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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 11.04.2001
Aktenzeichen: 7 U 99/00
Rechtsgebiete: ALB, ZPO


Vorschriften:

ALB § 13 Abs. 4
ZPO § 256 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Die Pfändung einer zuvor unter schriftlicher Anzeige an die Versicherung abgetretenen Lebensversicherung geht auch dann ins Leere, wenn später eine Rückabtretung erfolgt, soweit nicht ausdrücklich auch zukünftige Forderungen gepfändet worden sind.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Verkündet am 11.4.2001

In dem Rechtsstreit ...

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Berufung der Beklagten gegen das am 25. Februar 2000 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden durch die Richter ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. April 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung von 6.500,00 DM abwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Der Wert der Beschwer beträgt 89.400,00 DM.

Tatbestand:

Der Kläger schloss am 19. März 1990 bei der Beklagten einen unter der Nummer ... policierten Lebensversicherungsvertrag mit einer Laufzeit von 25 Jahren und einer Ablaufleistung von 93.132,00 DM zuzüglich Überschussbeteiligung ab (Bl. 8 d.A.) und trat am 27. März 1990 alle bestehenden und künftig entstehenden Forderungen hieraus an die Raiffeisenbank ... sicherungshalber ab (Bl. 153 d.A.). Unter dem 15. Juni 1998 erwirkte der Gläubiger des Klägers K. vor dem Amtsgericht Aachen gegen den Kläger einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, mit welchem er sämtliche Rechte und Ansprüche .... einschließlich eventueller Gestaltungsrechte gegen ..... (die Beklagte) .... aus den abgeschlossenen Lebensversicherungsverträgen einschließlich der künftig fällig werdenden Beträge aus dem gleichen Rechtsgrunde, namentlich 1. der Anspruch auf Zahlung der Versicherungssumme, 2. der Anspruch auf Zahlung des Rückkaufwertes (Prämienreserve), 3. der Anspruch auf Auszahlung von Dividende, Bonus, Gewinnanteil und anderen zusätzlichen Leistungen, das Recht zur Kündigung, 4. das Recht zum Widerruf der Bezugsberechtigung und zur Bestimmung von Bezugsberechtigten, 5. das Recht auf Aushändigung des zu jeder der Versicherungen gehörenden Versicherungsscheines" pfänden und sich zur Einziehung überweisen ließ (Bl. 10 ­ 13 d.A.). Mit Schreiben vom 14. Oktober 1998 teilte die Rechtsnachfolgerin der Raiffeisenbank ... der Beklagten mit, dass sie keine Rechte mehr aus der Lebensversicherung herleite und unter gleichem Datum Rückübertragung an den Kläger vorgenommen habe (Bl. 92 d.A.). Am 2. November 1998 ließ der Gläubiger K. die bei der Beklagten bestehende Lebensversicherung kündigen, worauf die Beklagte den Vertrag abrechnete und dem Kläger mitteilte, dass sie nach Kündigung durch K. den Rückkaufwert von 26.404,12 DM an diesen zur Auszahlung gebracht habe (Bl. 24 d.A.).

Der Kläger ist der Auffassung, der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss sei, da zu diesem Zeitpunkt die Rechte aus der Lebensversicherung bereits abgetreten gewesen seien, ins Leere gegangen, so dass die durch den Gläubiger K. ausgesprochene Kündigung keine Wirksamkeit habe entfalten können mit der Folge, dass der Lebensversicherungsvertrag fortbestehe.

Der Kläger hat beantragt, festzustellen, dass die zum 1. November 1998 erklärte Kündigung unwirksam ist und der Lebensversicherungsvertrag zwischen den Parteien mit der Versicherungsscheinnummer ... vom 19. März 1990 fortbesteht,

hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, den mit dem Kläger geschlossenen Lebensversicherungsvertrag mit der Versicherungsscheinnummer ... vom 19. März 1990 im Zustand vom 31. Oktober 1998 wieder herzustellen und weiter durchzuführen, Zug um Zug gegen Zahlung der vertragsgemäß geschuldeten Prämie.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, aus der ausdrücklichen Erwähnung des Rückkaufwertes ergebe sich, dass der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss insoweit auch den künftigen Anspruch auf entsprechende Auszahlung umfasse, weshalb sie berechtigt gewesen sei, diese an den nach wirksamer Pfändung und Überweisung zur Einziehung berechtigten Gläubiger K. zu bewirken.

Das Landgericht hat mit dem am 25. Februar 2000 verkündeten, der Beklagten am 25. Mai 2000 zugestellten Urteil der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss habe nur gegenwärtig und künftig fällig werdende Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag erfassen können. Bei dem Anspruch auf Auszahlung des Rückkaufwertes habe es sich, da er noch nicht zur Entstehung gelangt sei, um einen künftigen Anspruch gehandelt, hinsichtlich dessen Verstri- ckung nicht habe eintreten können. Dass der Kläger die Rechte aus der Lebensversicherung später zurückerworben habe, habe daran nichts ändern können.

Mit ihrer hiergegen gerichteten, am Montag, dem 26. Juni 2000 eingegangenen und nach entsprechender Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 28. September 2000 an diesem Tage begründeten Berufung hält die Beklagte daran fest, dass der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufgrund der ausdrücklichen Erwähnung des Anspruchs auf Auszahlung des Rückkaufwertes dahin ausgelegt werden müsse, dass auch dieser Anspruch umfasst sei, auch wenn es sich hierbei um einen künftigen und nicht nur um einen künftig fällig werdenden Anspruch handele. Diese Unterscheidung sei ohnehin nicht praktikabel, da jeder künftige Anspruch zwangsläufig künftig fällig werde. Im übrigen sei zu beachten, dass es sich bei der Abtretung um eine Sicherungsabtretung gehandelt habe, so dass die abgetretenen Rechte wirtschaftlich bei dem Kläger verblieben seien und dort hätten wirksam gepfändet werden können.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

Die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens und hält daran fest, dass die Pfändung wegen der vorangegangenen Abtretung der Forderungen aus der Lebensversicherung ins Leere gegangen sei und der Gläubiger K. die Forderung auf Rückübertragung der Rechte aus der Lebensversicherung als künftige Forderung nicht wirksam gepfändet habe.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Mit dem am 10. April 2001 eingegangenen Schriftsatz hat die Beklagte dem Gläubiger K. den Streit mit der Aufforderung, dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beizutreten, verkündet.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte und rechtzeitig begründete Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg, denn die nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässige Feststellungsklage ist begründet.

Der unter der Versicherungsscheinnummer ... abgeschlossene Lebensversicherungsvertrag ist durch die vom Gläubiger K. ausgesprochene Kündigung nicht wirksam beendet worden und besteht deshalb fort. Die Kündigungserklärung des Gläubigers K. hätte nur dann Wirksamkeit entfalten können, wenn diesem das Recht zur Kündigung zugestanden hätte, das nur aufgrund wirksamer Pfändung und Überweisung der Rechte aus dem Versicherungsvertragsverhältnis auf ihn hätte übergegangen sein können. Ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erlangt aber nur dann Wirksamkeit, wenn bei seinem Erlass die gepfändete Forderung dem Vollstreckungsschuldner gegen den Drittschuldner zusteht (vgl. Zöller-Stöber, 22. Aufl. § 829 ZPO Rn. 4), d.h., im Vermögen gerade des vollstreckten Schuldners steht (OLG Düsseldorf in VersR 1999. 1009; Baumbach- Hartmann, 59. Aufl. § 829 ZPO Rn. 2; Thomas-Putzo, 22. Aufl. § 829 ZPO Rn. 28).

Dies war vorliegend nicht der Fall, denn unstreitig hat der Kläger seine Ansprüche aus der bei der Beklagten unterhaltenen und unter Angabe der Versicherungsscheinnummer genau bezeichneten Lebensversicherung vor Erlass und Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an die Raiffeisenbank ... abgetreten. Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser Abtretung sind weder ersichtlich noch vorgetragen, insbesondere ist die nach § 13 Abs. 4 ALB erforderliche schriftliche Abtretungsanzeige an die Beklagte erfolgt (Bl. 154, 155 d.A.). Dass es sich bei dieser Abtretung um eine Sicherungsabtretung gehandelt hat, hatte entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zur Folge, dass die Rechte aus der Lebensversicherung wirtschaftlich dem Vermögen des Kläger zuzurechnen waren, denn mit Abtretung standen sie der Raiffeisenbank ... und damit einem Dritten zu, mit der Folge, dass die zeitlich spätere Pfändung der Forderung ins Leere ging (vgl. BGH in NJW 1971. 1938 ff., 1941; BGH in NJW 1987. 1703 ff., 1705). Eine solche Pfändung ist grundsätzlich wirkungslos und gewährt dem vollstrekkenden Gläubiger nicht die Befugnis, die Forderung beim Drittschuldner einzuziehen (vgl. BGH in NJW 1988. 495).

Hieran hat sich auch dadurch nichts geändert, dass der Vollstreckungsschuldner nach dem unwirksamen Vollstreckungsversuch die Rechte aus der Lebensversicherung rückabgetreten erhalten hat. Es entspricht einhelliger Meinung, dass ein wegen abgetretener Forderung fehlgeschlagener und damit nichtiger Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nicht dadurch Wirksamkeit erlangen kann, dass die abgetretene Forderung an den Zedenten rückabgetreten wird (vgl. BGH in NJW 1971. 1939 ff., 1941; BGH in NJW 1987. 1703 ff., 1705; BAG in NJW 1993. 2699, 2700; OLG Düsseldorf in VersR 1999, 1009; Zöller a.a.O.; Thomas-Putzo a.a.O.).

Die gegenteilige Auffassung des Reichsgerichts (in RGZ 60.70 ff.) dahin, dass eine Forderungspfändung wirksam wird, sofern der Schuldner die Forderung erwirbt, verkennt dass dies allein für die Sachpfändung gelten kann, bei der Verstrickung auch an schuldnerfremden Sachen eintritt, sofern sie sich im Gewahrsam des Schuldners befinden (§ 808 Abs. 1 ZPO), was für die Forderungspfändung gerade nicht gelten kann. Deshalb hat der Bundesgerichtshof diese Auffassung auch ausdrücklich aufgegeben (BGH in NJW 1971. 1939, 1941).

Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass nach inzwischen herrschender Meinung auch künftige Forderungen jedenfalls dann pfändbar sind, wenn ­ wie hier ­ bereits ein Rechtsverhältnis besteht, das eine hinreichende Konkretisierung zulässt (vgl. BGH in BGHZ 80. 172 ff., 181; Stein-Jonas, 21. Aufl. § 829 ZPO Rn. 6; Smid in Münchener Kommentar 1992 § 829 ZPO Rn. Nr. 9), doch ist zum Ausschluss von Verdachtspfändungen stets Voraussetzung, dass der Pfändungsbeschluss ausdrücklich bestimmt, dass sich die Pfändung auf zukünftige Forderungen erstrecken soll (vgl. Stöber, Forderungspfändung Rn. 500; Stein-Jonas a.a.O.; Smit a.a.O.; OLG Karlsruhe in NJW-RR 1993. 242). Als künftige Forderungen kämen vorliegend allein die Ansprüche aus der Lebensversicherung nach deren Rückübertragung, auf die der Kläger aufgrund der Sicherungsabrede Anspruch hatte, in Betracht, was aber im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nicht, auch nicht andeutungsweise bestimmt ist. Soweit die Beklagte meint, die Aufzählung des Anspruchs auf Zahlung des Rückkaufwertes (Prämienreserve) mache hinreichend deutlich, dass auch die künftigen Ansprüche des Vollstreckungsschuldners aus der Lebensversicherung gepfändet sein sollen, übersieht sie, dass damit lediglich solche Ansprüche erfasst sind, die sich bereits im Vermögen des Klägers befanden, aber erst künftige fällig werden. Dies ergibt sich mit einer anderen Auslegung nicht zugänglichen Deutlichkeit aus der ausdrücklichen Hervorhebung künftig fällig werdender Beträge" und deren namentlichen Aufzählung, insbesondere des Anspruchs auf Zahlung des Rückkaufwertes. Auf Grund dieser Bestimmung wäre der Anspruch auf Prämienreserve nur dann durch die Pfändung erfasst, wenn dem Kläger die Rechte aus der Lebensversicherung im Zeitpunkt der Pfändung zugestanden hätten und er später den Versicherungsvertrag gekündigt und den Rückkaufwert beansprucht hätte. Entgegen der Auffassung der Beklagten wird mit dieser Bestimmung aber nicht ­ und schon gar nicht automatisch ­ der gegen den Zessionar gerichtete Anspruch des Klägers auf Rückabtretung umfasst (vgl. OLG Düsseldorf in VersR 1999. 1009), auch vermag die spätere Rückabtretung der ins Leere gegangenen Pfändung nicht nachträglich zur Wirksamkeit zu verhelfen (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O.).

Da im vorliegenden Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ein ausdrücklicher Hinweis darauf, dass sich die Pfändung auch auf künftig zu erwerbende Forderungen erstrecken soll, fehlt, hätte die Pfändung nur die dem Kläger als Vollstreckungsschuldner zum Pfändungszeitpunkt bereits (oder noch) zustehenden Ansprüche erfassen können (vgl. OLG Karlsruhe in NJW-RR 1993, 242; OLG Düsseldorf in VersR 1999, 1009; Stöber a.a.O.). Wegen der zuvor wirksam erfolgten Abtretung standen dem Kläger jedoch zu diesem Zeitpunkt keinerlei Ansprüche aus der Lebensversicherung zu, so dass die ins Leere gegangene Pfändung wirkungslos und nichtig war (vgl. BGH in NJW 1988. 495) mit der Folge, dass der Vollstreckungsgläubiger K. zu Kündigung nicht berechtigt war und das Lebensversicherungsvertragsverhältnis fortbesteht.

Die Berufung war daher mit den Nebenentscheidungen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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