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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 09.05.2007
Aktenzeichen: 9 U 21/06
Rechtsgebiete: BGB, RBerG


Vorschriften:

BGB § 134
BGB § 139
RBerG Art. 1 § 1
Zur Wirksamkeit einer Vollmacht, die zugunsten einer Treuhänderin in einem Zeichnungsschein zum Beitritt zu einem Fonds enthalten ist, trotz Vorliegens eines Verstoßes gegen das RBerG in dem zugrunde liegenden Treuhandauftrag.
Gründe:

Der Kläger begehrt Rückabwicklung eines Darlehensvertrags, den er mit der Beklagten zum Zwecke der Finanzierung einer Fondsbeteiligung geschlossen hat.

Der Kläger unterschrieb am 18.10.1993 einen Zeichnungsschein, in dem er die A mbH beauftragte, für ihn den Beitritt zum B-...fonds Geschäfts- und Wohnhaus "..." O1 GbR mit einer Anteilssumme von 50.000,- DM zu erklären. Gleichzeitig erteilte er ihr die Vollmacht, für die Gesellschaft und für ihn die erforderlichen Zwischen- und Endfinanzierungskredite aufzunehmen und über die Mittel zu verfügen. Die Einlage des Klägers nebst einer 5%-igen Durchführungsgebühr sollte u.a. durch eine Eigenkapitalzahlung in Höhe von 6.875,- DM sowie einen Kredit in Höhe von 40.000,- DM finanziert werden.

Am 19.10.1993 gab der Kläger der A GmbH gegenüber ein notariell beglaubigtes Angebot auf Abschluss eines Treuhandvertrags ab und erteilte ihre eine umfassende Vollmacht.

Nach Fertigstellung des Bauvorhabens schloss die A GmbH mit der Beklagten neun Darlehensverträge über insgesamt rund 17,3 Mio DM. Alle Darlehen wurden durch eine bereits bestehende Grundschuld an dem Fondsgrundstück abgesichert. Der Kläger sollte aus zwei dieser Darlehensverträge, in denen die Konditionen auf zehn Jahre festgeschrieben waren, quotal in Höhe von 44.450,- DM haften.

1998 fiel die B in Konkurs.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger -Zug um Zug gegen Abtretung seiner Ansprüche aus der Fondsbeteiligung- Rückzahlung auf das Darlehen erbrachter Leistungen.

Mit Urteil vom 20.1.2006, das der Beklagten am 3.2.2006 zugestellt wurde, hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Auf die tatsächlichen Feststellungen dieses Urteils wird Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die am 27.2.2006 eingegangene und - nach Verlängerung der Frist bis zum 3.5.2006 - am 3.5.2006 begründete Berufung der Beklagten.

Die Beklagte ist der Ansicht, die A GmbH habe den Kläger bei Abschluss des Darlehensvertrags wirksam verpflichten können. Im Übrigen wiederholt und vertieft sie ihr erstinstanzliches Vorbringen und beantragt,

die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, und führt in der Sache zu einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

Die Klage ist unbegründet. Der Kläger kann von der Beklagten Rückzahlung der auf das Darlehen erbrachten Leistungen nicht verlangen.

I.

Ein Anspruch des Klägers folgt nicht aus § 812 I 1 BGB. Der Darlehensvertrag ist zwischen den Parteien wirksam zustande gekommen; der Kläger wurden beim Vertragsschluss durch die A GmbH wirksam vertreten.

1. Die Vertretungsmacht ergibt sich aus der im Zeichnungsschein enthaltenen Vollmacht zum Abschluss von Darlehensverträgen.

a) Bedenken an der Wirksamkeit dieser Vollmacht ergeben sich nicht aus § 134 BGB i.V.m. Art. 1 § 1 RBerG. Die Vollmacht im Zeichnungsschein ist nicht auf den Abschluss eines ganzen Bündels von Verträgen mit mannigfaltigem Beratungsbedarf und damit auf die Einräumung so umfassender Befugnisse gerichtet, dass von einer Rechtsberatung auszugehen wäre. Vielmehr beschränkt sich die hier erteilte Vollmacht in der Befugnis, den Fondsbeitritt zu erklären und die zu dessen Finanzierung erforderlichen Darlehensverträge abzuschließen. Eine solche, auf die Begründung einzelner, konkret bezeichneter und in ihrem Umfang beschränkter Verpflichtungen bezogene Vollmacht macht nicht die Klärung rechtlicher Verhältnisse erforderlich, hat ihren Kern und Schwerpunkt nicht in der rechtlichen Beratung und unterfällt deswegen dem Anwendungsbereich des Rechtsberatungsgesetzes nicht (BGH, Urteil vom 25.4.2006 - XI ZR 219/04).

b) Keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit dieser Vollmacht im Zeichnungsschein hat es, dass der Kläger der A GmbH später einen umfassenden Treuhandauftrag erteilte, der wegen der darin eingeräumten umfassenden rechtlichen Befugnisse und der fehlenden Erlaubnis nach Art. 1 des RBerG wegen Verstoßes gegen § 134 BGB nichtig ist. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH erfasst die Unwirksamkeit dieses Treuhandvertrages die zur Ausführung der Geschäftsbesorgung erteilte umfassende Vollmacht, weil es mit der Zweckrichtung des RBerG unvereinbar wäre, den unbefugten Rechtsberater bei Wirksamkeit der Ausführungsvollmacht in den Stand zu setzen, seine gesetzliche missbilligte Tätigkeit zu Ende zu führen, indem er Rechtsgeschäfte zu Lasten des Geschützten abschließt (BGH Urteil vom 11.10.2001 - III ZR 182/00; Urteil vom 16.9.2003 - XI ZR 74/02). Um die Wirksamkeit jeder Rechtshandlung zu verhindern, die aufgrund des nichtigen Geschäftsbesorgungsvertrages vorgenommen wird, hat die Rechtsprechung sogar eine Prozessvollmacht in das gesetzliche Verbot einbezogen (BGH Urteil vom 26.3.2003 - IV ZR 222/03; Urteil vom 2.12.2003 - XI ZR 429/02). Dieser Rechtsgedanke kann indes nur diejenigen Vollmachten erfassen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem nichtigen Geschäftsbesorgungsvertrag stehen und zur Erfüllung der darin übernommenen Aufgaben des Geschäftsbesorgers erteilt wurden. Bereits vorher erteilte, wirksame Einzelhandlungsvollmachten werden vom Verbot des RBerG auch dann nicht erfasst, wenn die darin erlaubte Tätigkeit später Teil einer wegen seiner Komplexität erlaubnispflichtigen Gesamtvollmacht wird. Das Vertretungsrecht des BGB lässt es zu, dass mehrere Vollmachten nebeneinander erteilt werden und lässt diese rechtlich selbstständig nebeneinander auch dann bestehen, wenn sie sich inhaltlich überschneiden. Rechtliche oder inhaltliche Mängel der einen Vollmacht berühren andere Vollmachten grundsätzlich nicht.

c) Eine andere Betrachtung ist auch nach § 139 BGB nicht geboten (BGH Urteil vom 24.10.2006 - XI ZR 216/05). Dass sowohl die Vollmacht im Zeichnungsschein als auch die im notariellen Geschäftsbesorgungsvertrag letztlich der Verwirklichung der Fondsbeteiligung der Kläger dienen, macht beide Vollmachten noch nicht zu Teilen eines einheitlichen Rechtsgeschäfts. Beide Vollmachten stehen rechtlich selbstständig nebeneinander, sie ergänzen sich nicht, sind weder rechtlich noch wirtschaftlich voneinander abhängig, sondern überschneiden sich vielmehr. Mangels jeglichem anderweitigen Anhaltspunkt kann nur davon ausgegangen werden, dass die erste Vollmacht durch die zweite Vollmacht nicht etwa ersetzt werden, sondern neben dieser fortbestehen sollte. Die Parteien hätten das Geschäft als Ganzes auch dann gewollt, wenn ihnen die Unwirksamkeit einer der beiden Vollmachten bekannt gewesen wäre. Die zweite, notarielle Vollmacht wurde erkennbar nur deswegen erteilt, weil mögliche Zweifel über die Wirksamkeit der Vollmacht im Zeichnungsschein ausgeräumt und sichergestellt werden sollte, dass die A GmbH den Kläger in jedem Fall wirksam vertreten können sollte. Dass eine der Vollmachten ohne die andere nicht erteilt worden wäre, ist genauso wenig anzunehmen, wie, dass die Fondsbeteiligung insgesamt ohne eine der beiden Vollmachten nicht erfolgt wäre. Den Klägern ging es um eine darlehensfinanzierte Kapitalanlage, die an sich völlig ohne Vollmachten möglich gewesen wäre. Die Erteilung der Vollmachten sollte ihnen die Beteiligung praktisch erleichtern, essentieller Bestandteil der Gesamtentscheidung waren sie erkennbar nicht.

2. Ist somit bereits von einer wirksamen rechtsgeschäftlichen Vollmacht auszugehen, kommt es auf eine Zurechnung unter Rechtsscheingesichtspunkten und damit auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob der Beklagten vor Abschluss des Darlehensvertrages eine Ausfertigung des Zeichnungsscheins oder der notariellen Vollmachtsurkunde vorgelegen hat, nicht mehr an.

II.

Ein Anspruch aus § 812 I 1 BGB steht dem Kläger auch nicht deswegen zu, weil der Darlehensvertrag wegen Verstoßes gegen des Verbraucherkreditgesetz formunwirksam wäre.

Dabei geht der Senat mit dem Kläger davon aus, dass das Verbraucherkreditgesetz auf den vorliegenden Fall Anwendung findet, da entgegen der Ansicht der Beklagten der Darlehensvertrag nicht (nur) mit der Fondsgesellschaft, sondern (auch) mit den einzelnen Anlegern zustande gekommen ist.

Dahinstehen kann indes, ob die nach § 6 Abs. 1 VerbrKrG erforderliche Schriftform eingehalten ist und ob die Mindestangaben des § 4 Abs. 1 S. 4 VerbrKrG gemacht wurden, da eventuelle Verstöße gegen diese Vorschriften, sollten sie vorgelegen haben, geheilt wurden, indem der Kläger das Darlehen empfangen hat (§ 6 Abs. 2 S. 1 VerbrKrG).

Der Kläger hat das Darlehen zweckbestimmt zum Erwerb der Fondsanteile im Sinne dieser Vorschrift empfangen, auch wenn es ihm nicht unmittelbar zugeflossen, sondern von der Beklagten weisungsgemäß auf ein Konto der GbR überwiesen worden ist.

Ein Empfang des Darlehens im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 VerbrKrG ist zu bejahen, wenn der Darlehensgegenstand aus dem Vermögen des Darlehensgebers ausgeschieden und dem Vermögen des Darlehensnehmers in der vereinbarten Form endgültig zugeführt wurde (BGH, Urteil vom 7.3.1985 - III ZR 211/83). Wird die Darlehensvaluta auf Weisung des Darlehensnehmers an einen Dritten ausgezahlt, so hat der Darlehensnehmer regelmäßig den Darlehensbetrag empfangen, wenn der von ihm als Empfänger namhaft gemachte Dritte das Geld vom Darlehensgeber erhalten hat, es sei denn, der Dritte ist nicht überwiegend im Interesse des Darlehensnehmers, sondern sozusagen als "verlängerter Arm" des Darlehensgebers tätig geworden Dementsprechend gilt ein Darlehen auch dann als empfangen im Sinne des § 7 VerbrKrG , wenn der Kreditgeber es vereinbarungsgemäß an einen Dritten ausgezahlt hat (§ 362 Abs. 2, § 185 BGB). Dies entspricht der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH Urteile vom 25.4.2006 - XI ZR 29/05; XI ZR 193/04; XI ZR 219/04 und XI ZR 106/05 m.w.Nw.).

III.

Einen Widerruf des Darlehensvertrags nach dem Haustürwiderrufsgesetz hat der Kläger nicht erklärt.

Ein solcher ist auch nicht möglich. Insoweit fehlt es an einem Widerrufsrecht nach § 1 HWiG, weil eine Haustürsituation nicht vorliegt. Die auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung des Klägers wurde nicht von ihm persönlich abgegeben, sondern von seiner Vertreterin, der A GmbH, die ihrerseits weder Verbraucherin ist noch in einer Haustürsituation handelte. Im Fall der Vertretung ist für die Haustürsituation allein auf den Vertreter, nicht auf den Vertretenen abzustellen (BGH, Urteil vom 2.5.2000 - XI ZR 150/99).

IV.

Einwendungen, die dem Kläger möglicherweise gegen Fondsverantwortliche zustehen, können der Beklagten gegenüber nicht geltend gemacht werden. Ein solcher Durchgriff ist allein beim verbundenen Geschäft (§ 9 III VerbrKrG) möglich, das hier wegen der grundpfandrechtlichen Absicherung des Darlehens (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG) nicht angenommen werden kann.

V.

Letztlich kann der Kläger auch unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes keinen Erfolg haben. Tatsachen, die eine Verletzung vorvertraglicher Pflichten durch die Beklagte (§§ 311, 241 II, 280 BGB n. F.) rechtfertigen könnten, hat der Kläger nicht vorgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittels hat der Kläger zu tragen, da es ohne Erfolg geblieben ist (§ 97 I ZPO)

Eine Zulassung der Revision kommt nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht vorliegen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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