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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 30.09.2003
Aktenzeichen: 9 U 148/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 139 Abs. 4

Entscheidung wurde am 01.05.2004 korrigiert: der Entscheidung wurde ein amtlicher Leitsatz hinzugefügt und die Vorschriften geändert
Ist der Hinweis eines Gerichts nicht aktenkundig gemacht worden, ist nach § 139 IV ZPO davon auszugehen, dass er nicht erteilt wurde. Soweit eine Partei vorträgt, der Hinweis sei gleichwohl erteilt, aber nicht aktenkundig gemacht worden, kann hierzu in der Berufung keine Beweisaufnahme erfolgen.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 148/02

Verkündet am 30. September 2003

In dem Rechtsstreit

...

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. September 2003 durch den Richter am Oberlandesgericht .... als Einzelrichter

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 13. November 2002 nebst dem ihm zugrundeliegenden Verfahren ab der mündlichen Verhandlung vom 16. Oktober 2002 aufgehoben und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Frankfurt am Main zurückverwiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Vergütung für die Entsorgung von Bauaushub von einem Grundstück in ..., dessen Eigentümer der Beklagte zusammen mit Herrn S. ist.

Gegenstand der Klage sind - nach einer Klagerücknahme über 1.829,92 DM - die Rechnungen der Klägerin vom

14.09.99 über 13.193,84 DM (Bl. 13 d.A.)

27.09.99 über 4.046,66 DM (Bl. 14 d.A.)

30.12.99 über 2.041,60 DM (Bl. 16 d.A.)

27.12.99 über 60.936,54 DM (Bl. 17 d.A.)

Von dem sich ergebenden Gesamtbetrag zieht die Klägerin eine Zahlung über 1.829,92 DM ab, so dass mit 78.388,72 DM die Klageforderung verbleibt.

Wegen des Sachverhalts im Weiteren und des streitigen Vortrags in der Parteien in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit Urteil vom 13.11.02 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Passivlegitimation des Beklagten sei nicht dargelegt. Es sei nicht ersichtlich, aus welchem Rechtsgrund der Beklagte für die verlangte Vergütung einzustehen habe.

Die Klägerin habe nicht ausreichend dargelegt, welcher der beiden Bauherren, welchen Auftrag erteilt haben soll noch habe sie die von ihr behauptete Vermittlung des Auftrags über Herrn K. hinreichend präzisiert. Nach den Ausführungen des Geschäftsführers der Klägerin vor der Gericht habe der Zeuge K. die Verhandlungen vielmehr ohne einen konkreten Hinweis auf seine Vertreterstellung geführt. Konkrete Tatsachen, die den Rückschuss darauf zuließen, dass der Zeuge nicht für sich selbst oder einen Dritten gehandelt habe, habe der Geschäftsführer der Klägerin nicht angeben können.

Die Klägerin könne auch nicht daraus herleiten, dass der Beklagte unbestritten vor Ort gewesen sei. Es sei nicht dargetan, dass der Beklagte der Klägerin irgendeine Anweisung erteilt habe, die den Rückschluss auf eine Auftraggeberstellung zuließe.

Auch aus dem Umstand, dass der Beklagte eine sogenannte "eigenverantwortliche Erklärung" mitunterzeichnet haben soll, könne die Klägerin nichts herleiten, denn diese Erklärung besage nichts darüber, wem der Bauherr einen entsprechendn Auftrag erteilt hat.

Wegen der weiteren Urteilsbegründung wird auf die Entscheidungsgründe verwiesen. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sowie begründete Berufung der Klägerin.

Die Klägerin trägt vor:

Das Landgericht habe das Beweisangebot der Klägerin übergangen, der Zeuge K. habe den Vertrag zwischen der Bauherrengemeinschaft und der Klägerin vermittelt.

Der Zeuge sei zu diesem Beweisthema mehrfach, zuletzt im Schriftsatz vom 31.10.02 angeboten worden. Es sei auch kein entsprechender Hinweis vonseiten des Gerichts ergangen.

Wegen des Vortrag der Klägerin im Einzelnen wird auf die Schriftsätze vom 14.1.03 (Bl. 192 ff. d.A.) und 2.7.03 (Bl. 254 ff. d.A.) verwiesen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie 40.079,- EUR nebst 8,75 % Zinsen seit Zustellung des Mahnbescheids zu zahlen;

sowie nach § 538 II ZPO zu verfahren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag.

Er behauptet, das Landgericht habe "überreich" Hinweise erteilt und zudem den Geschäftsführer der Klägerin gerade zu dem streitigen Punkt, wer wem in wessen Nahmen welchen Auftrag erteilt habe, eingehend befragt. Weiterer Hinweise habe es nicht bedurft.

II.

Die nach den Vorschriften der reformierten ZPO zu beurteilende Berufung ist zulässig, insbesondere an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Sie hat auch in der Sache Erfolg, weshalb das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache gemäß § 538 II ZPO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen war.

Die Klägerin rügt zu Recht, dass das Landgericht den Zeugen K. nicht zu ihrer Behauptung vernommen hat, der Zeuge habe den Auftrag zwischen ihr und dem Beklagten als Mitglied der Bauherrengemeinschaft vermittelt. Entsprechender Vortrag der Klägerin und die Berufung auf den Zeugen K. befindet sich jedenfalls in ihrem Schriftsatz vom 27.6.02, Seite 2 unten (Bl. 71 f. d.A.). Weil die Vermittlung eines Auftrages regelmäßig voraussetzt, dass die Beteiligten über das Ob und Wie des Auftragsverhältnisses bescheid wissen, würde die entsprechende Behauptung der Klägerin im vorliegenden Fall für eine Passivlegitimaiton des Beklagten sprechen, insbesondere eingedenk der weiteren Indizien, auf die sich die Klägerin in diesem Zusammenhang beruft. Dies hat offenbar auch das Landgericht so gesehen, wenn es in den Entscheidungsgründen ausführt, die Klägerin habe "die behauptete Vermittlung über den Herrn K. nicht hinreichend präzisiert".

Sofern das Landgericht diesen Vortrag jedoch für unsubstantiiert gehalten hat, hätte es der Klägerin gemäß § 139 ZPO einen entsprechenden Hinweis erteilen müssen, bevor es hieraus für sie nachteilige Konsequenzen zog. Gemäß § 139 I ZPO muss das Gericht nämlich darauf hinwirken, dass sich die Parteien vollständig über alle Tatsachen erklären und insbesondere ungenügende Angaben ergänzen hätte (vgl. Zöller-Greger ZPO, 23. Auflage, § 139 RN 17 mit weiteren Nachweisen).

Aus den Akten ergibt sich nicht - und allein dies ist entscheidend -, dass das Landgericht die Klägerin darauf hingewiesen hat, dass ihr Vortrag zu der angeblichen Vermittlung des Auftrages durch den Zeugen K. seiner Meinung nach ungenügend ist. Insbesondere den Protokollen vom 24.5.02 und 16.10.02 oder dem angefochtenen Urteil selbst ist nicht zu entnehmen, dass ein solcher Hinweis erteilt wurde.

Auch aus dem Inhalt der Anhörung des Geschäftsführers der Klägerin lässt sich nicht eindeutig ablesen, dass der Hinweis erteilt wurde. Im Hinblick auf § 139 IV ZPO ist danach davon auszugehen, dass der Hinweis nicht erteilt wurde.

Dahinstehen kann, ob der Hinweis gleichwohl erteilt, aber nicht aktenkundig gemacht wurde, wie der Beklagte behauptet. Nach § 139 IV ZPO kommt es allein darauf an, dass der Hinweis aktenkundig gemacht wurde. Schon aus diesem Grund kann es über die Frage, ob das Landgericht seiner Hinweispflicht nachgekommen ist oder nicht, keine Beweisaufnahme geben, wie sie die Beklagte anregt (vgl. Zöller-Greger, a.a.O., § 139 RN 13).

Die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung der Sache nach § 538 II Ziffer 1 ZPO liegen vor: Der Klägervertreter hat die Zurückweisung beantragt, das erstinstanzliche Verfahren leidet an einem wesentlichen Mangel und aufgrund dieses Mangels ist eine aufwändige Beweisaufnahme notwendig. So ist zunächst der Zeuge K. zu der - ggf. präzisierten - Behauptung der Klägerin zu vernehmen, der Zeuge habe den Auftrag zwischen ihr und dem Beklagten als Mitglied der Bauherrengemeinschaft vermittelt. Möglicherweise muss die Beweisaufnahme auch auf die von der Klägerin in diesem Zusammenhang vorgetragenen Indizien erweitert werden. Im Anschluss hieran - je nachdem, ob die Klägerin ihre streitige Behauptung wird beweisen können - könnte eine weitere Beweisaufnahme über die Höhe der streitbefangenen Vergütungsforderungen durchzuführen sein.

Von einer Kostenentscheidung war abzusehen, da das Landgericht bei der erneuten Entscheidung der Sache auch über die Kosten der Berufung zu entscheiden hat.

Trotz des - mit Schriftsatz vom 18.9.03 nachgeschobenen - Antrags des Beklagten war die Revision nicht zuzulassen, denn die Voraussetzungen des § 543 II ZPO liegen nicht vor. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten.

Ende der Entscheidung

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