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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 18.11.2002
Aktenzeichen: 12 UF 119/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1361 b Abs. IV
BGB § 1361 b Abs. 1 S. 1
§ 1361 b Abs. IV BGB ist ergänzend dahingehend auszulegen, dass die Frist erst mit Beginn der Härtegründe gemäß § 1361 b Abs. 1 S. 1 BGB zu laufen beginnt, wenn diese erstmals nach Trennung der Eheleute eintreten.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT Beschluß

12 UF 119/02

In der Familiensache

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Familiensenat, am 18. November 2002 durch die Richter Künkel, Huusmann, Bayreuther-Lutz

beschlossen:

Tenor:

Die Berufungsbeschwerde gegen den Beschluß des Amtsgerichts Hamburg, Familiengericht, vom 29.8.02 - 630 F 196/02 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Der Geschäftswert wird auf Euro 3.000 festgesetzt.

Gründe:

Die Beteiligten sind getrennt lebende Eheleute. Anfang Mai 1999 ist der Antragsteller aus der ehelichen Wohnung einer Doppelhaushälfte mit sieben Zimmern - ausgezogen. Die sechs gemeinsamen Kinder der Parteien blieben zunächst bei der Antragsgegnerin. Sie wurden zeitweilig vom Vater versorgt, der sie zu diesem Zweck in der Wohnung aufsuchte - nach seinem Vortrag annähernd täglich. Durch Beschluß vom 22. Mai 2002 wurde dem Antragsteller das Aufenthaltsbestimmungs- und Erziehungsrecht für die Kinder übertragen. Dieses hatte das Jugendamt wegen drohender Verwahrlosung der Kinder bei der Mutter empfohlen.

Die zwei ältesten Kinder leben nunmehr in einer betreuten Wohngruppe. Vier Kinder leben beim Vater, der im Haus seiner Eltern ein Zimmer für sich und die Kinder zur Verfügung hat. Die Mutter lebt allein in dem gemeinsamen Haus der Parteien. Das Haus ist nach wie vor vermüllt.

Durch den angefochtenen Beschluß ist dem Antragsteller für die Dauer des Getrenntlebens der Parteien die alleinige Nutzung der ehelichen Wohnung Hamburg, überlassen worden. Die Antragsgegnerin ist verpflichtet worden, die Wohnung bis zum 30.11.02 zu verlassen.

Dagegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin.

Der Senat entscheidet über das Rechtsmittel ohne mündliche Verhandlung. Der Sachverhalt ist hinreichend geklärt. Zu der von der Beschwerdeführerin begehrten Änderung der Entscheidung hatten der Antragsteller und das Jugendamt rechtliches Gehör.

Auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses wird Bezug genommen.

Gemäß § 1361b Abs. 1 S. 1 BGB ist die alleinige Nutzung der ehelichen Wohnung dem Antragsteller zu überlassen, weil das Wohl der sechs gemeinsamen Kinder der Parteien massiv beeinträchtigt würde, wenn sie nicht mit dem Vater in die Wohnung zurückkehren könnten. Es ist insbesondere den Kindern, aber auch dem Vater, nicht zuzumuten, unter äußerst beengten Verhältnissen bei den Großeltern zu leben, zumal die beiden ältesten Kinder gezwungen sind, in einer betreuten Wohngruppe zu wohnen. Das Kindeswohl verlangt es geradezu, daß die Mutter es den Kindern ermöglicht, mit dem Vater und vollkommen unbehelligt von ihr in der ehelichen Wohnung zu leben. Voraussetzung dafür ist nach dem jetzigen Sachstand, daß sie die Wohnung verläßt. Dies ist ihr auch zuzumuten, obwohl sie offensichtlich krank und Alkoholikerin ist. Ihre Interessen haben denen der sechs Kinder zu weichen.

§ 1361b Abs. 4 BGB steht nicht entgegen.

Wie das Familiengericht zu Recht ausgeführt hat, ist § 1361b BGB ergänzend dahingehend auszulegen, daß bei erstmaligem Eintreten der Härtegründe nach Trennung der Eheleute die Frist erst mit Beginn der Härtegründe zu laufen beginnt. Analog § 17 HausratsVO hätte auch eine getroffene Entscheidung nach der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Vater abgeändert werden können.

Außerdem ist das Gewaltschutzgesetz, mit dem § 1361 b Abs. 4 BGB in das Bürgerliche Gesetzbuch eingestellt worden ist, erst am 8.11.01 vom Bundestag verabschiedet worden und im Jahre 2002 in Kraft getreten. Als der Antragsteller im Jahre 1999 aus der ehelichen Wohnung auszog, löste er damit die rechtlichen Folgen dieser Bestimmung nicht aus, weil sie zu diesem Zeitpunkt noch überhaupt nicht existierte. Auf die Frage, ob er im Hinblick darauf, daß er die Kinder nach dem Auszug weiter betreute und sie auch in der ehelichen Wohnung versorgte, nicht im Sinne des § 1361b Abs. 4 BGB "ausgezogen" ist, kommt es deshalb entscheidungserheblich nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 13a Abs. 1 S. 2 FGG. Bezüglich des Geschäftswerts geht der Senat von dem sechsfachen monatlichen Mietwert aus, der auf Euro 500 geschätzt wird (vgl. Palandt-Brudermüller, Ergänzungsband zur 61. Aufl., Rdz. 26 zu § 1361b BGB m.w.N.).

Die Rechtsbeschwerde findet nicht statt (§ 621e Abs. 2 S. 1 ZPO).



Ende der Entscheidung

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