Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 22.01.2009
Aktenzeichen: 9 U 97/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 85
ZPO § 233
ZPO § 520
Keine Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist, wenn das allein Frist wahrende Voraus-Fax des Schriftsatzes von dem Prozessbevollmächtigten nicht unterzeichnet war und innerhalb der Frist auch keine Anlagen mitgefaxt wurden, die einen "Beglaubigt-Vermerk" tragen.
Gründe:

I.

Die Klägerin macht gegen den Beklagten Ansprüche aus einem Kaufvertragsverhältnis geltend.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen das Urteil vom 26.06.2008, das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 03.07.2008 zugestellt worden ist, hat die Klägerin durch Schriftsatz 23.07.2008, bei Gericht am selben Tag per Fax eingegangen, Berufung eingelegt.

Mit Schreiben vom 09.09.2008, das per Fax an diesem Tag auch bei Gericht eingegangen ist, hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 06.10.2008 beantragt. Mit Verfügung vom 10.09.2008 (Bl. 80 d.A.) hat das Gericht die Berufungsbegründungsfrist antragsgemäß verlängert.

Mit Schriftsatz vom 06.10.2008, bei Gericht per Fax am selben Tage eingegangen, hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Berufung begründet (Bl. 82 ff. d.A.). Der Schriftsatz ist nicht unterzeichnet worden.

Am 07.10.2008 ist bei Gericht das Original des Berufungsbegründungsschriftsatzes eingegangen, der ebenfalls nicht unterzeichnet ist (Bl. 122 d.A.). Beigefügt waren beglaubigte Abschriften des Schriftsatzes, die vom Gericht dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten übersandt worden sind.

Mit Schreiben vom 09.12.2008, das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 15.12.2008 zugestellt worden ist, hat der Senat die Klägerin darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, die Berufung gemäß § 522 Abs.1 ZPO als unzulässig zu verwerfen (Bl. 142 d.A.).

Mit vom Klägervertreter unterschriebenen und am gleichen Tage per Fax bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 29.12.2008 (Bl. 147 d.A.) hat die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt.

Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages hat sie unter Hinwies auf eine entsprechende eidesstattliche Versicherung ihres Prozessbevollmächtigten vom 29.12.2008 (Bl. 151 d.A.) vorgetragen, dass der Berufungsbegründungsschriftsatz am 06.10.2008 von diesem selbst fertiggestellt und vervielfältigt und die beglaubigte Abschrift im Original von ihm unterzeichnet worden sei. Sodann habe er den Originalschriftsatz an das Oberlandesgericht gefaxt und dabei versehentlich nicht kontrolliert, ob auch dieser nach dem Kopieren von ihm unterzeichnet gewesen sei. Den Originalschriftsatz habe er nebst beglaubigter, von ihm selbst unterzeichneter beglaubigter Abschrift noch am 06.10.2008 in die Post eingelegt.

Im Übrigen trägt die Klägerin vor, dass ihr Prozessbevollmächtigter in der Zeit vom 03.10.-12.10.2008 als Notarvertreter für den Notar A bestellt gewesen sei. Er habe aufgrund des besonders hohen und wegen der Vertretung auch zusätzlichen Arbeitsaufkommens und zahlreicher anderweitiger Fristabläufe sämtliche an diesem Tag gefertigte Schriftsätze aus seiner Unterschriftenmappe erst gegen 17.15 Uhr unterzeichnet, nachdem die Berufungsbegründung erst um 16.24 Uhr fertiggestellt worden sei. Er habe sie um 17.23 Uhr versandt. Der Prozessbevollmächtigte kontrolliere mehr als gewissenhaft, ob seine Schriftsätze jeweils ordnungsgemäß unterzeichnet seien und die ordnungsgemäße Wahrung von Fristen.

Der Beklagtenvertreter trägt vor, die ihm zugegangene beglaubigte Abschrift sei im Rahmen des "Beglaubigt"-Vermerk von dem Klägervertreter unterzeichnet gewesen.

II.

1. Die Berufung der Kläger ist gemäß § 522 Abs.1 S. 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der Frist des § 520 Abs. 2 ZPO bis zum 06.10.2008 ordnungsgemäß begründet wurde. Denn der am 06.10.2008 bei Gericht per Fax eingegangene Schriftsatz entspricht nicht den Anforderungen der §§ 520 Abs. 3 S. 1, Abs. 5 i.V.m. 130 Nr. 6 ZPO. Selbst wenn man davon ausgeht, die Unterschrift unter die beglaubigte Abschrift des Schriftsatzes oder die Unterschrift unter den "Beglaubigt"-Vermerk der beglaubigten Abschrift würde dem genannten Unterschriftserfordernis genügen, wäre die Berufungsbegründung zu spät bei Gericht eingegangen, da der per Fax eingegangene - allein fristwahrende - Schriftsatz jedenfalls nicht unterschrieben war.

2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist konnte der Klägerin nicht gewährt werden, weil aus ihren Darlegungen in der Antragsschrift nicht darauf geschlossen werden kann, dass sie bzw. ihr Prozessvertreter, deren Verschulden sich die Klägerin nach § 85 Abs.2 ZPO wie eigenes zurechnen lassen muss, ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert waren.

Das Fristversäumnis wurde vorliegend dadurch verursacht, dass der Prozessvertreter - wie er in seiner eidesstattlichen Versicherung angibt - versehentlich nicht kontrolliert hat, ob er auch die Originalberufungsbegründung nach dem Kopieren unterzeichnet hat. Das Vergessen einer Frist oder der Vornahme einer für die Fristwahrung erforderlichen Handlung ist jedoch regelmäßig schuldhaft (BGH VersR 1975, 40; NJW 1964, 2302; Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl. 2008, Rz. 23, Stichwort "Vergessen").

Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, der Prozessbevollmächtigte habe an diesem Tage wegen der Notarvertretung und zahlreicher anderweitiger Fristabläufe ein besonders hohes Arbeitsaufkommen zu bewältigen gehabt. Ein Rechtsanwalt muss grundsätzlich für den mangelfreien Zustand ausgehender Schriftsätze sorgen und diese insoweit auf Richtigkeit und Vollständigkeit hin prüfen. Auf fristwahrende Schriftsätze wird er dabei sein besonderes Augenmerk richten müssen. Hohes Arbeitsaufkommen und die Übernahme von Vertretungen sind in der anwaltlichen Praxis durchaus üblich. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass die Umstände am fraglichen Tag aus besonderen und für den Prozessbevollmächtigten nicht vorhersehbaren Gründen so ungewöhnlich und nicht zu bewältigen waren, dass eine Überprüfung der Unterschrift unter das einzig fristwahrende Fax nicht möglich war.

Darauf, ob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin bisher sorgfältig Fristen kontrolliert oder Schriftsätze überprüft hat, kommt es nicht an, da sein Verschulden der Partei wie eigenes zugerechnet wird (§ 85 Abs. 2 ZPO). Lediglich Verschulden des Büropersonals, das nicht auf einem Organisationsverschulden des Anwalts beruht, hat die Partei nicht zu vertreten (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 26.04.2004, 1 BvR 1819/00, Rz. 11, zitiert nach Juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 I, 238 IV ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück