Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 05.05.2003
Aktenzeichen: 13 AR 12/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 12
ZPO § 13
ZPO § 29
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 36 Abs. 2
ZPO § 253 Abs. 1
ZPO § 261 Abs. 1
ZPO § 261 Abs. 3 Nr. 2
ZPO § 270
ZPO § 281 Abs. 1
ZPO § 281 Abs. 2 Satz 4
ZPO § 497
Das Gericht, an das eine Sache verwiesen wird, kann nicht geltend machen, der Verweisungsbeschluss sei willkürlich und damit ohne Bindungswirkung, weil ein formeller Nachweis darüber fehlt, dass den Parteien vor der Verweisung rechtliches Gehör gewährt worden ist. Die formlose Gewährung rechtlichen Gehörs ist ausreichend.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT Beschluss

13 AR 12/03

In der Rechtssache

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 13. Zivilsenat, am 05. Mai 2003 durch die Richter

beschlossen:

Tenor:

Als örtlich zuständiges Gericht wird das Amtsgericht Ribnitz-Damgarten bestimmt.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Bezahlung restlichen Werklohns. In der am 19.8.2002 beim Amtsgericht Hamburg-Marburg eingegangenen Klage hat sie eine Anschrift des Beklagten in Tostedt angegeben. Der Vorsitzende am Amtsgericht Hamburg-Marburg hat am 21.8.2002 die Zustellung der Klagschrift verfügt und zugleich der Klägerin unter Hinweis auf eine nicht gegebene Zuständigkeit nach § 29 ZPO auferlegt, zur örtlichen Zuständigkeit vorzutragen. Die Zustellung der Klage scheiterte zunächst. Auf die entsprechende Mitteilung der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Hamburg-Harburg (Vermerk Bl. 9 d.A.) teilte die Klägerin eine Anschrift des Beklagten in Bad Sülze mit. Dort ist die Klage dem Beklagten am 13.9.2002 zugestellt worden. Auf die Erinnerung des Vorsitzenden bezüglich fehlenden Vertrags zur örtlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts Hamburg-Harburg stellte die Klägerin mit Schriftsatz vom 15.10.2002 Verweisungsantrag an das Amtsgericht Tostedt. Der Vorsitzende verfügte daraufhin "1. Ds an Gegner zur etwaigen Stellungn. binnen 10 Tagen...". Diese Verfügung wurde durch die Geschäftsstelle am 21.10.2002 durch formlose Übersendung eines entsprechenden Schreibens ausgeführt ("Abvermerk" Bl. 14 d.A. Rückseite). Am 6.11.2002 beschloss das Amtsgericht Hamburg-Harburg die Verweisung an das "gemäß § 13 ZPO zuständige" Amtsgericht Tostedt. Das Amtsgericht Tostedt lehnte mit Verfügung vom 22.11.2002 die Übernahme des Verfahrens ab und gab die Akte mit der Anregung einer Berichtigung des Verweisungsbeschlusses an das Amtsgericht Hamburg-Harburg zurück, da Bad Sülze nicht zum Bezirk des Amtsgerichts Tostedt gehöre.

Auf Nachfrage durch das Amtsgericht Hamburg-Harburg stellte die Klägerin mit Datum vom 2.12.2002 einen Verweisungsantrag nunmehr an das Amtsgericht Ribnitz-Damgarten. Diesen Verweisungsbeschluss erhielt der Beklagte wiederum formlos zur etwaigen Stellungnahme. Am 20.12. 2002 beschloss das Amtsgericht Hamburg-Harburg sodann die Aufhebung des Verweisungsbeschlusses vom 6.11.2002 und die Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht Ribnitz-Damgarten. Dieser Beschluss ist dem Beklagten unter einer Anschrift in Hamburg zugestellt worden. Mit Hinweis darauf lehnte das Amtsgericht Ribnitz-Damgarten die Übernahme mit Verfügung vom 17.2.2003 ab.

II.

Das zuständige Gericht war gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu bestimmen. Sowohl das Amtsgericht Hamburg-Marburg, als auch das Amtsgericht Ribnitz-Damgarten haben sich rechtskräftig für unzuständig erklärt. Das ergibt sich für das Amtsgericht Hamburg-Marburg aus dem den Parteien zugestellten Verweisungsbeschluss vom 20.12.2002. Das Amtsgericht Ribnitz-Damgarten hat zwar keinen Beschluss über die eigene Unzuständigkeit gefasst, sondern seine Rechtsauffassung nur in Vermerken niedergelegt. Wenigstens der Inhalt des ersten dieser Vermerke ist jedoch offenbar mit einem (formlosen) Schreiben den Parteien mitgeteilt worden, so dass es sich nicht um einen bloßen gerichtsinternen Vorgang handelt (Vgl. zu diesem Kriterium Vollkommer in Zöller, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 36 Rn. 24, 25).

Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg - und nicht, wie vom Amtsgericht Ribnitz-Damgarten angenommen, der Bundesgerichtshof - ist gem. § 36 Abs. 2 ZPO zur Bestimmung des zuständigen Gerichts berufen, da das im hiesigen Bezirk befindliche Amtsgericht Hamburg-Harburg zuerst mit der Sache befasst gewesen ist.

Das Amtsgericht Ribnitz-Damgarten ist für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig. Das ergibt sich aus §§ 12, 13, 261 Abs. 3 Nr. 2, 281 Abs. 1, Abs. 2 Satz 4 ZPO.

Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Hamburg-Harburg vom 20.12.2002 ist bindend (§ 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO). Ein Fall der Versagung rechtlichen Gehörs, der die Bindungswirkung entfallen ließe (BGHZ 71, 69, 72; 102, 338, 341; BayObLG MDR 1980, 583; Zöller-Greger, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 281 Rn. 17a), liegt nicht vor. Der Beklagte hatte vor Erlass des Verweisungsbeschlusses Gelegenheit zur Stellungnahme (Vfg. vom 4.12.2002, Bl. 23 d.A. Rückseite).

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts Ribnitz-Damgarten kommt es auf eine bestimmte Form oder einen weiteren Nachweis der Gewährung rechtlichen Gehörs nicht an (zur Unerheblichkeit der Form: BGHZ 102, 338, 342). In § 270 ZPO in Verbindung mit §497 ZPO sind die Fälle geregelt, in denen im amtsgerichtlichen Verfahren eine förmliche Zustellung erforderlich ist. Die Gewährung rechtlichen Gehörs vor Erlass eines Verweisungsbeschlusses gehört nicht dazu. Die gelegentlich anzutreffende kostentreibende Verfahrensweise, jeglichen Schriftverkehr des Gerichts im Wege der förmlichen Zustellung abzuwickeln, ist vom Gesetzgeber nicht gewollt.

Mit der formlosen Übersendung von Schriftstücken ist stets das - vom Gesetzgeber in Kauf genommene - Risiko verbunden, dass deren Zugang nicht nachzuweisen ist. Auf den fehlenden Zugang und damit auf die unterbliebene Gewährung rechtlichen Gehörs kann sich allerdings nur die Partei berufen, die in Ihrem Grundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt sein kann (vgl. BVerfG NJW 1995, 2095). Hierzu zählt das Gericht, an das verwiesen wird, nicht. Es kann die fehlende Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses nur dann geltend machen, wenn sich aus der Akte ergibt, dass rechtliches Gehör nicht gewährt worden ist, nicht aber, wenn es lediglich an dem entsprechenden Zustellnachweis fehlt.

Der Verweisungsbeschluss vom 20.12.2002 ist auch nicht deshalb ohne Bindungswirkung, weil er als willkürlich anzusehen wäre (vgl. zur Reichweite der Bindungswirkung BGH NJW 1993, 1273; OLG Stuttgart, OLGR 1999, 98, 99; KG, KGR 1999,93,94).

Das Amtsgericht Hamburg-Harburg konnte den Rechtsstreit an das Amtsgericht Ribnitz-Damgarten verweisen, obwohl es zuvor bereits eine Verweisung an das Amtsgericht Tostedt vorgenommen hatte. Der Verweisungsbeschluss vom 6.11.2002 an das Amtsgericht Tostedt war nämlich nicht bindend. Jenem Beschluss lag ein Irrtum zugrunde: Wie sich bereits aus der Auflage ergibt, die das Gericht der Klägerin am 21.8.2002 erteilt hat, verneinte das Amtsgericht Hamburg-Harburg eine Zuständigkeit wegen Belegenheit des Erfüllungsorts und beabsichtigte eine Verweisung an das Wohnsitzgericht. Mit ihrem Verweisungsantrag kam die Klägerin diesem Ansinnen nach, berücksichtigte dabei irrtümlich aber nicht die zwischenzeitlich erfolgte Zustellung der Klagschrift an einem von der Angabe in der Klagschrift abweichenden Ort. Mit dem Verweisungsbeschluss vom 6.11.2002 hat sich diese irrtümlich falsche Erfassung des Sachverhalts fortgesetzt.

Aufgrund der fehlenden Bindungswirkung hätte das Amtsgericht Tostedt den Rechtsstreit weiter verweisen können (vgl. für den Fall des Irrtums über den Wohnsitz: BAG, NJW 1997, 1091). Da es stattdessen die Übernahme abgelehnt und die Sache an das Amtsgericht Hamburg-Harburg zurückgegeben hat, hat dort erneut die Möglichkeit der Verweisung bestanden. Die "Rückgabe" der Sache vom Amtsgericht Tostedt an das Amtsgericht Hamburg-Harburg, verbunden mit der Anregung einer Berichtigung des Verweisungsbeschlusses, ist nicht als bindende Rückverweisung zu sehen. Auf die Frage, ob der Verweisungsbeschluss vom 20.12.2002 eine zulässige Berichtigung (im Sinne von § 319 ZPO) des ersten Verweisungsbeschlusses darstellt, kommt es hingegen nicht an. Das Amtsgericht Hamburg-Harburg hat in seinem Beschluss vom 20.12. keine "Berichtigung" des ersten Beschlusses ausgesprochen, sondern jenen Beschluss vom 6.11.2002 aufgehoben, wozu es aus den oben genannten Gründen berechtigt war.

Der Verweisungsbeschluss an das Amtsgericht Ribnitz-Damgarten ist auch nicht deshalb willkürlich, weil er dem Beklagten unter einer Hamburger Anschrift zugestellt worden ist. Das ergibt sich aus § 253 Abs. 1 in Verbindung mit § 261 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 ZPO, wonach es für die Zuständigkeit des Gerichts auf den Zeitpunkt der Zustellung der Klagschrift ankommt. Die Klagschrift ist dem Beklagten im Bezirk des Amtsgerichts Ribnitz-Damgarten zugestellt worden.

Ende der Entscheidung

Zurück