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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 04.07.2006
Aktenzeichen: 9 U 52/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 233
Um sicherzustellen, dass die Büroangestellte nicht eigenmächtig neue unzutreffende Fristen berechnet und die zutreffend notierten wieder streicht, muss ihr der Rechtsanwalt eindeutige Anweisungen für den Fall geben, dass es zu Unsicherheiten bei der Fristberechnung (hier: Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist) kommt, etwa wenn scheinbar eine über den eigenen Antrag hinausgehende Fristverlängerung gewährt wurde.
Gründe:

I.

Die Kläger verlangen von der beklagten Bank Rückabwicklung eines Darlehensgeschäfts, das sie zur Finanzierung einer Eigentumswohnung eingegangen sind.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen das Urteil vom 3.11.2005, das der Klägervertreterin am 22.12.2005 zugestellt worden ist, haben die Kläger durch Schriftsatz vom selben Tag, bei Gericht am 27.12.2005 eingegangen, Berufung eingelegt.

Mit Schreiben vom 20.2.2006, das per Fax an diesem Tag vorab bei Gericht einging, hat die Klägervertreterin eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist für eine Monat - also bis zum 20.3.2006 - beantragt. Mit Verfügung vom 20.2.2006 (Bl. 148 d.A.) hat das Gericht die Berufungsbegründungsfrist "auf insgesamt drei Monate (§ 520 II 1, 3 ZPO)" verlängert.

Unter dem 3.4.2006 hat sich der Vorsitzende des damals zuständigen Senats telefonisch nach dem Verbleib der Berufungsbegründung bei der Klägervertreterin erkundigt. Diese hat daraufhin mitgeteilt, dass die verlängerte Frist versehentlich nicht richtig eingetragen worden sei.

Mit Schriftsatz vom 11.4.2006, bei Gericht am 13.4.2006 eingegangen, hat die Klägervertreterin die Berufung begründet und gleichzeitig gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung beantragt. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages hat sie unter Hinweis auf eine entsprechende eidesstattliche Versicherung ihrer Büroangestellten A vom 11.4.2006 (Bl. 184 f. d.A.) vorgetragen, dass die Mitteilung des Gerichts über die gewünschte Fristverlängerung von Frau A so verstanden worden sei, als dass dem Verlängerungsantrag insgesamt um drei Monate stattgegeben worden sei. Die Büroangestellte habe daher - aus ihrer Sicht folgerichtig - den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist für den 22.5.06 mit einer Vorfrist für den 8.5.2006 notiert.

II.

1. Die Berufung der Kläger ist gemäß § 522 I 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der Frist des § 520 II ZPO bis zum 22.3.2006 begründet wurde, sondern erst am 13.4.2006.

2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist konnte den Klägern nicht gewährt werden, weil aus ihren Darlegungen in der Antragsschrift nicht darauf geschlossen werden kann, dass sie bzw. ihre Prozessvertreterin, deren Verschulden sich die Kläger nach § 85 II ZPO zurechnen lassen müssen, ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert waren.

Die Wiedereinsetzungsgründe müssen gemäß § 236 II ZPO im Antrag bezeichnet werden. Dabei müssen diese Angaben hinreichend substantiiert sein. Welche Angaben geboten sind, ergibt sich aus der konkreten Sachlage. Es dürfen jedoch keine Fragen offen bleiben, weil jede Unklarheit und Unaufgeklärtheit, die ein Verschulden möglich erscheinen lässt, zu Lasten der säumigen Partei zu werten ist (Münchener Kommentar-Feiber ZPO, 2. Auflage, § 236 Rn 13). Bleiben die Umstände, die zur Fristversäumung geführt haben, unaufgeklärt, so ist die Wiedereinsetzung dann ausgeschlossen, wenn ein verschuldeter Umstand möglich erscheint (BGH VersR 1982, 1167; BAG NJW 1990, 2707). So ist es auch hier.

Das Fristversäumnis wurde vorliegend dadurch verursacht, dass die Büroangestellte A die Mitteilung des Gerichts vom 20.2.2006 falsch interpretierte, indem sie das Ende der Berufungsbegründungsfrist zu weit nach hinten - auf den 22.5.2006 - datierte und entsprechende Notierungen und Streichungen im Fristenkalender vornahm.

Grundsätzlich hindert das Verschulden des Büropersonals eines Rechtsanwalts die Wiedereinsetzung nicht. Dies gilt jedoch nur dann, wenn der Rechtsanwalt den Fehler seines Personals nicht durch eigene Auswahl-, Organisations-, Belehrungs- oder Überwachungsfehler ermöglicht hat und auch nicht sonst erkennen oder verhindern konnte (Münchener Kommentar-Feiber ZPO, 2. Auflage, § 236 Rn 13). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Vielmehr muss sich die Klägervertreterin den Vorwurf eines solchen Organisationsverschuldens gefallen lassen.

Zwar hat die Klägervertreterin ihre Büroangestellte für Fälle der Fristverlängerung angewiesen, das hypothetische Ende der beantragten Fristverlängerung im Fristenbuch einzutragen (zur Erforderlichkeit vgl. BGH NJW-RR 2002, 712). Den Darlegungen der Klägervertreterin kann jedoch nicht entnommen werden, dass sie ihrer Büroangestellten eindeutige Anweisungen für den Fall gegeben, dass es zu Unsicherheiten bei der Fristberechnung kommt, etwa wenn - wie hier nach Meinung der Büroangestellten - scheinbar eine über den eigenen Antrag hinausgehende Fristverlängerung gewährt wurde. Um sicherzustellen, dass die Büroangestellte hier nicht eigenmächtig neue unzutreffende Fristen berechnet und die zutreffend notierten wieder streicht, hätte es einer klaren Anweisung der Klägervertreterin bedurft (vgl. hierzu Büttner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, 2. Auflage, § 7 Rn 31 - mit Verweis auf BGH NJW 1996, 1349 und 1298). Diese hätte etwa lauten können, dass grundsätzlich die notierte hypothetische Fristverlängerung nicht ohne ausdrückliche anwaltliche Weisung neu berechnet werden darf oder bei jeder nicht genau datierten Fristverlängerung bei der Klägervertreterin nachzufragen ist. Hätte es eine solche allgemeine Anweisung gegeben, wäre es nicht dazu gekommen, dass die zunächst zutreffend berechneten Fristen von der Büroangestellten A ohne Wissen der Klägervertreterin gelöscht und die Akten verspätet vorgelegt wurden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 I, 238 IV ZPO.

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