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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 09.07.2003
Aktenzeichen: 2 Wx 134/99
Rechtsgebiete: WEG, FGG


Vorschriften:

WEG § 20
WEG § 28 Abs. 5
WEG § 29
WEG § 43 Abs. 1 S. 1
WEG § 45 Abs. 1
WEG § 47
WEG § 48 Abs. 3
FGG § 27
FGG § 29
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT Beschluß

2 Wx 134/99

In der Wohnungseigentumssache

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 2. Zivilsenat, am 9. Juli 2003 durch die Richter

Dr. Lassen, Puls, Meyn

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 18, vom 13. Oktober 1999 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegner haben die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Sie haben der Antragstellerin die dieser im Verfahren vor dem Oberlandesgericht entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird 16.703,52 DM, entsprechend 8.540,37 €, festgesetzt.

Gründe:

Das gem. §§ 45 Abs. 1, 43 Abs. 1 S. 1 WEG, 27, 29 FGG statthafte und prozessordnungsgemäß eingelegte Rechtsmittel der Antragsgegner hat keinen Erfolg, denn es ist unbegründet. Eine Verletzung des Gesetzes, auf die allein hin das Rechtsbeschwerdegericht die angefochtene Entscheidung überprüfen darf (§ 27 FGG), liegt nicht vor.

Mit Recht hat das Landgericht - wie zuvor das Amtsgericht im Beschluss vom 24. März 1999 - die Antragsgegner für zur Zahlung von Wohngeld und Sonderumlagen in Höhe von insgesamt 16.703,52 DM verpflichtet gehalten, weil die Antragsgegner die den Forderungen zugrunde liegenden Beschlüsse, die in verschiedenen Wohnungseigentümerversammlungen gefasst worden sind, im Einzelnen aufgeführt h der Antragsschrift vom 08.01.1999, nicht angefochten haben und eine Nichtigkeit der bestandskräftig gewordenen Beschlüsse nicht vorliegt. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird auf den Beschluss des Landgerichts vom 13. Oktober 1999 verwiesen.

Die dagegen gerichteten Angriffe der Antragsgegner mit dem Ziel, den Zahlungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen, sind rechtlich nicht durchgreifend.

Soweit die Antragsgegner sich auf die Nichtigkeit der in Rede stehenden Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung mit der Begründung berufen, dass anstelle des nach § 14 Abs. 7 S. 2 i.V.m. § 15 Abs. 1 der Teilungserklärung für die Verabschiedung der vom Verwalter aufgestellten Wirtschaftspläne und Jahresabrechnungen zuständigen Verwaltungsbeirats die Wohnungseigentümerversammlung die Beschlüsse mehrheitlich gefasst hat, können sie mit ihrer Rechtsansicht nicht durchdringen.

Dahinstehen kann, ob die in der Teilungserklärung geregelte Beschlusskompetenz des Verwaltungsbeirats zulässig ist, obwohl § 28 Abs. 5 WEG die Beschlussfassung der Wohnungseigentümer durch Stimmenmehrheit vorsieht; immerhin führt die vom Wohnungseigentumsgesetz insoweit abweichende Teilungserklärung mit der Verlagerung der Beschlusskompetenz von der Wohnungseigentümerversammlung auf den Verwaltungsbeirat zu einer erheblichen Einschränkung der Selbstverwaltungsbefugnisse der Wohnungseigentümer. Die von der Teilungserklärung nicht gedeckte Verfahrensweise der Wohnungseigentümerversammlung führt im Streitfall jedoch nicht zur Nichtigkeit, sondern nur zur Anfechtbarkeit der von den Wohnungseigentümern gefassten Beschlüsse, denn dadurch, dass der nach der Teilungserklärung zuständige Verwaltungsbeirat die Beschlussfassung durch die Wohnungseigentümerversammlung zuläßt, wie auch die widerspruchslose Mitunterzeichnung der Protokolle über die Wohnungseigentümerversammlungen durch Beiratsmitglieder zeigt, wird die der Wohnungseigentümversammlung in § 28 Abs. 5 WEG vom Gesetzgeber zugewiesene Beschlusskompetenz wiederhergestellt. Dem Willen der Wohnungseigentümerversammlung kommt gegenüber dem Willen des Verwaltungsbeirats grundsätzlich ein höherer Stellenwert zu, wie sich schon daraus ergibt, dass Beschlüsse der Wohnungseigentümer der befristeten Anfechtung bedürfen, wenn sich ein Wohnungseigentümer auf die Ungültigkeit berufen will, während für Beschlüsse des Verwaltungsbeirats eine Anfechtung nicht vorgesehen ist, sondern Klarheit über die Gültigkeit von Beschlüssen dieses Gremiums allenfalls durch ein nicht befristetes Feststellungsbegehren herbeigeführt werden kann. Die herausragende Stellung der Wohnungseigentümerversammlung zeigt sich auch dadurch, dass die Wohnungseigentümerversammlung wieder zuständig wird, wenn ein Verwaltungsbeirat die Wahrnehmung der ihm übertragenen Aufgaben verweigert oder sich keine Wohnungseigentümer bereitfinden, die Aufgaben des Verwaltungsbeirats zu übernehmen.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20. September 2000 (NJW 2000, 3500 = FGPrax 2000, 222), wonach ein von einer Wohnungseigentümerversammlung trotz absoluter Beschlussunzuständigkeit gefasster Beschluss nichtig ist, ändert an der bloßen Anfechtbarkeit der in Rede stehenden Beschlüsse nichts. Mit ihren Beschlüssen haben die Wohnungseigentümer nicht generell die Teilungserklärung bezüglich der Beschlusskompetenz des Verwaltungsbeirats geändert im Sinne von vereinbarungsersetzenden Beschlüssen, vielmehr haben sie nur der Teilungserklärung widersprechende Beschlüsse in Einzelfällen gefasst, die keine Dauerwirkung entfalten, und zwar über Gsgenstände, die nach dem Wohnungseigentumsgesetz ausdrücklich der Beschlussfassung der Wohnungseigentümer zugänglich sind, während dem Verwaltungsbeirat in §§ 29 und 20 WEG diese Beschlusskompetenz bei Jahresabrechnungen und Wirtschaftsplänen nicht eingeräumt ist. Die unrichtige Rechtsanwendung im Einzelfall durch Beschluss entspricht dem satzungswidrigen Beschluss im Gesellschaftsrecht und hat zur Folge, dass ein solcher Beschluss bestandskräftig wird, falls er nicht fristgerecht angefochten und für unwirksam erklärt worden ist (Beiz FGPrax 2001, 14 f. in der Anm. zur Entscheidung des BGH vom 20.09.2000; desgleichen Anm. von Rapp DNotZ 2000, 864 ff, 866 unter 3 a)).

Die Auffassung der Antragsgegner, die Rechtsfolgen der bloßen Anfechtbarkeit und bei Nichtanfechtung die Bestandskraft von Beschlüssen, die nach der Teilungserklärung vom unzuständigen Beschlussorgan gefasst worden sind, trügen dem Gesichtspunkt der Publizität des Wohnungseigentums-Grundbuchs und dem daran anknüpfenden Vertrauensschutz nicht hinreichend Rechnung, vielmehr löse die Praxis der Wohnungseigentümerversammlung in den Streitfällen einen Kompentenzwirrwarr und Orientierungslosigkeit aus, weshalb die von der Wohnungseigentümerversammlung anstelle des Verwaltungsbeirats gefassten Beschlüsse als nichtig zu beurteilen seien, greift nicht durch. Die Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung lassen nämlich das Wohnungseigentum der Antragsgegner unberührt und binden die Antragsgegner mangels Anfechtung nur für die beschlossenen Einzelfälle, ohne dass ein Kompetenzwirrwarr zu befürchten wäre, da konkurrierende Beschlüsse über identische Regelungsgegenstände nicht durch beide Entscheidungsgremien, die Wohnungseigentümerversammlung und den Verwaltungsbeirat, gefasst worden sind. Zwar durften die Antragsgegner als Erwerber von Teileigentum, das inzwischen in Wohnungseigentum umgewandelt worden ist, darauf vertrauen, dass sich der Umfang ihrer Verpflichtungen aus der Teilungserklärung als im Grundbuch eingetragener Inhalt ihres Eigentums ergibt, aber die hier in Rede stehenden Beschlüsse ab 17. April 1997 sind erst gefasst worden, als sie bereits als Erwerber in das Grundbuch eingetragen waren (08.02.1995). Besondere Umstände, deretwegen es der Wohnungseigentümergemeinschaft nach Treu und Glauben verwehrt sein könnte, sich auf die in Rede stehenden bestandskräftigen Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung zu berufen, - etwa weil die Wohnungseigentümergemeinschaft einer von den Antragsgegnern zum Ausdruck gebrachte Überzeugung, sie bindende Beschlüsse über Jahresabrechnungen und Sonderumlagen würden erst noch durch den Verwaltungsbeirat gefasst, nicht entgegengetreten ist -, sind nicht vorgetragen.

Die weiteren Angriffe der Rechtsbeschwerde mit dem Ziel, die in Rede stehenden Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft als nichtig und damit als Grundlage für die Zahlungsforderung der Antragstellerin ungeeignet beurteilen zu lassen, sind ebenfalls erfolglos.

Hinsichtlich der Wohngeldabrechnung für 1997 auf der Grundlage des Beschlusses vom 17. April 1997 haben die Antragsgegner in der Rechtsbeschwerdeinstanz ihre in zweiter Instanz vorgetragenen Beanstandungen zur Einbeziehung von Rückständen, zur Einberufung der Wohnungseigentümerversammlung und zur Zahlungspflicht bezüglich der Umlagen nicht weiterverfolgt. Die diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts, auf die verwiesen wird, lassen Rechtsfehler nicht erkennen; auch die Antragsgegner tragen solche nicht vor. Entsprechendes gilt bezüglich der mit Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 2. September 1998 zu TOP 7 beschlossenen Sonderumlagen.

Auch die weitere Einwendung der Antragsgegner, die Beschlüsse der Wohnungseigentümer, sie zu den verbrauchsunabhängigen Aufwendungen für ihr Wohnungseigentum heranzuziehen, verstießen gegen Treu und Glauben, weil sie, die Antragsgegner, ihr Teileigentum mangels Unterstützung der Wohnungseigentümergemeinschaft bei der Räumung der zum Ausbau zu Wohnzwecken vorgesehenen Dachbodenflächen nicht nutzen könnten, ist unbegründet, denn de diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Beschluss, auf die verwiesen wird, sind nicht rechtsfehlerhaft. Zudem haben die Antragsgegner ihr Wohnungseigentum in Kenntnis der Nutzung der auszubauenden Bodenräume zu Abstellzwecken durch die Mieter der Wohnungen erworben und es obliegt den Antragsgegnern, die ihnen zustehenden Rechte notfalls gerichtlich geltend zu machen. Auch ein Zurückbehaltungsrecht steht den Antragsgegnern gegen die gesamte Wohnungseigentümergemeinschaft nicht zu; ein solches Zurückbehaltungsrecht könnte den Zahlungsansprüchen der Antragstellerin ohnehin nicht entgegengehalten werden.

Schließlich berufen sich die Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin ohne Erfolg auf die Verwirkung der hier geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung rückständigen Hausgelds und von Sonderumlagen, soweit die Jahre 1992 bis 1994 betroffen sind, mit der Begründung, die Antragstellerin als Verwalterin der Eigentumswohnanlage habe die Forderung über mehrere Jahre nicht geltend gemacht. Ein bloß längerer Zeitablauf seit Entstehung der Forderung bis zur gerichtlichen Geltendmachung bewirkt die Treuwidrigkeit des Vorgehens nicht, vielmehr müssen weitere Umstände hinzutreten, die die Inanspruchnahme des Schuldners als gegen Treu und Glauben verstoßend erscheinen lassen. An solchen Umständen fehlt es hier, denn die Antragstellerin stützt ihre Forderung auf bestandskräftig gewordene Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung und die gerichtliche Geltendmachung ist zeitnah erfolgt, ohne dass die Antragstellerin zuvor je den Eindruck erweckt hätte, dass sie die Antragsgegner nicht in Anspruch nehmen werde. Aus der von den Antragsgegnern mit Schriftsatz vom 27. Mai 2002 eingereichten Entscheidung des 10. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg können die Antragsgegner nichts zu ihren Gunsten herleiten. In jenem Fall hatte die Wohnungseigentümergemeinschaft über ihre vermeintlichen Ansprüche gegen einen bereits vor 7 Jahren aus der Wohnungseigentümergemeinschaft ausgeschiedenen Wohnungseigentümer entgegen einem gerichtlichen Hinweis mehrere Jahre lang keinen erforderlichen bestandskräftigen Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft herbeigeführt, so dass der schließlich verklagte Wohnungseigentümer den Eindruck hatte gewinnen dürfen, die Wohnungseigentümergemeinschaft werde nicht mehr gegen ihn vorgehen. Diesen Eindruck konnten die Antragsgegner aufgrund der erst nach ihrer Eintragung ins Wohnungseigentumsgrundbuch erfolgten Beschlussfassungen, aus denen sich die hier geltend gemachten Zahlungsansprüche ergeben, nicht gewinnen, da ihnen mit der Einzelabrechnung für 1997 auch der Saldo über die Wohngeldrückstände mitgeteilt worden war, für die sie gem. § 14 Abs. 6 S. 3 der Teilungserklärung als Erwerber der Wohnung gesamtschuldnerisch mit dem Voreigentümer haften.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG; wegen der Begründung wird auf die Argumente zur Kostenregelung im angefochtenen Beschluss verwiesen, denn diese gelten auch für die Kosten, die im Rechtsbeschwerdeverfahren entstanden sind.

Die Festsetzung des Geschäftswerts folgt aus § 48 Abs. 3 WEG.

Ende der Entscheidung

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