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Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 02.04.2009
Aktenzeichen: 11 U 200/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1179a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 19. Juli 2006 - Geschäfts-Nr.: 322 O 37/06 - wie folgt abgeändert:

Der Widerspruch der Kläger vom 21. Dezember 2005 gegen den Teilungsplan des Amtsgerichts Hamburg vom 10. Januar 2006 im Verteilungsverfahren Az.: 71a K 1/05 wird in Höhe von EUR 7.378,51 für begründet erklärt.

Der Teilungsplan wird dahingehend geändert, dass die Kläger in ihrer Forderung in Höhe von EUR 7.378,51 gesamtschuldnerisch vor derjenigen des Beklagten in Höhe von EUR 7.378,51 zu befriedigen sind.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Gemäß § 540 Abs. 1 ZPO wird anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil des Landgerichts Bezug genommen und zu den Gründen der Berufungsentscheidung folgendes ausgeführt:

I.

Die Kläger erheben gegen den Beklagten Widerspruchsklage im Hinblick auf den vom Amtsgericht Hamburg in dem Zwangsversteigerungsverfahren 71a K 1/05 aufgestellten Teilungsplan vom 10. Januar 2006. Die Parteien streiten darum, wer von ihnen den Restbetrag in Höhe von EUR 7.378,51 aus dem Versteigerungserlös beanspruchen kann. Eigentümer des versteigerten Grundstücks war Herr P. A., über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagten zum Insolvenzverwalter bestellt worden ist. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, unstreitig hätten sich die im Rang der Zwangssicherungshypothek der Kläger (Nr. 9 in Abteilung III des Grundbuchs) vorgehenden Grundpfandrechte (Nrn. 5 bis 8 in Abteilung III des Grundbuchs) in Eigentümergrundschulden umgewandelt. Ein Löschungsanspruch aus § 1179a BGB sei aufgrund des Zuschlags in der Zwangsversteigerung nicht mehr erfüllbar; er sei hier auch nicht durch eine Vormerkung abgesichert und damit nicht insolvenzfest gewesen. Im Übrigen könne dahinstehen, ob auch der gesetzliche Löschungsanspruch insolvenzfest sein könne, dies gelte jedenfalls nicht für die Kläger als Inhaber einer Zwangssicherungshypothek - das reiche nicht aus, um sie vor anderen Insolvenzgläubigern zu bevorzugen. Das Landgericht verweist in diesem Zusammenhang auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Gesamtvollstreckungsordnung (BGH, Urteil vom 15. Juli 1999, IX ZR 239/98, BGHZ 142, 208 ff.).

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Kläger. Zur Begründung tragen sie - wie bereits in erster Instanz - vor, der Löschungsanspruch der Kläger hinsichtlich der vorrangigen Eigentümergrundschulden führe dazu, dass sie insoweit deren Anspruch auf den zuzuteilenden Erlösanteil in Höhe von EUR 7.378,51 hätten. Durch die Zuschlagserteilung sei an die Stelle des Grundstücks der Versteigerungserlös getreten, an ihm würden sich die durch den Zuschlag erloschenen Rechte fortsetzen. Der Löschungsanspruch der Kläger sei ausweislich § 1179a Abs. 1 Satz 3 BGB in gleicher Weise gesichert, als wenn zu seiner Sicherung eine Vormerkung in das Grundbuch eingetragen worden wäre, damit sei der Anspruch insolvenzfest. Die vom Landgericht zugrundegelegte Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum Gesamtvollstreckungsverfahren sei auf das Insolvenzverfahren nicht übertragbar, hier gelte § 88 InsO.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des am 19. Juli 2006 verkündeten Urteils des Landgerichts Hamburg, Az. 322 O 37/06

1. der Widerspruch der Kläger vom 21. Dezember 2005 gegen den Teilungsplan des Amtsgerichts Hamburg vom 10. Januar 2006 im Verteilungsverfahren Az.: 71a K 1/05 wird in Höhe von EUR 7.378,51 für begründet erklärt,

2. der Teilungsplan wird dahingehend geändert, dass die Kläger in ihrer Forderung in Höhe von EUR 7.378,51 gesamtschuldnerisch vor derjenigen des Beklagten in Höhe von EUR 7.378,51 zu befriedigen sind.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Kläger zurückzuweisen.

In seiner Berufungserwiderung verteidigt der Beklagte das erstinstanzliche Urteil und führt weiter aus, es könne dahin stehen, ob der Surrogatanspruch insolvenzfest sei, jedenfalls bestehe ein solcher Anspruch nur auf Befriedigung aus der Insolvenzmasse. Die Kläger könnten allenfalls Auskehr aus der Masse nach der Verteilung verlangt, dieser Anspruch sei aber noch nicht fällig. Im weiteren Verlauf führt der Beklagte aus, der Löschungsanspruch der Kläger sei als weiteres Mittel der Einzelzwangsvollstreckung zu qualifizieren, die nach Insolvenzeröffnung nicht mehr zulässig sei, eine Besicherung scheide aus. Im Übrigen könne sich an dem Surrogat kein bevorzugtes Sicherungsrecht fortsetzen, da die Zwangsvollstreckung aus der Zwangssicherungshypothek gemäß § 90 InsO für die Dauer von sechs Monaten nach Insolvenzeröffnung unzulässig gewesen sei.

II.

Die nach §§ 115 Abs. 1 ZVG, 878 Abs. 1 ZPO zulässige Widerspruchsklage ist begründet, weil den Klägern ein besseres Recht an dem nach Ziffer 8 des Teilungsplans zu verteilenden Erlös in Höhe von EUR 7.378,51 zusteht. Das ergibt sich aus § 1179a BGB in Verbindung mit § 91 Abs. 4 ZVG. Nach § 1179a Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Gläubiger einer Hypothek von dem Eigentümer verlangen, dass dieser eine vorrangige oder gleichrangige Hypothek löschen lässt, wenn sie im Zeitpunkt der Eintragung der Hypothek des Gläubigers mit dem Eigentum in einer Person vereinigt ist oder eine solche Vereinigung später eintritt. Nach Satz 3 dieser Vorschrift ist der Löschungsanspruch in gleicher Weise gesichert, als wenn zu seiner Sicherung gleichzeitig mit der begünstigten Hypothek eine Vormerkung in das Grundbuch eingetragen worden wäre. Nach § 91 Abs. 1 ZVG erlöschen unter der nach § 90 Abs. 1 ZVG bestimmten Voraussetzung die Rechte, welche nicht nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleiben sollen. Nach § 91 Abs. 4 hat aber das Erlöschen eines Rechts, dessen Inhaber zur Zeit des Erlöschens nach § 1179a des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Löschung einer bestehenbleibenden Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld verlangen kann, nicht das Erlöschen dieses Anspruchs zur Folge. Daraus folgt, dass die Gläubigerin von dem Schuldner den Anteil am Erlös beanspruchen kann, der auf das belastete Recht entfällt, wenn - wie hier - sowohl das begünstigte als auch das belastete Recht durch Zuschlag erlöschen. Im Verteilungsverfahren wirkt sich dieses Recht dergestalt aus, dass der Berechtigte, soweit er seine Rechte geltend macht, so gestellt werden muss, als sei das Eigentümerrecht schon vor dem Zuschlag gelöscht worden (BGH, Urteil vom 9. März 2006, IX ZR 11/05, BGHZ 166, 319; BGH, Urteil vom 22. Januar 1987, IX ZRR 100/86, NJW 1987, 2078). Mithin können vorliegend die Kläger den Anteil am Erlös beanspruchen, der auf die im Grundbuch, Abteilung III, Nrn. 5 bis 8 eingetragenen Sicherungsrechte entfallen würde.

Entgegen der Berufung hat die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des (früheren) Grundstückseigentümers keinen Einfluss auf den hier von den Klägern geltend gemachten Anspruch. Insbesondere steht § 91 InsO der Begründetheit der Klage nicht entgegen. Nach dieser Bestimmung können an den Gegenständen der Insolvenzmasse nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Rechte mehr wirksam erworben werden. Diese Vorschrift findet hier indes keine Anwendung. Ist gegen ein massezugehöriges Eigentümerrecht bereits zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Löschungsvormerkung im Grundbuch eingetragen, so kann der Berechtigte gemäß § 106 InsO die Rechte aus dieser Vormerkung durchsetzen. Der insoweit durch Vormerkung gesicherte Anspruch ist insolvenzfest. Gleiches muss für den gesetzlichen Löschungsanspruch nach § 1179a BGB gelten (vgl. BGH, Urteil vom 9. März 2006, IX ZR 11/05, BGHZ 166, 319 ff.). Zwar ist insoweit keine Vormerkung im Grundbuch eingetragen. Nach § 1179a Abs. 1 Satz 3 BGB ist jedoch der gesetzliche Löschungsanspruch in gleicher Weise gesichert, wie wenn zu seiner Sicherung zeitgleich mit der Eintragung des begünstigten Rechts eine Vormerkung in das Grundbuch eingetragen worden wäre. Der insoweit gesetzlich geschaffenen Vormerkungswirkung kommt hierbei die gleiche Wirkung zu, die im Falle des § 1179 BGB die Eintragung der Löschungsvormerkung im Grundbuch hat (vgl. BT-Drucks 8/89, S. 11). Somit ist die gesetzliche Löschungsvormerkung nach § 1179a Abs. 1 Satz 3 BGB wie eine zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Grundbuch eingetragene Vormerkung zu behandeln. Damit teilt der gesetzliche Anspruch aus § 1179a Abs. 1 BGB wegen seiner Sicherung durch die Vormerkung nicht das Schicksal anderer Forderungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sondern ist insolvenzfest.

Der Insolvenzfestigkeit des gesetzlichen Löschungsanspruchs steht nicht entgegen, dass es sich hier bei dem begünstigten Recht der Kläger um eine Zwangssicherungshypothek handelt. Entgegen den Ausführungen des Beklagten ist die Geltendmachung des Löschungsanspruchs nicht als weiteres Mittel der Einzelzwangsvollstreckung zu qualifizieren, ein Verstoß gegen § 89 InsO liegt nicht vor. Es handelt sich nicht um eine Zwangsvollstreckung der Kläger, sondern um die Verteilung des Versteigerungserlöses und die Frage, ob das Sicherungsrecht der Kläger insoweit insolvenzfest ist. Für einen solchen Fall enthält § 88 InsO eine ausdrückliche Regelung. Die Vorschrift erklärt mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Sicherungen für unwirksam, die ein Insolvenzgläubiger an einem Gegenstand der Masse im letzten Monat vor dem Eröffnungsantrag oder während des Eröffnungsverfahrens durch Zwangsvollstreckung erlangt hat (Rückschlagsperre). Diese Rückschlagsperre bezieht sich nur auf vollstreckungsrechtliche, nicht auf rechtsgeschäftliche Sicherungen (vgl. MünchKomm/Breuer, InsO, 2. Auflage 2007, § 88 Rn. 3). Damit ist ausdrücklich geregelt, dass zuvor erlangte vollstreckungsrechtliche Sicherungsrechte im Insolvenzverfahren Bestand haben. Dies hatte auch der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 15. Juli 1999 (IX ZR 239/98, BGHZ 142, 208 ff.) bereits ausgeführt. Dort heißt es, eine Sicherung, die der Gläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung im letzten Monat vor oder nach Antragstellung erlangt hat, wird nach § 88 InsO mit Verfahrenseröffnung unwirksam, während § 7 Abs. 3 Satz 1 GesO hierüber erheblich hinausgeht, da die Vorschrift zeitlich unbegrenzt zurückwirkt. Vorliegend wurde die Eröffnung des streitgegenständlichen Insolvenzverfahrens am 19. Juli 2005 beantragt. Die Zwangssicherungshypothek der Kläger war bereits vor Eintragung des Zwangsversteigerungsvermerks vom 20. Januar 2005 unter der laufenden Nummer 9 der Abteilung III des Grundbuchs des betroffenen Grundstücks eingetragen worden. Damit war die Zwangssicherungshypothek der Kläger gemäß § 88 InsO insolvenzfest.

Dem steht im Übrigen auch nicht die von dem Beklagten angeführte Vorschrift des § 90 InsO entgegen. Das Vollstreckungsverbot des § 90 InsO gilt nur für sogenannte aufgezwungene Masseverbindlichkeiten. Damit umfasst es nicht die Zwangsvollstreckung aus der bereits vor Januar 2005 eingetragenen Zwangssicherungshypothek der Kläger.

Der Ausspruch über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, der zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert - § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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