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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 22.12.2004
Aktenzeichen: 8 W 57/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 148
Zur Aussetzung eines Arrestverfahrens wegen vorgreiflichen Normenkontrollverfahrens.
Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist Inhaberin von Inhaberteilschuldverschreibungen der von der Antragsgegnerin herausgegebenen Anleihenserie mit der Wertpapierkennnummer (WKN) ... in Höhe von 153.387,58 € (=300.000,-- DM) nebst Zinskupons. Die Schuldverschreibungen sind mittlerweile endfällig. Die Antragsgegnerin hat - wie bei allen anderen Inhaberschuldverschreibungen - mit Hinweis auf den per Gesetz ausgerufenen Staatsnotstand im Dezember 2001 (sog. Default) jede Zahlung eingestellt. Unter Berufung auf den Arrestgrund des § 917 Abs. 2 ZPO hat die Antragstellerin zur Sicherung ihrer Forderung deshalb einen dinglichen Arrest in das gesamte Vermögen der Antragsgegnerin begehrt.

Mit Arrestbefehl vom 15. 6. 2004 hat das Landgericht dem Antrag stattgegeben (Blatt 51 d. A.). Die Antragstellerin erwirkte beim AG Bonn am 21. 6. 2004 eine Arrestsicherungshypothek über ein Grundstück der Antragsgegnerin in O1-O2.

Die Antragsgegnerin legte am 24. Juni 2004 Widerspruch gegen den Arrestbefehl ein und beantragte die Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung.

Durch den angefochtenen Beschluss vom 7. 7. 2004 hat das Landgericht die Zwangsvollstreckung antragsgemäß eingestellt und das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Verfahrens 8 U 52/03 vor dem OLG ausgesetzt (Blatt 97 d. A.). Es hat darauf verwiesen, dass die verfassungsrechtlichen (Vor-)Fragen auch prozessuale Grundlagen dieses Verfahrens tangierten und daher auch im Eilverfahren eine Aussetzung notwendig machten.

Die Antragsgegnerin hat gegen den Aussetzungsbeschluss form- und fristgerecht Beschwerde nach § 252 ZPO eingelegt. Sie ist der Auffassung, dass der Arrestbeschluss gar nicht hätte ergehen dürfen, weil kein Arrestgrund vorliege und weil schon im Erkenntnisverfahren wegen der vorgreiflichen verfassungsrechtlichen Fragen eine Aussetzung notwendig geworden wäre. Der angefochtene Beschluss versperre ihr die Möglichkeit, den Arrestbefehl anzufechten und aufheben zu lassen. Die Aussetzung des Arrestverfahrens nach Erlass sei willkürlich, weil sich die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen nicht geändert hätten und es damit - zu Lasten der Antragsgegnerin - dem Zufall überlassen bleibe, ob schon vollstreckt worden sei oder nicht.

Das Landgericht hat daraufhin in einem ausführlich begründeten Nichtabhilfebeschluss vom 2. 9. 2004 (Blatt 299/301 d. A.) seine Rechtsauffassung zum Erlass des Arrestbefehls begründet. Die Antragstellerin habe glaubhaft gemacht, dass die mangels Inlandsvermögen notwendige Auslandsvollstreckung in L1 aus diversen Gründen unsicher sei, weshalb ein Arrestgrund gem. § 917 Abs. 1 ZPO vorliege. Das Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht hindere den Erlass eines Arrestbefehls nicht, sondern könne erst im Vollstreckungsverfahren berücksichtigt werden. Eine Abwägung der gegenseitigen Interessen falle zugunsten des Sicherungsinteresses der Antragstellerin aus. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Beschlusses verwiesen.

Die Antragsgegnerin trägt demgegenüber vor, es habe von Anfang an weder ein Arrestgrund noch ein Arrestanspruch vorgelegen. L1 verbürge durch seine Anerkennungsregelungen in Artt. 520 ff. des Zivilprozessgesetzes (CPC) die ungehinderte Vollstreckung ausländischer Urteile innerhalb seiner Staatsgrenzen, so dass § 917 Abs. 2 ZPO nicht eingreife.

Eine Vollstreckungsvereitelung i. S. von § 917 Abs. 1 ZPO sei L1 nicht vorzuwerfen. Die Behauptung, man versuche in Deutschland sämtliche Vermögenswerte dem diplomatischen Schutz zu unterstellen, sei unzutreffend. Die Frage, ob das hier in Anspruch genommene Gelände in O1-O2 ein Botschaftsgebäude sei, müsse vor dem Bundesverfassungsgericht überprüft werden. Die Bildung eines Treuhandfonds in L1 zur Abwicklung der Umschuldung gefährde die Interessen der Anleger nicht. Man könne der Antragsgegnerin auch nicht vorwerfen, überhöhte Fremdwährungsreserven zu unterhalten und Finanzmittel auf die ... zu verschieben, um sie dem Zugriff der Schuldner zu entziehen.

Die Vermutung des Landgerichts, eine Vollstreckung innerhalb L1s sei wegen des Staatsnotstands oder infolge von rechtswidrigen Anweisungen hoher Staatsbeamter unsicher, beruhe auf einer Spekulation, die sich lediglich auf unbeachtliche Zeitungsartikel stütze. Das Landgericht widerspreche sich selbst, denn es habe in einer kurze Zeit später ergangenen Entscheidung (2 - 21 O 216/04 - B 61) genau das Gegenteil vertreten.

Die Antragstellerin verteidigt den Aussetzungsbeschluss. Sie ist der Auffassung, dass der Arrestbefehl mit Recht ergangen sei, weil ein Arrestgrund nach § 917 Abs. 1 und nach § 917 Abs. 2 ZPO vorliege. Dazu legt sie ein Schreiben der Deutschen ... O3 vor, in dem bezweifelt wird, ob eine Vollstreckung deutscher Entscheidungen in L1 erfolgversprechend wäre (Blatt 352/359). Im übrigen wiederholt die Antragstellerin ihren erstinstanzlichen Vortrag, in dem sie der Antragsgegnerin unlauteres Gebahren bei der Abwicklung der Anleihen vorwirft. Die Antragsgegnerin habe nach dem Default Ende 2001 neue Anleihen (sog. "...-Anleihen") ausgegeben, die ordnungsgemäß bedient worden seien. Das Land verzeichne einen beispiellosen Wirtschaftsaufschwung, weswegen der Staatsnotstand nur vorgeschoben sei, um zahlreiche Gläubiger zur eigenen "Gesundung" zu enteignen.

II.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist gem. § 252 ZPO zulässig. Danach können Entscheidungen, mit denen eine Verfahrensaussetzung angeordnet wird, durch die sofortige Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde gem. § 252 ZPO eröffnet nach einhelliger Ansicht in Rechtsprechung und Literatur nur die Nachprüfung auf Verfahrens- und Ermessensfehler des Erstgerichts (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 25. Aufl. Rn 3 zu § 252; Musielak-Stadler, ZPO, 4. Auflage, Rn 4 zu § 252 ZPO, jeweils m. w. N.). Das Beschwerdegericht darf deshalb nicht in die Beurteilung der Hauptsache eingreifen. Es muss auf Grundlage der materiell-rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts prüfen, ob die Aussetzung gerechtfertigt war oder ob ein formeller Fehler, ein Verfahrensfehler bzw. ein Ermessensfehlgebrauch vorliegt (OLG Düsseldorf OLG-Report 1998, 83; Münchener-Kommentar - Feiber, ZPO, 2. Auflage, Rn 26 zu § 252 ZPO).

a) Die Aussetzung des Verfahrens war gerechtfertigt. Dies wird von der Antragsgegnerin auch gar nicht angezweifelt. Sie beruft sich nämlich darauf, dass ihr die Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen wegen eines nach Artikel 25 Grundgesetz zu beachtenden völkerrechtlichen Staatsnotstands nicht möglich sei. Der Senat hat diese Fragen im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens gem. Artikel 25 Abs. 2 Grundgesetz dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Im Hinblick darauf war es angezeigt, das vorliegende Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach § 148 ZPO auszusetzen.

b) Es liegt auch kein Verfahrensfehler oder ein Ermessensfehlgebrauch des Landgerichts bei der Aussetzungsentscheidung vor. Sie ist auf der Grundlage der vom Senat nicht zu überprüfenden Rechtsauffassung des Landgerichts letztendlich nicht zu beanstanden. Dazu im einzelnen:

Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 24. 6. 2003 - 8 U 52/03 (=NJW 2003, 2688) die Auffassung vertreten, dass die von der Antragsgegnerin eingewandten völkerrechtlichen Grundsätze eine Sachurteilsvoraussetzung darstellen, so dass sie einer Entscheidung deutscher Zivilgerichte "in der Sache" entgegenstehen können. Ob diese Sachurteilsvoraussetzung zutrifft oder nicht, muss das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Der Senat ist deshalb der Ansicht, dass bis zur verfassungsrechtlichen Klärung dieser Vorfrage keine Entscheidung im Erkenntnisverfahren ergehen darf und dass die Verfahren gem. § 148 ZPO auszusetzen sind. Dies muss dann konsequenterweise auch für das Arrestverfahren gelten. Wenn es unklar ist, ob überhaupt eine Hauptsacheentscheidung gegen die Schuldnerin ergehen darf, dann kann auch kein vorläufiger Rechtsschutz zur Sicherung einer entsprechenden Forderung gewährt werden. In diesem Sinn hat der Senat auch durch mehrere Entscheidungen die Aussetzungsbeschlüsse anderer Kammern des Landgerichts bzw. des Amtsgerichts Frankfurt bestätigt (vgl. u. a. die Verfahren 8 W 26/04 und 8 W 46/04).

Die 21. Kammer des Landgerichts ist in dem hiesigen Verfahren dieser Rechtsauffassung nicht gefolgt. Sie beruft sich auf die Stellungnahme der Bundesgerierung in dem oben dargestellten Normenkontrollverfahren, wonach der vorgebrachte Staatsnotstand nur die Vollstreckung, nicht aber den Erlass von Entscheidungen deutscher Zivilgerichte hindere.

In dem jetzigen Beschwerdeverfahren ist der Senat aus den dargestellten Gründen an diese Rechtsauffassung gebunden. Das Landgericht hatte schon in dem o. g. Ausgangsverfahren die Auffassung vertreten, dass die Zahlungsunfähigkeit eines Staats der Wirksamkeit eines gegen ihn erlassenen Arrestbefehls nicht entgegensteht (LG Frankfurt JZ 2003, 1010).

Der einzige "Vorwurf", den man unter diesen Umständen dem Landgericht machen könnte, ist, dass es nicht unmittelbar nach Erlass des Arrestbefehls das Verfahren ausgesetzt und im Hinblick darauf die Zwangsvollstreckung aus dem Arrestbefehl gegen oder ohne Sicherheitsleistung eingestellt hat. Dies wäre aus Sicht des Senats auch unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Landgericht geboten gewesen. Tatsächlich hat das Landgericht erst auf den Widerspruch der Antragsgegnerin und auf deren Antrag nach §§ 707, 928 ZPO reagiert.

Dennoch kann die Beschwerde keinen Erfolg haben. Die Entscheidung über die Aussetzung eines Verfahrens steht im pflichtgemäßen Ermessen des Erstgerichts (MK-Feiber aaO. Rn 26). Da das Landgericht bislang keine Kenntnis von der im vorigen Absatz dargestellten Rechtsauffassung des Senats hatte, kann ihm ein Ermessensfehlgebrauch nicht vorgehalten werden.

Über die Kosten den Beschwerdeverfahrens wird erst in der die Instanz abschließenden Entscheidung zu befinden sein.

Ende der Entscheidung

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