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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 21.04.2008
Aktenzeichen: 2 - 40/07 (REV)
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 33a
StPO § 46 Abs. 1
StPO § 346 Abs. 2
StPO § 356 a
Eine zur Statthaftigkeit der befristeten speziellen Anhörungsrüge nach § 356a StPO statt der unbefristeten allgemeinen Anhörungsrüge nach § 33a StPO führende Revisionsentscheidung" liegt auch dann vor, wenn der Antragsteller geltend macht, das Revisionsgericht habe in einem nach § 346 Abs. 2 StPO ergangenen Beschluss den Anspruch auf rechtliches Gehör bei der Verwerfung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisions(begründungs)frist verletzt.
Hanseatisches Oberlandesgericht 2. Strafsenat Beschluss

2 - 40/07 (REV)

In der Strafsache

hier betreffend Anhörungsrüge im Verfahren über Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist

hat der 2. Strafsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg am 21. April 2008 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Harder den Richter am Oberlandesgericht Dr. Augner die Richterin am Oberlandesgericht Schlage

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Angeklagten auf Nachholung rechtlichen Gehörs hinsichtlich des Senatsbeschlusses vom 4. Februar 2008 wird auf Kosten des Antragstellers verworfen.

Gründe:

I.

Mit Beschluss vom 15. Juni 2007 hat das Landgericht Hamburg die Revision des Angeklagten gegen sein Berufungsurteil vom 23. Januar 2007 als wegen Verspätung der Revisionsbegründung unzulässig verworfen (§ 346 Abs. 1 StPO). Dagegen hat der Angeklagte auf Entscheidung des Revisionsgerichts angetragen und hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist beantragt. Der Senat hat mit Beschluss vom 4. Februar 2008 den Wiedereinsetzungsantrag als unzulässig verworfen, weil nichts zum Wegfall des Hindernisses in der Person des Angeklagten vorgetragen (§ 45 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 StPO) und ein solcher Vortrag nach den Fallumständen nicht ausnahmsweise wegen Offensichtlichkeit des Zeitpunktes entbehrlich war, sowie den Verwerfungsbeschluss des Landgerichts bestätigt, weil der Eingang des Revisionsbegründungsschriftsatzes bei der Gemeinsamen Annahmestelle Hamburger Gerichte wegen Adressierung an das unzuständige Hanseatische Oberlandesgericht die bei dem zuständigen Landgericht wahrzunehmende Frist nicht zu wahren vermochte und der Schriftsatz unter Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang erst nach Fristablauf bei dem Landgericht eingegangen war. Der Angeklagte hat am 18. März 2008 eine Anhörungsrüge "gem. § 33 a StPO" bei dem Hanseatischen Oberlandesgericht angebracht mit der Begründung, der Senat habe unter Verletzung rechtlichen Gehörs ihn nicht zur Frage der Kenntniserlangung von dem verspäteten Eingang der Revisionsbegründung angehört und sich von Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Nichtweiterleitung eines fehladressierten Rechtsmittels im ordentlichen Geschäftsgang entfernt.

II.

Der Antrag auf Nachholung rechtlichen Gehörs ist bereits unzulässig. Es fehlt am in § 356 a S. 3 StPO vorgeschriebenen Vortrag des Angeklagten dazu, wann er im Sinne des § 356 a S. 2 StPO Kenntnis von der behaupteten Verletzung rechtlichen Gehörs erlangt hat.

1. Die Anhörungsrüge ist nach § 356 a StPO statthaft, weil die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bei einer Revisionsentscheidung geltend gemacht wird. Die für das Revisionsverfahren spezielle - befristete - Anhörungsrüge nach § 356 a StPO geht der - unbefristeten - allgemeinen Anhörungsrüge nach § 33 a StPO vor (vgl. OLG Nürnberg in NJW 2007, 1013; Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 33 a Rdn. 1). Entgegen dem Antragsvorbringen gilt dieser Vorrang auch dann, wenn eine Revision im Beschlussverfahren nach § 346 StPO unter Versagung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisions(begründungs)frist verworfen worden ist.

a) Der Anwendungsbereich des § 356 a StPO ist betroffen, wenn im Revisionsverfahren (vgl. Graalmann-Scheerer in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 33 a Rdn. 28; Meyer-Goßner, a.a.O., § 33 a Rdn. 1) das Revisionsgericht (vgl. Wohlers in SK-StPO, § 356 a Rdn. 3) entschieden hat. Ohne Bedeutung bleibt, ob die Revisionsentscheidung durch Urteil (§ 349 Abs. 5 StPO), originären Beschluss (§ 349 Abs. 1 oder 2 StPO) oder Beschluss nach Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts über einen Verwerfungsbeschluss des Tatgerichts gemäß § 346 Abs. 2 StPO (hierzu vgl. OLG Jena in NJW 2008, 534) ergangen ist.

Wortlaut und -sinn ("bei einer Revisionsentscheidung") eröffnen die Anwendung des § 356 a StPO auf jedwede Entscheidung über eine Revision.

Eine solche Reichweite wird durch den Zweck der gegenüber § 33 a StPO spezielleren Regelung des § 356 a StPO bestätigt. Die Befristung des Rechtsbehelfs nach § 356 a S. 2 StPO dient der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden; die Rechtskraft von Revisionsentscheidungen soll durch Anträge des Angeklagten oder des Nebenklägers nicht unbefristet durchbrochen werden können (vgl. BGHR StPO § 356 a Frist 1; Regierungsentwurf eines Anhörungsrügengesetzes in BR-Drs. 663/04, S. 43). Das Interesse an Rechtssicherheit und -frieden ist unabhängig davon betroffen, ob das Revisionsverfahren durch Entscheidungen nach §§ 346 Abs. 2 oder 349 Abs. 1, 2 oder 5 StPO seinen rechtskräftigen Abschluss gefunden hat.

Demgemäß gehen auch die Gesetzesmaterialien von einer unterschiedslosen Anwendung des § 356 a StPO auf Revisionsentscheidungen durch Beschluss oder Urteil aus (vgl. Regierungsentwurf, a.a.O., S. 34, 42). Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers ist der subsidiäre § 33 a StPO "auf Entscheidungen des Revisionsgerichts nicht mehr anwendbar" (Regierungsentwurf, a.a.O., S. 43; siehe auch Entwurf der Koalitionsfraktionen für ein Anhörungsrügengesetz in BT-Drs. 15/3706, S. 18). Die Entwürfe sind insoweit unverändert Gesetz geworden (Art. 2 Nr. 2 Gesetz über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör [Anhörungsrügengesetz] vom 9. Dezember 2004; BGBl I 3220, 3221).

b) Von somit durch § 356 a StPO erfassten Revisionsentscheidungen nach §§ 346 Abs. 2, 349 Abs. 1 StPO, die eine Revision als wegen Fristversäumung unzulässig verwerfen, ist die gleichzeitige Verwerfung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionseinlegungs- oder -begründungsfrist ungeachtet des gesonderten Ausspruches in der Beschlussformel nicht abspaltbar.

aa) Das folgt schon aus dem systematischen Verhältnis von Fristversäumung und Wiedereinsetzungsfrage.

Prüfungsgegenstand nach § 349 Abs. 1 StPO ist die Unzulässigkeit der Revision. An ihr fehlt es, wenn die Frist versäumt ist, aber Wiedereinsetzung gewährt wird. Nicht anders verhält es sich bei einem Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts gemäß § 346 Abs. 2 StPO. Das Revisionsgericht prüft die Zulässigkeit der Revision umfassend in der Weise, als hätte es nach § 349 Abs. 1 StPO über die Zulässigkeit der Revision zu entscheiden (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 349 Rdn. 10); dabei befasst es sich zunächst mit dem Wiedereinsetzungsantrag, weil bei dessen Begründetheit der Antrag nach § 346 Abs. 2 StPO sich erledigt (vgl. Frisch in SK-StPO, § 346 Rdn. 29). Die Prüfung der Fristwahrung als Zulässigkeitsvoraussetzung der Revision ist untrennbar mit der Prüfung eines diesbezüglichen Wiedereinsetzungsantrages verbunden. Durch die Zuständigkeit des Revisionsgerichtes für die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag (§ 46 Abs. 1 StPO), auf Grund derer dem Tatgericht trotz dessen nach § 346 Abs. 1 StPO eingeräumter Verwerfungsbefugnis die Entscheidung über einen Wiedereinsetzungsantrag versagt ist, bleibt gesichert, dass über die Wiedereinsetzung stets das Revisionsgericht befindet, also im Sinne der oben lit. a) entwickelten Grundsätze eine Revisionsentscheidung des Revisionsgerichts ergeht.

Im Übrigen wird die generelle Untrennbarkeit von Wiedereinsetzungs- und Revisionsverwerfungsentscheidung in casu bestätigt durch die vom Angeklagten vorgenommene Verknüpfung. Der Angeklagte hat in erster Linie geltend gemacht, es fehle an einer Fristversäumung; nur hilfsweise hat er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen eine etwaige Versäumung der Revisionsbegründungsfrist beantragt.

bb) Der durch § 356 a S. 2 StPO intendierte Zweck, im Interesse der Rechtssicherheit - der als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips nach Art. 20 Abs. 3 GG (vgl. Hofmann in Schmid-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 11. Aufl., Art. 20 Rdn. 58) hohes Gewicht zukommt - eine Durchbrechung der Rechtskraft von Revisionsentscheidungen nur befristet zu ermöglichen (siehe oben lit. a)), steht einer unbefristeten Aufhebung der Versagung von Wiedereinsetzung in gleicher Weise entgegen wie einer zeitlich beliebigen Aufhebung der Revisionsverwerfung als solcher, die ihren Grund in der Nichtgewährung von Wiedereinsetzung gefunden hat. Belange eines Antragsbefugten, bei Verletzung rechtlichen Gehörs hinsichtlich der Wiedereinsetzungsfrage günstiger als hinsichtlich der übrigen Frage der Zulässigkeit seiner Revision behandelt zu werden, fehlen.

Im Gesetzgebungsverfahren ist eine Zuordnung von Entscheidungen über Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionseinlegungs- oder -begründungsfrist zur allgemeinen Gehörsrüge nach § 33 a StPO statt zur spezifischen Gehörsrüge nach § 356 a StPO nicht erwogen worden (siehe insbesondere BR-Drs. 663/04 und BT-Drs. 15/3706).

2. Entgegen § 356 a S. 3 StPO hat der Angeklagte nicht vorgetragen oder gar glaubhaft gemacht, wann er Kenntnis von der behaupteten Verletzung rechtlichen Gehörs erlangt hat.

Ein solcher Vortrag ist hier auch nicht ausnahmsweise entbehrlich, weil sich nach zutage liegenden Umständen die Wahrung der in § 356 a S. 2 StPO bestimmten Wochenfrist für die Antragstellung von selbst verstünde. Ausfertigungen des beanstandeten Revisionsbeschlusses vom 4. Februar 2008 sind am 11. Februar 2008 durch die Geschäftsstelle an den Angeklagten (und an den Verteidiger) abgesandt worden. Die mit dem 17. März 2008 datierte Anhörungsrüge ist ausweislich des Eingangsstempels am 18. März 2008 eingegangen. Damit kann die Kenntniserlangung bei dem Angeklagten mehr als eine Woche vor Erhebung der Anhörungsrüge eingetreten sein.

III.

Die Kostenentscheidung entspricht § 465 StPO (vgl. OLG Köln in NStZ 2006, 181; Meyer-Goßner, a.a.O., § 356 a Rdn. 9 m.w.N.).

Ende der Entscheidung

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