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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 28.06.2006
Aktenzeichen: 7 U 9/05
Rechtsgebiete: MBKK 94


Vorschriften:

MBKK 94 § 4 Nr. 5
1. Der Leistungsausschuss nach § 4 Nr. 5 MBKK 94 stellt eine nicht zu beanstandende Risikobegrenzung dar, die den Versicherer davor schützen soll, wegen einer als Krankenhausbehandlung bezeichneten Kur- oder Rehamaßnahme in Anspruch genommen zu werden, für die nach § 5 Abs. 1 b MBKK 94 Versicherungsschutz nicht besteht.

2. Danach bestehen weder unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen überraschenden Klausel noch unter dem einer unangemessenen Benachteiligung Bedenken gegen die Wirksamkeit der Klausel.


Gründe:

I.

Der Kläger hat die Beklagte auf Leistungen aus einer Tagegeldversicherung wegen eines Aufenthaltes in einer gemischten Anstalt in O1 sowie auf Rückzahlung nach seiner Ansicht zu Unrecht eingezogener Beträge nach einer Beitragserhöhung in der zwischen den Parteien bestehenden privaten Krankenversicherung in Anspruch genommen.

Die Beklagte hat sich zur Leistungsverweigerung für berechtigt gehalten, da sie vor Beginn des Aufenthaltes in der gemischten Anstalt ihre Leistungspflicht ausdrücklich abgelehnt habe und gemeint, dass die Beitragskalkulation nicht zu beanstanden sei. Das Landgericht hat nach Einholung eines versicherungsmathematischen Gutachtens die Klage abgewiesen. Zur Begründung der hiergegen eingelegten Berufung meint der Kläger, dass die Beklagte ihre Weigerung zur Deckung der Behandlung in der gemischten Anstalt willkürlich getroffen habe. Die Beklagte habe in den vergangenen Jahren bei gleichen Bedingungen Leistungszusagen erteilt. Hinsichtlich der Beitragserhöhung bezieht sich der Kläger auf seine in der 1. Instanz eingereichten Schriftsätze und weist zusätzlich darauf hin, dass der Gutachter A die Bewertungsgrundlagen für die Beitragserhöhung verworfen habe.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Sie meint, dass das Landgericht mit Recht zugrunde gelegt habe, dass sich die Beklagte auf Leistungsfreiheit nach § 4 Abs. 5 MB/KK hinsichtlich des begehrten Krankentagegeldes berufen könne. Der Beklagten habe es freigestanden, über den Aufenthalt in der gemischten Klinik Deckung abzulehnen. Mit den Kostenübernahmen in den Jahren 1988 bis 1996 habe die Beklagte auch keinen Vertrauenstatbestand dafür geschaffen, dass sie auch den Aufenthalt des Klägers in der gemischten Anstalt im Jahre 1999 decken werde. Es habe auch kein Notfall vorgelegen, der den Aufenthalt des Klägers in der gemischten Anstalt zwingend notwendig erfordert habe. Hinsichtlich der angegriffenen Beitragserhöhungen enthalte die Berufung keine Anführung von Anfechtungsgründen. Die Bezugnahme auf die erstinstanzlichen Schriftsätze enthielten nicht die erforderliche Auseinandersetzung mit den Ausführungen des angefochtenen Urteils.

II.

Die Berufung ist unbegründet, da das angefochtene Urteil keine Rechtsverletzungen zu Lasten des Klägers aufweist und auch nicht neue, nach §§ 529 ff ZPO zu Grunde zu legende Tatsachen eine abweichende Entscheidung zu Gunsten des Klägers rechtfertigen.

Das Landgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass der Anspruch auf Zahlung von Krankenhaustagegeld deshalb scheitert, weil der Leistungsausschlusstatbestand des § 4 Nr. 5 MB/KK vorlag. Unstreitig handelt es sich bei der Klinik in O1, in der sich der Kläger befunden hatte, um eine sogenannte gemischte Anstalt im Sinne des § 4 Abs. 5 MB/KK, so dass eine Leistungspflicht nur dann besteht, wenn die Beklagte vor Beginn der Behandlung die tarifliche Leistung zugesagt hätte, was nicht der Fall ist, oder ausnahmsweise von einer Entbehrlichkeit der Zusage auszugehen ist. Der Senat folgt der Ansicht, dass Bedenken gegen die Wirksamkeit der Bestimmung des § 4 Abs. 5 MB/KK nicht bestehen. Die Vorschrift enthält eine nicht zu beanstandende Risikobegrenzung, die den Versicherer davor schützen soll, wegen einer als Krankenhausbehandlung bezeichneten Kur- oder Rehamaßnahme in Anspruch genommen zu werden, für die nach § 5 Abs. 1 b MB/KK 94 Versicherungsschutz nicht besteht (vgl. BGH VersR 1971, 949; BGH VersR 1983, 576; OLG Frankfurt - Senat OLGR 1998, 116; OLG Frankfurt, VersR 2001, 972; OLG Frankfurt, VersR 2002, 601; vgl. auch OLG Hamm, VersR 1999, 1138; Bach/Moser/Schönfeld/Kalis "Krankenversicherungsrecht", 3. Aufl., § 4 MB/KK Rdn. 99; Beckmann/Tschersich "Handbuch Versicherungsrecht", § 45 Rn. 110). Sinn und Zweck der nicht zu beanstandenden Leistungsbefreiung der Beklagten ist es, die statistisch gesicherte höhere Verweildauer in gemischten Anstalten nicht zu Lasten der privaten Versicherung anzuerkennen. Da Kurmaßnahmen erfahrungsgemäß oft erst nach längerer Zeit wirken, zum anderen das subjektive Risiko der Verweildauer dadurch erhöht wird, dass auf Grund der mit dem Kurbetrieb verbundenen Annehmlichkeiten der Patient veranlasst wird, über die medizinisch notwendige Zeit hinaus in dem Krankenhaus zu verweilen (vgl. Schulz, VersR 1969, 370; Bach/Moser a.a.O. § 495), dient die Zustimmungspflicht der Beklagten in nicht zu beanstandender Weise dem Zweck, nur ausnahmsweise einen solchen Aufenthalt zu decken. Danach bestehen weder unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen überraschenden Klausel noch unter dem Gesichtspunkt einer unangemessenen Benachteiligung Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser Bestimmung (vgl. auch BGH VersR 2003, 360; OLG Oldenburg, VersR 1998, 174; Senat VersR 2002, 601).

Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Beklagte auch nicht nach Treu und Glauben gehindert, sich auf den Ausschluss der Leistung zu berufen. Ob die Behandlung in der gemischten Anstalt medizinisch notwendig gewesen ist oder nicht, was zwischen den Parteien streitig ist, ist nicht entscheidungserheblich. Da es Sinn und Zweck des Erfordernisses der vorherigen Zustimmung zur Behandlung in der gemischten Anstalt auch ist, zu vermeiden, dass im Einzelfall eine nachträgliche und deshalb schwierige Überprüfung dieser Frage durch den Versicherer erforderlich wird, genügte die etwaige Notwendigkeit der Behandlung nicht, die Beklagte daran zu hindern, sich auf den Ausschluss der Leistung zu berufen (vgl. Senat VersR 2002, 601; OLG Karlsruhe, VersR 1990, 37; OLG München, VersR 1983, 361).

Eine Entbehrlichkeit der Zusage durch die Beklagte und deren damit bestehende Verpflichtung zu einer die Leistungspflicht ausschließenden Genehmigung kann auch nicht mit der Begründung angenommen werden, dass der Beklagten bei ihrer Entscheidung über die Versagung der Zustimmung ein Ermessensfehler unterlaufen ist. Die Entscheidung der Beklagten über Erteilung oder Nichterteilung der Leistungszusage stellte zwar eine Ermessensentscheidung dar (vgl. OLG Koblenz, Recht und Schaden 2001, 164; OLG Köln, VersR 1981, 425; OLG Hamm, VersR 1982, 387; Bach/Moser, a.a.O. § 4 Rdn. 116 m.w.N.), jedoch steht es nicht fest, dass sich die Beklagte bei ihrer versagten Zustimmung von krass fehlerhaften oder abwegigen Überlegungen hatte leiten lassen und sich dies ihr hätte aufdrängen müssen (vgl. OLG Köln, Recht und Schaden 1993, 231).

Eine solche Ermessensreduzierung kann für die Beklagte nicht deshalb angenommen werden, dass sie in den vorausgegangenen Jahren bei weitgehend identischen Behandlungen in der gemischten Anstalt Leistungszusagen erteilt hatte. Vielmehr durfte die Beklagte - unbeschadet früherer Zusagen bei identischem Sachverhalt - frei darüber entscheiden, ob sie erneut eine Zusage erteilt oder nicht (vgl. Senat VersR 2001, 972; Senat VersR 2002, 601 (602); OLG Nürnberg, Recht und Schaden 1996, 283; Bach/Moser, a.a.O. § 4 MB/KK Rdn. 130). Im übrigen bestand kein Anschein dafür, dass die beklagte zustimmen werde, da sie vor Behandlungsbeginn die Leistungszusage ausdrücklich abgelehnt hatte.

Eine Reduzierung des der Beklagten eingeräumten Ermessens über die Zustimmung zur Behandlung in der gemischten Anstalt ergab sich ersichtlich auch nicht aus einer anstehenden Notfallbehandlung oder gar einem Einweisungsfall. Angesichts des Zeitabstandes zwischen dem Ende der Behandlung in der Klinik O2 und der Aufnahme der Behandlung in der gemischten Anstalt in O1 scheidet die Annahme eines Notfalles aus, da dem Kläger ausreichend Zeit verblieb, ein anderes Krankenhaus zu wählen, das den Restriktionen des § 4 Nr. 5 MB/KK nicht unterlag (vgl. auch Terbille-Schubach "Münchner Handbuch VersR", § 22 Rdn 234). Aus dem gleichen Grunde lag auch nicht ein Einweisungsfall vor, da eine lebensbedrohende Notlage, die eine zeitlich lückenlose an die Vorbehandlung anschließende Weiterbehandlung erforderte, nicht gegeben war (vgl. auch BGH VersR 1971, 949; Bach/Moser a.a.O. Rdn. 122 zu § 4 MB/KK).

Auch sonstige Ermessensfehler können der Beklagten bei ihrer ablehnenden Entscheidung über die Übernahme des Krankenhaustagegeldes nicht zur Last gelegt werden. Dass der Kläger nach seiner Darstellung weder im Klagewege noch im Wege der einstweiligen Verfügung den Ersatz der Zustimmung der Beklagten nicht bis zum Antritt der Behandlung in der gemischten Anstalt erreichen konnte, begründete für ihn kein nicht hinnehmbares Dilemma. Da er auf die Erteilung der Zustimmung ohnehin keinen Anspruch hatte, blieb es ihm unbenommen, eine andere Klinik zu wählen, die keine gemischte Anstalt darstellt.

Die Berufung des Klägers hat auch insoweit keinen Erfolg, als der Kläger zur Begründung behaupteter Rückgewähransprüche sich darauf bezogen hat, die Addition der seiner Meinung nach überzogenen Beitragserhöhung ergebe den Klageantrag. Insoweit ist die Berufung des Klägers zwar zulässig, aber nicht begründet. Durchgreifende Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung lassen sich nicht daraus herleiten, dass zunächst eine notwendige, auf den Einzelfall zugeschnittene konkrete Begründung, aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen das Urteil nach Ansicht des Klägers unrichtig sei, fehlte. Hierfür genügte weder eine globale Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen noch die bloße Wiederholung (vgl. auch Bundesverfassungsgericht NJW 1992, 495; BGH NJW-RR 2002, 135; BGH NJW-RR 1998, 354; BGH VersR 2001, 1303). Der Kläger hat diesen zunächst bestehenden Mangel jedoch nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist dadurch behoben, dass er in seinem Schriftsatz vom 13.2.2005 eine zulässige Ergänzung der Berufung vorgenommen hat. Seine nachgeschobene Ausführung, wonach der Tarif AZG auf der Basis 100 prozentiger Erstattung kalkuliere, während die Beklagte lediglich 40 % für Brillengläser erstatte, stellt einen konkreten, freilich in der Sache nicht begründeten Angriff gegen die erstinstanzlichen Feststellungen dar. Dieser auch von dem Sachverständigen festgestellte Umstand hat nicht zur Folge, dass im Ergebnis die Beiträge für den in Frage stehenden Zeitraum in dem Tarif AZG überhöht gewesen sind. Hiervon hätte nur ausgegangen werden können, wenn der Tarif in eine Gesamtbetrachtung zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung des Klägers geführt hätte. Das Landgericht hat jedoch in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass nach dem Gutachten des Sachverständigen A die Beitragsanpassung im Bereich des Tarifs AZG nicht frei von Beanstandungen erfolgt ist, die Missachtung der versicherungsmathematisch gebotenen Regeln hinsichtlich der Anpassung jedoch nicht zu einem rechnerisch falschen Gesamtergebnis geführt hat. Die aus den Beanstandungen fließenden Unsicherheiten lägen vielmehr unter Berücksichtigung weiterer unvermeidbarer Unbestimmtheiten nicht außerhalb des versicherungsmathematisch noch zu akzeptierenden Rahmens.

Diese Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung sind für den Senat gemäß § 529 Abs. 1 ZPO bindend, da konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen begründen, nicht ersichtlich sind. Die von dem Gutachter erstatteten Gutachten und Ergänzungsgutachten lassen vielmehr den Schluss darauf zu, dass etwaige methodische Mängel der Ermittlung der neuen Prämienhöhe eher zu geringeren, als gebotenen Prämienanhebungen geführt haben, so dass sich etwaige Mängel der Beitragsbemessung nicht ausgewirkt haben. Den von dem Kläger in seinem Schriftsatz vom 13.2,2006 angeführten Angriffen gegen die Begrenzung der Erstattung für Brillengestelle lassen sich Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Bemessung der Beiträge nicht entnehmen, da bei einer behaupteten einseitigen leistungsreduzierende eine Verpflichtung zur Herabsetzung des Tarifs nicht entnommen werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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