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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 24.10.2006
Aktenzeichen: 9 U 79/05
Rechtsgebiete: BGB, HWiG, Haustürwiderrufsrichtlinie, RBerG, VerbrKrG


Vorschriften:

BGB § 134
BGB § 171
BGB § 172
BGB § 826
HWiG § 1
Haustürwiderrufsrichtlinie Art. 4
RBerG § 1
VerbrKrG § 3
VerbrKrG § 9
1. Zum Empfang des Darlehens, mit dem der Erwerb einer Immobilie zu Steuersparzwecken finanziert wird, bei Auszahlung der Valuta an einen Dritten.

2. Kein Fortbestehen der durch eine Haustürsituation hervorgerufenen Überrumpelung bei einem Vertragsschluss, der mehr als vier Monate nach dem Besuch des Vermittlers erfolgt.

3. Ein Wissensvorsprung der Bank in Bezug auf die Höhe des Kaufpreises der kreditfinanzierten Immoblie, der geeignet ist, Schadensersatzansprüche des Darlehensnehmers auszulösen, erfordert neben einem objektiv sittenwidrigen Kaufpreis auch die Kenntnis der Bank von der Überteuerung. Diese Kenntnis kann nicht allein aufgrund der objektiven Überteuerung vermutet werden.

4. Zu den Voraussetzungen, unter denen bei Vorliegen eines institutionalisierten Zusammenwirkens zwischen der kreditgebenden Bank und dem Verkäufer oder Vermittler ein Wissensvorsprung der Bank vermutet werden kann.

5. Zu den Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs des Verbrauchers gegen die Bank aus Art. 4 der Haustürwiderrufsrichtlinie wegen nicht ordnungsgemäßer Belehrung über das Widerrufsrecht nach den Vorgaben des EuGH.


Gründe:

Die Klägerin verlangt Rückzahlung eines Darlehens, mit dem die Beklagte den Erwerb einer Eigentumswohnung zu Steuersparzwecken finanziert hat.

Nach dem Besuch eines Vermittlers in der Wohnung der Beklagten bot diese unter dem 5.2.1993 der Fa. A notariell beurkundet den Abschluss eines Geschäftsbesorgungsvertrages zum Erwerb einer konkret bezeichneten Eigentumswohnung an und erteilte ihr diesbezüglich umfassende Vollmacht (Bl. 13). Diese war nur aus wichtigem Grund widerruflich. Am gleichen Tag bestellte die Notariatsangestellte B namens der Beklagten eine Grundschuld an dem zu erwerbenden Grundstück (Bl. 68). Einen der Beklagten von der Klägerin mit Datum 28.5.1993 (Bl. 38) zugesandten schriftlichen Darlehensvertrag über 155.000,- DM unterschrieb die Beklagte am 16.6.1993 und schickte ihn zurück (Bl. 40). Das Darlehen wurde über eine Grundschuld an der zu erwerbenden Wohnung abgesichert, der vereinbarte Zinssatz war auf fünf Jahre fest vereinbart und betrug anfänglich effektiv 8,17%. Die Auszahlung des Darlehens erfolgte ab dem 20.7.1993 an eine Zedentin der Verkäuferin. Am 7.7.1993 erwarb Herr C als Vertreter der Fa. A für die Beklagte eine noch zu errichtende Eigentumswohnung in der X- Straße in O1 zum Preis von 124.662,- DM (Anlage K 27).

Im Jahr 1998 wurde das Darlehen prolongiert.

Nachdem die Beklagte ihre Zahlungen eingestellt hatte, kündigte die Klägerin das Darlehen am 23.6.2003 und macht den noch offenen Restbetrag mit der vorliegenden Klage geltend.

Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 30.3.2005, auf dessen tatsächliche Feststellungen im Übrigen Bezug genommen wird, stattgegeben. Gegen dieses, ihr am 13.6.2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 12.7.2005 eingegangene und am 11.8.2005 begründete Berufung der Beklagten.

Die Beklagte, die Abweisung der Klage beantragt, ist der Ansicht, zur Rückzahlung des Darlehens schon deswegen nicht verpflichtet zu sein, weil sie es nicht empfangen habe. Die Auszahlung der Valuta an die Zahlstelle der Verkäuferin der Wohnung beruhe auf einer wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz unwirksamen Auszahlungsanweisung. Ihr stünden zudem Schadensersatzansprüche gegen die Klägerin zu, weil diese sie nicht auf die wucherische Überteuerung der Wohnung hingewiesen habe; der Wert der Wohnung habe zum Erwerbszeitpunkt lediglich 50.263,19 DM betragen. Der Darlehensvertrag zwischen ihr und der Klägerin sei bereits bei dem Hausbesuch des Vermittlers geschlossen worden, jedenfalls aber habe ihre Überrumpelung bis zur Unterzeichnung des Darlehensvertrags am 16.6.1993 fortgedauert.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und behauptet, ihr sei am 16.7.1993 eine Ausfertigung der notariellen Vollmachtsurkunde übersandt worden (Bl. 33).

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Z1 (Bl. 897, 1079), Z2 (Bl. 897, 1080), Z3 (Bl. 897, 1081), Z4 (Bl. 1111, 1166), Z5 (Bl. 1111, 1168), und Z6 (Bl. 1211, 1220).

Die Berufung ist zulässig, insbesondere an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, hat in der Sache indes keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht die Beklagte zur Rückzahlung des Darlehens an die Klägerin verurteilt. Ein dahingehender Anspruch steht der Klägerin aus § 607 BGB a.F. zu.

1. Dem Rückforderungsanspruch der Klägerin steht nicht entgegen, dass die Beklagte das Darlehen nicht empfangen hätte. Die unstreitige Auszahlung der Valuta an die Zedentin der Verkäuferin der Wohnung erfolgte auf ausdrückliche Anweisung der Beklagten. Eine entsprechende Anweisung ist sowohl im Kaufvertrag vom 7.7.1993 als auch in der Grundschuldbestellung vom gleichen Tag enthalten. Beide Vertragserklärungen muss die Beklagte sich zurechnen lassen, weil sie wirksam in ihrem Namen abgegeben worden sind. Dabei spielt es keine Rolle, dass die Vollmacht, die sie der Fa. A erteilt hat und in deren Ausnutzung der Kaufvertrag geschlossen wurde, wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz unwirksam ist (§ 134 BGB, Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG; BGH Urteil vom 18.9.2001 -XI ZR 321/00-; BGH Urteil vom 11.10.2001 -III ZR 182/00-; BGH Urteil vom 18.3.2003 -XI ZR 188/02-; BGH Urteil vom 25.3.2003 -XI ZR 227/02-; BGH Urteil vom 26.3.2003 -IV ZR 222/02-; BGH Urteil vom 29.4.2003 -XI ZR 201/02; BGH Urteil vom 16.9.2003 -XI ZR 74/02-; BGH Urteil vom 2.12.2003 -XI ZR 429/02-). Auch in diesem Fall kommt eine Rechtsscheinhaftung des Vollmachtgebers nach §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 1 BGB in Betracht, wenn dem Vertragspartner die Vollmacht im Original bzw. in Ausfertigung vorgelegt wird (BGH Urteil vom 14.5.2002 -XI ZR 155/01-; BGH Urteil vom 25.3.2003 -XI ZR 227/02-). Dies war vorliegend der Fall.

Dabei ist der Senat zu Gunsten der Beklagten nicht bereits aufgrund des erstinstanzlichen Urteils davon ausgegangen, dass der Klägerin vor Auszahlung des Darlehens eine Ausfertigung der notariellen Vollmacht des Notars D vom 7.7.1993 vorlag. Zwar wurde dieser Umstand im Tatbestand des angefochtenen Urteils als unstreitig festgestellt (S. 6 UA). An eine solche erstinstanzliche Tatsachenfeststellung, die auch in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils enthalten sein kann, ist das Berufungsgerichts nach § 529 Abs.1 Nr.1 ZPO grundsätzlich gebunden. Die Tatsachenfeststellung hat die Beklagte nicht nach § 320 ZPO angegriffen. Im vorliegenden Fall entfällt diese Bindungswirkung aber, weil konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Vollständigkeit oder Richtigkeit der Feststellung begründen und zu einer erneuten Tatsachenfeststellung des Berufungsgerichts führen. Solche Zweifel ergeben sich bereits aus dem letzten Satz des streitigen Klägervorbringens im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils, in dem die die Vorlage der Urkunde als streitig dargestellt wird. Hinzu kommt, dass das schriftsätzliche Vorbringen der Beklagte in erster Instanz ein Bestreiten der Vollmachtsvorlage nahe legt. Im Schriftsatz vom 19.12.2003, S. 5 (Bl. 341) 2. Absatz, wird vorgetragen, bei Vorliegen des Geschäftsbesorgungsvertrages habe die Klägerin dessen Nichtigkeit nach dem Rechtsberatungsgesetz erkennen müssen. Bei verständiger Würdigung unter Berücksichtigung des Prozessziels der Beklagten legt dies die Absicht, das von der Klägerin behauptete Vorliegens einer Ausfertigung der im Geschäftsbesorgungsvertrag enthaltenen Vollmacht zu bestreiten, nahe.

Dass der Beklagten bei Auszahlung des Darlehens eine Ausfertigung der notariellen Vollmacht vorlag, steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats fest. Insoweit folgt das Gericht den Bekundungen des Zeugen Z6. Dass dieser sich an den konkreten Einzelfall nicht mehr erinnern konnte, spricht in Anbetracht des rund 13 Jahre zurückliegenden Geschehens nicht gegen seine Glaubwürdigkeit, sondern zeigt, dass der Zeuge bemüht war, seine Angaben auf die ihm tatsächlich erinnerlichen Geschehnisse zu beschränken. Nachvollziehbar und glaubhaft hat er geschildert, dass bei der Klägerin eine Darlehensgewährung und -auszahlung in keinem Fall ohne Vorlage einer Vollmachtsausfertigung nicht in Betracht kam, dass alle innerhalb der Bank Beteiligten dies wussten und so streng darauf achteten, dass er bereit sei, dafür "seine Hand ins Feuer zu legen". Dem Zeuge ist in seiner Zeit bei der Klägerin kein einziger Fall bekannt geworden, in dem anders verfahren worden wäre. Dabei ist es ohne Belang, dass der Zeuge den Unterschied zwischen einer Ausfertigung und einer beglaubigten Abschrift nicht erklären konnte. Nach seinen Angaben gehörte die Prüfung dieser Urkunden nicht zu seinen Aufgaben als Referatsleiter, vorgenommen wurde sie von Kollegen der Abteilung. Im Übrigen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass bei der Klägerin eine bloße Abschrift vorhanden gewesen sein könnte. Gegen die Annahme, dass die in den Kreditakten vorhandene Ausfertigung bereits bei Darlehensgewährung vorlag, spricht nicht, dass weder diese noch das Begleitschreiben - entgegen den sonst üblichen Gepflogenheiten der Bank - einen Posteingangsstempel aufweist. Auch wenn der Zeuge hierfür keine Erklärung hatte, zwingt dies nicht zur Annahme, die Ausfertigung habe bei Vertragsschluss nicht vorgelegen. Für das Fehlen des Stempels gibt es viele Erklärungen, Anhaltspunkte für eine nachträgliche Aktenmanipulation bei der Klägerin sind nicht ersichtlich.

Selbst wenn man diesem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht folgen wollte, liegt eine wirksame Zahlungsanweisung liegt in der Grundschuldbestellungsurkunde vom 14.7.1993 (Bl. 68). Auf die Wirksamkeit der Vollmacht der insoweit für die Klägerin handelnden Notariatsangestellten B durfte die Klägerin nach §§ 171, 172 BGB vertrauen. In der Urkunde wird auf eine im Original vorliegende und beim Notar jederzeit zugängliche Vollmacht verwiesen, so dass die Klägerin aufgrund der Grundschuldbestellungsurkunde auf die Vollmacht genauso vertrauen durfte, wie wenn einer ihrer Mitarbeiter bei dem Beurkundungsvorgang anwesend gewesen wäre und die vom beurkundenden Notar selbst beurkundete Vollmacht hätte zur Kenntnis nehmen können (BGH Urteil vom 15.3.2005 -XI ZR 135/04-; BGHZ 76, 76 (78); OLG Stuttgart, Urteil vom 1.10.2003 -9 U 68/03-).

2. Die Beklagte hat den Darlehensvertrag nicht wirksam nach dem Haustürwiderrufsgesetz widerrufen. Ein Widerrufsrecht stand ihr nicht zu, weil sie zur Abgabe ihrer auf den Abschluss des Vertrages gerichteten Erklärung nicht durch Verhandlungen in ihrer Wohnung bestimmt worden ist. Selbst wenn man dem Vortrag der Beklagten zum Ablauf der Vertragsverhandlungen mit den Vermittlern Z1 und Z5 als wahr unterstellt, beruht der Abschluss des Darlehensvertrages nicht auf der durch einen Hausbesuch erfolgten Beeinträchtigung ihrer Entschließungsfreiheit. Die Vertragsverhandlungen mit den Vermittlern begannen im Herbst 1992 und waren mit Abschluss des notariellen Geschäftsbesorgungsvertrages am 5.2.1993 beendet.

Entgegen der Darstellung der Beklagten hat sie den Darlehensvertrag nicht bereits am 2.2.1993 abgeschlossen. Ihren dahingehenden Vortrag konnte sie nicht beweisen.

Die Zeugin Z1, die an der Vermittlung der Kapitalanlage beteiligt war, konnte sich nicht mehr daran erinnern, ob es am 2.2.1993 überhaupt einen Termin gegeben hat, ob der Beklagten eine Finanzierung vorgeschlagen wurde und wo die einzelnen Beratungsgespräche stattgefunden haben Nach ihrem eigenen Bekunden hat sie nur den Kontakt zu den Kunden hergestellt und die konkreten Verhandlungen danach Herrn Z4 überlassen.

Auch wenn der Zeuge Z4 dies anders dargestellt hat, so konnte auch er nicht bestätigen, dass der Darlehensvertrag bereits im Februar geschlossen worden wäre. Zwar stammt die Handschrift auf der Selbstauskunft der Beklagten von ihm, doch lässt dies Rückschlüsse auf den Zeitpunkt des Darlehensvertragsschlusses nicht zu. Auch der Umstand, dass er den Kunden die Darlehensverträge grundsätzlich erläuterte, lässt offen, ob und wann dies vorliegend geschehen ist.

Der Zeuge Z5, der ebenfalls im Vertrieb tätig war, hat ausdrücklich bestätigt, dass er erst nach dem Beratungsgespräch am 2.2.1993 wegen der Finanzierung mit der Klägerin Kontakt aufgenommen hat, so dass ein Vertragsschluss bereits am 2.2.1993 ausscheidet.

Der Zeuge Z2 ist heute auf Seiten der Klägerin für den Kredit der Beklagten und konnte den Vorgang aus der Kreditakte rekonstruieren. Danach gab es keinerlei Anhaltspunkte für einen Darlehensvertrag bereits am 2.2.1993. Unter diesem Datum existiert allein die Selbstauskunft der Beklagten. Die Schufa-Auskunft stammt vom 19.5., die interne Entscheidung der Klägerin über die Kreditgewährung vom 28.5. 1993. Dass dies alles eindeutig gegen einen Abschluss des Darlehensvertrags bereits im Februar spricht, hat auch der Zeuge Z6, der seiner das zuständige Darlehensreferat der Klägerin leitete, bestätigt.

Auch der Zeuge Z3, der den Kredit der Beklagten auf Seiten der Klägerin zuvor bearbeitete, konnte nichts vortragen, was auf einen Abschluss des Darlehensvertrages bereits im Februar hindeuten könnte.

Nachdem keiner der Zeugen den Vortrag bestätigen konnte, kommt es auf deren Glaubwürdigkeit und die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen nicht an.

Zustande gekommen ist der Darlehensvertrag erst am 16.6. 1993 mit der Unterzeichnung der ihr von der Klägerin zugesandten Vertragsurkunde. Dafür sprechen die vorliegende schriftliche Vertragsurkunde und die vom Zeugen Z2 geschilderten Daten in der Kreditakte der Beklagten.

Am 16.6.1993 dauerte die aufgrund eines Hausbesuchs vor dem 5.2.1993 erfolgte Beeinträchtigung ihrer Entschließungsfreiheit nicht mehr fort.

Zwar ist insoweit ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Vertragsverhandlungen und Vertragsschluss nicht erforderlich (BGHZ 131, 335; BGH NJW 1994, 262), ohne einen solchen aber kann auf die erforderliche Kausalität nicht mehr im Wege einer tatsächlichen Vermutung geschlossen werden, so dass es dann konkreter Feststellungen zum Fortdauern der Beeinträchtigung der Entschließungsfreiheit bedarf. Wird der zeitliche Abstand zwischen Verhandlungen und Abgabe der Willenserklärung zu groß, kann eine tatsächliche Vermutung gegen die Kausalität sprechen (Senatsurteil vom 21.10.2003, NJW-RR 2004, 60). Zutreffend hat das Landgericht unter Beachtung dieser Grundsätze eine Ursächlichkeit der Vertragsverhandlungen Anfang 1993 für den erst Mitte 1993 erfolgten Abschluss des Darlehensvertrags verneint. In dem dazwischen liegenden überaus langen Zeitraum von mehr als vier Monaten hatte die Beklagte ausreichend Möglichkeit und Gelegenheit, sich über anderweitige Finanzierungsmöglichkeiten zu informieren und sich frei zu entscheiden, ob sie das Angebot der Klägerin annehmen wollte oder nicht. Eine Fortdauer der Beeinträchtigung der Entschließungsfreiheit ergibt sich auch nicht daraus, dass sie wirtschaftlich gezwungen war, ein Darlehen zur Finanzierung der bereits eingegangenen Verbindlichkeiten aus dem Kauf einer Eigentumswohnung aufzunehmen. Vor solchermaßen ökonomischen Zwängen schützt das Haustürwiderrufsgesetz den Verbraucher nicht (Senatsurteil vom 21.10.2003, a.a.O.).

Auf die Frage, ob der Zurechnungszusammenhang zwischen Überrumpelung und Vertragsschluss bereits durch die zwischenzeitlich erfolgte notarielle Beurkundung des Geschäftsbesorgungsvertrags entfallen ist (so Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 13.1.2004 -5 U 250/03-, bestätigt von BGH, Beschluss vom 23.11.2004 XI ZR 27/04-), kommt es danach nicht mehr an.

3. Die Beklagte kann ihrer Inanspruchnahme auch keinen eigenen Anspruch auf Schadensersatz aus Verschulden bei Vertragsschluss (c.i.c. [§ 280 BGB n.F.], PFV, § 826 BGB) entgegen halten. Die Klägerin hat keine ihr als Nebenpflicht aus dem Darlehensvertrag obliegenden Aufklärungs- und Hinweispflichten verletzt.

Die Klägerin war nicht gehalten, die Beklagte über Risiken aus der Verwendung des Kredits zum Erwerb der Eigentumswohnung aufzuklären. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine finanzierende Bank nicht verpflichtet, einen Darlehensnehmer über die Gefahren und Risiken der Verwendung eines Darlehens aufzuklären und vor dem Vertragsschluss zu warnen (BGH NJW 2000, 3558; BGH NJW-RR 2000, 1576, beide m. w. Nw.). Das Verwendungsrisiko trägt grundsätzlich der Anleger selbst, dem es obliegt, sich über die damit verbundenen speziellen Gefahren zu informieren und die Entscheidung hierüber eigenverantwortlich zu treffen. Insbesondere bei finanzierten Kapitalanlagen darf die finanzierende Bank regelmäßig davon ausgehen, dass der Kreditnehmer Konzeption und Wirtschaftlichkeit der geplanten Anlage, ggf. unter Einschaltung besonderer Fachberater, hinreichend geprüft hat. Dies gilt auch bei geschäftsunerfahrenen Kunden (OLG Stuttgart WM 2000, 292).

Eine Aufklärungs- und Warnpflicht der Bank kann nur in eng begrenzten Ausnahmefällen angenommen werden, so zum Beispiel, wenn die Bank im Zusammenhang mit der Planung, der Durchführung oder dem Vertrieb des Projekts über ihre Rolle als Kreditgeberin hinausgeht, wenn sie einen, zu den allgemeinen wirtschaftlichen Risiken hinzutretenden besonderen Gefährdungstatbestand für den Kunden schafft oder dessen Entstehung begünstigt, wenn sie sich im Zusammenhang mit der Kreditgewährung sowohl gegenüber dem Bauträger als auch gegenüber dem einzelnen Erwerber in schwerwiegende Interessenkonflikte verwickelt oder wenn sie in Bezug auf spezielle Risiken des Vorhabens einen konkreten Wissensvorsprung vor dem Darlehensnehmer hat und dies auch erkennen kann.

Eine solche Fallgestaltung liegt hier nicht vor. Ein aufklärungspflichtiger Wissensvorsprung der Beklagten folgt insbesondere nicht daraus, dass die von der Beklagten erworbene Wohnung möglicherweise sittenwidrig überteuert war und die Klägerin dies wusste. Der erkennende Senat folgt insoweit der Rechtsprechung des BGH, der eine Aufklärungspflicht der Bank über die Unangemessenheit des Kaufpreises ausnahmsweise annimmt, wenn die Bank bei einem Vergleich von Kaufpreis und Wert des Objekts von einer sittenwidrigen Übervorteilung des Käufers durch den Verkäufer ausgehen muss (Urteile vom 20. Mai 2003 -XI ZR 248/02- m. w. Nw. und vom 18.11.2003 -XI ZR 322/01-). Erforderlich dazu ist zum einen substantiierter Vortrag zum Wert der Wohnung im Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses, der - um als sittenwidrig überteuert angesehen werden zu können - nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs knapp doppelt so hoch sein muss wie der Wert der Wohnung (BGHZ 146, 298, 302 ff. und Urteil vom 20.5.2003 -XI ZR 248/02-, jeweils m. w. Nw.). Dem hat die Beklagte im vorliegenden Fall durch Vorlage der eigenen Wertberechnung nicht genügt. Soweit sie hier für den Kaufzeitpunkt zu einem Wert von 50.263,19,- DM gekommen ist, was unter der Hälfte des Kaufpreises (179.776,- DM) zurückbleibt, ist dies nicht nachvollziehbar. Zu recht hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass schon bei Zugrundelegung des von der Beklagten behaupteten erzielbaren Kaltmietzinses von 14,- DM pro qm und einem Multiplikator von 19,6 ein Ertragswert von rund 80.000,- DM, bei Annahme einer mittleren bis guten Qualität der Wohnung sogar von 100.000,- DM anzunehmen wäre. Letztlich kann die inhaltliche Richtigkeit dieser Berechnungen und der sich daraus ergebende Wert der Wohnung dahinstehen, weil es jedenfalls an der weiter erforderlichen Voraussetzung fehlt.

Erforderlich ist über die objektiv sittenwidrige Überteuerung hinaus nämlich subjektiv die Kenntnis der Bank von der Überteuerung. Dass die Klägerin über eine entsprechende Kenntnis verfügte, hat die Beklagte weder substantiiert vorgetragen noch unter Beweis gestellt. Auf diese Kenntnis kann nicht im Wege einer tatsächlichen Vermutung allein aus der objektiven Überteuerung geschlossen werden. Eine solche Vermutung hat die Rechtsprechung auf Seiten des am Rechtsgeschäft unmittelbar beteiligten Geschäftspartners bejaht. Dies kann zu Lasten der das Geschäft finanzierenden Bank nicht übernommen werden. Die Bank muss sich - anders als der Geschäftspartner selbst - über die Rentabilität des Geschäfts keine Gedanken machen, braucht keinen Vergleich des Werts von Leistung und Gegenleistung anzustellen. Wenn sie sich darauf beschränkt, den beantragten Kredit nach Prüfung der Bonitätsvoraussetzungen zu gewähren, begeht sie keine Pflichtverletzung. Eine solche kommt nur in Betracht, wenn sie trotz positiver Kenntnis von der sittenwidrigen Überteuerung von einem Hinweis an den Darlehensnehmer absieht. Wollte man zu Lasten der finanzierenden Bank das Vorliegen der subjektiven Wuchervoraussetzungen tatsächlich vermuten, würde dies dazu führen, dass die Bank in jedem Fall die beabsichtigte Mittelverwendung prüfen müsste und das Risiko einer Übervorteilung des Darlehensnehmers durch den Vertragspartner des finanzierten Geschäfts trüge. Eine solche Risikoverteilung kommt außerhalb des verbundenen Geschäfts nach § 9 VerbrKrG nicht in Betracht.

Die Annahme eines solchen verbundenen Geschäfts kommt bei einem Immobiliarkredit, wie er hier vorliegt, nach ständiger Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des BGH, der der erkennende Senat folgt, nicht in Betracht. Abgesehen davon, dass beim Erwerb von Grundeigentum die tatsächlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 VerbrKrG schon deswegen nicht vorliegen, weil auch geschäftlich und rechtlich unerfahrenen Käufern klar ist, dass es sich bei Kauf und Darlehen um zwei getrennte Geschäfte handelt, steht einer Anwendung von § 9 VerbrKrG in solchen Fällen § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG entgegen. Danach findet § 9 VerbrKrG keine Anwendung auf Kreditverträge, nach denen der Kredit von der Sicherung durch ein Grundpfandrecht abhängig gemacht und zu für grundpfandrechtlich abgesicherte Kredite üblichen Bedingungen gewährt wird. Diese Bereichsausnahme gilt für Realkredite ausnahmslos (BGH Urteil vom 15.7.2003 -XI ZR 162/00-), soweit die neuere Rechtsprechung Ausnahmen zulässt, betreffen diese alleine Kredite zur Finanzierung der Beteiligung an einem Immobilienfonds, nicht aber Kredite zum Erwerb des Grundeigentums selbst (BGH Urteil vom 21.3.2005 -II ZR 411/02-).

Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG liegen vor: Mit einem anfänglichen effektiven Jahreszins von 8,17% hält sich der den Klägern gewährte Kredit im Rahmen der in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank ausgewiesenen Streubreitengrenzen (BGH Urteil vom 18.3.2003 -XI ZR 422/01-).

Eine teleologische Reduktion des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG ist nicht erforderlich. Sie ist weder nach nationalem Recht noch aufgrund dessen europarechtlicher Auslegung angezeigt. National handelt es sich um eine bewusste, abschließende Regelung des Gesetzgebers, die von der Rechtsprechung zu respektieren ist (BGH Urteile vom 23.9.2003 -XI ZR 135/02- und 12.11.2002 -XI ZR 25/00-). Hieran ändern die rechtlichen Rahmenbedingungen des Europarechts nichts (BGH Urteil vom 16.9.2003 -XI ZR 447/02-). Mit den beiden Entscheidungen vom 25.10.2005 ("Schulte" -C 350/03- und "Crailsheimer Volksbank e.G." -C 229/04-) hat der EuGH ausdrücklich anerkannt, dass die Ausgestaltung der Rechtsfolgen eines Widerrufs nach dem Haustürwiderrufsgesetz dem nationalen Recht überlassen sind die Haustürwiderrufsrichtlinie nationalen Vorschriften nicht entgegen steht, die die Rechtsfolgen des Widerrufs eines Darlehensvertrags auch im Rahmen von Kapitalanlagemodellen, bei denen das Darlehen ohne den Erwerb der Immobilie nicht gewährt worden wäre, auf die Rückabwicklung des Darlehensvertrages beschränken. Insbesondere verbietet es die Haustürwiderrufsrichtlinie nach den genannten Entscheidungen nicht, dass der von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machende Verbraucher die Darlehensvaluta an den Darlehensgeber sofort und mit marktüblichen Zinsen zurückzahlen muss, obwohl das Darlehen nach dem für die Kapitalanlage entwickelten Konzept ausschließlich zur Finanzierung des Erwerbs der Immobilie dient und unmittelbar an den Verkäufer ausbezahlt wird, dass die sofortige Rückzahlung der Darlehensvaluta verlangt wird.

Soweit der EuGH aus Art. 4 der Haustürwiderrufsrichtlinie einen Schadensersatzanspruch des Verbrauchers in den Fällen herleitet, in denen dieser bei ordnungsgemäßer Belehrung über sein Widerrufsrecht die mit dem Erwerb der Kapitalanlage verbundenen Risiken hätte vermeiden können, liegen die Voraussetzungen dieser Ausnahme im vorliegenden Fall nicht vor. Kausal auf der Nichtausübung des Widerrufsrechts können nur solche Risiken beruhen, die der Verbraucher erst nach Abschluss des Darlehensvertrags eingegangen ist. War der Kaufvertrag schon vor Abschluss des Darlehensvertrages zustande gekommen, so hätte er auch durch ordnungsgemäße Belehrung über das Widerrufsrecht nicht mehr beseitigt werden können. Im vorliegenden Fall schuldete die Darlehensgeberin die Belehrung zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Darlehensvertrags mit der Unterzeichnung des Darlehensvertrags durch die Kläger am 29.9.1997. Auch wenn eine ordnungsgemäße Belehrung zu diesem Zeitpunkt erfolgt wäre, hätte der Abschluss des Kaufvertrages über die Wohnung damit nicht mehr vermieden werden können. Die Verpflichtung der Klägerin im Geschäftsbesorgungsvertrag war nur noch bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zu beseitigen, der nicht vorlag. Auch die Klägerin selbst geht davon aus, dass bei Abschluss des Darlehensvertrages der Kaufvertrag nicht mehr vermieden werden konnte (Schriftsatz vom 8.8.2005, Seite 18, 1. Absatz).

Eine Kenntnis der Bank von der Überteuerung kann auch unter Zugrundelegung der neueren Rechtsprechung des BGH nicht vermutet werden. In seiner Entscheidung vom 16.5.2006 (XI ZR 6/04) ist der BGH davon ausgegangen, dass die eine eigene Aufklärungspflicht auslösende Kenntnis der Bank von einer arglistigen Täuschung vermutet wird, wenn Verkäufer oder Vermittler und finanzierende Bank in institutionalisierter Art und Weise zusammenwirken, auch die Finanzierung der Kapitalanlage vom Verkäufer oder Vermittler angeboten wurde und die Unrichtigkeit der Angaben des Verkäufers oder Vermittlers nach den Umständen des Falles evident ist, so dass sich aufdrängt, die Bank habe sich der Kenntnis der arglistigen Täuschung geradezu verschlossen. Die Beklagte hat sich vorliegend darauf beschränkt, das BGH-Urteil, das auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, zu zitieren, ohne zu den danach erforderlichen Voraussetzungen vorzutragen. Entgegen der Ansicht der Beklagten genügen die Angaben der Zeugen Z4 und Z5 für die Annahme eines institutionalisierten Zusammenwirkens der Klägerin mit der Verkäuferin nicht aus. Aus der Aussage des Herrn Z5 ergibt sich schon nicht, dass die Finanzierungszusagen von der Klägerin herrührten, die Aussage des Herrn Z4 lässt nicht erkennen, dass zwischen der Klägerin und dem Vertrieb eine Vertriebsvereinbarung, ein Rahmenvertrag oder konkrete Vertriebsabsprachen bestanden hätten. Dass "viel über die Ulmer Volksbank abgewickelt wurde" reicht genauso wenig, wie die vorab erteilte allgemeine Finanzierungszusage der Klägerin.

Die Kosten des Rechtsmittels hat die Beklagte zu tragen, da es ohne Erfolg geblieben ist (§ 97 I ZPO)

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Eine Zulassung der Revision kommt nicht in Betracht, da die Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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