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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 25.11.2003
Aktenzeichen: 9 U 127/02
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 144 I
1. § 144 I InsO lässt auch die nicht akzessorischen Sicherungsrechte Dritter wieder aufleben.

2. Ist aufgrund des Abstraktionsprinzips die ursprüngliche Sicherheit erloschen, ist dies ohne Rechtsgrund erfolgt und verpflichtet einen Dritten, der Sicherheit für eine Verbindlichkeit des Gemeinschuldners geleistet hat, zur Neubestellung der Sicherheit. Seiner Inanspruchnahme aus dem Sicherungsrecht durch den Sicherungsnehmer kann sich nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht auf das Nichtbestehen des Sicherungsrechts berufen und ist so zu behandeln, als wäre er seiner Pflicht zur Neubestellung nachgekommen.


OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 127/02

Verkündet am 25.11.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter .... aufgrund der mündlichen Verhandlung

vom 19. November 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 6. September 2002 verkündete Urteil des Landgerichts Wiesbaden - Aktenzeichen 9 O 103/02 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

Zur Sicherheit eines der X GmbH von der Klägerin gewährten Darlehens hatte der Geschäftsführer der X GmbH, Herr Y der Klägerin seine Ansprüche aus einer Lebensversicherung bei der Beklagten abgetreten. Nachdem die Forderungen der Klägerin gegen die Klägerin zunächst erfüllt worden waren, trat die Klägerin die Lebensversicherungsansprüche an Herrn Y zurück ab. In der Folgezeit focht der Insolvenzverwalter der X GmbH die zur Darlehenstilgung führenden Leistungen an die Klägerin jedoch an, so dass diese herausgegeben werden mussten. Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stünden damit auch wieder die Rechte aus der Lebensversicherung zu und begehrt mit der vorliegenden Klage Auskunft über die Höhe des Rückkaufswerts.

Das Landgericht hat dies ebenso gesehen und der Klage auf Auskunft über den Rückkaufswert der Lebensversicherung stattgegeben. Auf den Tatbestand dieses Urteils wird wegen der weiteren Sachverhaltsdarstellung Bezug genommen.

Dagegen richtet sich die auf Klageabweisung gerichtete Berufung der Beklagten, die der Ansicht ist, die Abtretung sei weggefallen, die Ansprüche aus der Lebensversicherung stünden allein Herrn Y zu. Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und begehrt Zurückweisung der Berufung. Wegen des weiteren Vertrags der Parteien zu den Umständen der Insolvenzanfechtung wird auf die Schriftsätze vom 17. September 2003 und 22. Oktober 2003 (Bl. 132, 134 d.A.) Bezug genommen.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie hat in der Sache indes keinen Erfolg.

Die Klägerin kann von der Beklagten Auskunft über die Höhe des Rückkaufswerts verlangen, weil sie Gläubigerin der Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag ist. Diese durch die Sicherungsabtretung vom 12. April 1999 erlangte Rechtsposition hat sie durch die Rückabtretung an Herrn Y unter dem 4. September 2000 nicht verloren. Gemäß § 144 I InsO ist ihre Forderung mit der Rückgewähr im Rahmen der Insolvenzanfechtung wieder aufgelebt. § 144 InsO erfasst auch die nichtakzessorischen Sicherungsrechte gegen einen Dritten.

Nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Lehre erfasst § 144 I InsO die unanfechtbar begründeten akzessorischen und nichtakzessorischen Sicherheiten, soweit diese vom Gemeinschuldner selbst gestellt wurden. Rühren die Sicherheiten von einem Dritten her, ist ihr Wiederaufleben nach § 144 InsO zumindest für die akzessorischen Sicherheiten (insbesondere für die Bürgschaft) ebenfalls allgemein anerkannt. Streitig ist allein die im vorliegenden Fall gegebene Konstellation eines nichtakzessorischen Sicherungsrechts gegen einen Dritten.

Während ein Teil der Literatur (Kreft in Heidelberger Kommentar zur InsO, 2. Aufl., 1999, § 144 Rn. 3; Hirte in Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., 2003, § 144 Rn. 7) sich über diese Frage nicht auslässt oder sich auf den undifferenzierten Satz beschränkt, es lebten alle Sicherheiten wieder auf, wird de mit der Berufung vertretene Auffassung eines endgültigen Erlöschens des Sicherungsrechts von Weis (in Hess/Weis/Wienberg, InsO, 2. Aufl., 2001, § 144 Rn. 12) und Dauernheim (in Frankfurter Kommentar zur InsO, § 144, Rn. 3) vertreten. Der Senat schließt sich indes der - soweit erkennbar - in der Literatur überwiegend vertretenen gegenteiligen Auffassung an, wonach § 144 I InsO auch die nichtakzessorischen Sicherungsrechte Dritter Wiederaufleben lässt, die geteilt wird von Jaeger/Henckel (KO, 1997, § 39 Rn. 13), Paulus (in Kübler/Prütting, InsO, Stand 4/02, § 144 Rn. 3) und Kirchhof (Münchner Kommentar zur InsO, 2002, § 144 Rn. 10).

Hat ein Dritter Sicherheit für eine Verbindlichkeit des Gemeinschuldners geleistet, so hat er sich der Sicherungsabrede zwischen dem Gemeinschuldner und dem Gläubiger unterworfen. Solange die gesicherte Forderung nicht erfüllt ist, besteht die Sicherheit fort. Die nur vorübergehende und durch die Anfechtung rückgängig gemachte Erfüllung der Hauptforderung führt nicht zu einem endgültigen Wegfall des Sicherungsrechts. § 144 I InsO will zugunsten des Gläubigers den Rechtszustand wiederherstellen, der ohne die anfechtbare Rechtshandlung bestanden hätte. Wäre die Hauptforderung nie erloschen gewesen, bestünden die Sicherungsrechte auch dem Dritten gegenüber fort. Insoweit ist eine Unterscheidung zwischen akzessorischen und nichtakzessorischen Sicherungsrechten nicht geboten.

Ein Unterschied zwischen akzessorischen und nichtakzessorischen Sicherungsrechten besteht bei der Frage, wie eine Fortdauer des Sicherungsrechts zu bewerkstelligen ist, zumindest im Ergebnis nicht. Während akzessorische Sicherheiten ohne weiteres Wiederaufleben, müssen abstrakte Sicherheiten grundsätzlich neu bestellt werden. Zu einer Mitwirkung an dieser Neubestellung aber ist der Dritte bereits aufgrund seiner ursprünglichen Sicherungsgestellung verpflichtet. Dabei kann dahin stehen, ob man eine solche Mitwirkungspflicht aus § 812 BGB, aus § 242 BGB oder aus vom Gemeinschuldner abgeleiteten Recht herleitet. Durch die vorübergehende, nicht dauerhafte Tilgung der Hauptforderung ist er von seiner Pflicht zur Stellung der Sicherheit nicht freigeworden. Ist aufgrund des Abstraktionsprinzips die ursprüngliche Sicherheit erloschen, ist dies ohne Rechtsgrund erfolgt und verpflichtet ihn zur Neubestellung der Sicherheit. Seiner Inanspruchnahme aus dem Sicherungsrecht durch den Sicherungsnehmer gegenüber kann er sich nach den Grundsätzen von Treu und Glauben § 242 BGB, dolo-agit-Einrede) nicht auf das Nichtbestehen des Sicherungsrecht berufen und ist so zu behandeln, als wäre er seiner Pflicht zur Neubestellung nachgekommen.

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass der Sicherungsgeber am Anfechtungsverfahren nicht beteiligt ist. Streitigkeiten um das Bestehen der Hauptforderung werden stets nur zwischen Gläubiger und Schuldner ausgetragen. Will der Dritte seine Rechte in einem solchen Verfahren wahren, muss er sich daran beteiligen. Auch im vorliegenden Fall hatte der Sicherungsgeber die Möglichkeit, dem Verfahren aufgrund der erfolgten Streitverkündung beizutreten.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Gläubiger in diesen Fällen nicht schon ausreichend durch ein Zurückbehaltungsrecht geschützt. Die Rückgewähr der durch die anfechtbare Handlung erlangten Leistung dem Insolvenzverwalter gegenüber kann der Gläubiger bis zur Wiedereinräumung der ursprünglichen Sicherheit nicht verweigern, da im Falle einer Weigerung des sicherungsgebenden Dritten die begründete Insolvenzanfechtung nicht durchgesetzt werden könnte, was zu einer Benachteiligung aller Massegläubiger führen würde. Auch dem Anspruch des Dritten auf Rückgabe der Sicherheit kann die Möglichkeit einer späteren Insolvenzanfechtung nicht entgegengehalten werden, weil diese bis zu zwei Jahre nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens möglich ist (§ 146 InsO) und ein Abwarten dieser Frist für ihn unzumutbar wäre.

Entgegen der Ansicht der Berufungsklägerin ergibt sich die Unanwendbarkeit des § 144 I InsO auf nichtakzessorische Sicherheiten eines Dritten auch nicht daraus, dass der Dritte damit schlechter gestellt wäre als bei einer akzessorischen Sicherheit. Alle von ihr diesbezüglich gemachten Ausführungen betreffen Einredemöglichkeiten aus der Bürgschaft. Da auf diese wirksam verzichtet werden kann, wird deutlich, dass ein grundsätzlicher Unterschied zwischen akzessorischen und nicht akzessorischen Sicherheiten auch insoweit nicht besteht.

Die Kosten des Rechtsmittels hat die Beklagte zu tragen, da es ohne Erfolg geblieben ist (§ 97 I ZPO)

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 543 II Nr. 2 1. Alt. ZPO.

Ende der Entscheidung

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