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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 21.10.2003
Aktenzeichen: 9 U 121/01
Rechtsgebiete: HTWG


Vorschriften:

HTWG § 1
Wird der Verbraucher in einer Haustürsituation zur Abgabe eines Angebots auf Abschluss eines Darlehensvertrags überrumpelt, das die Bank erst mehr als acht Monate später annimmt, so beruht der durch die danach erfolgte Erklärung des Verbrauchers, er halte an seinem Angebot fest, zustande gekommene Darlehensvertrag nicht mehr auf der ursprünglichen Überrumpelung.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 121/01

Verkündet am 21.10.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter am Oberlandesgericht ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. Oktober 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 24. April 2001 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main - Aktenzeichen 2/19/225/00 - wird zurückgewiesen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit eines Darlehensvertrags, mit dem der Erwerb einer Eigentumswohnung als Kapitalanlage finanziert wurde.

Im Dezember 1989 erkundigte sich die Fa. A.-I. GmbH bei der Beklagten, ob diese bereit sei, ein Objekt mit Appartements in H. zu finanzieren. Die Beklagte bejahte dies, nachdem sie entsprechende Wertschätzungen eingeholt hatte.

Am 5. April 1990 kam es zwischen einer Frau X., die als vollmachtlose Vertreterin der Klägerin und ihres Ehemannes auftrat, und der Y. Verwaltungsgesellschaft zu einem Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung in dem Objekt in H. (Bl. 77 ff. d.A.). Den Käufern wurde ein Rücktrittsrecht für den Fall eingeräumt, dass die Beklagte ihre Darlehenszusage widerruft. Der Preis betrug 75.400,- DM und sollte bis zum 15. April 1990 auf ein Notaranderkonto gezahlt werden.

Ein Teil des Preises sollte auf ein Sonderkonto fließen und der Finanzierung von Sanierungsarbeiten dienen.

Unter dem 6. April 1990 unterzeichneten die Klägerin und ihr Ehemann einen Kontoeröffnungsantrag an die Beklagte (Bl. 218 d.A.), einen Baufinanzierungsvertrag der Beklagten in Höhe des Gesamtkaufpreises sowie eine Widerrufsbelehrung (Bl. 414 d.A.), in der als Fristbeginn für den Widerruf "die Abgabe dieses Hinweises" angegeben ist. Diese Unterlagen hatte der Vermittler K. in die Wohnung der Eheleute gebracht. Im April 1990 erhielt die Beklagte diese Unterlagen nebst Gehaltsnachweisen und Selbstauskunft von der A. I. GmbH zugeschickt (Bl. 204 d.A.).

Am 19. April 1990 unterzeichnete der Ehemann der Klägerin einen Antrag auf Abschluss einer Lebensversicherung bei der Allianz über 42.000,- DM, die der Beklagten zur Sicherheit abgetreten werden sollte (Bl. 90 ff. d.A.). Die Versicherungspolice erhielten die Eheleute am 11. Januar 1991 (Bl. 23 d.A.) zusammen mit einer Abtretungsanzeige. Die Klägerin und ihr Ehemann traten ferner Ansprüche aus einem Bausparvertrag mit der LBS an die Beklagte ab (Bl. 99); am 14. Januar 1991 wurde der Beklagten eine Grundschuld in Höhe des Darlehensbetrags bewilligt (Bl. 104 d.A.).

Am 20. April 1990 genehmigten die Eheleute die Erklärungen der für sie aufgetretenen Frau X..

Mit Schreiben vom 7. Januar 1991 erklärte die Beklagte die Annahme des Kreditantrags vom 6. April 1990 und bat gleichzeitig um Bestätigung, dass sich die Klägerin und ihr Ehemann noch an diesen Antrag gebunden fühlten (Bl. 100 d.A.). Dies bestätigten die Eheleute am 14. Januar 1991.

Am 25. Januar 1991 überwies die Beklagte den Darlehensbetrag auf das im genannte Notaranderkonto (Bl. 108 d.A.). Sie führte das Darlehen unter der Kontobezeichnung 00.

In der Folgezeit wurde die gekaufte Wohnung nur unzureichend renoviert und konnte deswegen nicht vermietet werden, weswegen die vereinbarte Mietgarantie eintrat. In dieser Zeit zahlten die Klägerin und ihr Ehemann monatlich 304,52 DM. Nach Wegfall der Garantiezahlungen stieg dieser Betrag auf 719,- DM und durch die Verpflichtung zur Zahlung von Wohngeld auf 910,- DM. Die Eheleute zahlten jedoch weiter lediglich 300,- DM an die Beklagte. Bis zum April 1994 war der Rückstand insoweit auf 8.000,- DM angewachsen.

In einer Eigentümerversammlung am 30. Juli 1994 einigte man sich, die Sanierung weiter zu betreiben und dazu weitere Kredite der Beklagten in Anspruch zu nehmen. Mit Schreiben vom 16. September 1994 (Bl. 151) bot die Beklagte den Eheleuten einen zinslosen Kredit über 16.200,- DM für fünf Jahre (bis zum 30.1.2000, später verlängert bis zum 31.12.2000, Bl. 166 d.A.) an, den diese am 1. Oktober 1994 annahmen (Bl. 222 d.A.). Nachdem ein Gutachter die Fertigstellung der Arbeiten am 22. März 1995 bestätigt hatte, zahlte die Beklagte den Darlehensbetrag an den Generalunternehmer aus. Dieses Darlehen wurde bei der Beklagten als Konto 04 geführt.

Unter dem 22. Mai 1995 bot die Beklagte den Eheleuten einen Ratenkredit über 12.300,- DM zur Rückführung der auf dem Konto 00 entstandenen Debets an (Bl. 162 d.A.). Dieses Angebot wurde nicht angenommen.

Die Wohnung war auch nach der Sanierung nicht zu vermieten. Unter der 30. März 1999 kündigte die Beklagte sämtliche Kredite und verlangte von den Eheleuten Zahlung von 135.165,80 DM (Bl. 167 d.A.).

Am 2. Juni 2000 übertrug der Ehemann der Klägerin dieser seinen Miteigentumsanteil an der Wohnung und trat ihr alle Ansprüche wegen der Finanzierung der Wohnung ab.

Die Klägerin hat behauptet, sie und ihr Ehemann seien Ende März 1999 in ihrer Wohnung durch den Vermittler K. zum Erwerb der Wohnung und zum Abschluss des Darlehensvertrags durch unrichtige Angaben über die zu ersparende Steuer und die monatlichen Belastungen überredet worden. Insbesondere habe der Vermittler ihnen erklärt, die Wohnung werde sich bis auf eine geringe Belastung von 100,- bis 200,- DM monatlich über die garantierte Miete und die Steuerersparnis selbst finanzieren. Sie waren der Ansicht, ihnen sei aufgrund bisher erbrachter Zahlungen abzüglich der durch den Wohnungserwerb erlangten Vorteile ein Schaden in Höhe von 41.000,- DM entstanden; wegen der genauen Berechnung wird auf den Schriftsatz vom 26. Februar 2001 (Bl. 265 f. d.A.) verwiesen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass sie zur Rückzahlung der ihr als Mitdarlehensnehmerin von der Beklagten im Zusammenhang mit der Eigentumswohnung in H., A... 1, Wohnung Nr...., gewährten Darlehen über insgesamt 112.300,- DM nicht verpflichtet war und ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, sie von allen Forderungen Dritter im Zusammenhang mit der Eigentumswohnung in H., A... 1, Wohnung Nr...., freizustellen;

3. die Beklagte zu verurteilen, an sie für den bis zum 27. Februar 2001 entstandenen Schaden 44.619,54 DM nebst 13.815,39 DM Zinsen daraus bis zum 27. Februar 2001 und weiteren 6% Zinsen aus 44.619,54 DM ab dem 1. März 2001 zu zahlen, Zug-um-Zug gegen Übereignung der Wohnung in H., A... 1, Wohnung Nr...., durch die Klägerin an die Beklagte.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 24. April 2001 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Gegen dieses ihr am 30. April 2001 zugestellte Urteil richtet sich die am 29. Mai 2001 eingelegte und - nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 13. August 2001 - an eben diesem Tag begründete Berufung der Klägerin.

Die Klägerin erklärt jetzt den Widerruf des Baufinanzierungsvertrags und aller damit zusammenhängenden Erklärungen nach dem Haustürwiderrufsgesetz (Bl. 391) und stützt die geltend gemachten Ansprüche hilfsweise auf § 3 HTWG.

Wegen der Neuberechnung ihrer Schadensersatzansprüche wird auf die Anlagen 7 und 8 zum Schriftsatz vom 19. Dezember 2002 (Bl. 619 ff. d.A.) verwiesen

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils

1. festzustellen, dass sie zur Rückzahlung der ihr von der Beklagten zur Finanzierung und im Zusammenhang mit der Eigentumswohnung in H., A... 1, Wohnung Nr...., gewährten Darlehen über insgesamt 57.418,08 € (112.300,- DM) nicht verpflichtet war und ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, sie von allen Forderungen Dritter im Zusammenhang mit der Eigentumswohnung in H., A... 1, Wohnung Nr...., freizustellen;

3. die Beklagte zu verurteilen, an sie für den bis zum 31. Dezember 2002 entstandenen Schaden 27.312,98 € (53.419,54 DM) nebst bis zum 31. Dezember 2002 daraus angefallener Zinsen (6,5% p.a.) in Höhe von insgesamt 10.171,69 € (19.894,10 DM) sowie ab dem 1. Januar 2003 weitere 6,5% Zinsen aus 37.484,67 € (73.313,64 DM) zu zahlen, Zug-um-Zug gegen Übereignung der Wohnung in H., A... 1, Wohnung Nr...., durch die Klägerin an die Beklagte,

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, an sie sämtliche bis zum 31. Dezember 2002 geleisteten Zahlungen in Höhe von 21.934,42 € (42.900,- DM) nebst bis zum 31. Dezember 2002 daraus angefallener Zinsen (6,5% p.a.) in Höhe von insgesamt 8.269,27 € (16.173,30 DM), sowie ab dem 1. Januar 2003 weitere 6,5% Zinsen aus 30.203,70 € (59.073,30 DM) zu zahlen, Zug-um-Zug gegen Übereignung der Wohnung in H., A... 1, Wohnung Nr...., durch die Klägerin an die Beklagte.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil, rügt die neuen Anträge als unzulässig und ist der Ansicht, beim Zustandekommen des Darlehensvertrages Anfang 1991 habe eine Haustürsituation nicht mehr fortbestanden.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, insbesondere an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin ist zur Erfüllung der Darlehensverträge verpflichtet, diese sind nicht wirksam widerrufen worden, ein Anspruch auf Schadensersatz oder Freistellung besteht nicht.

Dabei geht der Senat von den Anträgen aus, die die Klägerin in der letzten mündlichen Verhandlung gestellt hat. Soweit damit die Klage geändert wurde, ist dies trotz des Widerspruchs der Beklagten nach §§ 263, 523 ZPO a.F. - die auf den vorliegenden Fall noch anwendbar sind - zulässig, weil sachdienlich.

Durch Zulassung der neuen Anträge kann der Streit der Parteien umfassend und abschließend geklärt werden, ein erhöhter Prozessaufwand ist damit nicht verbunden. Soweit mit den neuen Anträgen neue Ansprüche geltend werden, ist die Klage unbegründet.

Die Klägerin hat weder aus eigenem noch aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen.

Ein solches Verschulden der Beklagten kann nicht in der Unrichtigkeit von Angaben gesehen werden, die der Anlagevermittler K. ihnen gegenüber gemacht hat. Dabei kann zugunsten der Klägerin zunächst davon ausgegangen werden, dass der Vermittler als Erfüllungsgehilfe der Beklagten tätig geworden ist, weil er mit deren Wissen und Wollen beim Zustandekommen des Darlehensvertrags handelte. Er verfügte über die Antragsformulare der Beklagten, wusste um die Konditionen zur Vergabe eines Kredits, füllte diese Formulare weitgehend selbst aus und leitete sie an die Beklagte weiter. Zugerechnet werden können der Bank über § 278 BGB aber nur diejenigen Handlungen und Erklärungen, die sich auf den Darlehensvertrag selbst beziehen. Herr K. wurde bei der Vermittlung des Anlagemodells nämlich auch als Erfüllungsgehilfe der Verkäuferin tätig und hat auch für diese gehandelt. In diesen Fällen sind die Handlungen und Erklärungen eines Vermittlers nach den Pflichtenkreisen auf die jeweiligen Geschäftsherrn zu verteilen; jeder von ihnen hat nur für diejenigen Maßnahmen einzustehen, die die Erfüllung eigener Verbindlichkeiten betreffen.

Soweit die Klägerin vorträgt, die von Herrn K. erstellten Berechnungen seien falsch gewesen, insbesondere sei ihre eigene monatliche Belastung zu niedrig ermittelt worden, betrifft dies nicht das Kreditgeschäft mit der Beklagten, sondern die Verwendung des Darlehens für die Anschaffung der Wohnung. Unstreitig waren die in die Berechnung eingesetzten Angaben zum Kredit zutreffend, Zins- und Tilgungsraten in tatsächlich anfallender Höhe berücksichtigt. Die Beiträge zur Lebensversicherung konnten in die Berechnung noch nicht einbezogen werden, weil diese Versicherung erst später abgeschlossen wurde. Dass die tatsächliche Belastung später höher wurde, als in der Berechnung vorgesehen, lag daran, dass zum einen Mieteinnahmen nicht erzielt wurden, zum anderen Unkosten wie Wohngeld und Grundsteuer nicht berücksichtigt wurden.

Beide betreffen nicht Umstände der Kreditgewährung, sondern die Verwendung des Kredits und die Rentabilität der mit dem Kredit finanzierten Kapitalanlage.

Über solche Risiken besteht eine Pflicht zur Aufklärung seitens der Bank nicht. Dass eine der von der Rechtsprechung entwickelten Fallgruppen vorliegt, in denen die Bank zur besonderen Aufklärung eines Darlehensnehmers verpflichtet sein kann, wird von der Klägerin in der zweiten Instanz selbst nicht mehr behauptet.

Die vom Vermittler K. gemachten Falschangaben berechtigen die Klägerin entgegen ihrer Ansicht nicht zu einer Anfechtung des Darlehensvertrages nach § 123 BGB. Die Täuschungshandlungen des Vermittlers betrafen - wie dargelegt - nicht den Pflichtenkreis der Beklagten, so dass der Vermittler insoweit als Dritter i.S.d. § 123 II BGB anzusehen ist und seine Täuschungshandlungen zu einer Anfechtung des Darlehensvertrags nicht berechtigen.

Die Darlehensverträge verstoßen auch nicht gegen das Verbraucherkreditgesetz.

Dabei kann dahinstehen, ob das Zustandekommen durch die am 7. Januar 1991 erklärte "Annahme" seitens der Beklagten und der "Bestätigung" der Klägerin und ihres Ehemannes am 14. Januar 1991 das allgemeine Schriftformerfordernis (§ 4 I 1 VerbrKrG) erfüllt. Selbst wenn man dies verneinen wollte, ist dieser Verstoß durch die erfolgte Auszahlung des Darlehens geheilt (§ 6 II 1 VerbrKrG). Das Fehlen von Angaben über den zurückzuzahlenden Gesamtbetrag (§ 4 I 4 Nr. 1 b) ist gemäß § 3 II 2 VerbrKrG unschädlich, da ein durch ein Grundpfandrecht zu den üblichen Bedingungen gesicherter Kredit vorliegt. Soweit keine Angaben zu den Kosten der späteren Lebensversicherung vorhanden sind (§ 4 I 4 Nr. f) VerbrKrG), fehlt jeder Vortrag zur Höhe möglicher Darlehensanteile.

Die Darlehensverträge sind auch nicht wirksam nach dem Haustürwiderrufsgesetz widerrufen worden.

Dieses findet nach der während des vorliegenden Rechtsstreits entwickelten Rechtsprechung (BGH NJW 2002, 1881) auch auf Verbraucherkreditverträge jedenfalls dann Anwendung, wenn ein Widerruf nach dem Verbraucherkreditgesetz nicht möglich ist. Vorliegend scheidet ein Widerruf nach dem Verbraucherkreditgesetz aus, da es sich um einen Realkreditvertrag handelt (§ 3 II Nr. 2 VerbrKrG) und zudem die Widerrufsfrist des § 7 II VerbrKrG abgelaufen ist.

Keiner der beiden Darlehensverträge erfüllt indes die Voraussetzungen eines Widerrufs nach § 1 I HTWG. Für den Sanierungskreditvertrag aus dem Jahr 1994 über 16.200,- DM ist eine der in dieser Vorschrift genannten situativen Voraussetzungen nicht ansatzweise erkennbar. Der Vertrag kam durch schriftliche Erklärungen beider Seiten zustande, denen persönliche Verhandlungen nicht vorangegangen sind.

Auch der Erwerbsdarlehensvertrag über 83.300,- DM beruht nicht auf einer Haustürsituation. Zustande kam dieser Vertrag nicht aufgrund der Erklärung, die die Klägerin und ihr Ehemann anlässlich des Besuchs des Vertreters K. in ihrer Wohnung im April 1990 abgaben. Dieser Darlehensantrag wurde von der Beklagten erst mit Schreiben vom 7. Januar 1991 - und damit rund neun Monate später - angenommen. Eine solchermaßen verspätete Annahme gilt nach § 150 I BGB als neuer Antrag, der von den Eheleuten angenommen werden musste, was mit Schreiben vom 14. Januar 1991 geschah. Der Abgabe dieser Erklärung gingen mündliche Verhandlungen in der Privatwohnung nicht voraus. Als solche können die neun Monate vorher geführten Gespräche nicht angesehen werden. Zwar sieht § 1 I HTWG einen zeitlichen Zusammenhang zwischen den mündlichen Verhandlungen und der Abgabe der Willenserklärung nicht vor, erforderlich ist aber, dass die abgegebene Erklärung ursächlich auf der Überrumpelung in der Wohnung beruht. Ein solcher Kausalzusammenhang ist vorliegend nicht erkennbar. Er kann nach den Grundsätzen des ersten Anscheins regelmäßig ohne nähere Darlegung angenommen werden, wenn zwischen dem Gespräch und der Abgabe der Erklärung ein nur kurzer, maximal wenige Tage betragender Zeitraum liegt. Ist dieser Zeitraum - wie hier - deutlich länger, bedarf die Kausalität der Überrumpelung konkreter Darlegung im Einzelfall (Staudinger, BGB, § 1 HTWG Rnr. 71 m.w.N.), an denen es vorliegend fehlt. Der große zeitliche Abstand zwischen dem Gespräch in der eigenen Wohnung und der Frage, ob sie den Darlehensvertrag wirklich abschließen wollten, verschaffte der Klägerin und ihrem Ehemann ausreichend Gelegenheit, die Sinnhaftigkeit des Geschäfts zu überlegen. Mit dem Schreiben der Beklagten vom 7. Januar 1991 und der darin ausdrücklich formulierten Bitte, durch erneute Unterschrift zu bestätigen, dass sie weiterhin an ihrem Kreditantrag vom 6. April 1990 festhalten wollten, wurde ihnen deutlich gemacht, dass es einer erneuten Willensentschließung bedurfte und die ursprüngliche Erklärung keinen Bestand mehr hatte. Sie hatten deswegen Anlass, erneut eine - diesmal unbeeinflusste - Willensentscheidung herbeizuführen. Warum die durch den Wohnungsbesuch eingeschränkte Entschließungsfreiheit auch noch neun Monate später fortgedauert haben soll, ist nicht ersichtlich.

Das Zustandekommen des Vertrages im Januar 1991 stellte auch kein Umgehungsgeschäft dar, für das ein Widerrufsrecht aus § 5 HTWG besteht. Ein solches Umgehungsgeschäft nimmt die Rechtsprechung bei einem im Anschluss an eine Überrumpelungssituation später mit neuen Willenserklärungen inhaltsgleich zustande gekommenen Vertrag dann an, wenn der Verbraucher durch den Verstoß gegen § 1 HTWG in eine Lage gebracht worden ist, in der seine Entschließungsfreiheit zum Abschluss des neu angebotenen Vertrages beeinträchtigt ist (BGH NJW 94, 262, 265). Hierzu reicht es nicht aus, dass in dem neuerlichen Angebot der Beklagten auf die frühere Erklärung Bezug genommen wurde. Unerheblich muss auch sein, dass die Beklagten das Darlehen wirtschaftlich brauchten, weil sie den Kaufvertrag über die Wohnung zwischenzeitlich abgeschlossen hatten. Das Haustürwiderrufsgesetz schützt den Verbraucher nicht vor Einschränkungen der eigenen Entschließungsfreiheit, die aus einer anderweitig übernommenen wirtschaftlichen Verpflichtung resultieren, sondern allein vor einer Überrumpelung. Wenn die Klägerin wirtschaftlich die Notwendigkeit sah, das Darlehen aufzunehmen, um die anderweitig begründeten Verbindlichkeiten erfüllen zu können, stellt dies ein in ihrem Verantwortungsbereich liegendes Motiv dar, das einen Widerruf der Beklagten gegenüber nicht rechtfertigt.

Eine andere Betrachtung rechtfertigt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Einheit von Kauf- und Darlehensvertrag. Selbst wenn der Klägerin und ihrem Mann der Erwerb der Wohnung und der Abschluss des Darlehensvertrags vom selben Vertreter als einheitliches Geschäft angeboten wurde und sie das eine nicht ohne das andere geschlossen hätte, musste ihr klar sein, dass beide Verträge ihr von unterschiedlichen Vertragspartnern angeboten wurden, unterschiedliche Inhalte hatten und deswegen auch getrennt voneinander abzuschließen waren. Der Klägerin hätte es - zumindest im Januar 1991 - freigestanden, das Darlehensangebot der Beklagten abzulehnen und sich die zur Finanzierung der Eigentumswohnung erforderlichen Mittel anderweitig zu beschaffen.

Fehlt es danach bereits an einem Widerrufsrecht der Klägerin, kann dahin stehen, ob ihre Erklärung über § 139 BGB auch zugunsten ihres Mannes wirkte und ob sie fristgerecht erfolgte. Dahinstehen kann auch, was der Klägerin am Fall eines wirksamen Widerrufs nach dem Haustürwiderrufsgesetz zugestanden hätte. Geht man davon aus, dass wegen § 3 II Nr. 2 VerbrKrG ein verbundenes Geschäft im Sinne des § 9 VerbrKrG nicht angenommen werden kann (BGH NJW 02, 1881, 1884), so hat die Klägerin im Rahmen der nach § 3 HTWG vorzunehmenden Rückabwicklung neben der erhaltenen Valuta bis zur Ausübung des Widerrufsrechts auch den Wert der Darlehensüberlassung zu vergüten, was bei Darlehen einer Zahlung des marktüblichen Zinses entspricht. Dass der zwischen den Parteien vereinbarte und von der Klägerin und ihrem Mann gezahlte Zins vom marktüblichen abgewichen wäre, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

Mangels Fehlens eines Widerrufsrechts ist die aufgrund der Vorlage des LG Bochum vom 29. Juli 2003 zu erwartende Entscheidung des EuGH auch nicht vorgreiflich für den vorliegenden Rechtsstreit, so dass eine Aussetzung (§ 148 ZPO) nicht in Betracht kommt.

Die Kosten des Rechtsmittels hat die Klägerin zu tragen, da es ohne Erfolg geblieben ist (§ 97 I ZPO)

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Eine Zulassung der Revision kommt nicht in Betracht, da die Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht vorliegen.



Ende der Entscheidung

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