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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 29.04.2008
Aktenzeichen: 8 U 201/07 (1)
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 793
BGB § 803
ZPO § 256
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Der Kläger verlangt von der Beklagten aus eigenem und aus abgetretenem Recht Nennbeträge und Zinsen aus teilweise in effektiven Stücken verbrieften und teilweise global verbrieften Inhaber - Schuldverschreibungen mehrerer von der Beklagten begebener Staatsanleihen. Er hat ferner beantragt, festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Teilschuldverschreibungen und der zugehörigen Zinsscheine in Verzug befindet. Zuletzt wollte der Kläger festgestellt wissen, dass die Beklagte auf ihre Immunität als Staat verzichtet hat. Insoweit hat er sich auf § 11 Abs. 5 der Anleihebedingungen aus dem Börsenzulassungsprospekt vom Oktober 1996 berufen (Anlage DSKP 2 - Bl. 14 Rs/15 d. A.).

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, an den Kläger die geforderten Nenn- und Zinsbeträge, Zug um Zug gegen Herausgabe namentlich bezeichneter effektiver Stücke der streitgegenständlichen Inhaberschuldverschreibungen und Zinsscheine beziehungsweise Zug um Zug gegen das Angebot auf Übertragung von Anteilen an den global verbrieften Wertpapieren zu zahlen. Es hat festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Urkunden beziehungsweise des Übertragungsangebotes in Verzug befindet. Die weitergehende Klage ist abgewiesen worden.

Beide Parteien haben gegen das Urteil Berufung eingelegt.

Die Beklagte verfolgt ihr erstinstanzliches Ziel der Klageabweisung weiter. Sie wirft dem Landgericht vor, verkannt zu haben, dass es sich bei der argentinischen Notstandsgesetzgebung um Eingriffsnormen handelt, die von deutschen Gerichten zwingend zu beachten seien. Das Landgericht habe ebenso verkannt, dass der Staatsnotstand in Argentinien fortbestehe und dass die Klage wegen eines Verstoßes gegen das sog. "IWF - Übereinkommen" unzulässig sei. Die Beklagte befinde sich nicht in Verzug mit der Annahme der Schuldurkunden beziehungsweise der Abtretungserklärung.

Der Kläger möchte festgestellt wissen, dass die Beklagte auf ihre Immunität als Staat verzichtet hat. Da die Beklagte die Ansprüche ihrer Anleihegläubiger auch bei Vorhandensein eines rechtskräftigen Vollstreckungstitels hartnäckig leugne, sei auch in Zukunft zu erwarten, dass sie den Vollstreckungsversuchen des Klägers den Einwand völkerrechtlicher Unzulässigkeit und weiterreichender Immunitätsfragen entgegenhalte, so dass bereits im Erkenntnisverfahren ein Anspruch auf Feststellung des eindeutigen Immunitätsverzichts in den Anleihebedingungen gegeben sei. Das gelte umso mehr, wenn das Urteil im Ausland vollstreckt werden müsse.

II.

Die Berufungen der Parteien haben keine Aussicht auf Erfolg. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu und weder die Fortbildung des Rechts noch die Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung gebietet es, die Revision zuzulassen.

1. Das Landgericht hat die Beklagte mit Recht verurteilt, an den Kläger die Nennbeträge und Zinsbeträge aus den gekündigten Inhaberschuldverschreibungen zu zahlen. Der Anspruch ergibt sich aus §§ 793, 803 BGB in Verbindung mit den jeweiligen Anleihebedingungen. Die Anspruchsberechtigung des Klägers wird in der Berufung nicht mehr ernsthaft in Zweifel gestellt. Die Einwände der Beklagten in der Berufungsbegründung rechtfertigen keine vom Landgericht abweichende Beurteilung.

Das Bundesverfassungsgericht hat im Beschluss vom 08.05.2007 klargestellt, dass es keine allgemeine Regel des Völkerrechts gibt, die einen Staat gegenüber Privatpersonen berechtigen würde, die Erfüllung fälliger privatrechtlicher Zahlungsansprüche unter Berufung auf den wegen Zahlungsunfähigkeit erklärten Staatsnotstand zeitweise zu verweigern (BVerfG NJW 2007, 2610). Damit ist dem zentralen Argument zur Rechtsverteidigung der Beklagten die rechtliche Grundlage entzogen worden.

Der Senat hat bereits in seinen Ausgangsentscheidungen vom 13. 6. 2006 (8 U 107/03) und vom 29. 9. 2006 (8 U 60/03) ausführlich begründet, warum er der argentinischen Notstandsgesetzgebung keine Bedeutung für das hiesige Verfahren beimisst. Die Beklagte hat gegen die zuletzt genannte Entscheidung Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof eingelegt. Sie hatte somit hinreichende Gelegenheit, den Bundesgerichtshof davon zu überzeugen, dass der dortige - parallel gelagerte - Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung hat und wegen der vermeintlich falschen Rechtsauffassung des Senats zur international - privatrechtlichen Bedeutung ihrer Notstandsgesetzgebung einer Überprüfung bedarf. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist vom Bundesgerichtshof zurück gewiesen worden.

Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass die Rechtsverfolgung des Klägers sittenwidrig wäre, weil sie in unzulässiger Weise den Sanierungsprozess Argentiniens behindern würde (§ 138 BGB). Der Senat hat bereits an anderer Stelle dargelegt, dass die Rechtsverfolgung des Klägers vor dem Hintergrund des Umschuldungsverfahrens der Beklagten nicht als rechtlich anstößig bewertet werden kann (vgl. dazu Cranshaw DZWiR 2007, 2007, 133, 140).

Die Beklagte ist durch ein wörtliches Angebot des Klägers in Verzug mit der Annahme der Urkunden geraten (§ 293, 295 BGB). Das Angebot liegt in dem auf Zug - um - Zug Leistung gerichteten Klageantrag (vgl. BGH NJW 1997, 581, 582). Das war ausreichend, weil die Beklagte durch ihr Zahlungsmoratorium und die von ihr selbst herangezogene Notstandsgesetzgebung bestimmt und eindeutig klargestellt hatte, dass sie ihre Gegenleistung nicht erbringen werde (BGH a. a. O.). Der Senat hat das schon in einem früheren parallel gelagerten Verfahren gegen die Beklagte so gesehen (Entscheidung vom 15. Januar 2008 - Az.: 8 U 247/06).

2. Die Berufung des Klägers hat ebenfalls keine Aussicht auf Erfolg. Er hat nicht dargelegt, dass ihm ein schutzwürdiges Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Immunitätsverzichts zusteht.

Ein Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO besteht nur dann, wenn einem Recht oder der Rechtslage des Klägers dadurch eine gegenwärtige Gefahr oder Unsicherheit droht, dass die Beklagte seine Rechtsposition ernstlich bestreitet und wenn das erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (BGH NJW 1986, 2507). Abstrakte Rechtsfragen oder einzelne Voraussetzungen eines Rechtsverhältnisses können nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein (BGH NJW 2001, 445).

Der Kläger will festgestellt wissen, dass "die Beklagte auf ihre Immunität als Staat verzichtet hat". Aus den vorgenannten Gründen lässt sich dieser Antrag nur so auslegen, dass der Kläger festgestellt wissen will, dass die Beklagte in den streitgegenständlichen Anleihebedingungen einen dort näher umschriebenen Verzicht auf ihre staatliche Immunität ausgesprochen hat. Im Ergebnis liefe das auf eine Wiederholung des Wortlauts der Anleihebedingungen in einem Feststellungsurteil hinaus. Dafür fehlt dem Kläger jedoch das Feststellungsinteresse.

Die fehlende Immunität eines ausländischen Staates ist im Erkenntnisverfahren Voraussetzung für den Erlass einer Sachentscheidung (§ 20 Abs. 2 GVG). Sie ist deshalb vom Landgericht bereits inzident durch das Leistungsurteil bejaht worden. Hierüber bestand zwischen den Parteien auch gar kein Streit, weil sich die Beklagte im Erkenntnisverfahren im Hinblick auf den Wortlaut ihrer Anleihebedingungen gar nicht auf ihre Immunität berufen hat. Unabhängig davon kommt dem Immunitätsverzicht in den Anleihebedingungen für das Erkenntnisverfahren ohnehin nur deklaratorische Wirkung zu. Das hat das Bundesverfassungsgericht in der vom Kläger zitierten Entscheidung vom 06.12.2006 (Az.: 2 BvM 9/03 = NJW 2007, 2605, 2607 unter Rn 35) nochmals klargestellt, und zur Begründung ausgeführt, dass keine allgemeine Regel des Völkerrechts existiert, die einem Staat auch für nicht-hoheitliches Handeln Immunität im Rahmen des Erkenntnisverfahrens gewährt.

Der Kläger hat auch kein schützenswertes Interesse dargelegt, das die begehrte Feststellung im Hinblick auf das Zwangsvollstreckungsverfahren rechtfertigen könnte.

Die Voraussetzungen für die Immunität eines Staates sind im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren jeweils getrennt zu prüfen. Fehlende Immunität eines ausländischen Staates im Erkenntnisverfahren bedeutet noch nicht, dass die Entscheidung gegen diesen Staat auch vollstreckt werden kann (BVerfG a. a. O., Rn 37). Die Frage, ob sich der ausländische Staat im Zwangsvollstreckungsverfahren auf seine Immunität berufen darf, kann nur mit Blick auf das konkrete Vollstreckungsobjekt beantwortet werden. Die Wiederholung des Wortlauts der Anleihebedingungen in einem Feststellungsurteil könnte deshalb den deutschen Zwangsvollstreckungsorganen keine weiterführenden Erkenntnisse vermitteln.

Es ist seit langem in der Rechtsprechung anerkannt, dass inländische Vermögenswerte eines ausländischen Staats, die nicht hoheitlich genutzt werden, regelmäßig der Zwangsvollstreckung unterliegen, ohne dass eine Einwilligung oder ein Immunitätsverzicht seitens des Schuldnerstaates erforderlich wäre (BVerfG a. a. O. Rn 39). Soweit es um hoheitlich genutztes Vermögen geht, haben das Bundesverfassungsgericht und der Bundesgerichtshof Rechtsgrundsätze aufgestellt, die unmittelbar auf die hiesigen Anleihebedingungen anwendbar sind. Ein Verzicht, der sich auf hoheitlich genutztes Vermögen erstreckt, muss von den Vollstreckungsbehörden darauf untersucht werden, ob er auch solches hoheitlich genutztes Vermögen erfasst, das durch seine Zweckbestimmung einen Sonderstatus besitzt. Dazu gehören neben diplomatisch genutzten Gegenständen und Vermögenswerten solche, die konsularischen Zwecken dienen, Staatsschiffe und -flugzeuge oder Material der Streitkräfte (BVerfG a. a. O. Rn 44).

Der in den hiesigen Bedingungen ausgesprochene allgemeine Immunitätsverzicht bedeutet keinen Verzicht auf den besonderen Schutz der diplomatischen Immunität (BGH MDR 2007, 1282). Das Bundesverfassungsgericht hat ferner festgestellt, dass keine allgemeine Regel des Völkerrechts existiert, der zufolge ein lediglich pauschaler Immunitätsverzicht (wie er hier ausgesprochen worden ist) auch den Schutz der Immunität für solches Vermögen aufhebt, das einen Sonderstatus besitzt, weil es dem Entsendestaat im Empfangsstaat zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit seiner diplomatischen Mission dient (BVerfG a. a. O., Rn 49). Damit wird sich im Vollstreckungsverfahren - jeweils bezogen auf das Vollstreckungsobjekt - die Frage stellen, ob die zu pfändenden oder zu beschlagnahmenden hoheitlich genutzten Vermögenswerte einen solchen Sonderstatus inne haben. Die vom Kläger begehrte Feststellung kann diese Frage nicht klären.

Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass die begehrte Feststellung für eine Vollstreckung im Ausland notwendig wäre, beziehungsweise dass sie die dortige Vollstreckung erleichtern könnte. Die Vollstreckung deutscher Gerichtsentscheidungen im Ausland richtet sich nach den Bestimmungen der einschlägigen zwischen- und mehrstaatlichen Übereinkommen beziehungsweise nach den dort geltenden Bestimmungen zur Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile. Innerhalb der Europäischen Union gelten insoweit die Art. 38 ff. der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass sich aus diesen Bestimmungen Besonderheiten ergäben, die eine abweichende Beurteilung des Feststellungsinteresses im Vergleich zu einer Vollstreckung im Inland gebieten würden.

Dass die begehrte Feststellung die Effektivität der Zwangsvollstreckung im außereuropäischen Ausland verbessern könnte, ist ebenfalls noch nicht einmal ansatzweise dargetan. Die unter Sachverständigenbeweis gestellte Behauptung, ohne die begehrte Feststellung seien weitere Schwierigkeiten bei der Zwangsvollstreckung im Ausland hinreichend wahrscheinlich, stellt einen Beweisermittlungsantrag dar, weil sich der Kläger erst durch das von ihm angebotene Rechtsgutachten die notwendige Tatsachengrundlage für seinen Vortrag verschaffen will.

Ende der Entscheidung

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