. Eine Gebühr daraus beträgt € 526, die 1,3-fache Gebühr € 683,80. Zuzüglich Pauschale von € 20 und 19% Mehrwertsteuer errechnen sich € 837,52.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, und berücksichtigt das jeweilige Obsiegen und Unterliegen der Parteien. Auch hinsichtlich des anerkannten Anspruchs bezüglich des Zukunftsschadens trifft die Kostenlast die Beklagten. Sie haben durch die Zahlungsverweigerung Anlass zur Klageerhebung gegeben. Ein Fall des § 93 ZPO liegt nicht vor.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Der festgesetzte Gegenstandswert entspricht dem Wert, soweit die Beklagten das Urteil angegriffen haben.

Ende der Entscheidung

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