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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 30.06.2009
Aktenzeichen: 8 U 240/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 384 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe.

I.

Der Kläger lastet dem Streithelfer und dem Beklagten zu 2., den ihn behandelnden Ärzten der Beklagten zu 1., einen vermeintlichen Befunderhebungs- und Diagnosefehler an. Deshalb nimmt er den Beklagten zu 2. auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes von mindestens 100.000,- Euro in Anspruch. Zudem verlangt er von den Beklagten als Gesamtschuldnern entgangenen Gewinn in Höhe von 120.000,- € aus dem nicht früher erfolgten Praxisverkauf und für einen behaupteten Rentenschaden 100.000,- Euro Vorschuss. Schließlich begehrt er die Feststellung, dass die Beklagten ihm als Gesamtschuldner verpflichtet sind, alle weiteren entstandenen und entstehenden Schäden zu ersetzen.

Wegen multipler Beschwerden, nämlich einer subjektiven chronischen Bronchitis, eines chronischen Schmerzsyndroms der HWS, Schlafstörungen, Hypotonie, Adipositas, einer Belastungsinsuffizienz und des Verdachts auf das Vorliegen eines Schlafapnoe-Syndroms stellte sich der damals 53jährige Kläger, der als Facharzt für Allgemeinmedizin mit der Zusatzbezeichnung Badearzt tätig war und seit Anfang 1995 Rentner ist, auf Überweisung seines Hausarztes vom 19.02.1992 (Bl. 1021 d. A.) am 24.02.1992 bei der Beklagten zu 1. vor. Zur Klärung eines Schlafapnoe-Syndroms wurden dreimalig Apnoe-Monitoring-Untersuchungen durchgeführt und zwar am 26./27.02., 27.02./28.02. und am 28.02/29.02.1992 (Patientenunterlagen ...). Als zusammenfassender Befund ist im Abschlussbericht vom 04./09.06.1992 (Patientenunterlagen ...) ein Apnoe-Index von 7,7/h angegeben, wobei die mittlere Apnoe-Dauer 23,6 sec und die längste 65 sec betrug. Eine weiter am 13.03.1992 zwischen 13:30 Uhr und 14:30 Uhr durchgeführte EEG-Polygraphie zeigte Schlaf mit einer regelmäßigen Atmung. Eine Polysomnographie unterblieb. Am 16.03.1992 und wiederholend im Abschlussbericht vom 04./09.06.1992 schlossen der Beklagte zu 2. bzw. der Streithelfer ein Schlafapnoe-Syndrom aus. Zusammenfassend beschreibt der Streithelfer als Hauptursache der Beschwerden ein psychosomatisches Erschöpfungssyndrom mit depressiver Entwicklung. Die anschließende Kurbehandlung (03.11.-19.12.1992) in der Abteilung Psychosomatik/Psychotherapie des ... in Stadt1 erbrachte Besserung. Der Kläger konnte mobilisiert, sein Gewicht reduziert und seine Blutdruckwerte normalisiert werden. Bei seiner Entlassung vermochte der Kläger ohne Einnahme des Schlafmittels X wieder ein- und durchschlafen und hatte weniger Schmerzen. Acht Wochen nach Wiederaufnahme der Praxistätigkeit am 11.01.1993 wurden insbesondere die Schlafstörungen wieder stärker. Am 08.03.1993 stellte sich der Kläger erneut bei der Beklagten zu 1. vor. Der Beklagte zu 2. sah keine Indikation zu einer operativen Behandlung der cervikalen Bandscheibenvorfälle und den Verdacht auf das Schlafapnoe-Syndrom auf Grund der polygraphischen Untersuchung aus 1992 weiterhin nicht bestätigt. Die erneute Kur des Klägers vom 20.09. bis 29.11.1993 brachte nach Rückkehr in den Alltag wiederum nur einen vorübergehenden Erfolg. Im Februar 1998 diagnostizierten die Kliniken des ...-Kreises in Stadt2 polysomnografisch ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom mit Apnoe/Hypopnoe-Index von 22/h mit einer Verminderung von Tief-und REM-Schlaf, welches erfolgreich mit nCPAP (nasaler, kontinuierlicher, positiver Atemwegsdruck) therapiert wird.

Der Kläger hat den Beklagten eine unzureichende Befunderhebung vorgeworfen. Er hat behauptet, dass nach den Richtlinien zur Diagnostik und Therapie der Schlafapnoe des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen in der Fassung vom 04.12.1990 mit Wirkung vom 1. Januar 1991 die in der 3. und 4. Stufe beschriebene Befunderhebung durch eine kontinuierliche Registrierung von Atmung, Sauerstoffgehalt des Blutes, Herzfrequenz und der Körperlage während einer mindestens sechsstündigen Schlafphase bzw. durch eine Polysomnographie geboten gewesen sei. Jedenfalls sei eine Kontrolluntersuchung nach etwa einem halben Jahr angezeigt gewesen. Bei Durchführung wäre das Schlafapnoe-Syndom Anfang bzw. Mitte 1992 festgestellt und erfolgreich therapiert worden, so dass auf Grund der nicht fortdauernden neurologischen Ausfälle die irreversiblen gesundheitlichen Dauerschäden nicht eingetreten wären. Bei Diagnose des Schlafapnoe-Syndroms hätte er seine Praxis 1992 verkauft und einen um 120.000,- Euro höheren Preis erzielt. Auch wäre der Rentenschaden nicht eingetreten.

Die Beklagen haben - unterstützt durch den Streithelfer - behauptet, dass auf Grund der Ergebnisse der Apnoe-Monitoring-Untersuchungen und der Polygraphie sowie des polysymptomatischen Krankheitsbildes zur Klärung des Schlafapnoe-Syndroms keine weiteren Befunde zu erheben gewesen sein. Selbst wenn aber eine weitere differentialdiagnostische Abklärung indiziert gewesen wäre, hätte diese keinen Befund für eine weitergehende Therapie ergeben. Zunächst habe der Kläger sein Gewicht reduzieren müssen.

Das Landgericht hat Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. SV1 und Prof Dr. SV2 nebst mündlicher Erläuterung eingeholt (Bl. 253-274, 360-370, 454-460, 608-619; 774-786, 874-880 d.A.) und sodann die Klage abgewiesen. Ein Diagnosefehler lasse sich nicht festzustellen. Zwar sei bei dem Kläger nach den Bewertungen der Sachverständigen SV1 und SV2 das Vorliegen eines Schlafapnoe-Syndroms bereits 1992 möglich bzw. wahrscheinlich gewesen, doch sei nach dem ärztlichen Standard von 1992 ein Apnoe-Index von weniger als 10 je Stunde als nicht relevant anzusehen gewesen. Somit sei im Hinblick auf die plausiblen Alternativursachen der Schlaflosigkeit die Empfehlung einer psychosomatischen Kur nicht zu beanstanden. Da unter dieser Maßnahme eine substantielle Besserung eingetreten sei, sei das mögliche bzw. wahrscheinliche Schlafapnoe-Syndrom seinerzeit jedenfalls nicht als mittelschwer oder schwer zu qualifizieren und damit nach Auffassung beider Sachverständiger noch nicht behandlungsbedürftig gewesen.

Gegen das Urteil des Landgerichts richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlichen Anträge unter Wiederholung und Vertiefung seines Vortrages weiterverfolgt. Weiter beanstandet er die Verwertung des Sachverständigengutachtens Prof. Dr. SV1, da er als Nicht-Somnologe über keine hinreichenden Fachkenntnisse in den hier zu beurteilenden somnologischen Fragen verfüge. Im Übrigen sei das Gutachten aus im Einzelnen dargelegten Gründen widersprüchlich. Der Kläger rügt die Verletzung rechtlichen Gehörs, denn der Bescheid der Gutachterkommission der Gutachter- und Schlichtungsstelle der LÄK, fußend auf dem Gutachten Prof. Dr. Dr. SV3, wonach die Diagnostik 1992 in jeder Hinsicht unzureichend gewesen sei, sei bei der Beurteilung unberücksichtigt geblieben. Zudem seien die Bewertungen und Folgerungen des Sachverständigen Prof. Dr. SV2 aus verschiedenen im Einzelnen ausgeführten Gründen nicht nachvollziehbar, sondern erkennbar von dem Bemühen getragen, den Rechtsstreit zu Gunsten der Beklagten zu beeinflussen. Auf Grund der mangelnden Objektivität sei der Sachverständige als befangen anzusehen.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und

1. den Beklagten zu 2.) zu verurteilen, an den Kläger für die durch die fehlerhafte Behandlung vom 24.02.1992 bis zum Jahre 1998 verursachten körperlichen Beeinträchtigungen ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 04.10.2002 zu bezahlen, mindestens jedoch 100.000,- Euro;

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger für entgangenen Gewinn weitere 120.000,- Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 04.10.2002 zu bezahlen;

3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger als Vorschuss auf den Rentenschaden weitere 100.000,- Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 04.10.2002 zu bezahlen;

4. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger einen weiteren aus dem vorgenannten Ereignis entstandenen und noch entstehenden Schaden zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf öffentliche Versicherungsträger übergegangen sind oder übergehen werden.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Streithelfer beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen die angefochtene Entscheidung. Die Diagnose sei nicht zu beanstanden. Insbesondere der Sachverständige Prof. Dr. SV2 komme unter Zugrundelegung der Richtlinien zur Diagnostik und Therapie der Schlafapnoe des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zu der Wertung, dass im Hinblick auf die anzustellende Gesamtbetrachtung auf die 4. Stufe der Diagnostik, nämlich die Polysomnographie, auch in der Klinik der Beklagten zu 1. habe verzichtet werden dürfen. Vertiefend führen sie aus, dass selbst wenn eine weitere differentialdiagnostische Abklärung indiziert gewesen wäre, diese keinen Befund für eine weitergehende Therapie ergeben hätte. Denn jedenfalls sei von einem "einfachen" Schlafapnoe-Syndrom auszugehen, welches neben der psychosomatischen Kurmaßnahme zunächst nur eine Gewichtsreduktion erfordert hätte.

Diesem Verteidigungsvorbringen schließt sich der Streithelfer an.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Der Senat hat dem Sachverständigen Prof. Dr. SV2 die Bescheide der Gutachter- und Schlichtungsstelle für ärztliche Behandlungen bei der LÄK ... - fußend auf dem Gutachten Prof. Dr. Dr. SV3 - vorbereitend zur Verfügung gestellt und ihn im Termin vom 26.05.2009 gutachterlich befragt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 26.05.2009 verwiesen (Bl.1124-1128 d.A).

II.

Die Berufung bleibt ohne Erfolg. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu, weil ein ärztliches Fehlverhalten nicht festzustellen ist.

In Frage steht ein Behandlungsfehler im Sinne eines Therapiefehlers -Befunderhebungsfehler- (Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Auflage, B 55), denn der Kläger lastet den behandelnden Ärzten die Unterlassung einer weitergehenden Befunderhebung gemäß der 3. und 4. Stufe der Richtlinien zur Diagnostik und Therapie der Schlafapnoe des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 04.12.1990 mit Wirkung vom 1. Januar 1991 an.

Der Senat stützt sich bei seiner Beurteilung auf das Gutachten nebst mündlichen Erläuterungen des Sachverständigen Prof. Dr. SV2, während das Gutachten nebst zwei Ergänzungsgutachten und mündlicher Erläuterung des Sachverständigen Prof. Dr. SV1 nicht heranzuziehen ist, da es ungenügend ist (§ 412 ZPO): Das Landgericht sah sich zu Recht veranlasst, ein neues Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. SV2 anzuordnen. Es ist schon zweifelhaft, ob der Sachverständige Prof. Dr. SV1 als Facharzt für innere Medizin und psychotherapeutische Medizin über die nötige Fachkunde zur Beantwortung der somnologischen Fragestellungen verfügt. Jedenfalls sind seine gutachterlichen Äußerungen aber nicht stimmig. Abgesehen davon, dass er im internistisch-psychosomatischen Gutachten vom 27.10.2003 und im Ergänzungsgutachten vom 21.10.2004 nicht auf die Richtlinien zur Diagnostik und Therapie der Schlaf-Apnoe eingeht, führt er dort aus, dass aufgrund der richtungsweisenden Anamnese, der Risikofaktoren wie Übergewicht, Fettstoffwechselstörung, pathologischer Glukose - Toleranz - Test und arterielle Hypotonie sowie der drei Apnoe-Check-Untersuchungen eine polysomnographische Untersuchung in einem Schlaflabor zur weiteren Diagnostik nach dem im Jahre 1992 geltenden Standard notwendig gewesen wäre (vgl. Blatt 271 370 d.A.). Im zweiten Ergänzungsgutachten vom 06.03.2005 und bei Gutachtenerläuterung vom 9.10.2006 hält er es aber -im Gegensatz zur zuvor beschriebenen Notwendigkeit- unter Berücksichtigung aller vorliegenden Informationen für retrospektiv nachvollziehbar, dass in der ... seinerzeit bei dem komplexen Krankheitsbild im Anschluss an eine erste Untersuchungsphase mit daraus folgender diagnostischer Zuordnung der Leitsymptome zu einer psychisch dominierten Störung auf eine weitere differenzialdiagnostische Abklärung der Schlafstörung verzichtet wurde (Blatt 455 bzw. 616 d.A.). Im Hinblick auf diesen unaufgeklärten Widerspruch in der entscheidungserheblichen Frage sind die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. SV1 zur Überzeugungsbildung unzureichend.

Anderes gilt für die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. SV2. Dessen Fachkompetenz als Arzt für innere Medizin, Kardiologie, Pneumologie, Internistische Intensivmedizin und Schlafmedizin steht außer Frage. Dass er unter Einbeziehung des für die Gutachter- und Schlichtungsstelle gefertigten Gutachtens von Prof. Dr. Dr. SV3 zu einer hiervon abweichenden Einschätzung gelangt (s. u.), lässt nicht an seinem Sachverstand zweifeln, sondern entspricht der (richterlichen) Erfahrung unterschiedlicher wissenschaftlicher Beurteilungen.

Die Bewertungen und Schlussfolgerungen des Sachverständigen Prof. Dr. SV2 sind einschließlich der mündlichen Erläuterungen des Sachverständigen im Termin vom 26.05.2009 heranzuziehen. Der Verwertung Letzterer steht nicht die unterbliebene Belehrung auf ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 384 Nr. 2 ZPO im Hinblick auf die Strafanzeige des Klägers vom 06.01.2009 wegen uneidlicher Falschaussage und Beihilfe zum Prozessbetrug entgegen. Es besteht nämlich keine Belehrungspflicht des Gerichts (Zöller-Greger, ZPO, 27.Aufl., § 384 RdNr.1a; OLG Köln, OLGZ 86, 60/1), vielmehr obliegt es dem Sachverständigen, sich auf ein Aussageverweigerungsrecht zu berufen. Dies hat er nicht getan.

Soweit dem klägerischen Schriftsatz vom 16.06.2009 eine Ablehnung des Sachverständigen Prof. Dr. SV2 wegen Besorgnis der Befangenheit zu entnehmen sein sollte, ist dieser Antrag zurückzuweisen. Die Begründung, der Sachverständige nehme eine falsche Bewertung vor, indem er einerseits offenkundige und dokumentierte Tatsachen außer Acht lasse, andererseits sich auf solche stütze, die damals ohne Relevanz gewesen seien und sich dabei in Widerspruch zu eigenen jüngsten wissenschaftlichen Veröffentlichungen setze, um den Rechtsstreit zu Gunsten der Beklagten zu beeinflussen und der eigenen Strafverfolgung zu entgehen, trägt nicht. Es ist nicht zu besorgen, dass sich der Sachverständige bei seinen gutachterlichen Äußerungen vom 26.05.2009 von solchen unsachlichen Motiven bewusst oder unbewusst hat leiten lassen oder solchen Motiven unterlag. Denn die Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. SV2 ist auf der Grundlage aller zu berücksichtigenden Tatsachen nach dem Wissensstand 1992/93 getroffen. Im Einzelnen:

Der Sachverständige Prof. Dr. SV2 hat zur Überzeugung des Senats dargestellt, dass die dritte Stufe der Richtlinien zur Diagnostik der Schlaf-Apnoe mit den 1992 zur Verfügung stehenden Geräten, welche noch nicht sämtliche zu messenden Parameter abdeckten, komplett durchgeführt worden ist. So wird in der 3. Stufe zunächst zwar vorausgesetzt, dass der Patient 6 Stunden lang schläft bzw. während einer 6-stündigen Schlafenszeit zu beobachten ist; doch gab es 1992 noch keine Screening-Systeme, bei denen die Schlafenszeit als solche gemessen wurde. Damit waren die dokumentierten dreimaligen Apnoe-Monitoring-Untersuchungen vom 26.02.1992, 23:24 Uhr bis zum 27.02.1992, 06:07 Uhr; vom 27.02.1992, 22:24 Uhr bis zum 28.02.1992, 06.26 Uhr und vom 28.02.1992, 23:38 Uhr bis zum 29.02.1992, 04:53 Uhr ausreichend. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass die gleichfalls in der 3. Stufe vorgesehene Sauerstoffmessung unterblieben ist. Mit dem nach der Dokumentation zur Verfügung stehenden Gerät Pari-Medanz war dies nämlich nicht möglich. Es nahm eine Messung der Atmung sowie ihrer Pausen vor und führte zu folgenden Ergebnissen:

Die Apnoe-Monitoring-Untersuchungen ergaben in der 1. Nacht 3 Apnoen/h, in der 2. Nacht 7,7 Apnoen/h und in der 3. Nacht 5 Apnoen/h, wobei die mittlere Apnoe-Dauer 23,6 sec und die längste 65 sec betrug. Ob aber die sogenannten Hypnoen (die Abflachung des Luftflusses über 50 %), die bei den seinerzeit verwendeten Geräten in der Regel neben dem Sistieren der Atmung gemessen worden sind, auch mit dem hier verwendeten Gerät festgestellt worden sind, konnte der Sachverständige nicht sagen. Im Übrigen spielten die Hypnoen in der Beurteilung 1992/93 noch keine ausschlaggebende Rolle. Vielmehr war es nach der Darstellung des Sachverständigen damals gängige Meinung, auf den Grenzwert der Apnoen von 10/h abzustellen, während heute dem Zahlenwert des Apnoe-/Hypnoe-Indizes weniger Bedeutung zukommt und durchaus auch Patienten mit hohem Leidensdruck und einer Schlaffragmentierung bei Apnoe-/Hypnoe-Indizes von weniger als 5/h therapiert werden.

Weitere Befundungen sind nach der 3. Stufe der Richtlinie nicht vorgesehen, weswegen die gleichwohl am Tage durchgeführte EEG-Polygraphie nach plausibler Sachverständigendarstellung auch weder 1992 noch heute einem gängigen Standard zur Diagnostik der Schlaf-Apnoe entsprach. Zudem hat diese Messung, bei der der Kläger sofort einen Schlaf mit einer regelmäßigen Atmung zeigte, schon deshalb keinen Aussagewert, weil in der vorangegangenen Nacht der Schlaf nicht gemessen worden ist.

Die Befundung nach der 4. Stufe der Richtlinien zur Diagnostik der Schlaf-Apnoe, die Polysomnographie, musste nicht vorgenommen werden. Zu dieser Beurteilung ist der Senat aufgrund der plausiblen Erläuterungen des Sachverständigen Prof. Dr. SV2 gelangt.

Die Richtlinien schreiben nicht in jedem Fall eine Fortsetzung der Befunderhebung vor, sondern nur dann, wenn auf Grund der durchgeführten vorangegangenen Stufe die Frage des Vorliegens einer Schlaf-Apnoe nicht zu beantworten ist.

Letztere Voraussetzung ist hier aber nicht erfüllt, weil bei dem Kläger nach Durchführung der 3.Stufe ein Schlaf-Apnoe-Syndrom - behandlungsfehlerfrei - ausgeschlossen werden konnte.

So lagen die polygraphisch ermittelten Apnoe-Indizes von 3/h, 7,7/h und 5/h sowie der sich errechnende Mittelwert von 5,3/h jeweils unter dem damaligen Grenzwert von 10 Apnoen/h.

Die Atempausen gingen zwar über die bei jedem Menschen im Schlaf üblichen, nur wenige Sekunden dauernden Pausen weit hinaus, doch ist ihre Dauer kritisch zu bewerten. Denn das verwendete Gerät neigte nach der Beschreibung des Sachverständigen eher dazu, die Atempausen höher anzugeben als sie tatsächlich waren. Zudem fand sich in der Einnahme von X eine Erklärung für die Atempausen. Die Einnahme dieses Schlafmittels konnte nämlich von derartigem Einfluss auf den Schlaf sein, dass dadurch Atempausen entstehen. Der Senat sieht keine Veranlassung, diese Erklärung des Sachverständigen anzuzweifeln. Es handelt sich um eine beschriebene Nebenwirkung des Medikaments. Auch der Kläger räumt schließlich ein, es sei bereits damals wissenschaftlich bekannt gewesen, dass bei der Prämedikation von Schlaf-Apnoe-Patienten mit Benzodiazepinderivaten (wozu das Medikament X zählt) akut schwere obstruktive Apnoen auftreten können.

Auch wies der Kläger die aus damaliger Sicht für das Krankheitsbild des Schlaf-Apnoe-Syndroms untypischen Symptome der Durchschlafstörungen sowie der Tagesmüdigkeit und nicht der Tagesschläfrigkeit auf. Mit dieser Beurteilung setzt sich der Sachverständige nicht in Widerspruch zu anderen und insbesondere eigenen jüngsten wissenschaftlichen Veröffentlichungen, wonach Patienten mit obstruktiver Schlaf-Apnoe u.a. Durchschlafstörungen und eine eingeschränkte Tagesleistungsfähigkeit mit Tagesmüdigkeit bzw. Tagesschläfrigkeit aufweisen können. Abzustellen ist nämlich auf die gängige Beurteilung in den Jahren 1992/93. Der Sachverständige hat zur Überzeugung des Senats deutlich gemacht, dass die seinerzeitige Auffassung eine andere war und die Diagnostik des Schlaf-Apnoe-Syndroms eine weitreichende Fortentwicklung erfahren hat.

Die bei dem Kläger festzustellenden Symptome, ein chronisches Schmerzsyndrom der HWS, eine Adipositas, eine Hypotonie und eine Belastungsinsuffizienz auf Grund beruflicher und privater Stress- und Belastungsfaktoren mit stimmungslabilen und depressiven Phasen, führten - wie der Sachverständige Prof. Dr. SV2 nachvollziehbar ausgeführt hat - zu der anderen Positivdiagnose eines psychovegetativen Erschöpfungszustandes. Unberücksichtigt bleiben konnte der Einfluss einer eventuellen Bronchitis auf das Durchschlafen, denn eine solche war nach den Untersuchungen des HNO-Konsiliarius der Beklagten zu 1) beim Kläger nicht festzustellen.

Die Diagnose fand auch ihre Bestätigung. Denn die im ... eingeleiteten psychotherapeutischen Maßnahmen einhergehend mit einer Gewichtsreduktion und einem Absetzen des Schlafmittels X führten zu einer Besserung der Symptome. Der Kläger konnte wieder ein- sowie durchschlafen und er hatte weniger Schmerzen. Der eingeschlagene Weg war damit nach einleuchtender Wertung des Sachverständigen objektiv erfolgversprechend. Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass sich acht Wochen nach Aufnahme der Praxistätigkeit die Symptome wieder verschlechterten. Die Schlafstörungen verstärkten sich auf Grund anhaltender beruflicher Belastungen (vergl. Aufnahmebefund vom 20.09.1993 des ...), indem der Kläger besonders nach Beendigung der Praxistätigkeit in einen depressiven Erschöpfungszustand fiel und Angst hatte, die Arbeit langfristig nicht schaffen zu können. Diese Verschlechterung ist nämlich mit den "ungefilterten" beruflichen und privaten Belastungen zu erklären. Abseits dieser Belastungen führte die zweite stationäre psychotherapeutische Behandlung wiederum zu einer Besserung, wenngleich sich auch diese nach Rückkehr in den Alltag nur als vorübergehend darstellte.

Den Beklagten ist auch nicht vorzuwerfen, dass sie es in der Folgezeit unterließen, den Ausschluss des Schlaf-Apnoe-Syndroms in Frage zu stellen.

Hierzu gab es insbesondere nach dem 1. Aufenthalt des Klägers im ... keine Veranlassung. Der Kläger stellte sich am 08.03. und 16.03.1992 erneut bei dem Beklagten zu 2) wegen der Problematik der Operationsindikation der HWS vor, ohne im Einzelnen schlafspezifische Beschwerden zu schildern.

Die Verlaufsnotiz der Beklagten zu 1) erwähnt keine Beschwerden des Klägers, die nach sachverständiger Sicht für das Schlaf-Apnoe-Syndrom richtungsweisend waren. Eine Kontrolluntersuchung war damit nicht angezeigt.

Da die psychotherapeutischen Maßnahmen abseits der Belastungen des Alltags bei dem zweiten stationären Aufenthalt des Klägers vom 20.09.- 29.11.1993 im ... ebenfalls wieder "griffen", bestand auch später objektiv keine Veranlassung zur Infragestellung des Ausschlusses des Schlaf-Apnoe-Syndroms. Eine Nachschau hätte im Übrigen bestätigt, dass die eingeleiteten Maßnahmen erfolgversprechend waren. Ohne dahingehende Äußerungen des Klägers zu einschlägiger Beschwerdesymptomatik war eine Kontrolluntersuchung im Hinblick auf ein Schlaf-Apnoe-Syndrom auch jetzt nicht angezeigt.

Schlafspezifische Beschwerden sind nämlich jedenfalls nicht mehr dokumentiert. Soweit der Kläger diese Auswertung seiner Patientenakte durch den Sachverständigen in Frage stellt, greifen seine Einwände nicht. Die Bemerkung des Beklagten zu 2) im Bericht vom 22.03.1993, " mit Wiederaufnahme der Praxistätigkeit stellten sich erneut Schlafstörungen ein", bezieht sich auf den Zeitraum vor dem zweiten Klinikaufenthalt (hier: Ende Februar/Anfang März 1993). Dies gilt auch für die Bemerkung im Klinikbericht vom 25.01.1994, "ein erholsamer Nachtschlaf war nicht mehr möglich...".

Der Kläger kann den Beklagten schließlich auch nicht vorwerfen, in ihrer Eigenschaft als Spezialklinik für Diagnostik weiterreichende Pflichten zur Befunderhebung zu haben. Auch eine für Diagnostik ausgewiesene Klinik hat nämlich nur die gebotenen Befunde zu erheben. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte zu 1) auf somnologischen Gebiet nicht federführend war.

War nach alledem zur Diagnostik keine weitere Befunderhebung geboten, so können mangels eines ärztlichen Fehlers alle weiteren Fragen unerörtert bleiben.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, weil sein Rechtsmittel ohne Erfolg bleibt (§§ 97,101 ZPO).

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar (§ 708 Nr. 10 ZPO). Die Abwendungsbefugnis folgt aus § 711 ZPO.

Die Voraussetzungen zur Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Entscheidung beruht auf einer Bewertung des Einzelfalles vor dem Hintergrund des Gesetzes und gefestigter Rechtsprechung.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens war insgesamt auf 360.000,- Euro festzusetzen:

Klageantrag zu 1. 100.000,-€

Klageantrag zu 2. 120.000,-€

Klageantrag zu 3. 100.000,-€

Klageantrag zu 4. 40.000,-€.

Ende der Entscheidung

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