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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 12.07.2005
Aktenzeichen: 8 U 200/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 765
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer Partnerausschüttungsbürgschaft im Wege des Urkundenprozesses in Anspruch.

Die A, die B und die C schlossen am 13.7.1994 einen Arbeitsgemeinschaftsvertrag zum Zwecke der Durchführung eines Bauvorhabens in ... (Bl. 6 bis 66 d.A.) Bezüglich der liquiden Mittel enthält der Gesellschaftsvertrag u.a. folgende Bestimmungen:

11.1 Die erforderlichen Geldmittel sind von den Gesellschaftern entsprechend ihrem Beteiligungsverhältnis und unter Berücksichtigung der jeweiligen Kontenstände der Gesellschafter nach Anforderung ...zur Verfügung zu stellen...

11.2 Die verfügbaren Gelder sind in nachstehender Reihenfolge zu verwenden:

11.21 Rückerstattung von Barauslagen der Gesellschafter für die ARGE

11.22 Deckung der laufenden Ausgaben

11.24 Monatliche Angleichung der Gesellschafterkonten entsprechend dem Beteiligungsverhältnis ...,

11.25 Auszahlung darüber hinaus verfügbarer Geldmittel an die Gesellschafter entsprechend dem Beteiligungsverhältnis. Hierfür sind auf Verlangen auch nur eines Gesellschafters Bankbürgschaften oder Bürgschaften eines anderen tauglichen Bürgen als Sicherheit zu stellen.

Im Jahre 1998 sollten Auszahlungen an die einzelnen Gesellschafter erfolgen, wobei noch nicht klar war, ob sie als Gewinn endgültig bei der ARGE und den einzelnen Gesellschaftern verbleiben würden. Deswegen stellte die Beklagte am 28.12.1998 folgende Bürgschaft für die Klägerin (Bl. 68 d.A.):

"Die Firma (C ) ist Gesellschafterin der ARGE ... ...

Die Firma soll aus Geldmitteln der ARGE eine Ausschüttung in Höhe von DM 200.000,-- erhalten. Die Ausschüttung und zukünftige Ausschüttungen sind durch Bürgschaft abzusichern.

Dies vorausgeschickt übernehmen wird (E) zugunsten der ARGE für die Rückzahlungsverpflichtungen der Firma die unwiderrufliche, selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Betrag in Höhe von DM 200.000,-- DM.....

Auf die Einreden der Anfechtung .... wird verzichtet. Wir werden auf erstes schriftliches Anfordern der ARGE Zahlung leisten..."

Daraufhin zahlte die Kl. an die C am 13.1.1999 104.931,31 DM und am 5.2.1999 weitere 370.778,45 DM.

Durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der C am 3.6.2002 schied diese aus der ARGE aus, die von den übrigen Gesellschaftern fortgesetzt wurde.

Die Klägerin erstellte eine Auseinandersetzungsbilanz, die einen Zahlungsanspruch gegen die C in Höhe von 174.818,02 € ausweist sowie einen Negativsaldo des Gesellschafterverrechnungskontos von 23.094,08 €.

Mit Schreiben vom 14.2.2003 (Bl. 72) und 4.9.2003 (Bl. 73) forderte die Klägerin die Beklagte vergeblich zur Auszahlung der Bürgschaftssumme auf.

Die Kl. nimmt die Beklagte im Urkundenprozess aus der Bürgschaft in Anspruch.

Sie hat die Auffassung vertreten, der Rückzahlungsanspruch sei durch die Vorlage der Auseinandersetzungsbilanz nicht untergegangen, ungeachtet dessen, dass er als bloßer Rechnungsposten nicht mehr separat geltend gemacht werden könne. Dies hindere jedoch nicht seine Geltendmachung aufgrund einer Bürgschaft; deren Sicherungszweck erfasse auch den Rückzahlungsanspruch im Falle einer Unterbilanz bei Auseinandersetzung.

Die Beklagte hat geltend gemacht, die hier gegebene Partnerausschüttungsbürgschaft besichere nicht mehr einen einzelnen Rechnungsposten aus der Auseinandersetzungsbilanz. Sobald eine Auseinandersetzungsbilanz erstellt sei, seien alle vorherigen Einzelforderungen unselbständige Rechnungsposten, welche nicht mehr selbständig geltend gemacht werden könnten.

Durch Urkunden-Vorbehaltsurteil vom 13.8.2004 hat das Landgericht der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dass die Bürgschaft auch den im Rahmen der Auseinandersetzungsbilanz zum Rechnungsposten gewordenen Rückforderungsanspruch der Klägerin erfasse. Denn schon dem Wortlaut nach besichere die Bürgschaft Rückzahlungsverpflichtungen der C gegenüber der Klägerin. Unter Bezugnahme auf § 356 HGB für Kontokorrent geht das LG davon aus, dass die fehlende Möglichkeit der selbständigen Geltendmachung der Forderung nicht die Geltendmachung aus der Bürgschaft hindere. Wolle man dies anders sehen, wäre der Hauptzweck der Bürgschaft, nämlich die Sicherung vor den Folgen einer Insolvenz des Hauptschuldners, verfehlt.

Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung erstrebt die Beklagte weiterhin Klagabweisung. Sie ist der Auffassung, das Landgericht habe die Rechtswirkungen der Auseinandersetzungsbilanz bei einer ARGE verkannt. In Zif. 11.2 sei die Frage geregelt, was mit der freien Liquidität der ARGE geschehen solle. Da eine endgültige Aussage zur Verwendung der freien Liquidität erst am Ende eines Bauvorhabens getroffen werden könne, schaffe nur die Abschlussbilanz Klarheit. Wenn vorher ein Gesellschafter bereits freie Liquidität entnehme, dann sei das betriebswirtschaftlich eine Gewinnvorabentnahme und diese durch Bürgschaft zu sichern. Die Sicherungsabrede sei denkbar dünn, weswegen nur Auslegung weiter helfe. Eine analoge Anwendung des § 356 HGB sei nicht angezeigt, da sich das Kontokorrentverhältnis in einem Zweipersonenverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner abspiele, vorliegend aber ein Mehrpersonenverhältnis gegeben sei. Im übrigen dürfe der Gläubiger einer ins Kontokorrent eingestellten besicherten Forderung aus der Sicherheit nur insoweit Befriedigung suchen, als sein Guthaben aus der laufenden Rechnung und die Forderung sich decken. Das Kontokorrentverhältnis sei dogmatisch durch die Novationslehre gekennzeichnet, nämlich dem Erlöschen der Einzelforderungen und ihrer Ersetzung im Wege der Novation durch die neu entstandene abstrakte Saldoforderung. Damit das Erlöschen der Forderung nicht auch die akzessorische Sicherung entfallen lasse, habe der Gesetzgeber in § 356 HGB das Bestehenbleiben der Sicherheit normiert. Wende man § 356 HGB vorliegend entsprechend an, so könnte die Klägerin die Beklagte lediglich aus der Höhe des Saldos aus der Abschlussbilanz in Anspruch nehmen.

In der Auseinandersetzungsbilanz der ARGE sei aber ein Anspruch der C auf Rückführung der Gewinnvorabentnahmen nicht isoliert aktiviert, sondern untergegangen im Saldo des Gesellschafterverrechnungskontos.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt der Berufung entgegen und verteidigt ihre Rechtsauffassung, wonach die Bürgschaft zur Sicherung jeglicher Rückzahlungsverpflichtung der C dienen solle. Verfehlt sei die Rechtsauffassung, mit der Verpflichtung zur Erstellung einer Auseinandersetzungsbilanz würden Einzelansprüche der Gesellschaft nicht mehr bestehen. Aus der Auseinandersetzungsbilanz ergebe sich zugunsten der Klägerin ein Guthaben gegenüber der C.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache nur zum Teil Erfolg.

Der Klägerin steht aus der Bürgschaft der Beklagten vom 28.12.1998 lediglich ein Betrag von 23.094,08 € nebst Zinsen zu.

1. Zunächst ist festzuhalten, dass an der Wirksamkeit der Bürgschaft keine Bedenken insoweit bestehen, als es sich um eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Verpflichtung zur Bürgschaftsstellung handelt. Soweit der BGH in Bauverträgen die Verpflichtung eines Bauunternehmers in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Bestellers, zur Sicherung von Vertragserfüllungsansprüchen eine Bürgschaft auf erstes Anfordern zu stellen, für unwirksam hält (BGH ZIP 2004,1004 ff), treffen diese Erwägungen auf den vorliegenden Fall nicht zu, weil ARGE-Partner gleichberechtigt sind und ihr Innenverhältnis durch Weiterentwicklung des ARGE-Mustervertrages regeln, so dass kein Partner als Verwender im Sinne der AGB angesehen werden kann (Schmitz, Die Bauinsolvenz, 3. Aufl. 2004, Rdnr. 769).

2. Die Beklagte ist auch nicht gehindert, den Einwand, ihre Bürgschaft erfasse den vorliegenden Rückzahlungsanspruch nicht, schon im Urkundenprozess zu erheben. Einwände des Bürgen sind auch bei der Bürgschaft auf erstes Anfordern schon im Erstprozess und damit auch im Urkundsprozess dann zu beachten, wenn sie sich aus dem Inhalt der Vertragsurkunden ergeben. Da sich der Sicherungszweck der Bürgschaft vorliegend aus der Bürgschaftsurkunde in Verbindung mit dem ARGE-Vertrag ergibt, kann sich die Beklagte hier auf die Überschreitung des Sicherungszwecks berufen (BGH BauR 2001,1093 ff; LG Frankfurt a.M. IBR 2004,624).

3. Die Berufung der Beklagten hat in so weit Erfolg, als die von ihr übernommene Bürgschaftsverpflichtung nicht den Verlustausgleichsanspruch der Klägerin aus der Auseinandersetzungsbilanz sichert. Hingegen sichert sie aber den negativen Saldo des Gesellschafterverrechnungskontos, weswegen die Beklagte in Abänderung des angefochtenen Urteils zur Zahlung von 23.094,08 € zu verurteilen war.

Die Frage, inwieweit ARGE-Bürgschaftserklärungen der vorliegenden Art auch den Anspruch auf Ausgleich von Verlustanteilen aus einer insolvenzbedingt aufgestellten Auseinandersetzungsbilanz sichern, wird kontrovers diskutiert (bejahend LG Osnabrück IBR 2004,142; verneinend LG Köln IBR 2003,773; LG Frankfurt a.M. IBR 2004,624).

Nach dem Bestimmtheitsgrundsatz muss die Bürgschaftserklärung die fremde Schuld, für die gebürgt werden soll, in bestimmbarer Weise bezeichnen, wobei bestehende Unklarheiten durch Auslegung zu beseitigen sind. Für die Auslegung wiederum kommt es auf den objektiven Erklärungswert der Bürgschaftserklärung aus der Sicht des Gläubigers an, der sich in erster Linie aus dem Urkundeninhalt ergibt (Palandt-Sprau, 64. Aufl. BGB, § 765 Rdnrn. 6,7). Der Vorspann der Bürgschaftserklärung der Beklagten enthält einen Hinweis auf eine vorgesehene Ausschüttung, welche abzusichern sei, und damit eine eindeutige Bezugnahme auf 11.24 und 11.25 des ARGE-Vertrages. Gesichert sind nach dem Wortlaut und grammatikalischen Zusammenhang solche Rückzahlungen, die aus zuvor erhaltenen Auszahlungen nach den genannten Regelungen des ARGE-Vertrages resultieren.

Vorläufige Ausschüttungen an die Gesellschafter können vor dem vollständigen Abschluss des Bauvorhabens ins Betracht kommen, wenn auf dem ARGE-Konto vorübergehend zu viel Liquidität aufgelaufen ist, welches die ARGE-Partner in ihrem Geschäftsbetrieb benötigen. Da diese Beträge aber je nach weiterer Entwicklung der ARGE unter Umständen sehr schnell wieder zur Verfügung stehen müssen, ist die Ausschüttung durch Bürgschaft abzusichern. Grund ist mithin die Garantie kurzfristiger Liquiditätszuführung, welche die vorschnelle Ausschüttung kompensieren soll.

Auch im Fall des insolvenzbedingten Ausscheidens eines Gesellschafters aus der ARGE muss wegen tatsächlich erfolgter Ausschüttungen, deren endgültiges Behaltendürfen noch nicht feststeht, ein Rückzahlungsanspruch bestehen.

Da vorzeitige Ausschüttungen ihren unmittelbaren Niederschlag im Verrechnungskonto des Gesellschafters finden, ist dessen Saldo maßgeblich: Weist er im Falle des insolvenzbedingten Ausscheidens des Gesellschafters einen Negativsaldo aus, so ist er Gegenstand der Rückforderung und als von der Partner-Ausschüttungsbürgschaft mit umfasst anzusehen (so auch LG Köln ZfIR 2003,773 mit zustimmender Anmerkung RAe Dr. Schmitz u.a.).

Ein weitergehender Sicherungszweck, dass nämlich für jegliche Rückzahlungsverpflichtung der C gehaftet werden sollte, lässt sich dem Wortlaut nicht entnehmen und ist auch aufgrund der beiderseitigen Interessenlage weder geboten noch angemessen. Die Haftung des Bürgen beschränkt sich auf das übernommene Risiko und ist einer Erweiterung nicht zugänglich. Die Auffassung des angefochtenen Urteils, welche auch vom Landgericht Osnabrück (IBR 2004,142) geteilt wird, der Hauptzweck der Partner-Ausschüttungsbürgschaft werde verfehlt, wenn nicht auch der Anspruch aus der Auseinandersetzungsbilanz im Falle der Insolvenz gesichert werde, lässt sich mit dem Bestimmtheitsgrundsatz der Bürgschaftsverpflichtung nicht vereinbaren. Zwar besteht ein verständliches Interesse an umfassender Sicherung der ARGE. Damit aber jeglicher Anspruch aus der Auseinandersetzungsbilanz gegen den insolvenzbedingt ausscheidenden Hauptschuldner gesichert ist, muss sich die ARGE eine solch umfassende Bürgschaft gewähren lassen und nicht eine auf Rückführung von Ausschüttungen begrenzte.

Die Beschränkung der Bürgschaftspflicht auf den Negativsaldo des Partnerschaftskontos trägt auch den Bedenken der Beklagten Rechnung, welche insoweit ausführt: Wenn die im Wege der Gewinnvorabentnahme zunächst entnommenen Beträge durch die bürgende Beklagte wieder zurückgezahlt werden würden, dann müssten diese Beträge dem Gesellschafterverrechnungskonto wieder gutgeschrieben werden, so dass sich ein Positivsaldo ergäbe, der sofort wieder an den Gesellschafter ausgeschüttet werden müsste. Diese von der Beklagten erwogene Konstellation tritt indessen nicht ein, so lange die Bürgschaft nur dem Ausgleich des Negativsaldos dient: Das Gesellschafterverrechnungskonto kommt nicht in Plus, und der Ausgleich eines überschießenden Betrages steht nicht in Frage.

Auch der Umstand, dass die wechselseitigen Ansprüche der Gesellschaft und des ausgeschiedenen Gesellschafters im Falle der Auseinandersetzung nur noch unselbständige Rechnungsposten darstellen, steht einer Fortsetzung der Bürgschaftssicherung am Ausgleichsanspruch nicht entgegen. Zum einen ist insoweit auf § 767 Abs.1 S.2 BGB zu verweisen, der festlegt, dass der Bürge auch dann haftet, wenn durch Verschulden des Hauptschuldners die Hauptverbindlichkeit geändert wird. Zum anderen gibt es eine Reihe von Ausnahmefällen, in denen trotz Durchsetzungssperre infolge Auseinandersetzung einzelne Posten noch selbständig geltend gemacht werden können. Schließlich findet - anders als es beim Kontokorrent die früher herrschende Meinung mit der Novationstheorie angenommen hat - keine Umschaffung der Schuld statt. Danach bestehen auch beim Kontokorrent die Einzelansprüche neben dem Saldoanspruch bis zu dessen Tilgung fort (Baumbach-Hopt, 30. Aufl. HGB, § 355 Rdnr. 7).

Nach allem war das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und die Beklagte im Rahmen ihrer übernommenen Bürgschaft auf erstes Anfordern zum Ausgleich des Negativsaldos des Gesellschafterkontos zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Wegen der - soweit ersichtlich - bisher höchstrichterlich nicht geklärten Frage, wie weit der Sicherungszweck der Partnerausschüttungsbürgschaft reicht, war gemäß § 543 Abs. 2 S.2 ZPO die Revision zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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