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Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 29.09.2005
Aktenzeichen: 13 AR 40/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO §§ 12 ff
ZPO § 22
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 36 Nr. 6
ZPO § 281 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 584 Abs. 2
ZPO § 690 Abs. 1 Nr. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Eine Entscheidung über die Zuständigkeit ergeht nicht.

Gründe:

1. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO für die vorliegende Nichtigkeitsklage gegen den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hamburg liegen nicht vor. Diese Vorschrift verlangt, dass sich die beteiligten Gerichte "rechtskräftig" für unzuständig erklärt haben. Zwar lässt die Rechtsprechung im Interesse einer raschen Klärung negativer Kompetenzkonflikte im Rahmen der analogen Anwendung des § 36 Nr. 6 ZPO die tatsächliche beiderseitige Kompetenzleugnung ausreichen, dies gilt aber nur dann, wenn die Kompetenzleugnungen nicht rein gerichtsintern geblieben sind (BGH NJW-RR 1992, 1154; NJW 1988, 2739, 2740; NJW 1988, 1794; NJW 1983, 1062; NJW 1978, 1531; Zöller-Vollkommer, ZPO, 26. Auflage 2005, § 36 Rn. 24 f., m. w. N.). Die Unzuständigkeitserklärung muss daher den Beteiligten - zumindest formlos - bekannt gemacht worden sein (std. Rechtsprechung des Senates, vgl. auch OLG Brandenburg NJW-RR 2001, 429; BayObLGZ 1994, 91, 93). Das ist hier nicht der Fall.

Das Amtsgericht Hamburg - Mahnabteilung - hat die in Hamburg sitzende Nichtigkeitsbeklagte (eine Gewerkschaft) und den in Enger wohnenden Nichtigkeitskläger (einem früheren Mitglied der Nichtigkeitsbeklagten) weder darüber informiert, dass es die Akte mit Verfügung vom 7.7.2005 (Bl. 1) "zuständigkeitshalber" dem Amtsgericht Herford zugeschrieben hat, noch darüber, dass es sich mit "Vermerk" vom 13.7.2005 (Bl. 14) für sachlich und örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren "erneut" an das Amtsgericht Herford "verwiesen" hat. Das Amtsgericht Herford hat nur den Kläger, nicht aber die Beklagte über den die Übernahme des Verfahrens ablehnenden Beschluss vom 21.7.2005 (Bl. 13) unterrichtet und zudem keiner der Parteien mitgeteilt, dass es die Akte mit Verfügung vom 12.8.2005 (Bl. 15) an das Amtsgericht Hamburg mit dem Hinweis der Ablehnung der Übernahme übersandt hat. Mangels Bekanntmachung gegenüber den Parteien bzw. zumindest der Beklagten sind die jeweilig festgehaltenen Auffassungen der Amtsgerichte nicht (vollständig) nach außen gedrungen und insoweit nur gerichtsinterne Vorgänge geblieben.

2. Vorsorglich weist der Senat zur Vermeidung weiteren Zuständigkeitsstreits auf folgendes hin:

Das Amtsgericht Hamburg dürfte örtlich zuständig sein. Der Nichtigkeitskläger hat diesen besonderen Gerichtsstand der Mitgliedschaft (§ 22 ZPO) von zwei möglichen Gerichtsständen gewählt. Diese ihm obliegende Wahl ist unwiderruflich und bindend (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 35 Rn. 2 m. w. N.). Im Einzelnen:

Nach § 584 Abs. 2 gehört eine Klage gegen einen Vollstreckungsbescheid ausschließlich vor das Gericht, dass für eine Entscheidung im Streitverfahren zuständig gewesen wäre. Örtlich zuständig ist deshalb nicht notwendig das Mahngericht, d. h. das Wohnsitzgericht des Antragstellers (§ 689 Abs. 2 S. 1 ZPO), sondern das Gericht, bei dem der Antragsteller die Forderung hätte einklagen können. Das muss entgegen der Ansicht des Amtsgerichts Hamburg (ebenso wohl Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 63,. Aufl., § 584 Rn. 7) nicht das Gericht sein, das im Mahnantrag nach § 690 Abs. 1 Nr. 5 ZPO bezeichnet worden ist. Vielmehr richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach den §§ 12 ff ZPO (Zöller-Greger, ZPO, 25. Aufl., § 584 Rn. 13). Dem Wiederaufnahmekläger steht es daher frei, bei mehreren Gerichtsständen die Wiederaufnahmeklage in einem Gerichtsstand seiner Wahl zu erheben (Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 584 Rn. 10). Diese Wahl hat der Nichtigkeitskläger hier getroffen. Er hat die Klage nicht beim Amtsgericht Herford, dem Gerichtsstand seines allgemeinen Wohnsitzes (§ 13 ZPO), sondern beim Amtsgericht Hamburg, dem besonderen Gerichtsstand der Mitgliedschaft (§ 22 ZPO), also dem allgemeinen Gerichtsstand der Nichtigkeitsbeklagten (§ 17 ZPO), erhoben.

Gegen diesen Gerichtsstand kann der Nichtigkeitskläger nicht unter Berufung auf das Landgericht Frankfurt (NJW 1977, 538) einwenden, § 22 ZPO sei bei einem überregionalen Massenverein wie einer arbeitsrechtlichen Gewerkschaft nicht anwendbar. Hierbei handelt es sich nur um eine vereinzelt gebliebene Mindermeinung. Der besondere Gerichtsstand der Mitgliedschaft (§ 22 ZPO) gilt aber nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 1980, 343) und der herrschenden Meinung (vgl. Zöller- Vollkommer, a.a.O., § 22 Rn. 2), der sich der Senat anschließt, für alle Vereine.

Der Zuständigkeit des Amtsgerichts Hamburg steht § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht entgegen. Danach ist zwar ein Verweisungsbeschluss für das Gericht, an das die Sache verwiesen wurde, bindend. Abgesehen davon, ob hier ein Verweisungsantrag gestellt worden ist und ob in dem Vermerk des Amtsgerichts Hamburg vom 13.7.2005 (Bl. 14) überhaupt ein Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Hamburg gesehen werden könnte, würde ein solcher jedenfalls keine Bindungswirkung entfalten. Denn er wäre mangels vorheriger Gelegenheit zur Stellungnahme unter Verletzung des Anspruchs der Nichtigkeitsbeklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs zustande gekommen (zur fehlenden Bindungswirkung bei Gehörsverletzungen vgl. Zöller-Greger, a.a.O., § 281 Rn. 17 a m. w. N.).

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