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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 22.09.2006
Aktenzeichen: 9 W 25/06
Rechtsgebiete: HWiG, VerbrKrG, Haustürwiderrufsrichtlinie, ZPO


Vorschriften:

HWiG § 1
HWiG § 3
VerbrKrG § 3
VerbrKrG § 9
Haustürwiderrufsrichtlinie Art. 4
ZPO § 768
1. Zur Kausalität der Überrumpelung für den Vertragsschluss im Rahmen eines Haustürgeschäfts.

2. Zu den Rechtsfolgen eines wirksamen Widerrufs nach § 3 HWiG.

3. Kein Einwendungsdurchgriff nach § 9 III VerbrKrG bei Vorliegen eines Realkreditvertrages nach § 3 II Nr. 2 VerbrKrG.

4. Kausal auf der Nichtausübung des Widerrufsrechts können nur solche Risiken beruhen, die der Verbraucher erst nach Abschluss des Darlehensvertrages eingegangen ist.


Gründe:

Die Antragsteller begehren Prozesskostenhilfe für eine Vollstreckungsgegenklage. Sie haben zu Steuersparzwecken zwei Eigentumswohnungen erworben und zur Sicherung der Darlehen, mit denen sie den Kaufpreis finanzierten, Grundschulden bestellt. Aus diesen betreibt die Antragsgegnerin zu 3) die Zwangsvollstreckung. Das Landgericht hat den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 18.7.2006, der den Antragstellern am 24.7.2006 zugestellt wurde, mangels Erfolgsaussicht zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die am 23.8.2006 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde der Antragsteller.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere an sich statthaft (§§ 567 I Nr. 1, 127 II 2 ZPO) sowie form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 569, 127 II 3 ZPO). Sie hat in der Sache indes keinen Erfolg, weil das Landgericht die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage im Ergebnis zu Recht abgelehnt hat.

1.

Der beabsichtigten Zwangsvollstreckung steht nicht entgegen, dass die abgesicherten Darlehensforderungen nicht bestehen. Insbesondere können die Darlehensverträge nicht nach dem Haustürwiderrufsgesetz widerrufen werden. Dabei kann dahin stehen, ob ein solcher Widerruf bereits wirksam erklärt wurde und ob überhaupt ein Widerrufsgrund vorlag, ob also der Vertrag auf der Überrumpelung in einer Haustürsituation beruht. Selbst wenn man beides zugunsten der Antragsteller annimmt, fehlt es zumindest an einem schlüssigen Vortrag zur Kausalität der Überrumpelung für den Vertragsschluss. Ein Widerrufsrecht des Verbrauchers besteht bei Haustürgeschäften nur, wenn ihre Willenserklärung im entscheidenden Beweggrund durch die Haustürsituation veranlasst worden ist. Dabei genügt zwar eine Mitverursachung, doch ist erforderlich, dass der Vertrag ohne die Überrumpelung nicht oder zumindest nicht so zustande gekommen wäre. Ist die Vertragserklärung nicht unmittelbar in der Haustürsituation abgegeben worden, so muss im Einzelfall geprüft werden, ob das durch die Verhandlungen in der Privatwohnung geschaffene Überraschungsmoment noch fortgewirkt hat. Dazu ist enger zeitlicher Zusammenhang nicht unbedingt erforderlich: Liegt er vor, so kann auf das Fortwirken zwingend geschlossen werden. Mit zunehmendem zeitlichen Abstand aber nimmt die Indizwirkung ab und entfällt schließlich gänzlich. In diesen Fällen kann auf die Kausalität der Überrumpelung nur noch durch Würdigung aller Umstände im Einzelfall geschlossen werden. Im vorliegenden Fall fehlt jeder nachvollziehbare Vortrag der Antragsteller zum zeitlichen Ablauf der dem Vertragsschluss vorausgegangenen Gespräche. Ohne eine solche kann das Vorliegen der für das Widerrufsrecht erforderlichen Ursächlichkeit nicht geprüft werden.

Letztlich kann dies aber ebenfalls dahin stehen. Auch wenn man die Voraussetzungen eines Widerrufsrechts nach dem Haustürwiderrufsgesetz zugunsten der Antragsteller unterstellt, folgt daraus kein Rückzahlungsanspruch gegen die Antragsgegner.

Rechtsfolge eines wirksamen Widerrufs nach dem Haustürwiderrufsgesetz ist die Pflicht beider Vertragsparteien zur Rückgewähr des aus dem Vertrag Erlangten (§ 3 HTWG). Zwar könnten die Antragsteller damit Rückzahlung der auf das Darlehen erbrachten Raten verlangen, diesem eigenen Zahlungsanspruch stünde indes ein Anspruch der Antragsgegner auf Rückzahlung der Darlehensvaluta zuzüglich marktüblicher Verzinsung entgegen. Diesen eigenen Rückzahlungsanspruch können die Antragsgegner dem Zahlungsanspruch der Antragsteller entgegen halten (dolo-facit-Einrede).

Eine andere Form der Vertragsrückabwicklung ergibt sich nicht unter dem Gesichtspunkt des verbundenen Geschäfts (§ 9 VerbrKrG). Danach wären die Darlehensverträge und die Kaufverträge als Einheit zu betrachten, so dass die Antragsteller so zu stellen wären, als hätten sie aus dem Gesamtgeschäft nicht das Darlehen, sondern nur die Eigentumswohnungen erlangt und wären damit auch nur zu deren Rückübereignung verpflichtet. § 9 VerbrKrG kann auf den vorliegenden Fall keine Anwendung finden.

Abgesehen davon, dass beim Erwerb von Grundeigentum die tatsächlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 VerbrKrG schon deswegen nicht vorliegen, weil auch geschäftlich und rechtlich unerfahrenen Käufern klar ist, dass es sich bei Kauf und Darlehen um zwei getrennte Geschäfte handelt, steht einer Anwendung von § 9 VerbrKrG in solchen Fällen § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG entgegen. Danach findet § 9 VerbrKrG keine Anwendung auf Kreditverträge, nach denen der Kredit von der Sicherung durch ein Grundpfandrecht abhängig gemacht und zu für grundpfandrechtlich abgesicherte Kredite üblichen Bedingungen gewährt wird. Diese Bereichsausnahme gilt für Realkredite ausnahmslos (BGH Urteil vom 15.7.2003 -XI ZR 162/00-); soweit die jüngere Rechtsprechung des II. Zivilsenat beim BGH Ausnahmen zugelassen hat, betreffen diese allein Kredite zur Finanzierung der Beteiligung an einem Immobilienfonds, nicht aber Kredite zum Erwerb des Grundeigentums selbst (BGH Urteil vom 21.3.2005 -II ZR 411/02-).

Eine teleologische Reduktion des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG ist nicht erforderlich. Sie ist weder nach nationalem Recht noch aufgrund dessen europarechtlicher Auslegung angezeigt. National handelt es sich um eine bewusste, abschließende Regelung des Gesetzgebers, die von der Rechtsprechung zu respektieren ist (BGH Urteile vom 23.9.2003 -XI ZR 135/02- und 12.11.2002 -XI ZR 25/00-). Hieran ändern die rechtlichen Rahmenbedingungen des Europarechts nichts (BGH Urteil vom 16.9.2003 -XI ZR 447/02-). Mit den beiden Entscheidungen vom 25.10.2005 ("Schulte" -C 350/03- und "Crailsheimer Volksbank e.G." -C 229/04-) hat der EuGH ausdrücklich anerkannt, dass die Ausgestaltung der Rechtsfolgen eines Widerrufs nach dem Haustürwiderrufsgesetz dem nationalen Recht überlassen sind die Haustürwiderrufsrichtlinie nationalen Vorschriften nicht entgegen steht, die die Rechtsfolgen des Widerrufs eines Darlehensvertrags auch im Rahmen von Kapitalanlagemodellen, bei denen das Darlehen ohne den Erwerb der Immobilie nicht gewährt worden wäre, auf die Rückabwicklung des Darlehensvertrages beschränken. Insbesondere verbietet es die Haustürwiderrufsrichtlinie nach den genannten Entscheidungen nicht, dass der von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch machende Verbraucher die Darlehensvaluta an den Darlehensgeber sofort und mit marktüblichen Zinsen zurückzahlen muss, obwohl das Darlehen nach dem für die Kapitalanlage entwickelten Konzept ausschließlich zur Finanzierung des Erwerbs der Immobilie dient und unmittelbar an den Verkäufer ausbezahlt wird, dass die sofortige Rückzahlung der Darlehensvaluta verlangt wird.

Soweit der EuGH aus Art. 4 der Haustürwiderrufsrichtlinie in den Fällen nicht ordnungsgemäßer Belehrung einen Anspruch des Verbrauchers auf Freistellung von denjenigen mit dem Erwerb der Kapitalanlage verbundenen Risiken herleitet, die er bei ordnungsgemäßer Belehrung über ihr Widerrufsrecht hätte vermeiden können, liegen die Voraussetzungen dieser Ausnahme im vorliegenden Fall nicht vor. Kausal auf der Nichtausübung des Widerrufsrechts können nämlich nur solche Risiken beruhen, die der Verbraucher erst nach Abschluss des Darlehensvertrags eingegangen ist (BGH Urteil vom 16.5.2006 -XI ZR 6/04-). War der Kaufvertrag schon vor Abschluss des Darlehensvertrages zustande gekommen, so hätte er auch durch ordnungsgemäße Belehrung über das Widerrufsrecht nicht mehr beseitigt werden können. Im vorliegenden Fall lag der Erwerb der Immobilien vor dem Zustandekommen der Darlehensverträge. Auch wenn mit den Darlehensverträgen eine ordnungsgemäße Belehrung über das Widerrufsrecht nach dem Haustürwiderrufsgesetz erfolgt wäre, hätte der Abschluss des Kaufvertrages über die Immobilien damit nicht mehr vermieden werden können. Eine Möglichkeit zur nachträglichen Beseitigung dieses Kaufvertrags bestand für die Antragsteller nicht mehr. Ein vertragliches Rücktrittsrecht zu ihren Gunsten war im Kaufvertrag nicht vereinbart, die Voraussetzungen eines gesetzlichen Rücktrittsrechts sind nicht ersichtlich, für eine Anfechtung fehlt es an einem hierzu berechtigenden Grund. Das spätere Nichtzustandekommen des Darlehensvertrags kann Auswirkungen auf den zuvor geschlossenen Kaufvertrag nur über die Grundsätze des verbundenen Geschäfts entfalten, die aber nach der vorstehend dargestellten bisherigen Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des BGH, die auch der EuGH insoweit ausdrücklich billigt, auf Immobiliarverträge keine Anwendung finden.

Ein verbundenes Geschäft kann auch aus § 242 BGB nicht angenommen werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, sind der Realkreditvertrag und das finanzierte Grundstücksgeschäft grundsätzlich nicht als zu einer Einheit verbundene Geschäfte anzusehen. Der Widerruf des Realkreditvertrags berührt die Wirksamkeit des Kaufvertrages über die Eigentumswohnung daher grundsätzlich nicht (BGH Urteile vom 12.11.2002 -XI ZR 25/00-; 15.7.2003 -XI ZR 162/00-; 21.7.2003 -II ZR 387/02-; 16.9.2003 -XI ZR 447/02-; 23.9.2003 -XI ZR 135/02-). Ist die Annahme eines verbundenen Geschäfts nach § 9 VerbrKrG gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG ausgeschlossen, kommt jedenfalls im Anwendungsbereich des § 1 VerbrKrG ein Rückgriff auf die von der Rechtsprechung zum Abzahlungsgesetz aus § 242 BGB hergeleiteten Grundsätze über das verbundene Geschäft grundsätzlich nicht in Betracht (BGH Urteil vom 27.1.2004 -XI ZR 37/03-).

2.

Ergeben sich damit aus einem Widerruf nach dem Haustürwiderrufsgesetz keine Ersatzansprüche der Antragsteller, so können sie Einwendungen gegen den der Zwangsvollstreckung zugrunde liegenden materiellen Anspruch nicht darauf stützen, dass sie hieraus einen "Anspruch auf Rückbehalt, hilfsweise Aufrechnung" herleiten.

3.

Offen bleiben muss, ob die Antragsteller eine Aufrechnung mit Gehaltsansprüchen des Antragstellers zu 2) gegen die Antragsgegnerin zu 1) (gegen die sich die Klage gar nicht mehr richten soll) erklären können. Diese Ansprüche sind streitig, ihr Bestehen kann nur im Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten geklärt werden (OLG Dresden VIZ 2001, 54; Rupp NJW 1992, 3274).

4.

Die von den Antragstellern beabsichtigte Klage kann auch nach § 768 ZPO keinen Erfolg haben. Berechtigte sachliche Einwendungen gegen die Vollstreckungsklausel sind nicht ersichtlich.

Die Antragsgegnerin zu 3) ist Inhaberin der Forderung geworden. Die Rechtsnachfolge hat sie mit Schriftsatz vom 5. Mai 2006 nachvollziehbar dargelegt und durch die Vorlage der entsprechenden Urkunden belegt. Die hiergegen vorgebrachten Einwendungen Antragsteller überzeugen nicht und führen insbesondere auch unter Beachtung des Grundsatzes, dass die Darlegungs- und Beweislast für die materielle Berechtigung im Verfahren nach § 768 ZPO beim Gläubiger liegt, nicht zur Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung.

Die im Rahmen der Rechtsnachfolge erfolgte Abtretung der Forderung verstößt nicht gegen § 399 BGB. Die Vereinbarung zwischen einer Bank und einem Kunden begründet ein solches Abtretungsverbot jedenfalls dann nicht, wenn der Kredit - wie vorliegend - bereits notleidend geworden ist (Bruchner BKER 2004, 394; Stiller ZIP 2004, 2027; Rögner NJW 2004, 3230; Jobe ZIP 2004, 2415; Nobbe WM 2005, 1537). Weder das "Bankgeheimnis" noch der Datenschutz rechtfertigen insoweit eine andere Beurteilung.

Die Kostenentscheidung beruht auf 127 IV ZPO.

Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde kommt nicht in Betracht, da die Voraussetzungen des § 574 II ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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