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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 28.08.2008
Aktenzeichen: 9 U 50/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 233
Der Anwalt muss sicherstellen, dass nicht ein einfacher Tippfehler bei der Eingabe eines Datums in den elektronischen Fristenkalender allein zur Versäumung von Notfristen führen kann. Weil das Fehlerrisiko bei der Eingabe von Datumsangaben über eine Tastatur erheblich höher ist als bei der handschriftlichen Übertragung eines Datums, ist es erforderlich, dass eine zweite Person die Eintragungen der Anwaltsgehilfin in das Programm überprüft.
Gründe:

I.

Der Kläger macht Ansprüche aus einem fehlgeschlagenen Anlagegeschäft geltend. Mit Urteil vom 29.4.2008 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Gegen die am 2.5.2008 zugestellte Entscheidung haben die Klägervertreter durch Schriftsatz vom 2.6.2008, bei Gericht am selben Tag eingegangen, Berufung eingelegt.

Mit Schreiben vom 9.7.2008, zugestellt am 15.7.2008, hat der erkennende Senat die Klägervertreter darauf hingewiesen, dass bisher keine Berufungsbegründung eingegangen sei. Da der Hinweis zunächst ohne Antwort blieb, hat der Senat die Berufung mit Beschluss vom 29.7.2008 als unzulässig verworfen.

Mit Schriftsatz vom 4.8.2008 haben die Klägervertreter sodann Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsschrift beantragt und die Berufung begründet. Zwischenzeitlich haben sie auch Rechtsmittel gegen den Beschluss vom 29.7.2008 eingelegt.

Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages tragen die Klägervertreter unter Hinweis auf zwei entsprechende eidesstattliche Versicherungen vom 4.8.2008 (Bl. 716 f. und 719 f. d.A.) vor, zur Versäumung der Berufungsbegründungsfrist sei es gekommen, weil die Anwaltsgehilfin A ein falsches Zustellungsdatum (Monat "06" statt richtig "05") in den elektronischen Fristenkalender eingetragen habe. Hierdurch sei von dem Anwaltsprogramm "Phantasy" automatisch als Frist für die Einreichung der Berufungsbegründung der 2.8.2008 (Samstag) bzw. der 4.8.2008 (Montag) errechnet und gespeichert worden.

II.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gemäß § 233 ZPO kann dem Kläger nicht gewährt werden, weil er bzw. seine Prozessvertreter, deren Verschulden sich der Kläger nach § 85 II ZPO zurechnen lassen muss, nicht ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert waren.

Zwar hindert das Verschulden des Büropersonals eines Rechtsanwalts die Wiedereinsetzung grundsätzlich nicht. Dies gilt jedoch nur dann, wenn der Rechtsanwalt den Fehler seines Personals nicht durch eigene Auswahl-, Organisations-, Belehrungs- oder Überwachungsfehler ermöglicht hat und auch nicht sonst erkennen oder verhindern konnte (Münchener-Kommentar-Feiber ZPO, 2. Auflage, § 233 Rn 25). Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

Nach dem Vortrag der Klägervertreter bleibt bereits unklar, warum trotz des Einsatzes eines elektronischen Fristenkontrollprogramms das - unveränderliche - Zustellungsdatum des angefochtenen Urteils gleich zweimal eingetragen wurde, nämlich einmal - richtig - durch die Anwaltsgehilfin B und sodann nachträglich - falsch - durch die Anwaltsgehilfin A. Es überrascht, dass dies bei einer modernen Anwaltssoftware erforderlich sein soll bzw. das Programm keine Warnmeldung ausgibt, wenn ein schon eingetragenes Datum nachträglich durch eine anderes - die Frist verlängerndes - überschrieben wird.

Geht man einmal davon aus, dass das Programm eine solche Bedienung tatsächlich zulässt bzw. die vorgesehenen Arbeitsabläufe in ihrer Kanzlei dies vorsahen, hätten die Klägervertreter zumindest durch besondere Anweisungen an ihr Personal sicherstellen müssen, dass das Überschreiben eines einmal richtig eingetragenen Datums mit einem falschen unterbleibt. Es liegt auf der Hand, dass sich das Fehlerrisiko bei Arbeitsabläufen erhöht, die das mehrmalige Eintragen oder Ändern eines Datums ermöglichen. Dass die Klägervertreter dies unterlassen haben, stellt ein vorwerfbares Organisations- und Überwachungsverschulden dar.

Darüber hinaus hätten die Klägervertreter sicherstellen müssen, dass nicht ein einfacher Tippfehler bei der Eingabe eines Datums in den elektronischen Fristenkalender allein zur Versäumung von Notfristen führen kann. Weil das Fehlerrisiko bei der Eingabe von Datumsangaben über eine Tastatur erheblich höher ist als bei der handschriftlichen Übertragung eines Datums, wäre es bei dem von den Klägervertretern beschriebenen Verfahren wenigstens erforderlich gewesen, dass eine zweite Person die Eintragungen der Anwaltsgehilfin in das Programm überprüft. Dass dies geschieht, haben die Klägervertreter nicht vorgetragen. In der fehlenden Kontrolle liegt ein vorwerfbares Organisations- bzw. Überwachungsverschulden (in diesem Sinne: BGH NJW-RR 1997, 698; OLG München NJW 1990, 191 und LG Berlin AnwBl. 1993, 585).

Bei dieser Sachlage kann auf sich beruhen, ob die Klägervertreter die Fristversäumnis auch aus weiteren Gründen verschuldet haben. Insbesondere kann dahinstehen, ob es überhaupt einer ordnungsgemäßen Büroorganisation entspricht, wenn die Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist jeweils gesondert und nicht gleichzeitig eingetragen werden. Dahinstehen kann auch, inwieweit die Eintragung von Fristen in die Handakte die Fristversäumnis hätte verhindern können.

Da auch an der Ordnungsgemäßheit der Verkündung des angefochtenen Urteils keine Bedenken bestehen, ist die Berufung zu Recht als unzulässig verworfen worden. Der entsprechende Beschluss des Senats vom 29.7.2008 muss Bestand haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 238 IV ZPO.

Ende der Entscheidung

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