Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 15.04.2008
Aktenzeichen: 8 U 238/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 195
BGB § 199
BGB § 214
BGB § 262
BGB § 263
1. Gibt ein Schuldner als Ausgleich für zurückgenommene Aktien dem Gläubiger Aktien eines anderen Unternehmens hin und vereinbaren die Vertragsparteien, dass bei Unterschreiten des Börsenkurses der hingegebenen Aktien entweder ein Rücklauf oder eine Nachlieferung von Aktien erfolgen soll, so liegt im Zweifel eine Wahlschuld im Sinne von § 262 BGB vor.

2. Zur Verjährung des zunächst nicht rechtshängig gemachten Nachlieferungsanspruchs


Gründe:

I.

Wegen des Sachverhalts wird gem. § 540 Abs. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen. Sie werden lediglich zur besseren Verständlichkeit des Berufungsurteils teilweise wiederholt und ergänzt.

Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma A AG Ansprüche geltend, die sich aus einem Aktienrücknahmevertrag vom 3./15. August 2000 ergeben. Dieser Vertrag hatte folgenden Hintergrund:

Der Beklagte war gemeinsam mit einer Firma B GmbH Gesellschafter einer Firma C GmbH, die sich mit der Panzerung von Fahrzeugen beschäftigte. Mit Beteiligungsvertrag vom 3. 5.1999 erwarb die Insolvenzschuldnerin an dieser Gesellschaft einen Geschäftsanteil zu einem Ausgabebetrag von 2.556.495,41 €. Zudem leistete die Insolvenzschuldnerin im Zuge einer weiteren Kapitalerhöhung einen Nachschuss in Höhe von 382.500 € (Anlagen K5 und K 7). Der Beitritt der Insolvenzschuldnerin war unter der Voraussetzung erfolgt, dass die dann in eine Aktiengesellschaft umgewandelte Fa. C im Geschäftsjahr 1998/1999 einen Jahresüberschuss von mindestens 3 Millionen DM und im darauf folgenden Geschäftsjahr von mindestens 10 Millionen DM erzielen würde. Da diese Firma am 20.05.2000 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen musste, konnten die geplanten Ergebnisse nicht mehr erreicht werden.

Es kam am 3./15. 8. 2000 zu dem streitgegenständlichen Aktienrücknahmevertrag zwischen der Insolvenzschuldnerin und dem Beklagten, in dem sie ihm sämtliche ihrer Aktien an der Fa. C AG zu einem Betrag von 2.844.061,08€ übertrug. Der Ausgleich erfolgte an Erfüllungs Statt durch Übertragung von 346.836 Inhaberstückaktien an der Fa. D - AG zu dem damaligen Tageskurs von 8,20 €/Aktie. In § 6 Abs. 1 und 2 dieses Vertrages, der mit "Rückkaufsrecht" überschrieben ist, räumt die Insolvenzschuldnerin dem Beklagten das Recht ein, jederzeit auf Verlangen die mit diesem Vertrag hingegebenen Aktien der Fa. D AG zum Preis von 8,20 € je Aktie zuzüglich einer zeitanteiligen Verzinsung zurück zu erwerben. Das Rückkaufrecht ist auf drei Jahre ab dem Zeitpunkt der Übertragung der o. g. Aktien begrenzt. § 6 Abs. 3 des Vertrages hat folgenden Wortlaut:

Sollte der Börsenkurs der hingegebenen Aktien innerhalb des vorstehend genannten Dreijahreszeitraums nachhaltig...und substantiell... unter den als Wert angesetzten Kurs von 8,20 € sinken, ist der Aktienrücknehmer (Anm: Beklagter) verpflichtet, die Aktien zu den in § 6 Abs. 1 vereinbarten Bedingungen unverzüglich zurück zu erwerben oder alternativ den eingetretenen Wertverlust durch die sofortige Hingabe einer entsprechenden Anzahl von Aktien der D - AG auszugleichen (Anlage K 8 zur Klage).

Die vorgenannte Bedingung ist am 13. 1. 2001 eingetreten, nachdem der Aktienkurs der Fa. D - AG 120 Tage lang um mehr als 25 % gesunken war (Bl. 81 d. A.). Konsequenzen wurden daraus zunächst nicht gezogen. Die Insolvenzschuldnerin kaufte vielmehr weitere Aktien dieses Unternehmens hinzu. In einem Schreiben vom 23. 1. 2002 griff die Insolvenzschuldnerin u. a. den Wertausgleich gem. § 6 Abs. 3 des Aktienrücknahmevertrags auf und bot dem Beklagten an, ihm die Leistung des Wertausgleichs zu stunden, wenn er ein selbständiges Schuldanerkenntnis über den Ausgleich ihres Nachschusses in Höhe von 382.500,-- € unterzeichne (Anlage BK 2 - Bl. 383 d. A.). Am 02.09.2002 veräußerte die Insolvenzschuldnerin das gesamte von ihr gehaltene Aktienpaket an der Fa. D - AG zu einem Stückpreis von 0,70 €, damit zu einem Gesamtbetrag von 242.785,20 €.

Am 27. 2. 2003 schlossen die Insolvenzschuldnerin und der Beklagte einen Vergleich, in dem sich letzterer verpflichtete, an die Insolvenzschuldnerin in acht Halbjahresraten jeweils 25.000 €, insgesamt 200.000 € zu zahlen (Anlage K 4). Vorangegangen war ein Schriftwechsel vom 22. 1. 2003 (Anlagen BK 5 - Bl. 416 und BK 6 - Bl. 417, 432). Die weiteren Einzelheiten über die dem Vergleichsabschluss vorangegangenen Gespräche sind streitig. Der Beklagte zahlte am 3. 3. 2003 die erste Rate in Höhe von 25.000 €. Am 19. 3. 2003 genehmigte der Vorstand der Insolvenzschuldnerin den Vergleich. Weitere Zahlungen des Beklagten sind nicht erfolgt.

Der Kläger hat behauptet, die Insolvenzschuldnerin sei bereits am 30.11.2001 zahlungsunfähig und Ende 2001 überschuldet gewesen. Er sei mit der Klage von dem nicht erfüllten Vergleichsvertrag zurückgetreten. Eine Fristsetzung sei wegen der eindeutigen Erfüllungsverweigerung des Beklagten entbehrlich gewesen. Der Vergleich sei außerdem ein im Insolvenzverfahren nach §§ 129, 134 InsO anfechtbares Rechtsgeschäft, weswegen der Beklagte den in § 6 Abs. 3 des Aktienrücknahmevertrags genannten Betrag an die Insolvenzmasse zurückzahlen müsse. Hilfsweise hat der Kläger Zahlung des noch offenen Restbetrages unmittelbar aus dem Vergleich verlangt.

Der Beklagte hat eingewandt, ihm stünden abgetretene Forderungen der Fa. D - GmbH aus deren Public Relations -Tätigkeit für die Insolvenzschuldnerin zu, mit denen er bereits gegen die offene Restforderung aus dem Vergleich aufgerechnet habe. Ein Rücktritt wegen Nichterfüllung komme daher ebenso wenig in Betracht wie eine Insolvenzanfechtung. Die Insolvenzschuldnerin habe es bewusst versäumt, ihn zur Rücknahme der Aktien bzw. zum Nachschuss aufzufordern, so dass es nun auch der Insolvenzverwalter nicht mehr tun könne. Er hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es könne offen bleiben, ob dem Beklagten aufgrund seiner PR-Tätigkeit Gegenforderungen zustünden, mit denen er gegen die noch offene Restforderung aus dem Vergleich aufrechnen könne. Selbst wenn der Kläger wirksam von dem Vergleich zurückgetreten sei, so stünden ihm keine Ansprüche aus dem Aktienrücknahmevertrag zu. Die Insolvenzschuldnerin habe sämtliche Anteile an der D - AG verkauft und sei deshalb nicht in der Lage, dem Beklagten die Ausübung seines in § 6 Abs. 3 des Aktienrücknahmevertrages vorgesehenen Wahlrechts zu ermöglichen. Es läge eine beschränkte Gattungsschuld vor. In jedem Fall sei dem Kläger die Rückgabe der veräußerten Aktien subjektiv unmöglich. Hieran scheitere auch die Anfechtbarkeit des Vergleichs.

Der Kläger hat gegen das Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Er wirft dem Landgericht Rechtsfehler bei der Auslegung des Aktienrücknahmevertrages und bei der Anwendung der einschlägigen Vorschriften vor. Dem Kläger sei die in § 6 Abs. 3 geregelte Gegenleistungspflicht nicht unmöglich geworden, da die Aktien der Firma B - AG, der Nachfolgerin der Firma D - AG, frei handelbar seien und er sie sich deshalb ohne weiteres verschaffen könne. Die vom Landgericht zur sog. beschränkten Gattungsschuld herangezogenen Entscheidungen des Reichsgerichts seien mit dem hiesigen Fall nicht vergleichbar, da es dort um effektive Stücke von Wertpapieren gegangen sei.

Nach einem rechtlichen Hinweis des Senats vom 25. 9. 2007 (Bl. 337 f. d. A.) haben die Parteien unstreitig gestellt, dass der Kläger von dem Vergleich vom 27. 2. 2003 zurückgetreten ist (Bl. 358, 376 d. A.). Der Beklagte hat eingewandt, dass seine Verpflichtung aus § 6 Abs. 3 des Aktienrücknahmevertrags eine Wahlschuld sei. Er hat die Nachlieferung weiterer Aktien gewählt und im Hinblick auf diesen Anspruch die Einrede der Verjährung erhoben (Bl. 359 d. A.). Der Senat hat den Parteien durch Beschluss vom 29. 1. 2008 weitergehende Hinweise erteilt (Bl. 391 f. d. A.).

Dazu hat der Kläger weiter vorgetragen, dem Beklagten stünde kein Wahlrecht zu. Zwar sehe § 6 Abs. 3 des Vertrags unbestreitbar eine Wahlmöglichkeit vor (Bl. 378 d. A.). Der Vertrag sei aber so formuliert, dass der Beklagte (von sich aus) verpflichtet gewesen sei, bei Unterschreiten des "Schwellenwertes" die "D -Aktien" zurückzukaufen oder nachzuliefern. Der Beklagte sei mit dem o. g. Schreiben der Schuldnerin vom 23.1.2002 aufgefordert worden, seiner Verpflichtung nachzukommen. Nachdem er auf dieses Schreiben nicht reagiert habe, müsse er dem Kläger Schadensersatz leisten. Im Übrigen habe der Beklagte sein Wahlrecht verwirkt bzw. könne sich wegen treuwidrigen Verhaltens darauf nicht berufen, weil er zu lange damit zugewartet habe. Die Einrede der Verjährung sei unbegründet, weil die Verjährungsfrist durch die Klageerhebung bzw. durch außergerichtliche Verhandlungen und den Vergleichsabschluss gehemmt worden sei (§ 213 BGB n.F.). In einem späteren Schriftsatz vertritt der Kläger die Auffassung, dass keine Wahlschuld vorliege sondern vielmehr eine Art vertragliche Gewährleistungsregel. Der Beklagte habe das wirtschaftliche Risiko für den Wert seiner Aktien tragen müssen und deshalb entweder eine Art Wandlung durch Zahlung und Rücknahme der begebenen "D - Aktien" oder eine Art Minderung durch Nachlieferung von Aktien leisten müssen. Das Wahlrecht sei von vorn herein der Insolvenzschuldnerin zuerkannt worden.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an ihn 2.844.055,20 € nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. 9. 2000, hilfsweise in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. 10. 2004, Zug um Zug gegen Übertragung von 346.836 Stück Aktien der Fa B - AG (WKN: ...) zu zahlen,

hilfsweise,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger Aktien der B - AG (WKN ...) im Wert von 2.538.845,40 €, höchst hilfsweise im Wert von 758.420,70 € hinzugeben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt sich in erster Linie mit seinem erstinstanzlichen Vorbringen. Das Landgericht habe klargestellt, dass der Kläger bei Rückforderung der Geldsumme dem Beklagten auch die übergebenen Aktien der Fa. D - AG zurückgeben müsse. Dies sei ihm jedoch nicht mehr möglich. Die Behauptung, der Kläger könne sich jederzeit Aktien der Fa. B an der Börse besorgen, sei neu und daher nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht mehr zuzulassen. Aufgrund der Unmöglichkeit einer Rückübertragung der streitgegenständlichen Aktien sei der Beklagte gemäß § 326 Abs. 1 BGB von der Gegenleistungspflicht frei geworden.

In zweiter Linie wendet der Beklagte ein, der Zahlungsanspruch sei unbegründet, nachdem er - der Beklagte - sein Wahlrecht aus § 6 Abs. 3 des Aktienrücknahmevertrags ausgeübt habe. Der mit dem Hilfsantrag verfolgte Nachlieferungsanspruch sei wegen Verjährung nicht mehr durchsetzbar, weil er erstmals mit Schriftsatz vom 2. 1. 2008 - zugestellt am 16. 1. 2008 - rechtshängig geworden sei. Dieser Antrag sei im Übrigen zu unbestimmt, weil sich die Anzahl der nachzuliefernden Aktien nicht ohne weiteres errechnen lasse.

II.

Die Berufung ist nicht begründet. Dem Kläger stehen aus § 6 Abs. 3 des Aktienrücknahmevertrages vom 3./15.8.2000 weder Zahlungs- noch Nachlieferungsansprüche gegen den Beklagten zu. Ein Zahlungsanspruch des Klägers ist nach § 263 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, nachdem der Beklagte wirksam sein Wahlrecht aus dem Vertrag ausgeübt hat. Der hilfsweise gestellte Nachlieferungsanspruch ist verjährt (§ 195, 199 Abs. 1, 214 Abs. 1 BGB n. F.). Weitere Anspruchsgrundlagen scheiden ebenfalls aus. Dazu im Einzelnen:

1. Der Rücktritt des Klägers von dem Vergleichsvertrag vom 27.2.2003 führt zur Rückabwicklung dieses Schuldverhältnisses. In dem Vergleich hatte die Schuldnerin dem Beklagten seine Verpflichtungen aus dem Aktienrücknahmevertrag erlassen (Anlage K 4 - § 397 BGB). Hieran ist der Kläger aufgrund des Rücktritts nun nicht mehr gebunden, so dass sich die Rechte der Parteien unmittelbar aus dem Aktienrücknahmevertrag ergeben (vgl. zu den Rechtsfolgen des Rücktritts: Palandt-Grüneberg, BGB, 67. Aufl., Einf. 6 vor § 346 BGB).

In § 6 Abs. 3 des Aktienrücknahmevertrages ist eine Wahlschuld im Sinne von § 262 BGB festgelegt worden. Eine Wahlschuld liegt vor, wenn mehrere verschiedene Leistungen, die als spezifizierte Einzelleistungen gedacht sind, in der Weise geschuldet werden, dass nach späterer Wahl des Schuldners oder Gläubigers nur eine, die gewählte zu bewirken ist (vgl. Münchener Kommentar (MüKo) zum BGB-Krüger, 5. Aufl., Rdn. 2 zu § 262). Es lässt sich durch Auslegung des Aktienrücknahmevertrags weder feststellen, dass ein Fall der elektiven Konkurrenz noch dass ein Fall der sog. Ersetzungsbefugnis vorliegt, so dass die gesetzliche Regel eingreift.

Im Fall der elektiven Konkurrenz stehen dem Gläubiger nach seiner Wahl mehrere, inhaltlich verschiedene Rechte zu (Palandt-Heinrichs, BGB, 67. Aufl., Rn 6 zu § 262 BGB). Bei der Ersetzungsbefugnis ist nur eine von vorn herein bestimmte Leistung vereinbart, einer der Parteien - in der Regel der Schuldner - berechtigt, an Erfüllungs Statt eine andere Leistung zu erbringen (Palandt-Heinrichs a. a. O. Rn 8 zu § 262 BGB). Der Wortlaut des Vertrags gibt für keine dieser Varianten etwas her, weil er nur besagt, dass der Beklagte bei Absinken des Börsenwerts der hingegebenen Aktien der Fa. D - AG entweder Zahlung des dort festgelegten Betrages gegen Rücknahme der Aktien oder Wertausgleich durch Nachlieferung von Aktien schuldet. Keine dieser Leistungen steht im Vordergrund und es lässt sich auch nicht herauslesen, dass die Insolvenzschuldnerin in erster Linie Rückabwicklung verlangen durfte.

Auch aus dem wirtschaftlichen Kontext und vor dem Hintergrund des Zustandekommens des Vertrags lässt sich die Auslegung des Klägers nicht stützen. Es mag sein, dass die Insolvenzschuldnerin dem Beklagten erlaubt hat, die Rückübertragung ihrer Geschäftsanteile an der C - AG durch Hingabe von 346.836 Stückaktien der damaligen D - AG an Erfüllungs statt zu ersetzen, weil er den ansonsten geschuldeten Kaufpreis von rund 2.8 Millionen DM nicht aufbringen konnte. Man kann aus § 6 Abs. 3 des Vertrags möglicherweise auch herauslesen, dass der Beklagte das wirtschaftliche Risiko dieser Ersetzungsbefugnis tragen und sicherstellen sollte, dass der Insolvenzschuldnerin ein wirtschaftliches Äquivalent in Höhe des von ihm geschuldeten Kaufpreises zustehen sollte.

Diese Interessenlage führt aber nicht dazu, die Regelung in § 6 Abs. 3 des Vertrags quasi als vertragliche Gewährleistungsregelung zu behandeln. Der Insolvenzschuldnerin kam es nur darauf an, einen wirtschaftlichen Gegenwert für ihren Kaufpreisanspruch zu erhalten, die beiden Alternativen standen dem Beklagten als Wahlmöglichkeit gleichberechtigt offen. So hat es auch die Insolvenzschuldnerin in ihrem Schreiben vom 23. 1. 2002 und sogar der Kläger in seinem Schriftsatz vom 2. 1. 2008 gesehen. Wenn die Vertragsparteien eine elektive Konkurrenz bzw. eine Ersetzungsbefugnis hätten regeln wollen, so hätten sie sich im Wortlaut an § 2 des Vertrags orientieren und eine Rangfolge bzw. ein Wahlrecht der Insolvenzschuldnerin regeln können.

2. Nach der gesetzlichen Auslegungsregel des § 262 BGB steht das Wahlrecht im Zweifel dem Schuldner zu. Der Beklagte hat durch den Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 6.11.2007 sein Wahlrecht nach § 6 Abs. 3 des Aktienrücknahmevertrages wirksam ausgeübt. Er hat Nachlieferung von Aktien gewählt. Damit konzentriert sich das Schuldverhältnis der Parteien rückwirkend auf diese Leistung, mit der Folge, dass er die im Hauptantrag gewünschte Zahlungsverpflichtung nicht mehr zu erfüllen hat (§ 263 Abs. 2 BGB). Der Vortrag des Klägers rechtfertigt keine andere Beurteilung:

Im Vertrag werden die Abwicklungsmodalitäten nicht genannt. Die Verpflichtung des Beklagten stand lediglich unter einer aufschiebenden Bedingung, ist aber nicht an eine Aufforderung der Gläubigerin geknüpft (§ 158 Abs. 1 BGB). Der Kläger will daraus ableiten, dass der Beklagte bei Bedingungseintritt am 13.1.2001 von sich aus auf die Insolvenzschuldnerin hätte zugehen und ihr den Wertersatz durch Rücknahme der Aktien oder Nachlieferung hätte anbieten müssen. Das ist nicht geschehen, hat aber auch keine rechtlichen Konsequenzen zu Gunsten des Klägers nach sich gezogen.

Das Wahlrecht ist nicht auf die Insolvenzschuldnerin oder den Kläger übergegangen. Das Gesetz gibt dem Gläubiger nicht die Möglichkeit, durch Fristsetzung den Übergang des Wahlrechts herbeizuführen. Er muss Leistungsklage mit alternativem Antrag stellen und kann erst nach entsprechender Verurteilung bestimmen, wegen welcher Leistung vollstreckt werden soll (§ 264 Abs. 1 BGB; vgl. Palandt-Heinrichs, BGB a. a. O., Rn 2 zu § 264 BGB).

Das Wahlrecht ist nicht nach Treu und Glauben auf den Kläger übergegangen (§ 242 BGB). Der Kläger hat nicht dargelegt, dass der Beklagte treuwidrig die Ausübung des Wahlrechtes verzögert beziehungsweise sich widersprüchlich verhalten hätte (sog. venire contra factum proprium). Die Insolvenzschuldnerin hat das selbst in ihrem Schreiben vom 23.1.2002 ebenso gesehen (Anlage BK 2 - Bl. 383 d.A.). Dort wird nach wie vor von einer Alternativ- oder Wahlschuld ausgegangen. Mit diesem Schreiben hat die Insolvenzschuldnerin den Beklagten nicht in Verzug gesetzt. Sie verlangt von ihm lediglich eine Nachschusszahlung, die in dem Aktienrücknahmevertrag fälschlicherweise unberücksichtigt geblieben ist und mit den Verpflichtungen aus § 6 Abs. 3 des Aktienrücknahmevertrags nicht in Zusammenhang steht. Sie bietet dem Beklagten bei Einzahlung des Nachschussbetrags von 382.500 € an, ihm seine hier streitgegenständliche Verpflichtung zu stunden. Das Wahlrecht des Beklagten ist unangetastet geblieben.

In dem Schreiben vom 22. 1. 2003 (Anlage BK 5 - Bl. 416) fordert die Insolvenzschuldnerin den Beklagten zwar auf, seine Verpflichtungen aus § 6 Abs. 3 des Aktienrücknahmevertrags zu erfüllen bzw. eine tragfähige Lösung zu präsentieren. Auch daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass der Beklagte nach § 242 BGB sein Wahlrecht verloren hätte, denn die Insolvenzschuldnerin lässt ihm nach wie vor offen, wie er seiner Verpflichtung nachkommt und die Vertragsparteien haben unverzüglich danach eine einvernehmliche Regelung in Gestalt des Vergleichs vom 27. 2. 2003 gefunden, so dass auch ein treuwidriges Verhalten des Beklagten fehlt. Der für eine Verwirkung notwendige Verstoß gegen einen Vertrauenstatbestand (Umstandsmoment) ist nicht erkennbar. Schadensersatzansprüche aus § 288 Abs. 4 BGB wegen eines Verzugs mit der Ausübung des Wahlrechts kommen im Hinblick auf das Verhalten der Vertragsparteien, vor allem im Hinblick auf den geschilderten Vergleichsabschluss ebenfalls nicht in Betracht.

3. a) Der Hilfsantrag ist zulässig, weil die Anzahl der herauszugebenden Aktien bei Abschluss eines Börsentages durch das Vollstreckungsorgan durch die im Klageantrag vorgegebenen Parameter hinreichend bestimmt werden können (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Hinweisbeschluss vom 29. 1. 2008 (Bl. 392 d. A.).

b) Es kann offen bleiben, ob der mit dem Hilfsantrag verfolgte Nachlieferungsanspruch teilweise berechtigt war. Aus den im Hinweisbeschluss vom 25. September 2007 dargelegten Gründen müsste sich der Kläger wohl auf jeden Fall nach § 254 Abs. 2 bzw. § 242 BGB einen erheblichen Anteil am Wertverlust der "D - Aktien" zurechnen lassen, weil es die Insolvenzschuldnerin versäumt hat, den Nachlieferungsanspruch in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Unterschreitung des vertraglichen Schwellenwerts geltend zu machen und statt dessen damals sogar noch Aktien zugekauft hat. Das spielt aber keine Rolle mehr, weil der Anspruch wegen der Verjährungseinrede des Beklagten nicht mehr durchsetzbar ist.

c) Die Verjährungsfrist richtet sich nach neuem Schuldrecht, d. h. sie beträgt drei Jahre und wird ab dem 1. 1. 2002 berechnet (§ 195 BGB, Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 1 EGBGB). Die Verjährungsfrist wäre an sich am 31. 12. 2004 nach einem Zeitraum von 1095 Tagen abgelaufen. Sie ist zwar zwischenzeitlich durch Vergleichsgespräche der Parteien bzw. den Vergleichsabschluss gehemmt worden. Im Zeitpunkt der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs war die Frist aber bereits abgelaufen.

Aus dem Schriftwechsel der Parteien vom 22. 1. 2003 ergibt sich, dass die Bevollmächtigten der Insolvenzschuldnerin Dr. X und Y erstmals vom 12. Januar 2003 an mit dem Beklagten Gespräche über dessen Verpflichtungen aus dem Aktienrücknahmevertrag geführt haben, die man als Vergleichsverhandlungen im Sinne von § 203 BGB behandeln kann (Bl. 417 d. A.). Die Verhandlungen der Vertragsparteien haben bis zur Genehmigung des Vergleichs vom 27. 2. 2003 durch den Vorstand der Insolvenzschuldnerin am 19. 3. 2003 angedauert.

Aus dem Vortrag des Klägers lassen sich keine Anhaltspunkte dafür finden, dass der Beklagte vor dem 12. Januar 2003 Gespräche über seine Verpflichtungen aus dem Aktienrücknahmevertrag mit den Verantwortlichen der Insolvenzschuldnerin geführt hätte. Das gilt auch dann, wenn man den Begriff "außergerichtliche Verhandlungen" weit auslegt und jeden Meinungsaustausch über den Anspruch und seine tatsächliche Grundlage sowie Erklärungen des Schuldners genügen lässt, denen der Gläubiger entnehmen kann, dass sich der Schuldner auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruchs einlässt (Palandt - Heinrichs, BGB, 67. Aufl., Rn 2 zu § 203 BGB).

Die Behauptungen des Klägers in seinem Schriftsatz vom 28. 2. 2008 sind unzureichend. Sein Vortrag, die Vergleichvereinbarung sei zuvor Gegenstand zum Teil weitschweifiger Korrespondenz und persönlicher Besprechungen mit Organvertretern der Insolvenzschuldnerin gewesen, ist bestritten und bleibt pauschal. Der vorgelegte Schriftverkehr belegt ebenfalls nicht, dass die Vertragsparteien vor dem 12. Januar 2003 Gespräche über die Verpflichtungen des Beklagten aus § 6 Abs. 3 des Aktienrücknahmevertrags geführt hätten (Anlagen K 12 und K 16, BK 2, 5 und 6). Die Insolvenzschuldnerin hat zwar in dem Schreiben vom 23. 1. 2002 einen Vorschlag unterbreitet (Bl. 383 d. A.). Der Beklagte ist darauf aber gar nicht eingegangen (Bl. 379 d. A.), was die Insolvenzschuldnerin zu weiteren Aufforderungsschreiben am 15. 8. 2002 und am 10. 10. 2002 bewog (vgl. Bl. 416 d. A.). Hierauf nimmt die Insolvenzschuldnerin in ihrem Schreiben vom 22. 1. 2003 unmittelbar Bezug und stellt klar, dass sie keine Antwort des Beklagten dazu erhalten hat. Es ist daher nachvollziehbar, dass der Vorstand Y und der Aufsichtsratsvorsitzende Dr. X im Januar 2003 das Problem durch unmittelbare persönliche Gespräche mit dem Beklagten lösen wollten, dass aber zuvor keine Verhandlungen geführt worden sind. Dies wird durch die Erklärung von Herrn Y vom 13. 2. 2008 bestätigt (Bl. 441 d. A.).

Da die Verjährungsfrist schon am 1. Januar 2002 zu laufen begonnen hatte, waren bei Aufnahme der Vergleichsverhandlungen am 12. Januar 2003 schon ein Jahr und 11 Tage, d. h. 376 Tage der Verjährungsfrist abgelaufen.

Der Senat unterstellt zu Gunsten des Klägers, dass die Verjährungsfrist durch den Vergleich vom 27. 2./19. 3. 2003 gehemmt worden ist, weil ihm bis zum Rücktritt des Klägers ein vorübergehendes Leistungsverweigerungsrecht zustand (§ 205 BGB). Man kann darüber streiten, ob diese Absprache vom Regelungsgehalt dieser Vorschrift erfasst wird, weil die Parteien eigentlich beabsichtigten, eine endgültige Regelung über die Verpflichtungen des Beklagten zu finden. Letztendlich spielt das aber keine Rolle. Die Hemmung war auf jeden Fall beendet, als der Kläger durch Zustellung der Klage am 25.10.2005 von dem Vergleich zurückgetreten ist (§ 346 Abs. 1 BGB).

Die Klageerhebung am 25. 10. 2005 hat den Lauf der Verjährungsfrist nicht gehemmt, weil der Kläger den Nachlieferungsanspruch dort noch gar nicht rechtshängig gemacht hat. Der Kläger kann sich nicht auf § 213 BGB berufen. Diese Vorschrift erfasst nur solche Fälle, in denen das Gesetz dem Gläubiger von vornherein mehrere Ansprüche zur Wahl stellt oder es ihm ermöglicht, in Verfolgung des gleichen wirtschaftlichen Interesses von einem zum anderen Anspruch überzugehen (vgl. Soergel/Niedenführ, BGB, 13. Aufl., Rn. 6 zu § 213). Wirtschaftliche Identität in diesem Sinne kann deshalb nur für solche Wahlschulden bestehen, bei denen dem Gläubiger das Wahlrecht zusteht (MüKo-Grothe a.a.O. Rdn. 4 zu § 213). Sofern - wie hier - der Schuldner das Wahlrecht behält, steht § 263 Abs. 2 BGB dem entgegen. Da die Wahlerklärung des Beklagten rückwirkend dazu führt, dass er auf die Nachlieferungsschuld beschränkt wird, kann er sich auch auf Verjährung berufen (vgl. Staudinger-Bittner, BGB, Stand 2004, Rn. 12 zu § 263; Erman/Kuckuk, 11. Aufl., Rn. 4 zu § 263; MüKo-Krüger, Rn. 7 zu § 263, m.w.N.).

Erst mit Zustellung des Schriftsatzes vom 2.1.2008 am 16. 1. 2008 hat der Kläger somit einen neuen Hemmungstatbestand geschaffen. In der Zwischenzeit, d. h. vom 25. 10. 2005 bis zum 16. 1. 2008 lief die Verjährungsfrist über weitere 810 Tage, so dass zu diesem Zeitpunkt die Frist schon insgesamt 1186 Tage gelaufen war. Bei Zustellung des vorgenannten Schriftsatzes war die dreijährige Verjährungsfrist daher schon abgelaufen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidungen zur Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 2.844.055,20 € (§ 45 Abs. 1 GKG). Die Zug um Zug zu erbringende Gegenleistung bleibt für den Streitwert außer Betracht.

Ende der Entscheidung

Zurück