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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 18.08.2009
Aktenzeichen: 8 U 68/09
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 917
Der Arrestgrund der Auslandsvollstreckung enthält eine unwiderlegbare gesetzliche Vermutung, dass die Durchsetzung eines Anspruchs gefährdet ist, wenn seine Vollstreckung in einem Staat erfolgen muss, mit dem die Gegenseitigkeit bei der Zwangsvollstreckung nicht verbürgt ist. Die Regelung gilt ausnahmslos, wenn kein nennenswertes Inlandsvermögen vorhanden ist. Sie gilt auch dann, wenn zwar im Zeitpunkt des Arrestverfahrens noch Vermögen vorhanden ist, aber zu befürchten ist, dass dieses bis zum Abschluss des Hauptverfahrens ins Ausland verbracht wird.
Gründe:

I.

Der Arrestkläger begehrt einen dinglichen Arrest zur Sicherung von Forderungen aus teilweise endfälligen und teilweise gekündigten Inhaberschuldverschreibungen. Er hat behauptet, Inhaber von Teilschuldverschreibungen der Arrestbeklagten nebst Zinscoupons im Gesamtwert von 586.631,07 € zu sein. Da ein etwaiges Hauptsacheurteil im Ausland zu vollstrecken wäre und die Gegenseitigkeit mit Argentinien nicht verbürgt sei, liege ein Arrestgrund vor (§ 917 Abs. 2 ZPO). Da die Notstandsgesetzgebung in Argentinien fort gelte, müsse auch davon ausgegangen werden, dass besondere Schwierigkeiten bei einer dortigen Vollstreckung aufträten (§ 917 Abs. 1 ZPO). Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gem. § 540 Abs. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main verwiesen (Bl. 28 - 32 d. A.).

Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass des dinglichen Arrests zurückgewiesen. Der Arrestkläger habe zwar glaubhaft gemacht, dass die Gegenseitigkeit der Zwangsvollstreckung mit Argentinien nicht verbürgt sei. Das allein reiche aber nicht aus, weil die Arrestvorschriften wegen ihres Sicherungszwecks nur dann anwendbar seien, wenn eine zusätzliche Eilbedürftigkeit im Zusammenhang mit der Durchsetzbarkeit der Forderung vorliege. Das ergebe sich auch aus der Entstehungsgeschichte der Normen, wo man die sog. "Auslandsvollstreckung" (damals noch bezogen auf die einzelnen Länder des Deutschen Reichs) nicht dergestalt habe privilegieren müssen, dass die mit § 917 Abs. 1 ZPO bekämpfte Gefahr der Vollstreckungsvereitelung gänzlich entfallen sei. Angesichts der gerichtsbekannten Vermögenssituation der Arrestbeklagten könne nicht von einer drohenden Erschwerung oder Verschlechterung der Vollstreckungssituation des Klägers ausgegangen werden. Es sei nicht ersichtlich, dass dem Arrestkläger in dem Zeitraum zwischen seinem Arrestantrag und einem möglichen Hauptsachetitel Vollstreckungsmöglichkeiten verloren gehen könnten.

Der Arrestkläger hat gegen das Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Er wirft dem Landgericht Rechtsfehler bei der Auslegung des § 917 Abs. 2 ZPO vor. Diese Vorschrift beinhalte einen privilegierten Arrestgrund, der allein auf die mit der Auslandsvollstreckung verbundenen Erschwernisse abstelle. Das Landgericht habe nicht unterstellen dürfen, dass die Vermögenssituation der Arrestbeklagten so schlecht sei, wie von ihr vorgetragen und vor allem, dass sie sich in näherer Zukunft nicht verändern werde. Das Landgericht habe von ihm auch nicht verlangen dürfen, dass er Auskunft über konkrete Vollstreckungsmöglichkeiten in Deutschland gebe.

Der Arrestkläger beantragt, unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils,

wegen einer Forderung des Arrestklägers aus Inhaberteilschuldverschreibungen der von der Arrestbeklagten herausgegebenen Anleihenserien mit den Wertpapierkennnummern (WKN) ..., ..., ..., ... und ... samt jeweils fälliger Zinscoupons aus diesen Inhaberschuldverschreibungen in Höhe von 586.631,07 € den dinglichen Arrest in das gesamte Vermögen der Arrestbeklagten anzuordnen.

Die Arrestbeklagte beantragt,

die Berufung des Arrestklägers zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil, weil das Landgericht i. E. mit Recht die fehlende Eilbedürftigkeit angenommen habe. Der Arrestgrund des § 917 Abs. 2 ZPO liege nicht vor, denn die zivilprozessualen Vorschriften Argentiniens würden die Gegenseitigkeit bei der Zwangsvollstreckung deutscher Urteile verbürgen. Die Arrestbeklagte habe keine Vermögenswerte außer Landes gebracht. Sämtliche hier vorhandenen und nicht der Immunität unterliegenden Vermögensgegenstände seien gepfändet worden. Im Übrigen bestreitet sie nach wie vor die Aktivlegitimation und wendet ein, dass die Papiere nicht fristgerecht vorgelegt worden seien und dass die Forderungen verjährt seien.

II.

Die Berufung des Arrestklägers ist unbegründet, denn er hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihm ein Arrestanspruch zusteht. Dazu im Einzelnen:

1. Die Berechtigung, Ansprüche aus Inhaberschuldverschreibungen geltend zu machen, steht dem Inhaber der Wertpapiere zu (§ 793 BGB). Die Inhaberschaft ist im Arrestverfahren glaubhaft zu machen (§§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Dafür reicht es aus, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Inhaberschaft des Anspruchstellers spricht; der Vollbeweis muss nicht geführt werden (vgl. BGH VersR 1976, 928; Stein/Jonas - Leipold, ZPO, 22. Aufl., Rn 7 zu § 294 ZPO m. w. N.).

Der Arrestkläger hat vorgetragen, die streitgegenständlichen, in effektiven Stücken verbrieften Schuldverschreibungen würden teilweise im Depot seiner Bank, teilweise von ihm selbst verwahrt; außerdem sei er Inhaber eines Miteigentumsanteils an einer global verbrieften Anleihe. Dazu hat er mit der Antragsschrift eine Depotbestätigung vom 3. 2. 2009 der ...bank AG (Anlage K 1) sowie Ablichtungen von Inhaber-Teilschuldverschreibungen vorgelegt (Anlage K 2).

Es kann offen bleiben, ob diese Unterlagen bei Einleitung des Eilverfahrens zur Glaubhaftmachung des Arrestanspruchs ausreichend waren. Mit Rücksicht auf den Zeitablauf bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat reichen sie jedenfalls nicht aus.

Da es sich bei den von der Arrestbeklagten begebenen Inhaberschuldverschreibungen um frei handelbare Wertpapiere handelt, verlangt der Senat - ebenso wie das Landgericht - von einem Anspruchsteller, dass er zum Nachweis seiner Anspruchsberechtigung entweder einen bei Schluss der mündlichen Verhandlung zeitnahen Depotauszug oder dass er die Wertpapiere im Original vorlegt (§ 420 ZPO). Dies ist dem Prozessbevollmächtigten des Arrestklägers aus vorangegangenen Parallelverfahren (vgl. u. a. die Urteile vom 28. 11. 2008 - 8 U 243/07 und vom 31. 3. 2009 - 8 U 277/08) auch bekannt.

Beides ist hier nicht geschehen. Der Depotauszug vom 3. 2. 2009 kann nicht als "zeitnah" zur mündlichen Verhandlung vom 10. 7. 2009 angesehen werden. Der Prozessbevollmächtigte des Arrestklägers hat im Senatstermin angegeben, ihm lägen weder ein neuerer Depotauszug noch die Originale der Inhaberschuldverschreibungen vor. Auch aus dem Inhalt der Verfahrensakte ergeben sich keine weiteren Erkenntnisse für die Aktivlegitimation, denn dem Protokoll der erstinstanzlichen Verhandlung lässt sich nicht entnehmen, dass der Arrestkläger dort die Originale der als Anlage K 2 vorgelegten Kopien von Wertpapieren vorgelegt hätte. Der Senat sieht sich nicht in der Lage, aus den bislang vorgelegten Unterlagen ausreichende Rückschlüsse auf die jetzige Anspruchsberechtigung des Arrestklägers zu ziehen. Das gilt selbst dann, wenn man zu seinen Gunsten annimmt, dass er zu Beginn des Verfahrens seine Inhaberschaft glaubhaft gemacht hat, wenn man seine vorgerichtlichen Aktivitäten heranzieht (z. B. dokumentiert in den Anlagen K 3 und K 5, K8 und K 9) und wenn man berücksichtigt, dass er sich entschieden hat, die Durchsetzung seiner Ansprüche gerichtlich sichern zu wollen.

Nachdem die Arrestbeklagte in der Berufungserwiderung die Anspruchsberechtigung nochmals und hinreichend bestritten hatte (§ 138 Abs. 4 ZPO), hätte sich der Prozessbevollmächtigte des Arrestklägers darauf einstellen müssen, dass er aktuelle Beweismittel für die Glaubhaftmachung seines Arrestanspruchs beschaffen und vorlegen musste. Ein zusätzlicher Hinweis des Senats war nicht erforderlich. Im Übrigen ist der Prozessbevollmächtigte des Arrestklägers im Senatstermin auf die Bedenken zur Glaubhaftmachung des Arrestgrundes hingewiesen worden. Er hat sich darauf beschränkt, die verminderten Beweisanforderungen im Eilverfahren zu erwähnen, was unter den bereits dargelegten Umständen nicht ausreichend war.

2. Auch wenn es für die Entscheidung dieses Falls nicht darauf ankommt, weist der Senat darauf hin, dass er die Rechtsauffassung des Landgerichts zu § 917 Abs. 2 ZPO nicht teilt.

Der Arrestkläger hat glaubhaft gemacht, dass der Arrestgrund der Auslandsvollstreckung vorliegt (§ 917 Abs. 2 ZPO). Es ist unstreitig, dass die Arrestbeklagte in Deutschland nach wie vor nicht über nennenswertes pfändbares Vermögen verfügt, so dass eine Vollstreckung des Hauptsachetitels in Argentinien erforderlich werden wird. Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 29. April 2008 (8 U 149/07) im Einzelnen begründet, warum es glaubhaft ist, dass die Gegenseitigkeit der Vollstreckung in Argentinien nicht "verbürgt" ist. An der Sachlage hat sich in der Zwischenzeit nichts geändert.

Der Arrestgrund der Auslandsvollstreckung enthält eine unwiderlegbare gesetzliche Vermutung, dass die Durchsetzung eines Anspruchs gefährdet ist, wenn seine Vollstreckung in einem Staat erfolgen muss, mit dem die Gegenseitigkeit bei der Zwangsvollstreckung nicht verbürgt ist. Der Gesetzgeber folgert diese Gefährdung aus den mit der Auslandsvollstreckung in solchen Staaten verbundenen Schwierigkeiten, weswegen eine konkrete Gefährdung der Vollstreckung nicht glaubhaft gemacht werden muss (allg. Ansicht, vgl. Schuschke/Walker a. a. O., Rn 63 vor §§ 916 ff. ZPO; weitere Nachweise bei Berger: Einstweiliger Rechtsschutz im Zivilrecht, 2. Teil, Kap. 4, FN 82 in Rn 22).

Die Regelung gilt ausnahmslos, wenn - wie hier - kein nennenswertes Inlandsvermögen vorhanden ist (Schuschke/Walker a. a. O., Rn 6 zu § 917 ZPO). Sie gilt auch dann, wenn zwar im Zeitpunkt des Arrestverfahrens noch Vermögen vorhanden ist, aber zu befürchten ist, dass dieses bis zum Abschluss des Hauptverfahrens ins Ausland verbracht wird (vgl. KG - Report 2002, 356; Münchener Kommentar zur ZPO/Drescher, 3. Aufl, Rn 10 zu § 917 ZPO).

Die Auffassung des Landgerichts lässt sich auch nicht mit den gesetzgeberischen Motiven des Reichsgesetzgebers zu § 741 CPO rechtfertigen. Es mag sein, dass die Regelung in § 742 CPO in erster Linie zur Vereinheitlichung der Bestimmungen der Auslandsvollstreckung im Reich intendiert war und keine Privilegierung beinhalten sollte. Wenn das aber der einzige Grund gewesen wäre, so hätte diese Sonderregelung bei der Reform der Arrestvorschriften (zuletzt durch das Beweisaufnahmedurchführungsgesetz BGBl I, S. 2166, 2168) gänzlich gestrichen werden können. Die Materialien zur Novelle des § 917 Abs. 2 ZPO belegen jedoch, dass der Gesetzgeber hier ein Privileg schaffen wollte, weil er schon in der Auslandsvollstreckung eine Gefährdung der Anspruchsdurchsetzung sieht (BT-Drucksache 13/10871, S. 18; BT-Drucksache 15/1062, S. 8).

Da das Rechtsmittel des Arrestklägers erfolglos bleibt, hat er die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Das Urteil ist rechtskräftig, weil der Instanzenzug im Eilverfahren beim Berufungsgericht endet (§ 542 Abs. 2 S. 1 ZPO). Der Streitwert ist mit 1/3 der Hauptsacheforderung angesetzt worden (Zöller - Herget, ZPO, 26. Aufl., Rn 16 zu § 3 ZPO). Da bei der Hauptsacheklage die Zinsforderungen außer Betracht bleiben (§ 4 ZPO), ist dieser Bruchwert nur aus dem Nennwert der zu sichernden Schuldverschreibungen ermittelt worden.

Ende der Entscheidung

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