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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 04.03.2003
Aktenzeichen: 2 Wx 102/99
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 1004
WEG § 3
WEG § 5
WEG § 14
WEG § 14 Nr. 1
WEG § 22 Abs. 1
WEG § 22
WEG § 47
WEG § 47 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT Beschluß

2 Wx 102/99

In der Wohnungseigentumssache

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 2. Zivilsenat, am 4. März 2003 durch die Richter Dr. Lassen, Stöger, Meyn

beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Landgerichtes Hamburg, Zivilkammer 18, vom 7.7.1999 wird zurückgewiesen.

2. Die Antragsteller tragen die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Der Geschäftswert wird auf 1022,58 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller ist statthaft und zulässig, insbesondere frist- und formgerecht eingelegt (§§ 45 Abs. 1, 43 Abs. 1 Ziffer 1 WEG, 22, 29 Abs. 1, 21 Abs. 2 Satz 2 FGG), sachlich aber unbegründet.

Die Beteiligten sind Miteigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft ...........in Hamburg-Harburg, die auf einer Teilungserklärung vom 26.1.1990 beruht. Im 1. Obergeschoß des Hauses Nr. 57 befindet sich die im Eigentum der Antragsteller stehende Wohnung. Die Antragsgegner sind Eigentümer der schräg darunter liegenden Erdgeschoßwohnung.

Die Antragsteller verlangen von den Antragsgegnern die Beseitigung eines bepflanzten Gartenzaunes nebst Torbogen, den die Antragsgegner Anfang 1998 auf der an die Erdgeschoßwohnung angrenzenden Terrasse errichtet haben. Bereits im Jahre 1974 hatten die damaligen Mieter die zu den Erdgeschoßwohnungen gehörenden Balkone mit Genehmigung der damaligen Hauseigentümerin entfernt und Terrassen angelegt. Bei der 1990 erfolgten Aufteilung des Wohnungseigentumes gemäß der genannten Teilungserklärung ist die Umgestaltung der Balkone, die gemäß § 5k der Teilungserklärung dem Wohnungseigentum zugewiesen wurden, in Terrassen nicht berücksichtigt worden.

Das Amtsgericht hat nach Augenscheinseinnahme mit Beschluss vom 17.11.1998 die Antragsgegner zur Beseitigung des Gartenzaunes nebst Torbogen mit der Begründung verpflichtet, dass den Antragstellern aufgrund der Baumaßnahme ein über das bei einem geordneten Zusammenleben unverzichtbares Maß hinausgehender Nachteil erwachsen würde. Die durchgeführte bauliche Veränderung führe zu einer nicht ganz unerheblichen Beeinträchtigung des optischen Gesamteindruckes der Wohnanlage. Hinzu komme, dass bei einer Zulässigkeit dieser baulichen Veränderung auch den anderen Wohnungseigentümern im Erdgeschoß das Anbringen eines Zaunes gestattet werden müsste, was in Anbetracht der relativ kleinen Terrassenflächen zu einer erheblichen Verschlechterung des optischen Gesamtbildes der Gartenflächen führen würde. # Das Landgericht hat mit Beschluss vom 7.7.1999 den Beschluss des Amtsgerichtes geändert und den Antrag zurückgewiesen. Aufgrund einer durch die beauftragte Richterin durchgeführten erneuten Augenscheinseinnahme hat das Landgericht festgestellt, dass die von den Antragsgegnern vorgenommene bauliche Veränderung gemäß § 22 WEG die Miteigentümer -insbesondere auch die Antragstellernicht über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigen würde. Ein entsprechender Nachteil könne bei einer Veränderung des optischen Gesamteindruckes nur dann entstehen, wenn er sich objektiv nachteilig auswirke. Die Augenscheinseinnahme habe ergeben, dass der Zaun und der Torbogen, die zu einem überwiegenden Teil mit Bepflanzungen umrankt bzw. umgeben seien, vom Garten aus praktisch nicht wahrzunehmen seien. Vom Balkon der Antragsteller seien Zaun und Torbogen zwar zu sehen, zum großen Teil jedoch von Pflanzen verdeckt oder durchwachsen, so dass sich die bauliche Veränderung auf den Gesamteindruck der Anlage nicht nachteilig auswirke. Auch der Teilungseffekt werde im Hinblick auf die vorherige Bepflanzung nicht verstärkt, so dass sich ein Wohnungseigentümer in entsprechender Lage verständlicher weise nicht beeinträchtigt fühlen dürfe. Andere Rechtsbeeinträchtigungen seien nicht ersichtlich.

Die Antragsteller haben zur Begründung ihrer sofortigen weiteren Beschwerde vorgetragen, dass sich nach ihrer Ansicht entgegen der Auffassung des Landgerichtes die von den Antragsgegnern hergestellte Änderung des optischen Gesamteindruckes -insbesondere von ihrer Wohnung aus betrachtet- objektiv nachteilig auswirke. Der Teilungseffekt werde durch den errichteten opulenten Zaun nebst Torbogen, der vom Balkon der Antragsteller aus gesehen nur im geringfügigen Umfang mit Pflanzen bewachsen sei, verstärkt bzw. geradezu erst hervorgerufen. Zudem sei bisher nicht berücksichtigt worden, dass die Bepflanzungen und Umrankungen jederzeit entfernt werden könnten. Die divergierenden Entscheidungen der Vorinstanzen würden belegen, dass die Bewertung der baulichen Veränderungen tatsächlich einer objektiven Beurteilung entzogen sei. Die Bewertung der Baumaßnahmen könne deshalb ausschließlich der Entscheidungskompetenz der Eigentümergemeinschaft überlassen werden. Zwangsläufige Folge der Zulassung der vorgenommenen baulichen Maßnahmen sei schließlich, dass auch andere Miteigentümer sich zur Erstellung von Einfriedungen nach ihren geschmacklichen Vorstellungen animiert sehen würden.

Die Antragsgegner folgen der Argumentation des landgerichtlichen Beschlusses und haben darauf hingewiesen, dass es nach ihrer Ansicht bei der Beurteilung der Veränderung des optischen Gesamteindruckes durch die baulichen Maßnahmen auf eine objektive Wirkung, nicht jedoch auf die ästhetischen Gefühle der Antragsteller ankomme.

II.

Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei die erstinstanzliche Entscheidung geändert. Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einem Rechtsfehler, auf den hin die Prüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht beschränkt ist (§§ 27 FGG, 550 ZPO a.F.).

Ohne Rechtsverstoß hat das Landgericht einen Beseitigungsanspruch der Antragsteller aus §§ 1004 BGB i.V.m. §§ 22 Abs. 1 Satz 2, 14 Nr. 1 WEG verneint.

1)

Nach der zutreffenden Würdigung der Vorinstanzen haben die Antragsgegner ein Sondereigentum gemäß §§ 3 und 5 WEG an der Terrassenfläche schon deshalb nicht begründet, da an vertikal nicht abgegrenzten Räumen kein Sondereigentum begründet werden kann (vgl. Bärmann-Pick, 8. Aufl., § 5 Rdnr. 51 m.w.N.). Auf den unstreitig fehlerhaften Aufteilungsplan kommt es daher für die Entscheidung des Verfahrens nicht an. Weiterhin musste auch nicht abschließend darüber Terrassenfläche zusteht, da sich die Zulässigkeit der durchgeführten baulichen Veränderungen auch in diesem Fall nach den §§ 22 Abs. 1 und 14 Nr. 1 WEG richtet. Ein Sondernutzungsrecht würde den Antragsgegnern allenfalls ein Recht auf intensivere, nicht aber schrankenlose Nutzung dieses Teiles des gemeinschaftlichen Eigentumes einräumen.

2)

Bei der Errichtung eines Zaunes nebst Torbogen handelt es sich entsprechend der Wertung der Vorinstanzen um eine bauliche Veränderung gemäß § 22 WEG. Eine bauliche Veränderung ist nämlich jede dauerhafte Umgestaltung des Gemeinschaftseigentums, die vom Aufteilungsplan oder früherem Zustand des Grundstückes abweicht und über eine ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung hinausgeht (vgl. vgl. Bärmann-Merle, 8. Aufl., § 22 Rdnr. 6, BayObLG, NJW RR 2002, 445,446). Die von den Antragsgegnern vorgenommenen Veränderungen des Gemeinschaftseigentumes durch die Errichtung eines Zaunes gehen weit über einen bloßen Gebrauch oder eine Instandhaltung hinaus und betreffen die Substanz des gemeinschaftlichen Eigentums (vgl. Bärmann-Merle, 8. Aufl., § 22 Rdnr. 97 m.w.N.). Grundsätzlich bedurfte diese bauliche Veränderung der Zustimmung aller Wohnungseigentümer (vgl. BGHZ 73, 196).

3)

Die Zustimmung eines Wohnungseigentümers zu baulichen Veränderungen, die über die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung hinausgehen, ist jedoch nicht erforderlich, wenn durch die Veränderung dessen Rechte nicht über das in § 14 bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden (§ 22 Abs. 1 WEG). Maßgebend ist danach, ob dem Wohnungseigentümer durch die Maßnahme in vermeidbarer Weise ein Nachteil erwächst. Unter einem Nachteil im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG ist jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung zu verstehen (vgl. BGHZ 116, 392 (396) und 146, 241 (246)). Rechtsfehlerfrei ist das Landgericht davon ausgegangen, dass nur konkrete und objektive Beeinträchtigungen als ein solcher Nachteil gelten. Entscheidend ist insoweit, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der entsprechenden Lage beeinträchtigt fühlen kann. Eine nur subjektiv als störend empfundene Veränderung genügt nicht (vgl. BGH NJW 1212, 1213 m.w.N., OLG Hamburg, Beschluss vom 20.8.2001, 2 Wx 56/01). Die Eigenmächtigkeit eines Wohnungseigentümers als solche ist hiernach nicht sanktioniert, wenn die Schwelle zu einem Nachteil nicht überschritten wird.

Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei und damit für das Rechtsbescherdegericht bindend (§§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, 561 Abs. 2 ZPO a.F.) begründet, dass die durch die Antragsgegner vorgenommene optische Veränderung durch die durchgeführten baulichen Maßnahmen sich nicht objektiv nachteilig auf das optische Bild des Gebäudes auswirkt. Hierbei handelt es sich weitgehend um eine Tatsachenfeststellung des Tatsachengerichtes, die das Rechtsbeschwerdegericht nicht auf ihre sachliche Richtigkeit, sondern nur darauf überprüfen kann, ob das Ergebnis auf einem Rechtsfehler beruht. Ein Rechtsfehler würde nur dann vorliegen, wenn ein Rechtsbegriff verkannt wurde, die tatsächlichen Verhältnisse nicht richtig ermittelt wurden, die Beweiswürdigung den Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen zu wider läuft, in sich widersprüchlich ist oder Teile des Beweisergebnisses unberücksichtigt lässt (vgl. BayObLG WuM 1992, 563, 564). An verfahrens- und rechtsfehlerfrei gefundene Feststellungen und Würdigungen ist das Rechtsbeschwerdegericht gebunden. Solange die vom Tatrichter in Würdigung der Beweismittel gezogene Schlussfolgerung möglich ist, ist sie in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht mit Erfolg angreifbar. Insbesondere kann nicht geltend gemacht werden, dass eine andere Schlussfolgerung ebenso nahe oder näher liege (BayObLG WE 1995, 342).

Das Landgericht hat unter Beachtung dieser Grundlagen nach Augenscheinseinnahme rechtsfehlerfrei geprüft und gewürdigt, dass der Holzzaun und der Torbogen vom Garten aus praktisch überhaupt nicht zu sehen sind. Vor allem hat das Landgericht aber frei von Verfahrensfehlern auch aus der Sicht eines objektiven Wohnungseigentümers vom Balkon der Wohnung der Antragsteller aus festgestellt, dass die baulichen Veränderungen zum großen Teil von Pflanzen verdeckt oder durchwachsen sind und der Teilungseffekt durch die baulichen Veränderungen nicht verstärkt wird, da dieser durch die vorher vorhandene Bepflanzung -wie sich auch an der Bepflanzung der Nachbarterrassen zeigtmindestens im gleichen Maße gegeben gewesen ist.

Hiernach ist die Bewertung des Landgerichtes, dass sich die bauliche Veränderung (insgesamt) nicht nachteilig auf den Gesamteindruck der Wohnungseigentumsanlage auswirkt, zumindest als Schlussfolgerung möglich und damit in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht zu beanstanden.

4)

Zwar hat das Landgericht sich mit dem vom Amtsgericht gewürdigten und von den Antragstellern in der Rechtsbeschwerdeinstanz aufgegriffenen Argument der Gefahr der Nachahmung der baulichen Veränderungen durch andere Wohnungseigentümer in den Entscheidungsgründen nicht auseinandergesetzt. Dies führt aber nicht zu einem Rechtsfehler, da die Gefahr der Nachahmung nicht ausgeschlossen werden muss. Maßgeblich für die in Rede stehende Veränderung ist der aktuelle Zustand, nicht eine noch mögliche zukünftige Umgestaltung. Zukünftige Veränderungen werden nur dann berücksichtigt, wenn sie zwangsläufig mit der konkreten Umgestaltung verbunden sind (vgl. Bärmann-Merle, 8. Aufl., § 22 Rdnr. 117). Dies gilt im Übrigen auch für den Vortrag der Antragsteller, dass die Antragsgegner die Bepflanzung des Zaunes entfernen könnten. Im Ergebnis muss daher hingenommen werden, dass jede eigenmächtige Veränderung von den Gerichten gesondert daraufhin zu untersuchen ist, ob sie einen Nachteil im oben beschriebenen Sinn darstellt (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 20.8.2001, 2 Wx 56/01).

Nach alledem erwächst den Antragstellern durch die baulichen Maßnahmen kein erheblicher Nachteil, so dass unabhängig von der grundsätzlichen Entscheidungskompetenz der Eigentumsgemeinschaft auch ein Beseitigungsanspruch (§ 1004 BGB) nicht besteht.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG.

Es entspricht der Billigkeit, den im Rechtsbeschwerdeverfahren unterliegenden Antragstellern die Gerichtskosten aufzuerlegen (§ 47 Abs. 1 WEG). Die Erstattung außergerichtlicher Kosten war entsprechend der Grundregel des § 47 Abs. 2 WEG nicht anzuordnen, da es sich um eine nicht untypische Streitigkeit zwischen Wohnungseigentümern handelt.

IV.

Den Geschäftswert hat der Senat in Übereinstimmung mit der von den Beteiligten nicht angegriffenen Entscheidung der Vorinstanz (2000,- DM) mit 1022,58 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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