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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 21.02.2006
Aktenzeichen: 8 U 90/04
Rechtsgebiete: AO, BGB, StBerG


Vorschriften:

AO § 179
AO § 180
BGB pVV
StBerG § 68
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Mit der am 6.11.2002 eingereichten Klage nimmt die Klägerin den Beklagten als ihren früheren Steuerberater auf Schadensersatz wegen unzutreffender Beratung in Anspruch.

Der Beklagte beriet über viele Jahre hinweg sowohl die Klägerin als auch die Firma A-GmbH & Co ... mit Sitz in O1. An dieser Firma war die Klägerin sowohl am Kommanditanteil als auch am Stammkapital der Komplementärin beteiligt, desgleichen ihre Söhne, die Zeugen Z1 und Z2. Außerdem beriet der Beklagte die Erbengemeinschaft nach C, der ebenfalls die Klägerin und ihre Söhne angehörten.

Im Jahre 1995 entschloss sich die Klägerin, aus dem gemeinsamen Familienunternehmen auszuscheiden und ihre Beteiligungen an diesem sowie ihren Anteil an der Erbengemeinschaft an ihre Söhne zu veräußern. Es fanden langwierige Verhandlungen statt, in denen die Klägerin durch ihren derzeitigen Prozessbevollmächtigten vertreten wurde. Vertreter der Söhne der Klägerin war der Zeuge Z4 von der Wirtschaftsprüfungs- und Anwaltskanzlei D.

Durch notariellen Vertrag vom 20.6.1997 übertrug die Klägerin ihre Anteile an ihre Söhne.

Vor Abschluss des notariellen Übertragungsvertrages hatten u.a. auch Telefonate zwischen dem Beklagten und dem anwaltlichen Vertreter der Klägerin stattgefunden, deren Inhalt teilweise streitig ist. Es ging u.a. um die Frage, zu welchen Entnahmen vom ebenfalls mitveräußerten Gesellschaftskonto die Klägerin noch berechtigt sein sollte.

Nach § 5 Ziff. 2b des notariellen Vertrages sollte die Klägerin "Steuernachzahlungen für die Jahre 1995 und 1996 ohne Begrenzung auf die Höhe ihres Darlehenskontos, soweit sich diese aus betrieblichen und in ihrer Beteiligung an dem A-Unternehmen liegenden Gründen ergeben", zu entnehmen. Ende 1996 befanden sich auf dem beweglichen Darlehenskonto der Klägerin bei der Firma A noch 1.045.645,53 DM. Nach Entnahmen der Klägerin verblieb ein Restguthaben von 403.384,33 DM.

Am 6.11.1999 erhielt die Klägerin ein Schreiben des Beklagten vom 4.11.1999 (Bl.13,14 d.A.), wonach eine vom Finanzamt durchgeführte Außenprüfung für die Jahre 1991 bis 1994 zu einer Erhöhung ihrer Einkünfte aus Gewerbebetrieb und aus Vermietung und Verpachtung um insgesamt 559.412,-- DM geführt habe. Am 23.11.2000 erließ sodann das Finanzamt O2 Steuerbescheide für die Jahre 1993 und 1994 (Bl. 76 - 83 d.A.), in denen zu Lasten der Klägerin Mehrsteuern in Höhe von 27.005,68 DM und 252.488,62 DM festgesetzt wurden.

Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe in Gesprächen vor Abschluss des notariellen Vertrages Steuernachforderungen für die Jahre 1992 bis 1994 ausgeschlossen, jedenfalls, soweit sie den Betrag von 30.000,-- DM überstiegen. Hätte der Beklagte die Frage nach eventuellen Steuernachzahlungsverpflichtungen für die Zeit vor 1995 dahingehend beantwortet, dass mit solchen zu rechnen sei, so wäre § 5 Ziff. 2 b des Kaufvertrages so gefasst worden, dass die Klägerin berechtigt gewesen wäre, eventuelle Steuernachzahlungen für den gesamten Zeitraum von 1991 bis 1996 mit Hilfe ihres Gesellschafterguthabens zu tilgen. Der damalige Stand der Vertragsverhandlungen zwischen der Klägerin und ihren Söhnen hätte es zugelassen, die Entnahmeregelung des § 5 Ziff. 2 auf die Zeit bis 1991 zurück auszudehnen.

Die Klägerin hatte ursprünglich beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 173.139,95 € zu verurteilen, die Klage aber dann mit Rücksicht auf die Auskunft des Finanzsamts O2, wonach von den in den Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 1993 und 1994 ausgewiesenen Mehrsteuern auf die Beteiligung der Klägerin an der Firma A 121.902,72 € entfallen, in entsprechendem Umfang zurückgenommen. Abgesetzt von diesem Betrag hat die Klägerin die 30.000,-- DM, die der Beklagte als höchstens zu erwartende Nachforderung für diesen Zeitraum genannt hatte, so dass sich die Klageforderung schließlich auf 106.563,96 € belief.

Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben und behauptet, er habe der Klägerin unter Übersendung der Betriebsprüfungsfragen vom 15.9.1999 am 27.9.1999 mitgeteilt, dass mit einer Steuernachforderung von mehr als 300.000,-- DM zu rechnen sei, so dass die dreijährige Verjährungsfrist bei Klageerhebung abgelaufen gewesen sei.

Im übrigen hat er behauptet, er habe im Rahmen seiner Auskunftserteilung darauf verwiesen, die von ihm genannten Beträge bezögen sich auf den ihm bekannten Stand der Betriebsprüfung. Er habe der Klägerin den Rat gegeben, alle eventuellen Steuernachzahlungen im Kaufvertrag mit aufzunehmen. Die Klägerin habe diesem Vorschlag jedoch nicht entsprochen, zumal sie mit ihren Söhnen zerstritten gewesen sei.

Gemäß Beweisbeschlüssen vom 31.3. und 14.7.2003 (Bl. 114f, 163f) hat das Landgericht Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Z5 und Z4 sowie der Klägerin als Partei und durch Einholung einer amtlichen Auskunft des Finanzamts O2. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 10.6.2003 (Bl. 135 - 144 d.A.) und die Auskunft vom 10.10.2003 (Bl. 189 d.A.) Bezug genommen.

Durch Urteil vom 29.3.2004 hat das Landgericht den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Beklagte seine Beratungspflicht als Steuerberater verletzt habe, indem er dem anwaltlichen Vertreter der Klägerin vor Abschluss des notariellen Vertrages telefonisch mitgeteilt habe, dass die Klägerin für die Jahre vor 1995 nicht mit Steuernachzahlungen zu rechnen habe bzw. - wenn überhaupt - höchstens mit 20.000,-- bis 30.000,-- DM. Aufgrund dieser Pflichtverletzungen habe die Klägerin einen Schaden in mindestens der zuerkannten Höhe erlitten, der kausal auf die Pflichtverletzung des Beklagten zurückzuführen sei. Bei ordnungsgemäßer Auskunft wäre § 5 Ziff. 2 b des Kaufvertrages so gefasst worden, dass die Klägerin berechtigt gewesen wäre, eventuelle Steuernachzahlungen für den gesamten Zeitraum 1991 bis 1996 mit Hilfe ihres Gesellschafterguthabens zu tilgen. Verjährung sei nicht eingetreten, da der Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist erst mit Erlass der Steuerbescheide am 23.11.2000 begonnen habe.

Gegen das ihm am 31.3.2004 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 26.4.2004 Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 1.7.2004 begründet.

Er ist der Auffassung, dass ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Klägerin verjährt sei. Unstreitig seien bereits am 18.3.1998 die die Firma A-GmbH & Co. betreffenden geänderten Gewinnfeststellungsbescheide ergangen und an die Kanzlei D, übersandt worden, welche seit 1996 die steuerliche Beratung der A-Gruppe innegehabt habe. Diese Gewinnfeststellungsbescheide, die auch der Klägerin - und zwar erneut im Jahre 1999 - mitgeteilt worden seien, seien als bindende Grundlagenbescheide für die Einkommensteuerveranlagung der Klägerin zu qualifizieren. Mit ihrem Erlass stehe beim Mandanten fest, dass die Folgeveranlagung zu einer schädigenden Steuermehrbelastung führen werde.

Entgegen den Ausführungen des Landgerichts sei dem Beklagten auch keine Pflichtverletzung zur Last zu legen. Allen Beteiligten und damit auch der Klägerin sei klar gewesen, dass die im Jahre 1996 eingeleitete Betriebsprüfung für die Jahre ab 1991 noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Die Klägerin habe angesichts des Familienstreits mit ihren Söhnen so schnell wie möglich aus der Firma ausscheiden und nicht riskieren wollen, dass die Vertragsverhandlungen scheitern. Aus diesem Grund habe sie sich auf die nun beanstandete Regelung eingelassen. Der Beklagte habe weder gegenüber der Klägerin noch gegenüber deren Prozessbevollmächtigten erklärt, dass lediglich mit einer Gesamtnachzahlung von maximal 30.000,-- € zu rechnen sei. Die Tatsachenfeststellung des Landgerichts sei fehlerhaft. Da es sich bei dem maßgeblichen Gespräch zwischen dem Beklagten und dem Vertreter der Klägerin um ein Vieraugengespräch gehandelt habe, hätte das Landgericht aus Gründen der Chancengleichheit den Beklagten als Partei vernehmen bzw. ihn anhören müssen.

Die Klägerin habe auch ihren Schaden nicht hinreichend dargelegt. Sie sei dafür darlegungs- und beweispflichtig, dass auch bei Einbeziehung der Veranlagungszeiträume 1991 bis 1994 der gleiche Kaufpreis erzielt worden wäre. Sie hätte die tatsächliche Gesamtvermögenslage derjenigen gegenüber stellen müssen, die sich ohne die geltend gemachte Pflichtverletzung ergeben hätte. Unter Einbeziehung eines Entnahmerechts für sämtliche Jahre ab 1991 hätte die Klägerin nur einen wesentlich geringeren Kaufpreis erzielt.

Auch bestehe der geltend gemachte Zinsanspruch nicht, da das behauptete Schuldverhältnis vor dem 1.5.2000 begründet worden sei.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils

die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und tritt der Behauptung entgegen, dass die Tatsachenfeststellung des Landgerichts unzureichend sei. Das Gericht habe insbesondere dem Beklagten hinreichend Gelegenheit gegeben, sich zur Sache zu äußern. Davon habe er auch Gebrauch gemacht. Die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung hätten nicht vorgelegen. Die Klägerin habe nicht mit Steuernachzahlungen für die Zeit vor 1995 rechnen müssen. Wäre dies der Fall gewesen, so wäre die vertragliche Regelung entsprechend geändert worden. Ihre Söhne hätten allergrößtes Interesse daran gehabt, die Gesellschaftsanteile ihrer Mutter zu erwerben, so dass das Geschäft mit Sicherheit nicht an einer ihre Interessen nur relativ gering berührenden Ausweitung des Entnahmerechts gescheitert wäre.

Ihr Schadensersatzanspruch sei auch nicht verjährt. Vor dem Schreiben des Beklagten vom 4.11.1999 habe sie keine Kenntnis von Gewinnfeststellungsbescheiden gehabt. Welche steuerliche Auswirkung die geänderten Gewinnfeststellungsbescheide der A-GmbH für die Klägerin persönlich haben konnten, hätte die Klägerin auch dann, wenn sie die Bescheide schon früher erhalten oder von ihnen erfahren hätte, nicht abschließend zu beurteilen vermocht. Endgültige Gewissheit über ihre Steuernachzahlungsverpflichtung für den Zeitraum vor 1995 und deren Höhe habe die Klägerin erst durch die ihr zugegangene Mahnung des Finanzamts O2 erlangt. Die Zustellung der Steuerbescheide an die Kanzlei D habe für die Klägerin keine Wirkung entfalten können, da es an der entsprechenden Bevollmächtigung gefehlt habe und sie - unstreitig - bereits seit dem 26.6.1997 nicht mehr im Unternehmen tätig gewesen sei. Die Bestimmung des § 183 AO gelte ausschließlich für steuerrechtliche Forderungen zwischen den Finanzbehörden und dem Steuerschuldner, nicht aber für zivilrechtliche Schadensersatzansprüche des Mandanten gegenüber dem Steuerberater. Im übrigen habe das Finanzamt vom beurkundenden Notar eine Fotokopie des Kaufvertrages vom 20.6.1997 erhalten und damit konkludent die Mitteilung, dass die Kanzlei D nicht mehr von der Klägerin bevollmächtigt war.

Im übrigen sei der Beklagte verpflichtet gewesen, die Klägerin umgehend auf die geänderten Feststellungsbescheide sowie auf die dreijährige Verjährungsfrist für ihm gegenüber eventuell bestehende Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Beratung hinzuweisen. Die Mandatierung ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten habe mit Abschluss des Kaufvertrages vom 20.6.1997 zunächst geendet und sei erst im November 1999 erneut erfolgt.

Ihr sei auch ein Schaden entstanden. Wären vom Entnahmerecht in § 5 Ziff. 2 b des Vertrages auch Steuernachzahlungen für die Zeit ab 1991 erfasst gewesen, hätte sie ihre nachträglich festgestellten Steuerschulden aus ihrem Guthaben auf dem Gesellschafterdarlehenskonto begleichen können. Das erstinstanzliche Beweisergebnis mache hinreichend deutlich, dass eine zeitliche Ausdehnung des Entnahmerechts auf den Vertrag im übrigen keinen Einfluss gehabt habe.

Gemäß Beweisbeschluss vom 19.7.2005 (Bl. 393 f d.A.) ist Beweis erhoben worden durch Vernehmung der Zeugen Z1 und Z3. Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 29.11.2005 (Bl. 457 - 459 d.A.), wegen der persönlichen Anhörung des Beklagten auf die Sitzungsniederschrift vom 26.4.2005 (Bl. 340 f d.A.) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache Erfolg.

Etwaige Schadensersatzansprüche der Klägerin aus positiver Forderungsverletzung des Steuerberatervertrages sind gemäß § 68 StBerG bereits im Jahre 2001, also vor Klageerhebung, verjährt.

Die dreijährige Verjährungsfrist begann mit der Bekanntgabe der Gewinnfeststellungsbescheide vom 18.3.1998 an die Kanzlei D zu laufen. Nicht die Einkommensteuerbescheide vom 23.11.2000, sondern die Gewinnfeststellungsbescheide sind insoweit maßgeblich, wobei Bestandskraft oder Unanfechtbarkeit für den Verjährungsbeginn nicht Voraussetzung ist (BGHZ 119,69).

Die Gewinnfeststellungsbescheide sind bindende Grundlagenbescheide für die Steuerveranlagung der Klägerin gewesen. Dies gilt insbesondere für die Einkommensteuerveranlagung der Klägerin betreffend ihre Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Da die geänderten Feststellungsbescheide die für den Eintritt eines eventuellen Schadens der Klägerin maßgebliche Grundlage enthielten - nämlich eine weitaus höhere als die erwartete Steuernachzahlung für die Jahre vor 1995, welche vertraglich nicht durch eine entsprechende Entnahmemöglichkeit abgesichert war -, bilden sie den zutreffenden Anknüpfungspunkt für den Beginn der Verjährung (BGH WM 93,167ff (1680)).

Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Kanzlei D nicht bevollmächtigt zu haben, mit Wirkung für sie Bescheide der Finanzbehörde entgegen zu nehmen. Ausschlaggebend ist nicht, ob die Klägerin persönlich mit dieser Kanzlei einen Steuerberatervertrag geschlossen hat. Die Klägerin war bis zu ihrem Ausscheiden aus der Firma A GmbH & Co ... Geschäftsführerin dieser Firma, die seit dem Jahre 1996 Zustellungsbevollmächtigte war. Nach Maßgabe des § 183 Abs.1 AO ist davon auszugehen, dass die Kanzlei D gemeinsame Empfangsbevollmächtigte für die Feststellungsbescheide war, welche Grundlage der steuerlichen Veranlagung mehrerer Beteiligter, darunter auch die Klägerin hinsichtlich ihrer Einkünfte aus Gewerbebetrieb, waren.

Selbst wenn der Finanzbehörde der notarielle Übertragungsvertrag vom 26.6.1997 am 14.7.1997 übermittelt worden ist, liegt darin kein konkludenter Widerruf der Empfangsbevollmächtigung der Kanzlei D für die Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb betreffende Bescheide. Nach § 183 Abs.3 AO können Feststellungsbescheide dem Empfangsbevollmächtigten gegenüber auch mit Wirkung für einen aus der Gesellschaft ausgeschiedenen Gesellschafter bekannt gegeben werden, solange dieser der Empfangsbevollmächtigung nicht widersprochen hat.

Soweit die Klägerin geltend macht, die Zugangsbestimmungen der Abgabenordnung fänden keine Anwendung, soweit es um zivilrechtliche Schadensersatzansprüche gehe, kann sie ebenfalls keinen Erfolg haben. Beginnt die Verjährungsfrist mit der Bekanntgabe des belastenden Bescheides, so ist nicht zwischen Zugang nach öffentlich-rechtlichen und zivilrechtlichen Bestimmungen zu unterscheiden. Die in § 183 AO geregelte Empfangsbevollmächtigung setzt nicht nur Fristen nach der Abgabenordnung in Lauf, sondern ist auch maßgebend für einen etwaigen Ersatzanspruch gegen den Steuerberater. Mit Bekanntgabe des Steuerbescheides ist die Vermögenslage des Mandanten schlechter geworden, weil er einer erhöhten Steuerforderung ausgesetzt ist. Nach der Behauptung der Klägerin hat der Beklagte sie vor Abschluss des notariellen Kaufvertrages vom 26.6.1997 dahingehend falsch beraten, dass für die Jahre vor 1995 allenfalls mit einer Steuernachforderung von 30.000,-- DM zu rechnen sei.

Da der Lauf der Verjährungsfrist mit Zustellung der Gewinnfeststellungsbescheide an die Kanzlei D zu laufen begann, kommt es nicht darauf an, wann die Klägerin erstmals Kenntnis von diesen Bescheiden erlangt hat.

Der Beklagte ist auch nicht gehindert, sich auf Verjährung des Primäranspruches zu berufen, weil er nicht verpflichtet war, die Klägerin auf die Möglichkeit seiner Regresshaftung hinzuweisen. Der Sekundäranspruch, wonach der Schädiger den Geschädigten so zu stellen hat, als wäre der Primäranspruch nicht verjährt, entsteht mit der Vollendung der Verjährung des Primäranspruches. Eine sekundäre Hinweispflicht des Beklagten ist vorliegend aber zu verneinen, weil die Klägerin rechtzeitig vor Ablauf des Verjährung des Primäranspruchs Ende 2001 seitens ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten anwaltlich beraten war, nämlich jedenfalls wieder seit November 1999. Nach der Rechtsprechung besteht eine Pflicht des Steuerberaters, den Mandanten auf die eigene Regresspflicht und deren Verjährung hinzuweisen, dann nicht mehr, wenn dieser vor Ablauf der Verjährung wegen der Haftungsfrage anwaltlich beraten wird oder auf anderem Wege von dem Schadensersatzanspruch und dessen Verjährung Kenntnis erhielt Dabei kommt es nicht auf die Frage an, ob der regresspflichtige Rechtsanwalt davon etwas weiß oder wissen muss (BGH NJW 2003, 822 ff (823f)).

Nach allem war das angefochtene Urteil auf die Berufung des Beklagten abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war gemäß § 543 Abs.2 ZPO im Hinblick auf den Beginn der Verjährungsfrist zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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