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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 06.07.2004
Aktenzeichen: 9 W 15/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 227 IV 3
1. Stellt sich nach Bewilligung, aber noch vor Wirksamwerden der öffentlichen Zustellung heraus, dass deren Voraussetzungen nicht vorlagen, so ist eine Korrektur der getroffenen Entscheidung unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten (Art. 103 GG) nicht nur möglich, sondern sogar geboten.

2. Verlegt das Gericht den Termin trotz Wirksamwerdens der öffentlichen Zustellung und ordnet die Zustellung der Ladung zu einem neuen Termin im Wege der Auslandszustellung und der öffentlichen Zustellung an, so ist eine sofortige Beschwerde dagegen unstatthaft.


OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

9 W 15/04

Entscheidung vom 06.07.2004

In der Beschwerdesache

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch ... ohne mündlichen Verhandlung am 6. Juli 2004 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 25. Mai 2004 wird verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin gegen den Beklagten einen Teilbetrag aus Darlehensrückforderung in Höhe von 3.000.000,- € geltend.

Das Landgericht bewilligte auf Antrag der Klägerin die öffentliche Zustellung von Klage und Ladung zu dem auf den 1.7.2004 bestimmten Termin mit Beschluss vom 1.4.2004. Der Aushang an der Gerichtstafel erfolgte vom 29.4. bis zum 8.6.2004. Am 11.5.2004 teilte ein früherer Bevollmächtigter des Beklagten mit, ihm sei eine Anschrift des Beklagten in den USA bekannt. Mit Beschluss vom 25.5.2004 verlegte das Landgericht den Termin auf den 4.11.2004 und ordnete die Zustellung der Ladung des Beklagten zu diesem Termin sowohl im Wege der Auslandszustellung als auch im Wege der öffentlichen Zustellung an. Die Klägerin übersandte am 27.5.2004 weitere Abschriften der Klageschrift. Der Aushang an der Gerichtstafel erfolgte vom 9.6. bis zum 24.6.2004. Eine Gegenvorstellung der Klägerin wies das Landgericht telefonisch zurück. Mit der am 22.6.2004 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde erstrebt die Klägerin Aufhebung des Beschlusses vom 25.5.2004, Feststellung, dass Klage und Ladung bereits wirksam zugestellt seien und Bestimmung des Verhandlungstermins auf den 1.7.2004. Die Akten gingen am 30.6.2004 beim Oberlandesgericht ein und wurden dem Senat am 5.7.2004 vorgelegt.

Die sofortige Beschwerde ist unzulässig.

Zwar ist sie form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Einlegungsfrist beträgt zwei Wochen, beginnt im vorliegenden Fall aber erst fünf Monate nach der Bekanntgabe der Entscheidung, da eine förmliche Zustellung des Beschlusses an die Klägerin nicht erfolgt ist (§ 569 I 2 ZPO). Der Anwendung dieser Vorschrift steht nicht entgegen, dass der Beschluss auch nicht verkündet wurde, da insoweit eine entsprechende Anwendung geboten ist (OLG Koblenz OLGR 2003, 163; Zöller/Gummer, ZPO, 24. Aufl., § 569 Rn. 4).

Die sofortige Beschwerde ist indes nicht statthaft. Gemäß § 567 I ZPO findet sie nur statt gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Landgerichte, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder es sich um solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidungen handelt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist. Keine dieser Alternativen ist vorliegend erfüllt. Mit dem angefochtenen Beschluss ist zum einen die Zustellung von Klage und Terminsladung angeordnet (§§ 271, 214 ZPO), zum anderen ein bereits bestimmter Termin verlegt worden (§ 227 ZPO). Weder die Zustellungsanordnung noch die Terminsverlegung sind kraft Gesetzes mit der sofortigen Beschwerde angreifbar. Auch handelt es sich nicht um die Zurückweisung eines Gesuchs der Klägerin.

Die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde ergibt sich auch nicht aus § 252 ZPO. Nach dieser Vorschrift unterliegen Entscheidungen über die Aussetzung des Verfahrens der Anfechtung. Entsprechende Anwendung kann diese Norm auf Entscheidungen des Gerichts finden, mit denen faktisch ein Stillstand des Verfahrens herbeigeführt wird. Angenommen hat die Rechtsprechung dies in Fällen, in denen ein bereits bestimmter Termin ohne Bestimmung eines neuen Termins aufgehoben wurde oder in denen der neue Termin unangemessen weit in die Zukunft verschoben wurde (OLG Celle NJW 1975, 1230; Zöller/Greger, a.a.O., § 252 Rn. 1). Davon kann vorliegend nicht die Rede sein. Das Landgericht hat mit der Aufhebung des Termins am 1.7.2004 neuen Termin auf den 4.11.2004 bestimmt. Es hat durch den gleichzeitigen Betrieb von Auslands- und öffentlicher Zustellung sichergestellt, dass die Ladung zu diesem Termin wirksam erfolgt und eine Verhandlung möglich sein wird. Der neue Termin liegt auch nicht so weit in der Zukunft, dass von einer Rechtsverweigerung oder einem Stillstand des Verfahrens gesprochen werden könnte.

Dass die Verlegung eines Termins auf einen späteren Zeitpunkt alleine grundsätzlich nicht anfechtbar ist, hat der Gesetzgeber in § 227 IV 3 ZPO ausdrücklich geregelt. Damit unterliegt die Frage, warum es zu der Terminsverlegung gekommen ist, nicht der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht. Dahingestellt bleiben muss deswegen, ob die erneute Zustellung an die nachträglich bekannt gewordene Anschrift erforderlich oder auch nur sachgerecht war oder ob eine Verhandlung am 1.7.2004 hätte stattfinden können, weil die bereits erfolgte öffentliche Zustellung wirksam war. Willkürlich waren die Erwägungen des Landgerichts nicht. Stellt sich vor Wirksamwerden der öffentlichen Zustellung heraus, dass deren Voraussetzungen nicht vorlagen, so ist eine Korrektur der getroffenen Entscheidung unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten (Art. 103 GG) nicht nur möglich, sondern sogar geboten.

Keine Möglichkeit der Anfechtung im Beschwerdeweg ergibt sich auch aus der Zustellungsanordnung des Landgerichts. Entgegen der Ansicht der Klägerin liegt hierin keine Zurückweisung eines Antrags. Das Landgericht hat auch für die Ladung zum 4.11.2004 neben der Auslandszustellung die öffentliche Zustellung bewilligt und damit dem hierauf gerichteten Antrag der Klägerin stattgegeben.

Keiner Ausführungen bedürfen damit die von der Klägerin gestellten Anträge, insbesondere die Fragen, ob im Beschwerderechtszug ein Termin für das erstinstanzliche Gericht bestimmt werden kann, wie es sich auf die Beschwerde auswirkt, wenn der "beantragte" Termin zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung bereits verstrichen und damit prozessuale Überholung eingetreten ist, und ob mit der Beschwerde die Feststellung prozessualer Zwischenfragen erreicht werden kann.

Die Kosten des Rechtsmittels hat die Klägerin zu tragen, da es ohne Erfolg geblieben ist (§ 97 I ZPO) Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde kommt nicht in Betracht, da die Voraussetzungen des § 574 II ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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