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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 28.04.2006
Aktenzeichen: 8 U 243/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Parteien streiten um Wirkung und Reichweite eines notariell beurkundeten Vertrags vom 16.10.1991 zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten einerseits und dem Kläger und seiner Schwester andererseits (UR Nr. .../91, Bl. 9 ff d.A.). Dieser Vertrag nimmt Bezug auf einen Kaufvertrag zwischen der Treuhandanstalt und der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 5.9.1991 (UR Nr. .../91). In § 1 verpflichten sich der Kläger und seine Schwester, der Durchführung des Kaufvertrags nicht entgegenzuwirken. In § 2 verpflichtet sich die Beklagte, den Differenzbetrag zwischen dem an die Treuhandanstalt gezahlten Kaufpreis und 145 DM/qm bezogen auf eine Grundstücksfläche von 22.240 qm an den Kläger und dessen Schwester zu zahlen "unter denselben Voraussetzungen, unter denen der Kaufpreis gegenüber der Treuhandanstalt fällig wird". Hintergrund dieser Ausgleichsvereinbarung ist, dass an der Grundstücksfläche Ansprüche des Klägers und seiner Schwester bestanden, zurückgehend auf einen Flächentausch im Rahmen eines Autobahnbaus im Dritten Reich.

Der Kaufvertrag zwischen der Treuhandanstalt und der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 5.9.1991 wurde nicht wirksam. Die Treuhandanstalt und die Rechtsvorgängerin der Beklagten vereinbarten angesichts dessen am 16.10.1992 (UR .../02, Bl. 29 ff d.A.) Abänderungen und Ergänzungen des Vertrags vom 5.9.1991, wobei hier nur eine Teilfläche von 17.607 qm Vertragsgegenstand wurde. Der Kaufpreis wurde auf 135 DM/qm festgelegt. Am 10.3.1993 schlossen die Treuhandanstalt und die Rechtsvorgängerin der Beklagten einen weiteren notariellen Kaufvertrag über eine Teilfläche von 4.663 qm (UR Nr. .../93, Bl. 255 ff d.A.). Der Kaufpreis hierfür wurde auf 80 DM/qm festgelegt und sollte sich auf 135 DM/qm erhöhen, wenn es gelingt, für diese Teilfläche Baurecht zu schaffen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei im Hinblick auf beide Teilflächen verpflichtet, ihm einen Ausgleich von 5 DM/qm zu leisten, nämlich die Hälfte der Differenz zwischen dem vereinbarten Kaufpreis von 135 DM/qm und der am 16.10.1991 vereinbarten Bezugsgröße von 145 DM/qm. Der sich daraus ergebende Hauptforderung sei mit mindestens 8 % zu verzinsen. Dies folge daraus, dass der Vertrag vom 16.10.1991 auf die Voraussetzungen verweist, unter denen der Kaufpreis gegenüber der Treuhandanstalt fällig wird. Zinsbeginn sei der 7.9.1995, weil die Beklagte zu diesem Zeitpunkt den Kaufpreis gezahlt habe.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 56.932,35 € nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz, mindestens aber in Höhe von 8 % hieraus seit dem 7.9.1995 zu zahlen.

Die Beklagte hat in erster Instanz einen Betrag von 45.011,58 € (errechnet aus je 5 DM für 17.607 qm) anerkannt, verzinslich seit dem 7.9.2002, und im übrigen beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Ausgleichsvereinbarung vom 16.10.1991 erfasse nicht eine weitere Teilfläche von 4.663 qm, aus der sich der streitig gebliebene Teil des klägerischen Ausgleichsanspruch errechnet, und hat dies in erster Instanz näher ausgeführt. Die Fälligkeitsvoraussetzungen seien erst am 6.9.2002 eingetreten.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird ergänzend auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat der Klage im vollen Umfang stattgegeben. Soweit die Beklagte die Klageforderung anerkannt hat, nämlich im Hinblick auf eine Hauptforderung in Höhe von 45.0011,58 €, verzinslich in zuerkannter Höhe seit dem 7.9.2002, erfolgte dies durch Teilanerkenntnisurteil. Für weitere 11.920,77 € (errechnet aus je 5 DM für 4.663 qm) und im Hinblick auf die Zinsforderung (auf den Gesamtbetrag) schon ab 7.9.1995 hat das Landgericht die Beklagte durch streitiges Urteil verurteilt.

Das Landgericht geht davon aus, dass die Vereinbarung über eine Ausgleichszahlung vom 16.10.1991 (UR Nr. .../91) auch die Teilfläche von 4.663 qm erfasst, die Gegenstand des Kaufvertrags vom 10.3.1993 (UR Nr. .../93) war. Das Landgericht schließt dies vor allem aus dem Zusammenhang der jeweiligen Vereinbarungen. Daraus folge, dass sich die Vereinbarung über die Ausgleichszahlung auf diejenigen Kaufverträge erstrecke, die in Abänderung oder Ergänzung des nicht wirksam gewordenen Vertrags vom 6.9.1991 (UR Nr. .../91) später abgeschlossen wurden und sich auf diejenigen Grundflächen beziehen, die Gegenstand des ursprünglichen Kaufvertrags vom 6.9.1991 und der sich darauf beziehenden Ausgleichsvereinbarung vom 16.10.1991 waren. Darunter falle auch die im Streit stehende Teilfläche von 4.663 qm (Vertrag vom 10.3.1003). Der Zinsanspruch folge aus der Vereinbarung über die Ausgleichszahlung vom 16.10.1991 und der Zinsbeginn daraus, dass die Beklagte ihre Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Treuhandanstalt unstreitig zum 7.9.1995 erfüllt habe.

Die Berufung der Beklagten wendet sich gegen das Urteil, soweit es nicht auf dem Anerkenntnis beruht.

Die Berufung bringt vor, das Landgericht habe lediglich die im Vertrag vom 16.12.1992 (UR Nr. .../92) als von der Vereinbarung über die Ausgleichszahlung erfasst ansehen dürfen und legt diesen Standpunkt im Einzelnen dar. Ferner wird die Berufung darauf gestützt, dass der Vertrag über die weitere Teilfläche vom 10.3.1993 (UR Nr. .../93) nur für den Fall einen Kaufpreis von 135 DM/qm vorsieht, dass es dem Käufer gelinge, hierfür Baurecht zu schaffen (Bl. 222 d.A.). Diese Voraussetzung sei bis heute nicht eingetreten. Das habe die Beklagte in erster Instanz vorgetragen und dies sei unbestritten geblieben. Es seien auch keine 135 DM/qm gezahlt worden. Die Verzinslichkeit geschuldeter Ausgleichszahlungen setze nicht vor dem 7.9.2002 ein, was näher ausgeführt wird.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit sie 45.011,48 € in der Hauptforderung übersteigt und auf Zinsen vor dem 2.9.2002 gerichtet ist.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil sowohl zum Hauptanspruch als auch zu den Zinsen unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Auf einen richterlichen Hinweis in der Senatsverhandlung am 11.4.2006, dass und warum Bedenken gegen den Beginn der Verzinslichkeit bestünden, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung und in einem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 12.4.2006 (Bl. 324 ff d.A.) Stellung genommen.

II.

Die Berufung ist nur zum Teil begründet. Insoweit führt sie zu Abänderung des angefochtenen Urteils und zur teilweisen Klageabweisung.

Die Berufung ist unbegründet und zurückzuweisen, soweit sie sich gegen die 45.011,48 € übersteigende Verurteilung in der Hauptforderung wendet. Auch die insoweit streitigen 11.920,77 € stehen, wie das Landgericht richtig erkannt hat, dem Kläger zu.

Die Wertung des Landgerichts, dass die Vereinbarung über die Ausgleichszahlung vom 16.10.1991 (UR Nr. .../91) auch die Grundfläche von 4.663 qm (Vertrag vom 10.3.1993, UR Nr. .../93) erfasst, um die es insofern streitig noch geht, lässt keine Rechtsverletzung erkennen. Der Senat teilt die Auffassung, dass die Vereinbarung über die Ausgleichszahlung vom 16.10.1991 nicht nur die Fläche erfasst, die in dem Vertrag vom 16.12.1992 (UR Nr. .../02) mit 17.607 qm bezeichnet ist. Sie erfasst vielmehr auch die Fläche von 4.663 qm, die Gegenstand des Vertrags vom 10.3.1993 (UR Nr. .../93) ist. Die Verträge vom 16.12.1992 und vom 10.3.1993 sind insoweit an die Stelle des Vertrags vom 5.9.1991 getreten, der nicht wirksam geworden war. Der Senat teilt die vom Landgericht im angefochtenen Urteil näher dargelegten Gründe, warum solche Zusammenhänge bestehen und schließt sich der Schlussfolgerung des Landgerichts an. Dass vor diesem Hintergrund zwar der Vertrag vom 16.12.1992 von der Vereinbarung über die Ausgleichszahlung erfasst sein soll, der Vertrag vom 10.3.1993 aber nicht, ist auch angesichts der von der Berufung hierfür angeführten Gründe nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass und warum die schuldrechtliche Verpflichtung der Beklagten gegenüber dem Kläger (und seiner Schwester) davon beeinträchtigt sein soll, dass angesichts der Unwirksamkeit des Vertrags vom 5.9.1991 der Verkauf der Flächen, an denen der Kläger und seine Schwester berechtigt waren, nicht in einem, sondern in zwei neuen wirksamen Verträgen geregelt wurde.

Ob die Fläche von 4.663 qm wie im Vertrag vom 10.3.1993 (UR Nr .../93) vereinbart für einen Kaufpreis von 135 DM/qm oder lediglich - mangels Baurechts - für einen geringeren Betrag (80 DM/qm) veräußert wurde, ist für die Entscheidung ohne Belang. Allenfalls wäre daran zu denken, dass sich ein Ausgleichsanspruch des Klägers entsprechend erhöhen könnte, wenn weniger als 135 DM/qm gezahlt worden wären. Der Kläger selbst verlangt aber lediglich einen Ausgleich auf der Grundlage von 135 DM/qm. Damit ist es auch ohne Bedeutung, ob Baurecht geschaffen werden konnte oder nicht.

Die Berufung ist begründet, soweit sie sich dagegen wendet, dass die zuerkannte Hauptforderung ab 7.9.1995 zu verzinsen sei.

Die Verzinslichkeit in zwischen den Parteien nicht streitiger und mit der Berufung nicht angefochtener Höhe beginnt - von der Berufung insoweit ebenfalls nicht angegriffen - erst mit dem 7.9.2002. Die Voraussetzungen eines früheren Verzinsungsbeginns hat der Kläger weder dargetan noch sind sie sonst erkennbar.

Die Vereinbarung über die Ausgleichszahlung vom 16.10.1991 (UR Nr. .../91) enthält keine eigenständige Vereinbarung über Fälligkeiten oder Verzinsung, insbesondere nicht im Zusammenhang mit der Vereinbarung des Ausgleichsbetrags in § 2. Sie verweist auf die "Voraussetzungen", unter denen der Kaufpreis gegenüber der Treuhandanstalt fällig wird. Damit stand die klägerische Ausgleichsforderung ursprünglich in Abhängigkeit von weiteren Voraussetzungen im Vertrag vom 5.9.1991 (UR Nr. .../91) und ist, nachdem dieser nicht wirksam wurde, abhängig geworden von weiteren Voraussetzungen aus den nachfolgenden ergänzenden bzw. ersetzenden Verträgen vom 16.12.1992 (UR Nr. .../02) und vom 10.3.1993 (UR Nr. .../93).

Weil die Parteien sich auf diese Weise nach dem Wortlaut der Vereinbarung über die Ausgleichszahlung vom 16.10.1991 (UR Nr. .../91) über (weitere) "Voraussetzungen" des Anspruchs des Klägers geeinigt haben, ist ohne weiteres davon auszugehen, dass damit auch die Fälligkeit der klägerischen Ausgleichsforderung geregelt wurde. Nicht ohne weiteres erhellt, dass zugleich eine Regelung über die Folgen einer Fälligkeitsüberschreitung getroffen worden ist. Hätte dies zugleich geregelt sein sollen, so hätte es nahe gelegen, nicht nur "Voraussetzungen" einer Zahlung, sondern auch Folgen einer verspäteten Zahlung ausdrücklich in die Vereinbarung über die Ausgleichszahlung aufzunehmen. Eben deswegen und in Anbetracht des Umstands, dass auch im Verlaufe des Rechtsstreits beide Parteien davon ausgingen, dass sie eine Einigung auch über die Folgen eines verspäteten Zahlung getroffen haben, sieht der Senat mit Blick auf § 157 BGB im Wege der ergänzenden Auslegung eine solche Regelung aber als getroffen an.

Der Kläger hat indes nicht hinreichend dargelegt, wann die Fälligkeitsvoraussetzungen der Forderungen aus den Verträgen vom 16.12.1992 (UR Nr. .../92) und vom 10.3.1993 (UR Nr. .../93) tatsächlich eingetreten waren. Wechselseitiger Parteivortrag ist insoweit erfolgt, als - streitig - vorgebracht wurde, wann die Kaufpreise gezahlt worden seien. Der Senat verkennt nicht, dass der Zeitpunkt der Zahlung der Kaufpreise ein Indiz dafür sein kann, dass dann auch die Fälligkeitsvorraussetzungen vorlagen. Zwingend ist ein solcher Schluss indes nicht, zumal der Kläger im Hinblick auf den Zahlungszeitpunkt zumindest unklar vorgetragen hat. Er selbst hat im Schriftsatz vom 24.2.2006 (Bl. 247 ff, dort S. 6) vorgebracht, dass der "konkretisierte Kaufpreis" am 22.1.2002 gezahlt worden sei, was mit seinem bisherigen Vortrag, es sei 1995 gezahlt worden, nicht zu vereinbaren ist.

Bei dieser Sachlage oblag es dem Kläger, als für ihn günstige Tatsachen konkrete Umstände vorzutragen, aus denen folgt, dass die Fälligkeitsvoraussetzungen der Kaufpreisforderungen aus den Verträgen vom 16.12.1992 (UR Nr. .../92) und vom 10.3.1993 (UR Nr. .../05) zu einem bestimmten Zeitpunkt vor dem 7.9.2002 vorlagen. Solcher Vortrag ist auch auf entsprechenden Hinweis des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 11.4.2006 nicht erfolgt. Der Kläger hatte Gelegenheit, in der mündlichen Verhandlung zu den Bedenken des Senats Stellung zu nehmen und hat dies getan. Einen Antrag auf Einräumung eine Frist zur schriftlichen Äußerung hat er nicht gestellt. Weder seine mündliche Stellungnahme noch die Äußerungen in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 12.4.2006 - ihre prozessuale Beachtlichkeit unterstellt - führen zu einer anderen Sicht. Insbesondere ist es nicht erheblich, worauf sich die Kaufvertragsparteien am 13.11.2001 (UR Nr. .../01, Bl. 293 ff) geeinigt haben. Auch soweit der dort vereinbarte Kaufpreis eine Aufzinsung enthält (III. 1.), folgen daraus keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Fälligkeit der klägerischen Forderung im Jahre 1995. Dass der beurkundende Notar der Beklagten mitgeteilt habe, "dass Fälligkeit am 7.9.1995 eingetreten" sei (Schriftsatz des Klägervertreters vom 12.4.2006) führt insoweit nicht weiter und kann entsprechenden konkreten Tatsachenvortrag nicht ersetzen.

Bei der Kostenentscheidung ist zu beachten, dass § 92 Abs. 1 ZPO auch dann Anwendung findet, wenn wegen Nebenforderungen ein Teilunterliegen vorliegt, selbst wenn dies bei der Streitwertberechnung (§ 4 Abs. 1 ZPO, 43 Abs. 2 GKG) keine Berücksichtigung findet (vgl. Zöller/Herget, Zivilprozessordnung, 25. Auflage 2005, § 92 Rdnr. 11). Dies führt dazu, dass die aus dem Tenor ersichtliche Quotelung nach dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens im Hinblick auf die Zinsforderung des Klägers vorzunehmen ist.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar (§ 708 Nr. 10 ZPO). Die Schuldnerschutzanordnungen folgen als § 711 ZPO.

Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor. Die Entscheidung beruht auf der Wertung der Einzelfallumstände. Sie hat keine grundsätzliche Bedeutung, Divergenzgefahr besteht nicht.

Ende der Entscheidung

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