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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 23.01.2007
Aktenzeichen: 8 U 199/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823
BGB § 847
Die zahnärztliche Behandlung mit Freiendbrücken war von vornherein unbrauchbar und auch durch Nachbesserungsarbeiten nicht funktionstüchtig zu machen. 7.000 € Schmerzensgeld, da die Patientin ca. 5 Jahre ohne fachgerechte Versorgung blieb und sich umfangreichen Nachbehandlungen unterziehen muss.
Gründe:

I.

Wegen des Sachverhaltes wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen. Sie werden hier nur zur Verdeutlichung ergänzt bzw. wiederholt:

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen einer vermeintlichen Fehlbehandlung ihrer Zähne. Der Beklagte begehrt widerklagend Resthonorar.

Am 30.11.2000 suchte die Klägerin den Beklagten erstmals auf. Sie trug sowohl im Ober- als auch im Unterkiefer ein völlig überkrontes Gebiss. Die Backenzähne 6-8 fehlten in beiden Kiefern. Es lag eine Gesichts- und damit auch Kieferasymmetrie unbekannten Ursprungs vor. Der Beklagte riet der Klägerin, sich sämtliche Zähne neu überkronen zu lassen. Entsprechend einem Kostenvoranschlag vom 15.1.2001 (Bl. 14 d.A.) setzte der Beklagte im Mai 2001 zunächst ein Langzeitprovisorium ein. Bis zum August 2001 schloss sich eine Parodontaltherapie an. Ob sie erfolgreich war, ist zwischen den Parteien umstritten. Der Beklagte rechnete das Langzeitprovisorium mit 11.944,11,-- € ab. Die Klägerin zahlte diese Rechnung.

Am 2.10.2001 erarbeitete der Kläger Kostenvoranschläge für eine endgültige Versorgung des Zahnersatzes. Er plante eine herausnehmbare Versorgung des Oberkiefers sowie eine fest sitzende, implantatgestützte Brücke des Unterkiefers. Die Kosten bezifferte er mit zirka 60.000,-- DM (Bl. 38/53 d.A.). Die Parteien einigten sich auf einen Eigenanteil der Klägerin in Höhe von 26.000,-- DM.

Am 18. 12. 2001 setzte der Beklagte eine herausnehmbare Oberkieferprothese provisorisch ein. In der Folgezeit kam es zu Meinungsverschiedenheiten der Parteien über die Lösung des prothetischen Problems der Klägerin. Die Gründe dafür sind umstritten. Der Beklagte gliederte im März 2002 die Oberkieferprothese wieder aus. Er erstellte eine fest sitzende prothetische Versorgung mit frei tragenden Endbrücken. Im April/Mai 2002 gliederte er diesen Zahnersatz provisorisch ein. Am 27.5.2002 begab sich die Klägerin letztmalig in die Behandlung des Beklagten. Sie war mit dem Ergebnis seiner Arbeiten unzufrieden und klagte über massive Schmerzen und funktionelle Störungen, die ihrer Ansicht nach ihre Sprech- und Essfähigkeit dauerhaft beeinträchtigen. Deshalb holte sie ein Privatgutachten des Zahnarztes Dr. A vom 7.10.2002 ein (Bl. 62 ff d.A.). Hierfür zahlte sie ihm 1.397,02 €. Sie begab sich in Folgezeit zu verschiedenen Zahnärzten. An die Zahnärztin Dr. B zahlte sie insgesamt 538,86 €.

Die Klägerin hat dem Beklagten vorgeworfen, ihr ohne Aufklärung über die Risiken und Nachteile eine mit gravierenden Mängeln behaftete Prothese eingesetzt zu haben. Er habe eine Parodontose verursacht bzw. eine bereits vorliegende Parodontose nicht fachgerecht beseitigt. Der Beklagte hat behauptet, seine Behandlung sei lege artis gewesen, weil die Klägerin die zunächst geplante Versorgung mit Implantaten abgelehnt habe.

Das Landgericht hat ein Gutachten des Zahnarztes Dr. SV1 eingeholt. Es hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 10.000,-- € Schmerzensgeld, die Kosten für das Privatgutachten des Herrn Dr. A und die Nachbehandlungskosten für Frau Dr. B zu zahlen. Der Feststellungsantrag auf Ersatz weiterer immaterieller wie materieller Schäden wurde ebenso wie die Widerklage auf Resthonorarzahlung abgewiesen. Das Landgericht hat es für erwiesen angesehen, dass dem Beklagten ein Behandlungsfehler unterlaufen ist. Er habe die Zahnprothesen eingegliedert, obwohl die Parodontosebehandlung noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Der Zahnersatz sei unbrauchbar. Der Gerichtsgutachter habe - ebenso wie der Privatgutachter - bestätigt, dass die Planung des Zahnersatzes mit Freiendbrücken im Ober- wie im Unterkiefer nicht kunstgerecht und hier kontraindiziert gewesen seien. Es sei unerheblich, ob die Klägerin die ursprünglich geplante Lösung abgelehnt habe. Der Beklagte habe nur solche Arbeiten ausführen dürfen, die einen Behandlungserfolg versprachen. Im Hinblick auf die Dauer seiner Behandlung und die Folgen für die Klägerin sei ein Betrag in Höhe von 10.000,-- € als Schmerzensgeld angemessen. Hinzu kämen die Kosten für das Privatgutachten, das zur Schadensfeststellung erforderlich gewesen sei und die unmittelbar im Anschluss entstandenen Nachbehandlungskosten. Der Feststellungsantrag sei unbegründet, weil die reklamierten Nachbehandlungskosten für eine ordnungsgemäße prothetische Versorgung als sogenannte "Sowieso"-Kosten auch bei fehlerfreier Behandlung angefallen wären. Die Widerklageforderung entfalle wegen Unbrauchbarkeit der Leistungen des Beklagten.

Der Beklagte hat gegen das Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der er dem Landgericht unzureichende Tatsachenfeststellung und fehlerhafte Rechtsanwendung vorwirft. Das Landgericht habe ohne hinreichende Grundlagen festgestellt, dass die Parodontosebehandlung vor Eingliederung des endgültigen Zahnersatzes nicht abgeschlossen gewesen sei. Die von ihm eingebrachte Brücke mit Freiendgliedern sei sicherlich eine medizinische Notlösung. Sie sei jedoch notwendig geworden, weil sich die Klägerin den geplanten Prothesen für Ober- wie auch für Unterkiefer verweigert habe. Der Beklagte habe die Klägerin nicht unbehandelt lassen dürfen und ihr deshalb eine seiner Ansicht nach funktionsfähige Brücke eingegliedert. Das Schmerzensgeld sei überhöht, denn auch bei einem Behandlungsabbruch wären der Klägerin erhebliche Beschwerden entstanden.

Der Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen sowie

auf die Widerklage die Klägerin zur Zahlung von 23.540,49 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.12.2002 zu verurteilen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Ferner beantragt sie im Wege der Anschlussberufung, das angefochtene Urteil abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin ein weiteres Schmerzensgeld nach Ermessen des Gerichts (Vorstellung weitere 10.000,-- €) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 8.2.2004 zu zahlen sowie,

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, jeden weiteren Schaden aus der streitgegenständlichen Behandlung der Klägerin zu tragen, soweit dieser nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder einen sonstigen Dritten übergegangen ist,

hilfsweise,

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, jeden weiteren Schaden aus der streitgegenständlichen Behandlung der Klägerin zu tragen, soweit sich dieser nicht als Kosten der Neuversorgung darstellt, die den Kosten der Erstversorgung entsprechen (sog. Sowieso-Kosten) und der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder einen Dritten übergegangen ist.

Das Landgericht habe bei der Schmerzensgeldbemessung übersehen, welche gesundheitlichen wie materiellen Nachteile die Klägerin durch die zu erwartende Nachbehandlung erleiden müsse. Es sei vorhersehbar, dass die Klägerin noch eine mindestens 2-jährige Nachbehandlung erdulden müsse. Darüber hinaus habe das Landgericht übersehen, dass die Nachbehandlung wegen der Fehler des Beklagten teurer ausfallen könne als ursprünglich angesetzt. Diese Kosten müssten durch den Feststellungsantrag ausgeglichen werden.

Der Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Der Senat hat durch Beschluss vom 5. Mai 2006 (Blatt 375 f. d. A.) seine vorläufige Rechtsauffassung dargelegt. Er hat die Parteien angehört und ferner Beweis erhoben über den Inhalt der behaupteten Aufklärungsgespräche und die Abmachungen der Parteien durch Vernehmung der Zeugen Z1, Z2, Z3, Z4, Z5 und Z6. Der Sachverständige SV1 ist nochmals zu seinem schriftlichen Gutachten befragt worden.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Beweisbeschluss vom 29. 8. nebst Ergänzung vom 18. 9. 2006 (Blatt 426 ff., 452 d. A.) sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21. 11. 2006 (Leseabschrift Blatt 481 ff. d. A.) verwiesen. Von einer Vernehmung der Zeugin Z7 ist allseits wegen ihrer schwerwiegenden Erkrankung abgesehen worden.

II.

Die Berufung und die Anschlussberufung sind zulässig. Die Anschlussberufung ist von der Klägerin fristgerecht eingelegt worden (§ 524 Abs. 2 S. 2 ZPO). Die Berufungsschrift des Beklagten war auf Grund seines Versehens zunächst an den ursprünglich bevollmächtigten Klägervertreter, Herrn Rechtsanwalt C, zugestellt worden. Die Berufungsschrift ist dem jetzigen Klägervertreter erst mit Verfügung vom 11.1.2006 zugestellt worden, verbunden mit einer Frist zur Berufungserwiderung bis zum 16.2.2006 (Bl. 342 d.A.). Innerhalb dieser Frist hat der Klägervertreter die Anschlussberufung eingereicht (Bl. 344 d.A.).

Die Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin haben jeweils teilweise Erfolg. Die Schmerzensgeldforderung der Klägerin ist herabgesetzt, der Widerklageforderung ist teilweise stattgegeben worden. Zugleich wird der Beklagte aber auch verpflichtet, die auf die Klägerin entfallenden voraussehbaren Mehrkosten für die ordnungsgemäße Neuanfertigung der prothetischen und implantatgestützten Zahnversorgung zu tragen. Dazu im Einzelnen:

1. Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Schmerzensgeldanspruch wegen dessen zahnärztlicher Fehlbehandlung im Frühjahr 2002 in Höhe von 7.000,-- € zu (§§ 823 Abs. 1, 847 BGB a. F.).

Entgegen der Auffassung des Landgerichts konnte die Klägerin zwar nicht nachweisen, dass der Beklagte die Prothesen behandlungsfehlerhaft eingegliedert hat, weil - wie sie es vorgetragen hat - zu diesem Zeitpunkt die Parodontosebehandlung noch nicht abgeschlossen war. Der Gutachter konnte in dieser Frage nämlich keine klare Aussage treffen. Er hat lediglich festgestellt, dass die Parodontosebehandlung nicht erfolgreich war, konnte den Grund dafür aber nicht mehr ermitteln und insbesondere nicht herausfinden, ob dem Beklagten dabei Fehler unterlaufen sind. Das hat der Gutachter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nochmals klargestellt (Blatt 490, 243 d. A.).

Der Behandlungsfehler des Beklagten liegt jedoch darin, dass er der Klägerin im Frühjahr 2002 eine regelwidrige Oberprothese mit Freiendbrücken eingesetzt hat. Der Beklagte hatte sich dazu entschlossen, nachdem er die am 18.12.2001 provisorisch eingegliederte - korrekte - herausnehmbare Oberkieferprothese auf Wunsch der Klägerin am 19.3.2002 wieder ausgliedern musste. Er hat dann eine aus schulmedizinischer Sicht nicht akzeptable Lösung gewählt, die funktionelle Schwächen hat. Der Sachverständige Dr. SV1 hat das in seinem schriftlichen Gutachten plastisch beschrieben (Bl. 245 d.A.): Die Oberkieferbrücke ist rechts als Freiendbrücke mit zwei distalen (körperfernen) Brückenpfeilern für die nicht vorhandenen Zähne 1 5 und 1 4 gefertigt. Dies ist nach Auffassung des Gutachters statisch äußerst ungünstig und wegen der Funktionsstörungen im rechten Kiefergelenk der Klägerin kontraindiziert. Unter dem Gesichtspunkt der Statik ist dies nach Auffassung des Gutachters nicht zu verantworten. Die Kaubeschwerden der Klägerin lassen sich aus diesen Aussagen sowie aus den Feststellungen des Privatgutachters Dr. A (Bl. 70/71 d.A.) ohne weiteres erklären. Der Gerichtsgutachter hat den Senat ferner davon überzeugt, dass die vom Beklagten gewählte Lösung das erhöhte Risiko von Kiefergelenksproblemen in sich birgt.

Der Beklagte räumt ein, dass die von ihm eingesetzten Freiendbrücken keine optimale prothetische Versorgung darstellen, will seine Arbeit deshalb auch als "Notlösung" verstanden wissen, weil sich die Klägerin seinem ursprünglichen Vorschlag im Hinblick auf die bereits durch die langwierige Behandlung erlittenen Schmerzen verweigert habe. Selbst wenn man unterstellt, dass die Klägerin tatsächlich im März 2002 Implantate im Unterkiefer abgelehnt hat, so war das weitere Vorgehen des Beklagten nicht gerechtfertigt. In einem solchen Spannungsfall zwischen dem Willen des Patienten und der Verpflichtung des (Zahn-)arztes zur kunstgerechten Heilbehandlung darf er nur dann von der medizinisch gebotenen Methode der Wahl abweichen, wenn er zuvor den Patienten umfassend über alle Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Behandlung, insbesondere die damit verbundenen Risiken aufgeklärt hat (OLG Hamburg OLG-Report 2000, 250, 252 m . w. N.). Das ist hier aber nicht geschehen.

Der Beklagte hat seine in o. g. Beweisbeschluss zusammengefassten Behauptungen zur Aufklärung der Klägerin nicht beweisen können. Keiner der vom Beklagten benannten Zeugen konnte etwas über die vermeintlichen Aufklärungsgespräche zwischen ihm und der Klägerin berichten. Der Beklagte selbst hat in seiner informatorischen Anhörung zwar angegeben, er habe der Klägerin deutlich gemacht, dass die Freiendbrücken nur eine provisorische Lösung darstellten. Dies ist von der Klägerin glaubhaft abgestritten worden. Die Einlassung des Beklagten ist demgegenüber unglaubhaft und unzureichend. Er hat das vermeintliche Aufklärungsgespräch nicht dokumentiert und entgegen seiner Angabe in seiner Rechnung nicht die provisorische sondern eine endgültige Eingliederung des Zahnersatzes liquidiert. Es wäre in jedem Fall erforderlich gewesen, die Klägerin eindringlich auf die o.g. Risiken hinzuweisen und ihr anzubieten, anstatt der Implantate im Unterkiefer einen herausnehmbaren Zahnersatz herzustellen. (Anhörung des Sachverständigen - Blatt 490 d. A.). Davon hat der Beklagte selbst schon gar nichts berichtet.

Der Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass die Klägerin ihm das Recht zur Nach(besserungs-)arbeit abgeschnitten, eine kunstgerechte Ausführung der Prothese verhindert und deshalb Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche verloren hätte. Es ist zwar grundsätzlich anerkannt, dass dem Zahnarzt auch bei der prothetischen Behandlung Korrekturmöglichkeiten eröffnet werden müssen, weil er mit der Eingliederung einer Prothese in einen lebenden Organismus eingreift, dessen Reaktionen er nicht sicher beherrschen kann (vgl. Schinnenburg, MedR 2000, 185, 186 m. N. aus der Rechtsprechung). Der Senat hat sogar schon entschieden, dass dem Zahnarzt unter Umständen sogar das Recht zustehen kann, eine unpassende Prothese neu anfertigen zu dürfen (Entscheidung vom 15. 8. 2006 - Az.: 8 U 200/05; dazu auch Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht aktuell, S. 503 m. w. N.). Das kann aber nicht gelten, wenn eine Prothese angefertigt wurde, die aufgrund ihrer unzureichenden Planung von vorn herein unbrauchbar ist und deshalb auch durch eine Neuanfertigung bzw. durch Nachbesserungsarbeiten niemals ihre Funktion erfüllen kann. Gerade das hat der Beklagte getan, so dass ihm ein Nachbesserungsrecht nicht zusteht. Auf die Frage, ob es der Klägerin nach dem 27. 5. 2002 wegen Vertrauensverlusts unzumutbar war, den Beklagten wieder aufzusuchen, kommt es gar nicht mehr an.

Der Schmerzensgeldbetrag ist vom Landgericht zu hoch angesetzt worden und lediglich in Höhe von 7.000,-- € angemessen. Der Beklagte ist zunächst fachgerecht vorgegangen. Er hatte ein korrektes Langzeitprovisorium hergestellt, das die Klägerin im Unterkiefer bis dahin und im Oberkiefer bis zum 18.12.2001 getragen hatte. Auch die ursprünglich für den Oberkiefer geplante endgültige Lösung war technisch und medizinisch einwandfrei (Bl. 245 d. A.). Das Schmerzensgeld orientiert sich zum einen an den bisherigen Beschwerden der Klägerin, die verständlicherweise wegen des laufenden Verfahrens zunächst eine Neuversorgung zurückgestellt, und die von den Gutachtern vorgefundenen gesundheitlichen Nachteile hinnehmen musste. Die Klägerin ist seit nunmehr knapp fünf Jahren ohne eine fachgerechte Versorgung, so dass der Beklagte für die Verlängerung ihrer Leidenszeit einstehen muss. In vergleichbaren Fällen haben die Gerichte Schmerzensgeldbeträge in Höhe von 6.000,-- € bzw. 7.000,-- € ausgeurteilt (OLG München OLG-Report, 2000, 2; OLG Koblenz OLG-Report 2006, 951). Daran hat sich auch der Senat orientiert.

2. Der Beklagte schuldet der Klägerin aus den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung des Behandlungsvertrages darüber hinaus die Kosten für den Privatgutachter Dr. A und die unmittelbar durch die Fehlbehandlung entstandenen Nachbehandlungskosten für die Zahnärztin Dr. B. Die Berufung stellt diese Feststellungen des Landgerichts nicht in Frage.

Die Zinsforderung auf den Schmerzensgeld- und Schadensersatzbetrag gründet sich auf §§ 286, 288 BGB.

3. Der Feststellungsantrag der Klägerin ist in der vom Senat konkretisierten Fassung begründet. Das Landgericht hat zwar mit Recht darauf hingewiesen, dass die mit dem Feststellungsantrag reklamierten künftigen Kosten einer fachgerechten Implantat- und Prothesenbehandlung grundsätzlich auch bei ordnungsgemäßem Vorgehen des Beklagten entstanden wären (sogenannte "Sowieso-Kosten"). Dabei hat das Landgericht aber übersehen, dass die fehlerhafte Behandlung des Beklagten schon 4 Jahre zurückliegt und dass die Klägerin nun Kostenvoranschläge der Zahnärzte Dr. D und Dr. E vorgelegt hat, die für die Herstellung des Zahnersatzes ca. 75.000,-- € verlangen (Blatt 185 - 201 d. A.).

Unabhängig von der Frage, ob sämtliche dort eingestellten Kosten für die ordnungsgemäße Nachbehandlung erforderlich sein werden, lässt sich den Kostenvoranschlägen doch zumindest entnehmen, dass die jetzige Behandlung wahrscheinlich teurer werden wird als die vom Beklagten geplante Versorgung. Er hatte in seinen Kostenvoranschlägen vom 2. 10. 2001 insgesamt 59.953,91 DM angesetzt und sich mit der Klägerin auf einen Eigenkostenanteil von 26.000,-- DM geeinigt. Das wird die Klägerin aber nach dem nicht substantiiert bestrittenen Vortrag vom 8. 9. 2004 (Blatt 184 d. A.) nicht wieder erreichen können. Sie muss höhere Kosten für die ordnungsgemäße Neuanfertigung ihres Zahnersatzes befürchten, so dass der Feststellungsantrag begründet ist (vgl. dazu Thomas-Putzo/ Reichold, ZPO, 26. Aufl., Rn. 21 zu § 256 ZPO).

4. Die Widerklage des Beklagten ist in Höhe von 10.673,74 € begründet (§ 611 BGB). In dieser Höhe hat der Beklagte nämlich am 11. 11. 2002 Leistungen abgerechnet, für die er zahnärztliches Honorar beanspruchen kann. In seinem Schriftsatz vom 23. 5. 2006 hat der Beklagte unbestritten vorgetragen, dass die o. g. Rechnung Positionen im Wert von 10.673,74 € betrifft, die nichts mit der fachwidrigen Herstellung der Freiendbrücke zu tun haben (Blatt 391, 393 ff. d. A.). Es handelt sich um ordnungsgemäß ausgeführte Arbeiten, wie die am 18. 12. 2001 eingegliederte Oberkieferprothese und ähnliches, die dementsprechend auch von der Klägerin vergütet werden müssen.

Im übrigen ist die Widerklageforderung unbegründet, weil sie Honorar für die Herstellung des unbrauchbaren Zahnersatzes mit Freiendbrücken beinhaltet. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil.

Der Beklagte kann von der Klägerin Zinsen auf den berechtigten Rechnungsbetrag erst ab Rechtshängigkeit der Widerklage verlangen (§§ 291, 288, 286 BGB). Sie ist nicht schon 30 Tage nach Zustellung der Rechnung in Verzug geraten (§ 286 Abs. 3 BGB). Es war bis zu dem klarstellenden Schriftsatz des Beklagtenvertreters unklar, ob der Beklagte den Rechnungsbetrag (teilweise) für sich beanspruchen kann. Das Landgericht hat dies immerhin abgelehnt. Aus diesem Grund hat die Klägerin zunächst ohne Verschulden die Begleichung der Rechnung verweigert, die im Hinblick auf das laufende Verfahren bis heute von ihrer Krankenkasse nicht ausgeglichen bzw. erstattet worden ist (§ 286 Abs. 4 BGB).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren orientiert sich an den Berechnungen des Landgerichts in seiner vorläufigen Streitwertfestsetzung vom 4. 10. 2004 (Blatt 206 d. A.).

Ende der Entscheidung

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