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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 19.04.2007
Aktenzeichen: 1 Kart-U 5/06
Rechtsgebiete: EuGVVO, ZPO, UWG, GWB, EGBGB


Vorschriften:

EuGVVO Art. 5 Nr. 3
ZPO § 32
UWG § 14
GWB § 21
GWB § 33
GWB § 130 Abs. 2
EGBGB Art. 40 Abs. 1 S. 2
Zur Frage der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte für Ansprüche wegen im Ausland veranlasster Liefersperren, die sich im Inland auswirken.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 Kart-U 5/06

In dem Rechtsstreit

Verkündet am: 19. April 2007

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Gärtner, Spannuth, Terschlüssen nach der am 29. März 2007 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 22. Juni 2006, Az. 315 O 809/05, mit der Maßgabe bestätigt, dass der Unterlassungstenor der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 7. November 2005, Az. 315 O 809/05, wie folgt lautet:

Im Wege der einstweiligen Verfügung wird der Antragsgegnerin bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000,00; Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre) verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs touristische Leistungsträger (Hotelbetreiber, Fluggesellschaften, Mietwagenunternehmen) zur Nichtbelieferung der Antragstellerin aufzufordern oder auffordern zu lassen, insbesondere diesen gegenüber eine Klausel mit dem Inhalt "Es wird Exklusivität gegenüber H. vereinbart" zu verwenden und/oder verwenden zu lassen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Antragsgegnerin zur Last.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin aus Kartell- und Wettbewerbsrecht auf Unterlassung der Verwendung einer vertraglichen Exklusivitätsklausel, welche die Belieferung der Antragstellerin mit Hotelkapazitäten ausschließt, in Anspruch.

Die Parteien sind Reiseveranstalter. Beide Parteien kaufen u.a. auf Mallorca in größerem Umfang Hotelleistungen ein, die sie dann u.a. deutschen Reisekunden in Kombination mit weiteren Leistungen anbieten.

Die Antragstellerin bietet deutschen Kunden seit April 2005 Pauschalreisen und Einzelreiseleistungen (Hotel, Flug und/oder Transfer) auf Mallorca (Spanien) an (vgl. Anlage ASt 5). Als Reiseveranstalter tritt dabei die Antragstellerin, die spanische Fa. H. S.A, als deren deutsche Vertriebsgesellschaft die deutsche Fa. H. GmbH, auf (Anlagen ASt 5 und AG 1). Die Reiseleistungen der Antragstellerin werden u.a. mit Katalogen, welche bundesweit an Reisebüros verteilt werden, aber auch über das Internet beworben und vertrieben.

Mit Schreiben vom 21. Oktober 2005 mahnte die Antragstellerin die Antragsgegnerin ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Antragsgegnerin bei ihrem Einkauf von Hotelkapazitäten auf Mallorca den Hoteliers eine Zusatzvereinbarung zu den üblichen Hotelverträgen vorlege. Darin heiße es "Es wird Exklusivität gegenüber H. vereinbart". Mit dieser Zusatzvereinbarung würden die Hoteliers somit aufgefordert, der Antragstellerin keine Hotelkapazitäten zur Verfügung zu stellen. Dies stelle u. a. eine wettbewerbswidrige Behinderung der Antragstellerin sowie einen kartellrechtswidrigen Aufruf zu einer Liefersperre dar (Anlage ASt 3). Die Antragsgegnerin war jedoch nicht bereit, die verlangte Unterlassungsverpflichtungserklärung (Anlage AG 2) abzugeben.

Nachfolgend erwirkte die Antragstellerin die vorliegende einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 7. November 2005, Az. 315 O 809/05, mit welcher der Antragsgegnerin bei Vermeidung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten wurde, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs touristische Leistungsträger (Hotelbetreiber, Fluggesellschaften, Mietwagenunternehmen) zur Nichtbelieferung der Antragstellerin aufzufordern oder auffordern zu lassen oder diesen gegenüber wörtlich oder sinngemäß eine Klausel mit dem Inhalt "Es wird Exklusivität gegenüber H. vereinbart" zu verwenden oder verwenden zu lassen.

Im Hinblick auf die zwischenzeitlich erfolgte Rücknahme des zunächst ebenfalls im Wege des Verfügungsantrages geltend gemachten Auskunftsanspruchs wurden der Antragstellerin 1/10, der Antragsgegnerin 9/10 der Kosten des Erlassverfahrens auferlegt.

Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin bestätigte das Landgericht Hamburg die vorgenannte einstweilige Verfügung mit Urteil vom 22. Juni 2006 mit der Maßgabe, dass es im Unterlassungstenor zu I. statt "[...] oder diesen gegenüber wörtlich oder sinngemäß eine Klausel mit dem Inhalt [...], nunmehr "[...] insbesondere diesen gegenüber wörtlich oder sinngemäß eine Klausel mit dem Inhalt [...] hieß. Die weiteren Kosten des Rechtsstreits wurden der Antragsgegnerin auferlegt.

Gegen dieses landgerichtliche Urteil hat die Antragsgegnerin nachfolgend frist- und formgerecht Berufung eingelegt und diese auch frist- und formgerecht begründet.

Zur Begründung der Berufung wiederholt und vertieft die Antragsgegnerin ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Danach sei der Verfügungsantrag schon deshalb unzulässig gewesen, weil das Landgericht Hamburg weder international noch örtlich zuständig gewesen sei. Sowohl der Handlungsort als auch der Erfolgsort der angeblichen Verletzungshandlung lägen in Spanien. Auch als Marktort sei lediglich Spanien betroffen.

Die Unzulässigkeit des ursprünglichen Unterlassungsantrages ergebe sich auch daraus, dass der Antrag nicht hinreichend bestimmt sei. Durch die Verwendung der Formulierung "sinngemäß" bleibe unklar, welche anderen Klauseln verboten werden sollten. Dies gelte auch für die modifizierte Fassung des Unterlassungstenors zu I. aus dem landgerichtlichen Urteil vom 22. Juni 2006. Eine Verteidigung gegen diesen Anspruch sei der Antragsgegnerin aufgrund der Unbestimmtheit nicht hinreichend möglich. Es bleibe auch unklar, wer die Antragstellerin sei, insbesondere ob dies die spanische Fa. H. S.A. oder die deutsche Fa. H. GmbH sei.

Das Landgericht sei rechtsfehlerhaft von der Anwendbarkeit deutschen Rechts ausgegangen. Auch insoweit sei unberücksichtigt geblieben, dass als Marktort lediglich Spanien, nicht jedoch Deutschland, betroffen sei.

Zudem habe das Landgericht falsche Tatsachen zugrunde gelegt. Es werde bestritten, dass die als Anlage ASt 1 vorgelegte "Zusatzvereinbarung" Hoteliers und Hotelbetreibern auf Mallorca vorgelegt worden sei. Sie sei auch nicht vom Geschäftsführer der Antragsgegnerin, Herrn V. , einem Mitarbeiter der Antragsgegnerin oder ihrer spanischen Agentur unterzeichnet worden (Anlage AG 7). Die eidesstattlichen Versicherungen des Zeugen K., auf die sich das Landgericht insoweit ganz maßgeblich gestützt habe, seien falsch. Das ergebe sich insbesondere aus den eidesstattlichen Versicherungen der Zeugen G. vom 19.06.2006 (Anlage AG 10) und Ga. vom 16. Juni 2006 (Anlage AG 11), welche die Antragsgegnerin erst aufgrund der Angaben des Zeugen K. in der Widerspruchsverhandlung vom 24. Mai 2006 habe einholen, und in der Berufungsinstanz vorlegen können.

Die Voraussetzungen der §§ 8, 3, 4 Nr. 10 UWG (Behinderung) sowie der §§ 21 Abs. 1, 33 GWB (Boykott/Liefersperre) lägen schon deshalb nicht vor, weil es zu keiner Behinderung der Antragstellerin gekommen sei. Es treffe nicht zu, dass die von der Antragstellerin namentlich genannten Hotels im Internet oder nach Reisekatalog nicht buchbar gewesen seien. Die Antragsgegnerin beantragt, das am 22. Juni 2006 verkündete Urteil des Landgerichts Hamburg, Aktenzeichen 315 O 809/05, abzuändern und die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg, Aktenzeichen 315 O 809/05, vom 7. November 2005 unter Zurückweisung des auf ihren Erlass gerichteten Antrags aufzuheben.

Die Antragstellerin beantragt,

mit der Maßgabe, dass das erwirkte Verbot ohne den Zusatz "wörtlich oder sinngemäß" verteidigt werde, die Berufung zurückzuweisen.

Die Antragstellerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil mit der vorstehenden Maßgabe und tritt der Berufung der Antragsgegnerin unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages entgegen.

Danach sei das Landgericht Hamburg sowohl international, als auch örtlich zuständig. Sowohl der Erfolgsort, als auch der Marktort der Verletzungshandlung lägen in Deutschland. Hier werde der Wettbewerb der Parteien gestört, weil die Antragstellerin für ihre deutschsprachigen Kunden nur noch auf ein reduziertes Hotelangebot auf Mallorca zugreifen könne. Der ursprüngliche und der modifizierte Unterlassungsantrag seien auch hinreichend bestimmt. Die Antragsgegnerin sei in ihrer Verteidigung gegen diesen Anspruch in keiner Weise behindert.

Mit dem Landgericht sei von der Anwendbarkeit deutschen Rechts auszugehen, denn auch insoweit lägen Erfolgs- und Marktort u.a. in Deutschland (Hamburg). Antragstellerin sei die spanische Fa. H. S.A. Dies ergebe sich bereits unmissverständlich aus der Antragsschrift.

Die Antragstellerin habe auch hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin die streitgegenständliche Klausel gegenüber Hoteliers auf Mallorca verwendet habe. Dies ergebe sich zum einen aus den eidesstattlichen Versicherungen des Zeugen K. (Anlagen ASt 2 und ASt 4 sowie Protokoll der Widerspruchsverhandlung vom 24. Mai 2006), zum anderen aus den weiter vorgelegten Unterlagen, insbesondere der blanko unterzeichneten "Vereinbarung zum Vertrag" (Anlagen ASt 1 und ASt 6). Die jetzt von der Antragsgegnerin vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen der Zeugen G. und Ga. (Anlagen AG 10 und AG 11), seien gemäß § 531 ZPO als verspätet zurückzuweisen.

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch sei gemäß §§ 8, 3, 4 Nr. 10 UWG (Behinderung), §§ 21 Abs. 1, 33 GWB (Boykott/Liefersperre) und §§ 823 Abs. 2, 826 BGB (Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sowie sittenwidrige Schädigung der Antragstellerin) begründet.

Darauf, ob eine Behinderung der Antragstellerin in Hamburg eingetreten sei, komme es nicht an. Das Vorgehen der Antragsgegnerin habe jedoch dazu geführt, dass insgesamt 8 Hotels die laufenden Vertragsverhandlungen mit der Antragstellerin ohne Angabe von Gründen abgebrochen hätten (u.a. Hotel ....). Dies habe aufgrund der Reduzierung ihrer Hotelkapazitäten auf Mallorca zu Behinderungen des Markteintritts der Antragstellerin und ihrer weiteren Vertriebsaktivitäten auf dem deutschen Reisemarkt geführt.

Einige Hotels (Hotel ...) seien -in Umgehung des Boykottaufrufs- lediglich bereit gewesen, einen Hotelvertrag abzuschließen, wenn die entsprechenden Hotelkontingente ausschließlich unter der Zweitmarke der Antragstellerin, "T. F.", nicht jedoch im H.-Hauptkatalog, beworben würden. In den entsprechenden Verträgen sei ausdrücklich aufgenommen worden, dass die vereinbarten Kontingente und Preise nicht für H. gelten sollten (Anlage ASt 4).

Hinsichtlich der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Bezüglich des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der Berufungsverhandlung vom 29. März 2007 Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Antragsgegnerin ist zulässig, aber unbegründet.

1.

Der Verfügungsantrag ist zulässig.

a)

Die Hamburger Gerichte sind gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVVO international zuständig.

Danach ist international auch das Gericht zuständig, in dessen Bereich das schädigende Ereignis eintritt oder einzutreten droht. Als Ort des schädigenden Ereignisses kommt neben dem Handlungsort auch der Erfolgsort in Betracht.

Der Handlungsort des streitgegenständlichen Verhaltens liegt mit überwiegender Wahrscheinlichkeit allein in Spanien, denn nur dort ist die streitgegenständliche Exklusivitätsklausel den ansässigen Hoteliers vorgelegt worden. Soweit die Antragstellerin davon ausgeht, dass die entsprechende Maßnahme in Deutschland konzipiert und autorisiert worden sei, bewegt sie sich im Bereich bloßer Vermutungen. Gleiches gilt für die Behauptung, dass die auf der "Zusatzvereinbarung" befindliche Unterschrift (Anlage ASt 1) in Deutschland von dem alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der Antragsgegnerin, Herrn V. , geleistet worden sei.

Erfolgsort des streitgegenständlichen Verhaltens ist jedoch - zumindest auch - die Bundesrepublik Deutschland. Zwar trifft es zu, dass die Liefersperre, zu der mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von der Antragsgegnerin, vertreten durch ihre örtliche Agentur, aufgefordert worden ist, zunächst nur den Bezug von Hotelkontingenten auf Mallorca (Spanien) behindern sollte. Darin erschöpft sich der Erfolg der streitgegenständlichen Handlung jedoch nicht. Maßgebliches Ziel des Handelns ist vielmehr die Verknappung von Hotelkontingenten zu Lasten der Antragstellerin, damit diese gegenüber ihren deutschen Reisekunden, und damit auf dem deutschen Markt, nur noch mit einem reduzierten Angebot auftreten kann. Die damit bezweckte wettbewerbliche Behinderung der Antragstellerin, und damit der Erfolg des streitgegenständlichen Verhaltens, treten maßgeblich in der Bundesrepublik Deutschland ein. Damit ist hinsichtlich des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs der Weg zu den deutschen Gerichten eröffnet (BGH NJW 1980, 1224, 1225; Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Auflage, 2001, § 130 Rnrn. 204, 207 f., 252). Entscheidend ist der gemeinsame Absatzmarkt der Parteien, der u.a. in Deutschland liegt. Hier wenden sich beide Parteien mit ihrem jeweiligen Angebot an Endkunden.

Gemäß §§ 32 ZPO, 14 UWG, 130 Abs. 2 GWB besteht auch die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg. Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Angebot auch an Reisekunden in Hamburg, sei es durch Reisebüros, sei es durch ihr Internetangebot. Auch insoweit ist als Erfolgsort der Bezirk des Landgerichts Hamburg anzusehen.

b)

Der geltend gemachte Unterlassungsantrag ist auch hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 ZPO.

aa)

Antragstellerin des vorliegenden Rechtsstreits ist die spanische Fa. H. S.A. Dies ergibt sich unmissverständlich aus der Antragsschrift und steht auch im Einklang mit der vorgerichtlichen Abmahnung (Anlage ASt 3). Aus den Reisebedingung der Antragstellerin ergibt sich zudem, dass sie selbst als Veranstalterin und damit als Anbieterin auf dem deutschen Markt auftritt (Anlagenkonvolut ASt 5). Den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist somit Genüge getan.

bb)

Der geltend gemachte Unterlassungsantrag ist auch hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Zwar ist der Antragsgegnerin darin zuzustimmen, dass die Verwendung des Einschubs "wörtlich oder sinngemäß" fraglich erscheinen lassen könnte, ob der Unterlassungsantrag bzw. -tenor für sich genommen hinreichend bestimmt ist. Insoweit könnte nämlich unklar sein, welche "sinngemäßen" Verletzungshandlungen unter das Verbot fallen sollen.

Das Verbot muss künftige Verhaltensweisen möglichst genau an die konkrete Verletzungsform anpassen und deren Inhalt und die Umstände, unter denen sie untersagt werden, so deutlich umschreiben, dass sie in ihrer konkreten Gestaltung zweifelsfrei erkennbar sind. Nur dann wird der Prozessstoff ausreichend begrenzt und hat das Urteil einen vollstreckungsfähigen Inhalt. Andererseits ist das Urteil so zu fassen, dass es den Kern der Verletzungshandlung trifft, um zu verhindern, dass sie in anderer Form - aber kerngleich - erneut begangen wird, ohne die Vollstreckungswirkung des Unterlassungsurteils auszulösen.

Diesem Gesichtspunkt wollte das Landgericht ersichtlich entsprechen, als es die konkrete Verletzungsform als Insbesondere-Teil des Verbots, und damit als Konkretisierung des voranstehend beschriebenen allgemeinen Verbots, in den Unterlassungstenor aufgenommen hat. Damit sollte gleichzeitig klargestellt werden, dass das Verbot nicht auf die wortidentische Verwendung der streitgegenständlichen Klausel beschränkt ist, sondern auch kerngleiche Aufforderungen zur Nichtbelieferung der Antragstellerin mit Reiseleistungen erfasst. Insoweit bringt jedoch die Formulierung "wörtlich oder sinngemäß" keinen Erkenntnisgewinn.

Die Antragstellerin hat in der Berufungsverhandlung ausdrücklich erklärt, dass sie das erlassene Verbot nur unter Fortfall des Bestandteils "wörtlich oder sinngemäß" verteidige. Eine kostenrelevante Teilrücknahme des Verfügungsantrages liegt in dieser Klarstellung jedoch nicht.

2.

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist gemäß §§ 21, 33 GWB begründet.

a)

Gemäß Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB ist deutsches Recht anwendbar, weil der Erfolgsort - jedenfalls auch - in der Bundesrepublik Deutschland liegt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die vorstehenden Ausführungen zu II. 1. a) verwiesen.

b)

Gegenstand des Unterlassungsanspruchs ist das Verbot, touristische Leistungserbringer (Hotelbetreiber, Fluggesellschaften, Mietwagenunternehmen) zur Nichtbelieferung der Antragstellerin aufzufordern oder auffordern zu lassen, insbesondere diesen gegenüber die Klausel "Es wird Exklusivität gegenüber H. vereinbart" zu verwenden oder verwenden zu lassen.

c)

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch reicht nicht zu weit. Zwar soll die streitgegenständliche Klausel - auch nach dem Vorbringen der Antragstellerin - bisher lediglich gegenüber Hotelbetreibern, nicht jedoch gegenüber anderen touristischen Leistungserbringern verwendet worden sein. Zum Angebot der Antragsgegnerin gehört jedoch nicht nur die reine Hotelunterbringung von Reisenden, sondern auch der Vertrieb von Flügen und Mietwagen sowie - ganz maßgeblich - Pauschalreisen, welche Unterbringungsleistungen mit der Anreise und weiteren Reisedienstleistungen kombinieren. Daher besteht auch im Hinblick auf dieses weitere Angebot der Antragsgegnerin die Gefahr, dass die streitgegenständliche Vertragsklausel Verwendung findet.

d)

Die Parteien sind unmittelbare Wettbewerber. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Vertrieb der Reiseleistungen der Antragstellerin in Deutschland durch die Fa. H. GmbH (vgl. Anlagen AG 1, AG 4 und AG 5) erfolgt.

e)

Die Verwendung der streitgegenständlichen Exklusivitätsklausel gegenüber den mallorcinischen Hotels stellt einen Boykottaufruf im Sinne von § 21 Abs. 1 GWB dar. Nach dieser Bestimmung dürfen Unternehmen nicht ein anderes Unternehmen in der Absicht, bestimmte Unternehmen unbillig zu beeinträchtigen, zu Liefer- oder Bezugssperren auffordern. Der gesetzliche Tatbestand ist bereits dann erfüllt, wenn die Aufforderung erfolgt. Es ist nicht erforderlich, dass diese Aufforderung von den angesprochenen Unternehmen befolgt wird und es dadurch zu einer Beeinträchtigung der Wettbewerbslage oder einer Behinderung des Wettbewerbers kommt.

Es ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin die streitgegenständliche Vertragsklausel gegenüber mallorcinischen Hotelbetreibern verwendet hat. Dies hat die Antragstellerin mit den eidesstattlichen Versicherungen des Zeugen K. vom 2. November 2005 (Anlage ASt 2), vom 30. März 2006 (Anlage ASt 4) und vom 24. Mai 2006 (S. 2 des Protokoll der Widerspruchsverhandlung vom 24. Mai 2006) und durch Vorlage der "Vereinbarung zum Vertrag" (Anlagen ASt 1 und ASt 6) glaubhaft gemacht.

Die Angaben des Zeugen K. sind widerspruchsfrei und nachvollziehbar. Soweit der Zeuge zunächst angegeben hatte, dass lediglich 6 Hoteliers die Vertragsverhandlungen mit der Antragstellerin abgebrochen hätten, wohingegen er später 8 Hotels genannt hat, stellt dies keinen Widerspruch, sondern lediglich eine Aktualisierung seiner Angaben dar. Auch die mit den späteren eidesstattlichen Versicherungen erfolgten Präzisierungen hinsichtlich einzelner Punkte ergeben keine Zweifel an den gemachten Angaben. Sie stehen im Einklang mit den vorliegenden schriftlichen Unterlagen, insbesondere dem Telefax vom 7. Oktober 2005, mit welchem der Antragstellerin eine Blanko-Version der "Zusatzvereinbarung" von ihrem örtlichen Vertreter übermittelt worden ist (Anlage ASt 6).

Dem stehen auch die von der Antragsgegnerin erst in der Berufungsinstanz vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen der Zeugen G. und Ga. (Anlagen AG 10 und AG 11) nicht entgegen. Diese neuen Glaubhaftmachungsmittel sind schon deshalb gemäß § 531 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ausgeschlossen, weil sie nicht bereits in erster Instanz beigebracht worden sind und diese verspätete Vorlage auf einer Nachlässigkeit der Antragsgegnerin beruht.

Die Antragsgegnerin hat sich in erster Instanz zunächst auf ein schlichtes Bestreiten des Vortrages der Antragstellerin beschränkt. Anhaltspunkte dafür, dass sie das Vorbringen der Antragstellerin, insbesondere die eidesstattlichen Versicherungen des Zeugen K. vom 2. November 2005 (Anlage ASt 2) und vom 30. März 2006 (Anlage ASt 4) mit allen ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten überprüft hätte, bestehen nicht. Schon aus diesen beiden eidesstattlichen Versicherungen ergab sich jedoch, dass die Antragsgegnerin die streitgegenständliche "Zusatzvereinbarung" über ihre Zielgebietsagentur "A. " gegenüber den Hoteliers bzw. Hotelbetreibern der Hotels ... vorgelegt haben sollte. Die Antragsgegnerin hätte den diesbezüglichen Vortrag mithin noch vor der Widerspruchsverhandlung vom 24. Mai 2006 überprüfen können. Dies ist nicht geschehen. Der neue Vortrag und die neuen Glaubhaftmachungsmittel (Anlagen AG 10 und AG 11) sind mithin verspätet.

Die neuen Glaubhaftmachungsmittel sind zudem auch inhaltlich nicht geeignet, die Angaben des Zeugen K. zu entkräften. Es ist schon nicht ersichtlich, ob die Zeugen G. und Ga. die Ansprechpartner des Zeugen K. waren. Die beiden Zeugen haben lediglich angegeben, dass sie dem Zeugen K. nicht gesagt hätten, dass die Antragsgegnerin ihrem jeweiligen Hotel eine Vereinbarung vorgelegt habe, welche einen Vertragsschluss mit der Antragstellerin habe ausschließen sollen. Die Zeugen haben jedoch nicht eidesstattlich versichert, dass die Antragsgegnerin ihnen die streitgegenständliche "Zusatzvereinbarung" (Anlage ASt 1) nicht habe vorlegen lassen (Anlagen AG 10 und AG 11).

Die Antragsgegnerin hat auch in der Absicht gehandelt, die Antragstellerin unbillig zu beeinträchtigen. Dies kann der erkennende Senat auf der Grundlage des Sachvortrages der Parteien sowie der vorliegenden Glaubhaftmachungsmittel selbst beurteilen. Dass der Aufruf der Antragsgegnerin darauf angelegt war, der Antragstellerin Nachteile im geschäftlichen Verkehr als Anbieterin von Reiseleistungen zuzufügen, folgt unmittelbar aus dem Bestreben der Antragsgegnerin, die Möglichkeiten der Antragstellerin, Reiseleistungen zu beziehen, zu beschränken.

Ob die beabsichtigte Beeinträchtigung unbillig ist, ist aufgrund einer Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen zu beurteilen Entscheidend ist hierfür, ob das Anliegen, das der Verrufer (hier: die Antragsgegnerin) verfolgt, rechtmäßig ist (BGH GRUR 1999, 1031, 1033 - Sitzender Krankentransport m.w.N.). Die Antragsgegnerin hat Anhaltspunkte dafür, dass ihr Vorgehen gegenüber der Antragstellerin gerechtfertigt sein könnte, nicht vorgetragen. Sie ergeben sich auch nicht aus dem sonstigen Sachvortrag.

Für die Bejahung der Absicht der Antragsgegnerin, die Antragstellerin unbillig zu benachteiligen, genügt es, dass dieser Zweck mitbestimmend war und gegenüber sonstigen Zielen nicht völlig zurücktritt (BGH GRUR 1999, 1031, 1034 - Sitzender Krankentransport m.w.N.). Hinsichtlich der Unbilligkeit der Beeinträchtigung ist die Kenntnis der Umstände ausreichend, die den Ausschluss der Antragstellerin vom Geschäftsverkehr unbillig erscheinen lassen. Ob die Antragsgegnerin ihr Verhalten für rechtmäßig hielt, und ob sie die zur Feststellung der Unbilligkeit führende Interessenabwägung zutreffend vorgenommen hat, ist unerheblich (BGH GRUR 1999, 1031, 1034 - Sitzender Krankentransport m.w.N.).

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist somit gemäß §§ 21, 33 GWB begründet. Die Berufung war daher wie tenoriert zurückzuweisen.

Ob der geltend gemachte Unterlassungsanspruch darüber hinaus auch gemäß §§ 3, 4 Nr. 10, 8 Abs. 1 UWG oder §§ 823 Abs. 1, 826 BGB begründet ist, kann daher offen bleiben.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die erstinstanzliche Kostenentscheidung war nicht zu beanstanden.

Zum einen hat das Landgericht den Streitwert des zurückgenommenen Auskunftsanspruchs zutreffend mit 1/10 des Gesamtstreitwerts, d.h. € 7.500,00 bewertet.

Zum anderen fällt der Umstand, dass die Antragstellerin im Hinblick auf die Strafbewehrung des beantragten Verbots statt der gesetzlich vorgesehenen Androhung von Ordnungsmitteln mit der Antragsschrift zunächst die Androhung einer Vertragsstrafe beantragt hatte, kostenrechtlich nicht gesondert ins Gewicht. Insoweit handelt es sich ersichtlich um eine falsche Bezeichnung seitens der Antragstellervertreter. Durch Auslegung des Verfügungsantrages war jedoch ohne Weiteres zu ermitteln, dass das beantragte Verbot durch die gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel bewehrt werden sollte. Das erlassene strafbewehrte Verbot hält sich somit im Rahmen des § 938 ZPO. Darin liegt kein Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO, zudem die Androhung von Ordnungsmittel durch das Gericht auch ohne Antrag zulässig gewesen wäre (Baumbach/Hefermehl/Bornkamm, UWG, 25. Auflage, 2007, § 12 Rn. 3.32).

Ende der Entscheidung

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